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Alec:

Ich gebe zu, dass ich etwas nervös war, als ich vor Daves Wohnhaus stand und auf die Klingel drückte. Heute war der letzte Tag vor meiner Abreise. Den Vormittag hatte ich mit meiner Familie verbracht, wir hatten zusammen gegessen und jetzt stand ich hier und wippte nervös vor und zurück.

Als das Sirren der Tür ertönte, drückte ich sie auf und ging die drei Stockwerke bis zu Daves Wohnung hoch. Er stand dort schon und erwartete mich mit einem Lächeln. Auch Tucker war da, er musste mich wohl wieder abtasten. Diesmal war das irgendwie ein größeres Ding für mich als letztes Mal. Nach allem, was mit Dean passiert war...

„Du kennst ihn doch jetzt schon...", versuchte Dave Tucker davon zu überzeugen, dass die Kontrolle nicht nötig war.

„Ich muss hier auch nur meine Pflicht tun", schnaubte dieser, guckte vor allem in meinen Jacken- und Hosentaschen und in den Socken, ehe er das Packet musterte, das ich in der Hand hielt.

„Ein Geschenk für meinen Freund", erklärte ich.

Er sah an der großen, flachen quadratischen Form, dass das gar keine Drogen sein konnten, also erlaube er mir, einzutreten, ohne die Verpackung abmachen zu müssen.

Sobald Tucker weg war, ich meine Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, wollte ich Dave richtig begrüßen, aber er hatte wohl anderes im Singen, denn er zeigte auf Das Geschenk und wirkte dabei ganz hibbelig. „Was ist das? Ist das echt für mich? Darf ich es auspacken?"

Leicht musste ich lachen. „Du benimmst dich wie Amy"

„Hei, ich freue mich halt, dass mein Freund an mich denkt" Er zog einen Schmollmund.

Ich dagegen hob die Augenbrauen und schaute ihn so kritisch an. „Ja, das würde mich auch freuen. Aber mein Freund denkt nicht mal dran, mich angemessen zu begrüßen... Also hat er das Geschenk auch nicht verdient"

„Nein nein nein!", sagte Dave eilig, legte schnell die Arme um mich und presste seinen Mund auf meinen.

„Der war schlecht" Ich schaute meinen Freund unzufrieden an.

Er mich gespielt traurig.

„Versuchs nochmal", schlug ich ihm vor.

Er nahm die Herausforderung an und küsste mich etwas sanfter und intensiver, sodass ich zufrieden seufzte.

„Besser?"

„Nicht wirklich" Das war schamlos gelogen, aber es musste sein. „Versuchs nochmal", wiederholte ich mich.

Er durchschaute mein Spielchen und küsste mich grinsend, drückte mich dabei an die Tür in meinem Rücken und zeigte mir, wie er mich alleine durch seine Lippen vergessen lassen konnte, wer ich überhaupt war.

„Und jetzt?", grinste er danach in dem Wissen, dass er meinen Verstand einfach abgeschalten hatte.

„Mh, was? Worum gings nochmal?" Noch leicht verträumt schaute ich ihm in die dunklen Augen, die in letzter Zeit unglaublich zu strahlen schienen.

„Mein Geschenk" Mit diesen Worten riss er es mir aus der Hand und flüchtete vor mir in die Richtung seines Zimmers.

Einen Moment schaute ich ihm noch überfordert hinterher, aber dann rannte ich ihm nach.

Er war tatsächlich in sein Zimmer gegangen und stand dort, mit dem Rücken zu mir.

Ich schlich mich von hinten an ihn heran, schmiegte mich an seinen breiten Rücken, legte die Arme um ihn und konnte gerade noch so über seine Schulter sehen, dass er das Bild in der Hand hielt und ungläubig darauf schaute.

Er nahm sich lange Zeit, das Bild zu mustern, was auch gut so war, denn er sollte ja jedes der vielen Details erfassen können.

„Bärchen", hauchte er ungläubig, ließ das Bild sinken und drehte sich.

Ich ließ ihn ein bisschen los, nur so viel, dass er sich in meinen Armen drehen konnte.

„Gefällt es dir?" Leicht unsicher schaute ich zu ihm hoch.

„Bist du irre?" Er schaute mich verständnislos an. „Das ist der Wahnsinn!" Er legte er Arme um meinen Nacken und küsste mich.

Nicht so benebelnd wie vorhin, nicht so leidenschaftlich, aber dafür irgendwie mit mehr Aussagekraft. So als wolle er sagen, was seine Augen in jedem seiner Blicke nach außen trugen: Ich liebe dich.

Glücklich und auch sehr erleichtert erwiderte ich seine Küsse und drückte ihn dabei an mich.

„Danke, Alec, es ist wirklich schön... Aber genau deshalb muss ich nachfragen. Das hast schon du gemalt? Oder hast du Picasso dafür wiederbelebt?" Er tat so, als würde er das völlig ernst meinen.

Ich lachte. „Ach du Spinner."

Er grinste nur und gab mir auf jeweils eine meiner strak geröteten Wangen einen Kuss.

„Du solltest öfter für Monate verschwinden, wenn du mir dann davor so tolle Geschenke machst"

„Ehrlich?" Ungläubig schaute ich ihn an.

„Nein"

Ich lachte wegen seiner Widerrufung und ließ dann von ihm ab, damit wir einen Platz für das Bild aussuchen konnten. Ich hatte ihm ja vorgeschlagen, es in den Schrank zu hängen, sodass er es angucken konnte, wenn er ihn aufmachte, aber er meinte, er wollte es dort haben, wo jeder, der sein Zimmer betrat, es sehen konnte.

„Weißt du, in zwei Monaten bin ich hier eh raus. Wenn ich eine eigene Wohnung habe, dann bekommt das Bild einen Ehrenplatz und den darfst du dir dann aussuchen"

„Weißt du schon, was du dann machst? Also eine Wohnung finden, du hast es ja immerhin nicht wirklich dicke..."

„Bis dahin schon", meinte er sorglos, lief im Zimmer herum und hob das Bild an so gut wie jede Stelle der Wände, um zu sehen, wo es am besten aussah.

„Ich würde es neben das Fenster hängen... Die Rottöne vom Bild und der vom Vorhang harmonieren bestimmt ganz gut", schlug ich Dave vor. „Oder an die gegenüberliegende Wand..."

„Das ist eine super Idee!"

Schmunzelnd beobachtete ich, wie er die Wand gegenüber vom Fenster von ein paar Bilden befreite, um meine Malerei aufzuhängen.

„Um nochmal auf das Geld zurückzukommen", meinte ich, während ich mich auf sein Bett setzte. „Du hast doch nicht vor, eine Bank auszurauben?"

„Nein", lachte Dave. „Aber bis dahin darf ich das Haus verkaufen und ich hab auch schon einen Interessenten, dessen Angebot echt gut klingt..."

„Wieso darfst?"

Als Dave sich, nachdem er das Bild angebracht hatte und die, die er dafür hatte wegnehmen müssen, auf seinen Schreibtisch gestellt hatte, zu mir aufs Bett legte, nahm ich sofort seine Hand und spielte ein bisschen damit herum, während er antwortete.

„Damals, als ich mit der Überdosis im Krankenhaus war, mussten die die Polizei informieren. Ich war da schon bekannt wegen Einbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung und die wollten mich verknacken, aber ich habe einen Deal mit denen gemacht, zu dem dazu gehört, dass ich gegen meinen Dealer und seinen Boss aussage und natürlich clean werde... Nächsten Monat kann ich das Kapitel abschließen, wenn ich alles, was ich noch an Drogen habe, als Beweismittel abgebe. Und meine Aussagen haben sie alle schon..."

„Au hast noch was von dem Stoff?", schockiert schaute ich ihn an.

Er nickte zögerlich. „In einem Versteck... Nicht, um es zu nehmen, nur als Druckmittel für meinen Dealer und Beweise für die Polizei..."

„Mir ist das nie bewusst gewesen", gestand ich leicht schockiert und legte den Kopf auf seine Schulter.

Er gab mir einen Kuss darauf und strich mit der Hand über meinen Unterarm der Hand, die seine hielt, während meine andere daran herumspielte.

„Sei froh, dass du mit alle dem nichts zu tun hast... Ein Grund, warum ich ausgerechnet in diese WG bin, ist nicht nur, weil Amy und du hier seid, sondern auch, weil es so weit weg ist von dem Einflussbereich meiner Dealer. Das sind gefährliche Leute... Wir können alle froh ein, dass die hinter Gittern sitzen und da auch lange bleiben werden"

Ich nickte verstehend und zustimmend, schluckte, weil mir klar wurde, was für Auswirkungen das alles hätte haben könnten.

Dave hatte seinen Entzug auch im Knast machen können, hätte er keinen Deal ausgehandelt. Er wäre vermutlich noch lange nicht raus. Und ich wäre ohne hin verzweifelt, denn vom Knast aus hätte er sicher noch weniger Kontakt zu mir haben wollen als von der Klinik.

Außerdem wollte ich mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn diese Leute von Amy erfahren hätten. Ein besseres Mittel, um Dave unter Druck zu setzen gab es ja kaum.

Ich war einfach nur froh, wenn er dieses Kapitel komplett schließen konnte.


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