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Alec:

Ich hatte diese Nacht das Gefühl, zum ersten Mal in meinem Leben wirklich ein Kind für Dad sein zu dürfen, ihm Schwäche zeigen zu können, ohne die Angst zu haben, er würde die Angriffsfläche nutzen.

Das tat gut.

Er legte sich irgendwann zu mir ins Bett, weil ihm der Boden zu ungemütlich wurde und schlüpfte unter meine Decke. Wir redeten viel, kamen von dem Thema seines Ex-Freundes weg und dazu, wie er sich in Mum verliebt hatte.

Er gab zu, ihre Art, ihm zu zeigen, wo es langging, sehr anziehend zu finden, weil er sich so vorkam, sein Leben lang nach jemandem gesucht zu haben, der ihm einen Weg weisen konnte. Ich erfuhr zum ersten Mal, warum ich keine Familie väterlicherseits hatte. Weil Dad aus dem Heim kam. Er war in der Babyklappe abgeliefert worden, als Neugeborenes.

Er erzählte davon, nie wirklich Freunde gehabt zu haben, weil er sich immer so anders vorgekommen war und deshalb den Kontakt zu anderen gemieden hatte. Somit erklärte sich auch irgendwie, wie er als 15-jähriger so dumm gewesen sein konnte, sich auf einen 22-jährigen einzulassen und warum damals keiner was dagegen gemacht hatte.

Er hatte sich zum ersten Mal in seinem Leben geliebt und vor allem gewollt gefühlt. Er hatte es genossen, wie Dean ihn umworben hatte und, dass er ihm hatte etwas bieten könnten, etwas mehr als nur ein altes, knarzendes Bett in einem Vielbettzimmer voller pubertären Jungs, deren Gesprächsthemen nur weibliche Geschlechtsorgane gewesen waren.

Er hatte festgestellt, warum er sich so anders fühlte.

Dad sagte: „Ich weiß, das verwirrt dich jetzt wahrscheinlich sehr. Mich hat es das jahrelang auch. Naja... ich bin schwul, eigentlich... Aber deine Mum die hat's mir eben angetan, was will man da machen? Die Liebe fragt nicht nach der Sexualität, wenn sie zuschlägt... Bei ihr sind alle gleich..."

„Das ist ja eine richtige Lebensweisheit und das aus deinem Mund" Ich war tatsächlich belustigt und neckte ihn dadurch auch leicht.

„Ha-Ha. Wenn du jetzt wieder frech wirst, überleg ich mir doch noch, so ein übertrieben liebvoller und total peinlicher Dad zu werden."

„Oh bitte nicht!"

Wir beide lachten leicht.

Es war ein Moment, nein eine Nacht der Verbundenheit zwischen uns. Es waren Stunden, die mich die letzten Jahre vergessen ließen und dafür sorgten, dass ich ein Vertrauen ihm gegenüber aufbaute, das unerschütterlich wurde.

„Dad...", murmelte ich, als wir beide schon am Einschlafen waren.

„Mh?", brummte er nur verschlafen und zog mehr von der Decke zu sich, sodass ich plötzlich keine mehr hatte. Dieb.

„Ich verzeihe dir"

Ich flüsterte es nur, aber er schien es trotzdem gehört zu haben, denn er tastete nach meiner Hand und drückte sie leicht. „Danke. Auch dafür, dass du das einfach so akzeptierst... Ich hatte so lange Angst, wie du reagierst, wenn du rausfindest, was ich bin... Und ich hatte Schuldgefühle dir gegenüber, weil ich wusste, dass ich nie ein richtig guter Dad sein kann..."

„Das bist du", unterbrach ich ihn. „Du warst da, in dem Moment, als ich dich am meisten gebraucht habe. Nur noch das zählt für mich"

„Ich hab dich lieb, Alexej"

„Ich dich auch, Dad"

Wir schliefen ein, er begraben unter meiner Decke, unter die normalerweise drei Leute passten und ich... Naja Stunden nach ihm.

Ich wäre froh, behaupten zu können, durch sein störendes Schnarchen wach zu werden, aber es lag eher daran, dass ich, sobald ich die Augen geschlossen und mich etwas in den Schlaf hatte gleiten lassen, sofort wieder Dean vor mir sah mit seinem dreckigen Grinsen, spürte seine Hände überall, obwohl er mich ja nur dort unten berührt hatte, konnte genau seine Erregung an meinem Schritt spüren...

Schweißgebadet und schwer atmend wachte ich auf, sah ich panisch in dem dunklen Zimmer um, doch erkannte nur meinen Dad, der friedlich vor sich hinschlummerte.

Kein Dean, niemand, der vorhatte, mich zu missbrauchen für sein Vergnügen, niemand, der mir den Mund zuhielt, wenn ich nach Hilfe schreien wollte und niemand, der meinen Körper missbrauchte, um sich zu befriedigen. Niemand, der...

„Alexej?" Dad klang verwirrt, aber auch sehr verschlafen, als er sich umdrehte. Er konnte mich aber aufgrund der Dunkelheit nicht sehen, also schaltete er das Licht an meinem Nachkästchen an und musterte mich dann.

Er sah sofort was los war und schaute mich leidend an. „Hast du den Tee deiner Mum getrunken?"

Ich schüttelte den Kopf.

Er seufzte und stand aus dem Bett auf, auch wenn man ihm ansah, wie gerne er weiterschlafen wollte. „Komm mit, mir kochen einen neuen, der wird dir gut tun" Er nickte zur Tür und schaute mich auffordernd an.

Ich nickte. „Ich ziehe mich nur noch schnell um, okay?"

Er war einverstanden und ging schon mal vor.

Ich schlüpfte aus meinem Hemd und der Jeans, warf die Sachen direkt in den Wäschekorb. Spontan beschloss ich, auch noch zu duschen. Ich wusste, es würde nichts ändern, aber bildete mir ein, es würde helfen, wenn ich mir seine Berührungen, seinen lüsternen Blick auf meinem Körper abwusch.

Ich schämte mich sogar, als ich alleine im Bad stand und mich auszog.

Was war los mit mir? Es war doch nichts passiert. Er hatte recht, ich machte wirklich unnötiges Drama... Das lag alles nur an meinem scheiß Jungfrausein. Ich sollte es einfach endlich tun, damit ich es hinter mir hatte und mir sowas nichts mehr ausmachte.

Nach meiner Dusche fühlte ich mich erst besser, als ich wieder abgetrocknet war und mich anziehen konnte. Eine lange Hose und einen dicken Hoodie, in dem ich fast versank.

Ich schlich runter zu Dad in die Küche, lehnte mich da an die Schränke und schaute ihm dabei zu, wie er uns beiden eine Tasse des Beruhigungstees einschenkte.

„Ich hatte lange Zeit Angstzustände wegen der Sache mit Dean... Deine Mum hat mir dann immer dieses Zeug gegeben und es wurde irgendwie alles wieder gut. Nicht nur weil diese Kräuter echt wirken, sondern auch, weil ich dadurch wusste, dass sie sich wirklich für meine Gesundheit interessiert und will, dass es mir gut geht. Deine Mum ist wirklich ein guter Mensch, Alexej..."

„Ich weiß", seufzte ich und nippte an den Tee.

Autsch heiß.

„Ich glaube, sie ist ziemlich erleichtert, wenn ich ihr erzähle, dass du alles weißt. Dann kann sie richtig mit dir über mich lästern" Dabei lächelte er versöhnlich und ich erwiderte es.

„Du hast es aber verdient, das weißt du"

Er nickte. „Schon... Aber selbst, wenn ich der perfekte Ehemann wäre, fände sie irgendetwas, um sich drüber aufzuregen, also wieso nicht das? Außerdem-" Er hob die Hand, um mir so deutlich zu machen, dass jetzt etwas echt Wichtiges kommen würde. „-Hat sie uns diesen Psycho heute ins Haus geholt. Ich wollte ihr nicht erzählen, dass er in der Stadt ist, weil ich dachte, sie würde sich dann nicht mehr auf die Straße trauen, aber nein, sie lädt ihn und seine Alibi-Frau, die zu dumm ist, um zu schnallen, warum es bei ihnen im Bett nicht läuft, direkt zu uns nachhause ein. Frauen, die soll doch mal einer verstehen"

Er schüttelte frustriert den Kopf.

So ehrlich, so locker hatte ich Dad wirklich noch nie erlebt.

„Das geht wohl auf meine Kappe", gab ich zu und schaute ihn schuldbewusst an. „Ich habe Mum geraten, dich mit deinen Waffen zu schlagen..."

Er schaute mich missbilligend an. „Mischt sich so eine kleine Jungfrau in mein Liebesleben ein, ich glaub es hackt"

„Hei!" Beleidigt verschränkte ich die Arme.

Sogar er wusste, dass ich noch Jungfrau war, na toll. Kein Wunder, dass er mich nie ernst genommen hatte.

Er aber lachte nur, was bewies, dass er es nicht ernst gemeint hatte. „Jetzt schmoll nicht, Großer. Ich find's gut, dass du nicht so verantwortungslos mit deinem Herz umgehst wie ich damals. Das wird dir viel ersparen..."

„Einen Psycho-Ex oder ein Kind, das ich gar nicht will?"

Zuerst war er geneigt, zuzustimmen, aber dann schüttelte er den Kopf. „Es ist nicht so, als hätte ich dich nicht gewollt, Alexej. Du warst halt nicht geplant und ich hatte auch nicht vor, jemals Kinder zu bekommen, aber jetzt hinterher, weiß ich, dass dieser Ausrutscher, der deine Mum, dich und mich zu einer Familie gemacht hat, das Beste ist, was mir je hätte passieren können"

Ich sah ihm an, dass er es genauso meinte, wie er es gesagt hatte und trotz des Tees brachte das meine Augen wieder dazu, glasig zu werden.

„Oh nein, hab ich was Falsches gesagt?" Dad sah mich alarmiert an.

Ich schüttelte den Kopf und schniefte leicht. „Nein, ich bin nur so froh, das zu hören... Ich dachte immer, du hasst mich, weil du mich nie haben wolltest und trotzdem für mich verantwortlich warst..."

„Alexej", seufzte Dad. „Du hast mich mit der Liebe meines Lebens zusammengebracht. Und außerdem warst du echt ein süßes Kind, zumindest bis du sprechen konntest..."

„Hei, jetzt sei nicht so fies!", schmollte ich sofort wieder und strich mir eine Träne aus dem Augenwinkel.

Er grinste. „Trink mehr von deinem Tee, dann reden wir weiter. Ich bin schlecht im Tränen trocknen"

„Ich weiß", schniefte ich, aber beruhigte mich auch sofort wieder.

Nach den Tees gingen wir wieder in mein Zimmer und pflanzten uns ins Bett. Diesmal schlief ich ohne Probleme ein und schaffte es auch durch zu schlafen, bis mich der nächste Alptraum einholte, in dem Ich sah, was passiert wäre, wäre Dad nicht aufgetaucht.

Dean hätte nicht ewig so weitergemacht, das war mir klar. Er hätte mich in eines der Zimmer gezerrt und sich genommen, was er gewollt hatte. Egal, wie viel ich geschrien hätte. Egal, wie viel ich gefleht hätte. Egal wie viel ich geweint hätte. Es wäre ihm egal gewesen. Er hätte mich benutzt, um seine kranken Gelüste zu befriedigen.

Aber alleine, dass er das vorgehabt hatte, beschmutzte mich und ich war zwar ziemlich durch den Wind, aber ich wusste, dass ich Dave in diesem Zustand niemals unter die Augen treten konnte.


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