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Dave:
Eine Sache, die ich an Alec mochte, war, dass, wenn er erstmal ein Bild von einer Person hatte, dann war dieses unerschütterlich.
Er sah mich als den Menschen, der ich war. Neue Informationen über meinen Zustand oder meine Vergangenheit änderten dieses Bild nicht, es waren einfach nur kleine Details, die er hinzufügte und dadurch noch verbundener mit mir wurde.
Ich fühlte mich so gut bei ihm. Sicher. Wertvoll.
Ich hatte es gehasst, ihn zu verletzen, aber nachdem meine Gedanken mich beinahe erstickt hatten, war es mir als die einzige Möglichkeit vorgekommen, ihn irgendwie zu beschützen.
Jetzt ging es mir zwar besser, ich hatte nicht mehr diese Ketten um mein Herz, die es vom Schlagen abhielten, und dieses Gewicht auf der Brust, das verhinderte, dass ich überhaupt atmen wollte, aber ich dachte nach wie vor darüber nach, dass ich alles andere als gut für Alec war.
Wieso war mir das bisher nie so in den Sinn gekommen?
Klar hatte ich immer gewusst, was er für ein Mensch war, wohin er gehörte und wie das bei mir aussah, aber irgendwie hatte ich trotzdem immer geglaubt, unsere Verbindung war einfach wichtiger als alles um uns herum.
Aber Alec hatte deutlich gemacht, dass er nicht halb so intelligent war wie er wirkte, indem er darauf bestand, bei mir zu bleiben.
Noch nie hatte sich jemand dermaßen um mich bemüht.
Klar Noah und meine Eltern wollten immer das Beste für mich, aber sie waren als meine Familie ja quasi dazu verpflichtet gewesen.
Alec als Außenstehender hatte die Wahl. Er konnte hingehen, wohin er wollte, haben, wer ihm gefiel, aber er hatte sich für mich entschieden.
Worte brauchte es dafür nicht wirklich, nur Taten.
Den Vormittag verbrachten wir damit, die restlichen Kisten auszuräumen, die er nicht hatte anfassen wollen. Das Zeug meiner Eltern war ein Teil davon.
Kurz spielte ich mit dem Gedanken, ihr ehemaliges Zimmer so einzurichten, als würden sie jeden Moment dazu stoßen und einen entspannten Urlaub mit uns verbringen, aber es kam mir nicht mehr richtig vor.
Ich hatte akzeptiert, dass Mum und Dad tot waren. Dass sie nicht wieder kommen würden, ich sie nie wieder sehen würde. Dementsprechend sollte ich mich auch verhalten.
Was ich tat, war ein paar der Bilder im Wohnzimmer und Flur aufzuhängen, jeweils eines der Familienportraits zu Noah und mir ins Zimmer zu stellen und all die restlichen Sachen meiner Eltern in die Kartons zu räumen und sie in den kleinen Keller zu stellen, den wir hier hatten.
Verkaufen wollte ich ihre Sachen nicht, wegschmeißen kam gar nicht erst in Frage.
Ich sollte bei Gelegenheit mit Noah besprechen, was wir damit machen sollten, denn alles aufbewahren, war auf die Dauer bestimmt auch nicht gesund.
Somit machten Alec und ich aus dem ehemaligen Schlafzimmer meiner Eltern ein Gästezimmer. Wir richteten auch Noahs Zimmer wieder ein. Alec erzählte mir, dass er aus Langeweile das gesamte Haus geputzt habe, was mich dann irgendwie amüsierte, weil ich ihm nur zu gerne dabei zugesehen hätte. Er war bestimmt eine heiße Putzfrau.
Als wir fertigen waren, hatten wir Nachmittag.
Alec hatte Hunger von der ganzen Arbeit, aber wir hatten nichts mehr zu essen da und zum Einkaufen waren wir beide zu fertig, also bestellten wir Pizza, während wir uns auf das Sofa setzten und den Fernseher anschalteten.
„Was willst du schauen?", fragte ich beim durchsappen.
Er zuckte mit den Schultern. „Mir ist nur die Sportschau heute Abend wichtig"
Das erinnerte mich an den Tag, als wir uns kennengelernthatten. Wir hatten uns ein Fußballspiel im Fernsehen angesehen und er hatte alseinziger richtig mitgefiebert. Seine Mannschaft hatte verloren, er hatte sichlauthals beschwert und begonnen zu schmollen.
Schon damals hatte ich ihnwahnsinnig süß gefunden.
Aber wie hätte mein zugeballertes Hirn das denn begreifensollen?
Nett hatte ich in gefunden und irgendwie aus faszinierend, aber was meineGefühle zu bedeuten hatten, hatte ich so richtig erst festgestellt, nachdem ichnach meiner Überdosis im Krankenhaus gewesen war.
Damals hatte ich ihm auchnahegelegt, mich zu verlassen, und ein besseres Leben zu leben als das, was ichihm bieten konnte. Aber er war bei mir geblieben, hatte mir geholfen, allesvorzubereiten für meinen Einzug in die Klinik und das mit Amy und seinen Eltern.
Er hatte schon so viel für mich getan, als sei es das Selbstverständlichste aufder Welt. Er hatte nie eine Gegenleistung erwartet. Und selbst jetzt, nachdemich so mit ihm umgegangen war, saß er noch hier neben mir und machte nicht auchnur den Anschein, als wolle er irgendwo anders lieber sein als bei mir.
Alecwar genau das, was mir im Leben bisher gefehlt hatte.
Alec war das, was ich zueinem erfüllten Leben brauchte. Aber nicht wie eine Droge. Ich war nicht krankhaftauf ihn fixiert und bekam Entzugserscheinungen, wenn er nicht da war, oder Panikattackenalleine bei dem Gedanken, dass ich ohne meinen Stoff zurecht kommen musste.
Alec war keine Sucht. Er war die Heilung
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