4
Alec:
„Wie konntet ihr mir das verheimlichen?!"
Sobald ich nachhause gekommen war, war ich ins Wohnzimmer gestürmt. Ich traf meine Eltern dort an und ja, ich schrie.
„Alec", hauchte meine Mum, als sie mein vermutlich noch verweintes Gesicht sah. „Was ist los, Schatz?"
„Wieso habt ihr mir nicht gesagt, dass Dave schon ein halbes Jahr aus dem Entzug raus ist? Ihr habt mich monatelang belogen"
Mum setzte zu einer Rechtfertigung an, aber Dad durchschnitt ihr das Wort.
„Setz dich, Alexej"
Ich schluckte.
Wenn er in diesem Ton mit mir sprach, war klar, dass ich mich nach diesem Gespräch alles andere als gut fühlen würde.
„Ernstens" Er richtete sich in seinem Sessel etwas auf und schaute mich streng an. „Hast du uns nicht anzuschreien. Nur, weil du jetzt erwachsen bist, gelten da keine anderen Regeln. Wir sind deine Eltern und du hast uns zu respektieren. Hast du das verstanden?"
Ich nickte schnell. „Natürlich. Tut mir leid"
Dad nickte ab und ging zu seinem nächsten Punkt über. „Zweitens haben wir dir nichts erzählt, weil David das nicht wollte. Wenn du jemandem die Schuld geben möchtest, dann doch bitte ihm."
Wieder nickte ich, diesmal verhaltener und schaute auf den Boden.
„Schau mich an, Alexej, ich bin noch nicht mit dir fertig"
Ich schluckte und sah ihn wieder an.
Mit den Jahren hatte ich gelernt, dass es nur besser für mich war, seine Blicke ebenso eindringlich zu erwidern, dann wurde der Anpfiff nicht ganz so schlimm.
„Drittens." Er stellte sein Whiskey Glas auf dem Couchtisch ab und schaute mich autoritär an. „Will ich, dass du daran denkst, was wir über David besprochen haben. Du hattest nur drei Tage Kontakt mit ihm und schon hast begonnen, uns zu belügen, Geheimnisse zu haben und bist sogar im Gefängnis gesessen. Erinnre dich bitte daran, wer du bist, wo deine Zukunft liegt und wer er ist und wo seine Zukunft liegt. Such dir deine Freunde genau aus"
Obwohl ich nicht wollte, konnte ich nicht anders als zustimmend zu nicken.
Ich stand schon wieder kurz von dem Ausbruch meiner Tränen.
Fragt mich nicht, warum ich heute so nah am Wasser gebaut war. Vielleicht lag es an dieser verdammten Melancholie der Hochzeit. Oder einfach an meinem gebrochenen Herzen, wer wusste das schon.
„Wo ist Amy?", fragte ich, um das Thema in eine angenehmere Richtung zu wechseln.
„Die ist noch bei Leo. Seine Mama bringt sie in etwa einer Stunde zurück"
Ich nickte verstehend. „Darf ich sie abholen und noch ein bisschen mit ihr in den Park?"
„Klar", meinte Mum. „Aber sei um spätestens Sechs wieder zuhause und dreh sie bitte nicht so sehr auf, sonst darfst du schauen, wie du sie ins Bett bekommst"
Ich begann zu schmunzeln und nickte, während ich aufstand. „Ich mach das schon"
Ich ging schnell in mein Zimmer, achtete aber darauf, beim Treppen laufen keinen Krach zu machen, weil mein Dad dann wieder einen Grund hätte, sich zu beschweren.
Ich schälte mich aus meinem Anzug, wechselte ihn gegen eine Jeans, ein Shirt und meine Jeansjacke, schnappte mir meinen Geldbeutel und ging wieder runter.
„Ich geh dann gleich mit Amy essen, oder habt ihr was gekocht?", fragte ich noch nach.
„Nein nein, alles okay." Mum schien sich zu freuen.
Meine Eltern bildeten sich ein, Amy als meine Schwester großzuziehen. Am Anfang war das echt schwer für mich gewesen, ich hatte einfach nicht gewusst, wie ich mit ihr umgehen sollte und war allem, was nur irgendwie mit dem Thema Baby zu tun gehabt hatte ausgewichen, aber jetzt nach zwei Jahren hatte ich mich an die Kleine gewöhnt und wir waren „Beste Freunde" So nannte sie es zumindest, seit ich ihr erklärt hatte, was beste Freunde waren.
Sie war wirklich zuckersüß, wenn auch sehr anstrengend.
Bei jeder Kleinigkeit hatte ich Angst, es könnte eine mögliche Behinderung oder Fehlbildung sein, aufgrund ihrer Geburts- und Schwangerschaftsumstände, da war es mir egal, wie oft mir die Ärzte versicherten, dass es ihr prächtig ging. Ich machte lieber einmal zu viel einen Aufstand als einmal zu wenig.
Ich entschied mich dazu, zu Fuß zu Leo zu laufen, obwohl der Weg so gute 20 Minuten waren, aber es war schönes Wetter und so musste ich den Sitz nicht extra in mein Auto schleppen bzw. meine Eltern nach ihrem Auto fragen.
Obwohl ich so mehr als eine halbe Stunde früher da war, als Amy eigentlich hätte nachhause kommen sollen, freuten sich alle, dass ich da war. Leos Mum bat mich herein, sie bat mir noch ein Getränk an, ehe wir gehen würden.
Natürlich stimmte ich zu. Ich wollte ja nicht sagen, Amy hatte es mit meinen Eltern schlecht, aber ich fand Leos Familie war irgendwie viel herzlicher.
Als ich ins Esszimmer kam, sah ich meine Kleine schon am Tisch sitzen und fleißig mit Leo malen.
„Schau mal, Amy, wer da ist"
Amy schaute hoch und blickte mich an, ehe sie wild zu winken begann und zu kreischen. „Lele!"
Ich freute mich, dass sie mich nicht gleich wieder wegschickte, weil sie lieber bei Leo bleiben wollte, ging zu ihr und gab ihr ein Küsschen auf den Kopf, als ich mich runter lehnte und mir das Bild anschaute. „Wow, das ist... kreativ"
In Wahrheit sah es genauso aus wie all ihre anderen Kritzel-Bilder, aber ich hatte in einem Ratgeber gelesen, dass man Kinder immer loben und motivieren sollte, also machte ich das.
Durch abgehackte kurze Sätze versuchte Amy mir zu erklären, was sie da gemalt hatte und ich tat natürlich so, als würde ich alles verstehen.
Irgendwann ergab das ganze Gebrabbel dann keinen Sinn mehr und als sie begann, mit Leo und den Stiften zu kämpfen, sah ich meine Möglichkeit, mich zurückzuziehen.
Leos Mum saß schon lächelnd mit zwei frischen Getränken im sicheren Abstand zu den Kids.
Sie war sehr jung Mutter geworden, mit 17, aber ich fand, sie machte das echt toll dafür, dass ihr Freund sie verlassen hatte und ihre mehr als religiösen Eltern sie rausgeworfen hatten, als sie 18 geworden war.
Dafür wohnte sie jetzt bei ihrem Bruder und dessen Freundin, die Leo wirklich ein tolles Umfeld boten.
„War sie anständig?", wollte ich wissen.
„Natürlich", lachte Lilly.
„Also nein", grinste ich und nahm einen Schluck von meiner kalten Cola. Oh das tat gut.
„Ach so sind halt Kinder. Dass sie hier so aufmüpfig ist, heißt ja, dass sie sich wie zuhause fühlt oder?", meinte sie lachend, wurde dann aber ernster. „... Aber sag mal geht's dir gut? Sei mir nicht böse, aber du sieht irgendwie fertig aus..." Besorgt legte sie ihre Hand auf meine.
Ich seufzte durch und schaute zu Amy, die nun wieder am Malen war, mit einem normalen Buntstift, der aber für ihre kleine Hand viel zu groß war.
Sie sabberte ihr Blatt dabei voll und streckte ihre Zunge schief raus, wie immer, wenn sie konzentriert war.
„Ich hab heute Amys Papa getroffen... Das kam richtig überraschend für mich und hat mich irgendwie überfordert"
„Mhm", meinte Lilly verstehend. „Hast du Angst, dass er sie gleich wieder mitnimmt?"
Wenn ich ehrlich bin, war das das letzte woran ich gedacht hatte.
Dave hatte damals mit meinen Eltern ausgemacht, dass sie sich solange um Amy kümmerten wie er brauchte, um wieder mit beiden Beinen im Leben zu stehen.
War dieser Punkt jetzt erreicht?
Ich jedenfalls kannte meine Eltern. Sie würden Amy nicht so schnell wieder hergeben, dafür hatten sie sie viel zu sehr ins Herz geschlossen.
„Weiß nicht", murmelte ich bloß.
Lilly war nett, eine tolle Mutter und man konnte sich gut mit ihr unterhalten, aber meinen Gefühlskram behielt ich dann doch lieber für mich.
Seit Dave hatte ich mich keinem mehr so über meine Ansichten, meine Werte, meine Vorstellung oder Wünsche und Träume anvertraut und wenn ich ehrlich vor, hatte ich auch nicht vor, das jemals wieder zu tun.
Man sah doch, wohin das führte. Ins Unglück.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top