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Alec:
Es hatte schon oft Situationen gegeben, in denen ich einfach hatte unsichtbar werden und verschwinden wollen.
Diese gerade war eine davon.
Ich hatte keine Ahnung, was ich eigentlich hier tat, wirklich.
Als wir unsere Bestellung aufgegeben hatten, hatte Dave mich ganz provokant angesehen, als er sich ein Steak bestellt hatte, das noch ‚schön blutig' sein sollte.
Ich hatte ihn daraufhin ganz provokant angesehen, als ich eine Flasche Rum geordert hatte, weil er davor gesagt hatte, er wollte erstmal eine Weile auf alle Suchtmittel, darunter auch Alkohol, verzichten.
Ich wusste ja, wie dumm und kindisch war, aber wenn es um Dave ging, dann setzte mein verdammtes Hirn einfach aus.
Irgendwie kamen Noah und Dave ins Gespräch, als Dave wissen wollte, was genau Cameron jetzt beruflich machte.
Noah zeigte grade stolz seinen antrainierten Bizeps, den er durch die Übungen mit Cam erlangt hatte, und Dave tastete ihn lachend an.
„Oh shit, du wirst ja doch noch zu 'nem echten Kerl, Kleiner" Kurz danach wuschelte er Noah durch die Haare, der seinen Bruder dann beleidigt anschaute.
„Ich war auch vorher ein echter Kerl, du..."
„Schhh! Keine Beleidigungen!", unterbrach Dave seinen kleinen Bruder bestimmend und hielt ihm den Mund zu.
Cameron begann zu lachen, ich unterdrückte mein Schmunzeln, als Noah schmollend Daves Hand wegschlug und die Arme verschränkte.
„Wieso sind eigentlich alle Männer in meinem Leben Vollidioten?", fragte Noah.
Dave grinste bloß, als Cameron das Antworten übernahm.
Er streckte sich nach Noahs Hand, ergriff sie und streichelte mit dem Daumen über seinen Handrücken. Alleine durch sein Lächeln und deine Geste, besänftigte er seinen Freund.
Mein Seufzen musste mich verraten, denn Dave wandte den Blick zu mir. Er musterte mich viel zu eingehend.
„Und bei dir? Wie läuft's in der Liebe?"
Wies in der Liebe läuft? Senkrecht und zwar bergab.
„Bin nicht auf der Suche", antwortete ich kurz gehalten.
„Ich war auch nicht auf der Suche, als sich das mit Cam und mir entwickelt hat", meinte Noah.
Konnte er sich nicht mal um seinen eigenen Scheiß kümmern? Ich mochte ihn echt gerne, aber gerade ging er mir einfach nur noch auf den Sack.
„Das ist sowieso nicht vergleichbar" Ich musste ihn nur vielsagend ansehen, das reichte, damit er aufhörte, mich irgendwie mit seinem Desaster, das er sein Liebesleben nannte, gleichstellen zu wollen.
„Ja aber gibt's denn so gar niemanden, der dich interessiert?", hakte Dave weiter nach. „Auf der Uni lernt man bestimmt interessante Leute kennen..."
Ich konnte es nicht verhindern, die Augen zu verdrehen. „Auf der Uni arbeitet man sich den Arsch ab. Das Studentenleben ist nicht halb so chillig und vor allem nicht so komfortabel, wie es dargestellt wird."
„Ich verstehe nicht, wieso du das mit dem Jurastudium durchziehst, Alec. Du wolltest das doch nie"
Er klang etwas enttäuscht, als er das sagte, sah mich nicht verstehend an.
Ich war gerade dabei zu brodeln und das an ihm auszulassen, als sich mein Hirn wieder einschaltete.
Woher wusste er, dass ich Jura studierte? Davon hatte ich nichts erwähnt.
Ich antwortete nicht, sondern schaute zu Noah.
Im Gegensatz zu Dave hatte er verstanden er, dass ich ihre Spielchen durchschaut hatte.
Von wegen Dave hatte nie nach mir gefragt oder etwas wissen wollen. Noah hatte es mir nur nicht erzählt! Dieser kleine Verräter!
„Ähm, ich muss mal schnell... Cam, komm mit" Noah sprang fast schon fluchtartig auf, zog Cam so energisch mit, dass dieser fast vom Stuhl fiel, aber schließlich verließen sie den Raum noch lebend in Richtung Toiletten.
Da war ich dann nun wieder, alleine gelassen und keine Ahnung, was ich tun wollte.
Wenn er sich wirklich nach mir erkundigt hatte, dann war ich ihm ja doch nicht so egal. Aber wieso hatte er sich dann nie bei mir persönlich gemeldet?
Ich verstand Dave einfach nicht. Da sollte nochmal einer sagen, Frauen wären kompliziert.
„Hast du die Bewerbung abgeschickt?", fragte Dave in die brennende Luft zwischen uns.
Ich schüttelte den Kopf.
Zusammen mit Dave hatte ich spaßeshalber eine Bewerbung für eine Kunstuniversität verfasst und Bilder ausgesucht, die ich hätte miteinlegen sollen, ich war auch wild entschlossen gewesen, sie abzuschicken, aber als es dann soweit war, hatte ich nicht den Mut dazu gehabt.
Dave seufzte, seine Hand schob sich auf den Tisch etwas vor, sodass sich unsere Fingerspitzen berührten.
„Du wirkst unglücklich, Alec. Wieso hast du zugelassen, dass es so weit kommt?"
Ich hasste mich dafür, dass ich den Tränen schon wieder viel zu nahe war. Das alles nahm mich einfach viel zu sehr mit, ich konnte und wollte nicht mehr.
„Denkst du, für mich ist das alles leicht?", fragte ich ihn leise, erschöpft, aber doch irgendwie mit einem vorwurfsvollen Unterton. „Ich versuche auch nur irgendwie klarzukommen. So ist es einfacher..."
„Einfacher? Du quälst dich!", widersprach Dave energisch.
Wieso war er denn jetzt so gereizt?
Er hatte kein recht dazu, in diesem Ton mit mir zu sprechen. Er durfte mir keine Vorwürfe machen. Ich war das verdammte Opfer hier, so ungern ich das auch zugab.
„Was interessiert es dich, mh? Wer bist du, mir jetzt hier irgendetwas vorzuhalten? Du hast mir zwei Jahre lang das Gefühl gegeben, dir scheiß egal zu sein, während du dich hinter meinem Rücken bei deinem kleinen Bruder über mich erkundigt hast und hattest nicht mal den Mumm, das zuzugeben."
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ich ließ ihn nicht. „Wage es jetzt bloß nicht, das abzustreiten. Du kannst nicht wissen, dass ich Jura studiere, wenn Noah es dir nicht erzählt hat. Lüg mich nicht auch noch an"
Den letzten Satz setze ich kraftloser hinzu, bemühte mich darum, meine Lautstärke gesenkt zu halten, weil ja nicht das ganze Resteraunt etwas von meinen Problemen erfahren musste.
„Was ist so verwerflich daran?", fragte Dave, ging in den Verteidigungsmodus über, indem sein Blick zu einem schuldbewussten wurde und seine Stimme unglaublich sanft, sodass ich einfach nur noch die Augen schließen und diesem Klang lauschen wollte.
„Nur weil ich einen Haufen um die Ohren hatte, heißt das nicht, dass ich dich irgendwie vergessen habe, Alec. Ich hab so viel an dich gedacht, mehr als an alle anderen. Ich hab dich vermisst. Ich musste einfach wissen, wies dir geht, was du machst, ob du..." Er wandte den Blick ab, als er das sagte und im selben Moment nach meiner Hand griff. „Ich hätte niemals von dir erwarten dürfen, auf mich zu warten, deshalb hab ich es nicht getan. Aber egal wie egoistisch es ist, ich bin so glücklich, dass du keinen anderen gefunden hast"
Er konnte mir dabei nicht mal in die Augen sehen, so nervös er war. Er zitterte sogar leicht.
„Was soll das jetzt?", fragte ich ihn leise und beugte mich zu ihm, damit er mich verstand. „Hör auf mich so zu verwirren, Dave, du machst mich fertig!"
Er schaute wieder zu mir, trug ein Lächeln auf den Lippen, während er meine Hand leicht drückte, um vorsichtig festzustellen, ob mir bewusst war, dass wir Händchen hielten.
Aber wie konnte mir da denn nicht bewusst sein? Mein Herz rastete fast aus deswegen!
„Ich will auf dein Angebot zurückkommen, wenn es noch steht...", meinte Dave mit einem erleichterten Lächeln, weil ich meine Hand nicht wegzog.
„Welches Angebot?" Ich kam mir gerade nicht sehr intelligent vor.
„Naja, du hast damals im Krankenhaus zu mir gesagt, dass du mich gerne richtig kennenlernen würdest. Ich wollte das nicht, weil ich wusste, dass das für dich nicht gut enden kann, aber jetzt... Ich baue grade mein Leben wieder auf, Alec, und ich will nichts lieber als, dass du ein Teil davon bist."
Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr keine Ahnung davon hattet, dass das genau das ist, was ihr hören wolltet, aber er es ausspricht und ihr plötzlich in Frage stellt, ob ihr überhaupt noch am Leben seid oder doch schon im Himmel?
Genauso fühle ich mich gerade. Und es ist wunderbar.
„Ich will nichts überstürzen, wir können ganz langsam starten, auf freundschaftlicher Basis, uns besser kennenlernen und sehen, wie wir zusammen funktionieren... Ich..." Dave lachte leicht unsicher. „Gott, ich hatte solange Zeit, mir die passenden Worte zu überlegen, ich hatte auch echt einen festen Vorgehensplan, aber jetzt, wo du so vor mir sitzt, hab ich alles wieder vergessen und das, was ich noch weiß, klingt so lächerlich..."
Das brachte mich zum Schmunzeln.
Bestimmt wurde ich auch noch knallrot dabei, doch ich sah ihm weiterhin in die Augen. Es machte mich glücklich, dass ich irgendetwas in ihm auszulösen schien.
„Naja, ich denke, im Grunde will ich dir einfach nur klarmachen, dass ich noch nie zuvor eine Person getroffen habe, bei der sich alles von Anfang an so echt und richtig anfühlt wie bei dir. Ich will das nicht aufgeben und es würde mich sehr glücklich machen, wenn wir versuchen, etwas darauf aufzubauen..." Er lächelte bis dahin noch unglaublich süß, aber nun wurde er ernster, trauriger.
„Aber natürlich verstehe ich, wenn du sagst, du kannst das nicht. Ich will auch, dass du dir bewusst bist, was du dir dadurch antun würdest... Ich bin zwar clean, aber ich gehe immer noch zur Therapie und hab vieles zur erledigen, bis ich all das komplett hinter mir lassen kann... Das wird noch ein harter Weg und ich will auch, dass du weißt, dass ich vorhabe, Amy auf jeden Fall zu mir zu holen, sobald ich ihr ein gutes Umfeld bieten kann. Ich weiß, du bist noch sehr jung und du solltest dir das echt nicht antun, aber wie gesagt, ich bin egoistisch und ich will dich in meinem Leben"
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