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Alec:
Obwohl Daves Worte seine Abweisung mehr als deutlich gemacht hatten, tat ich am nächsten Morgen das, was ich letzten Abend auch gemacht hatte. Ich bereitete etwas zu Essen für Dave vor, stellte es auf das Tablett und schrieb ihm einen kleinen Zettel.
„Angst ist gut, denn sie schützt vor Gefahren. Aber Mut ist besser, denn er wird belohnt"
Wieder legte ich ihm seine heutige Dosis der Medikamente dazu, stellte ihm das Tablett auf den Boden und etwas zu trinken dazu, ehe ich an die Tür klopfte und wieder ging, um mein eigenes Frühstück zu machen.
Den heutigen Tag vertrieb ich mir mit Fernsehgucken, etwas aufräumen und putzen, da das Haus ziemlich eingestaubt war und räumte auch ein paar der Kisten aus, so wie ich mir das vorstelle.
Er war immerhin selbst schuld, wenn er sich so verschanzte.
Das Haus verlassen wollte ich nicht, da ich ihn nicht alleine lassen wollte, selbst, wenn es ihn nicht interessierte, dass ich da war und mich um ihm sorgte.
Klar hatte ich mir meine Zeit mit ihm anders vorgestellt, aber ich versuchte ja schon mein Bestes, um etwas an der Situation zu ändern. Ob das Erfolg haben würde, würden wir in ein paar Tagen sehen, falls er denn seine Tabletten nahm und sie nicht einfach in den Mülleimer warf.
Morgen, mittags und abends bereitete ich ihm etwas vor, gab ihm etwas zu essen und trinken und diskutierte bei jeder Mahlzeit mit ihm durch das Liegenlassen der einzelnen Zettel.
Einerseits war es feige, was wir hier abzogen, weil wir das wichtige Gespräch so vermieden, doch andererseits war es doch auch irgendwie romantisch.
„Was soll diese Belohnung sein, die all den Schmerz wert ist?", fragte er mir zur Antwort meiner Aussage von heute Morgen.
Meine Antwort war einfach.
„Du"
Ich war irgendwie stolz auf mich, als ich mich an diesem Abend zum Schlafen legte.
Er musste begreifen, dass es mir egal war, wie oft er mich von sich stoßen würde. Zum ersten Mal im Leben kämpfte ich um das, was ich wollte.
„Du bist naiv", stand auf seinem nächsten Zettel, den ich morgens zu sehen bekam.
Die Antwort darauf bestand aus: „und verliebt"
Er musste die Anspielung auf unseren Chat, bei dem er mir das erste Mal gestanden hatte, was er wirklich für mich fühlte, verstehen und begreifen, dass es mir wirklich ernst war. Vielleicht tat er das, aber wenn ja, dann gab er es nicht zu.
„und dumm"
Ich nahm mir seine Beleidigung in der nicht zu herzen.
Er versuchte, mich zu vertreiben, das war mir klar geworden. Und es war so sicher wie das Amen in der Kirche, dass ich das nicht mit mir machen lassen würde.
Heute entschied ich mich dazu, dass ich einen Schritt weiter gehen wollte. Ich stellte mir einen Stuhl in den Flur, setzte mich drauf und wartete.
Irgendwann musste er die Tür ja mal aufwachen, zumindest, um aufs Klo zu gehen. Außer er erledige sein Geschäft aus dem Fenster... Aber soweit waren wir hoffentlich noch nicht gekommen.
Ich war mit einem Block und Stift bewaffnet, auf dem ich meine Antwort schrieb. „
Für dich würde ich alles sein"
Ich war zwar nicht der Typ, der es wagte, jemandem sowas ins Gesicht zu sagen, aber mit Schreiben hatte ich da keine Probleme. Was ich für ihn fühlte, wusste er ja ohnehin und wir waren an einem Punkt angekommen, an dem ich keine Ausreden mehr dafür finden konnte, es ihm nicht zu sagen. Verletzt hatte er mich schon. Das würde er wohl noch öfter tun. Aber genau deshalb war es Liebe. Weil nichts anderes die Macht hatte, einem so wehzutun.
Während ich so dasaß, zeichnete ich ein wenig herum.
Zuerst wusste ich nicht, was es werden sollte, aber je weiter ich kam, desto mehr fiel mir auf, dass ich die Szene abmalte, die ich in Erinnerung hatte, als ich auf der Veranda gestanden hatte und Dave so alleine auf dem Strand hatte sitzen sehen. Das Bild war irgendwie traurig, vor allem mit dem Bezug den ich dazu hatte, aber meiner Meinung nach trug es auf eine gewisse Hoffnung in sich.
Irgendwann schob sich ein Zettel zwischen der Tür durch. Sofort ließ ich alles stehen und liegen und schaute ihn mir an.
„Wie wär's mit weg?"
Ich musste, so unpassend es auch war, schmunzeln, als ich das las. Humor hatte er auf jeden Fall noch.
„Mir gefällt es in deiner Nähe aber besser."
Ich schob den Zettel unter der Tür durch und wartete.
Mir fiel auf, dass das ein Fehler von mir gewesen war. Ich hatte bisher die Zettel nur zu einer Mahlzeit dazu gelegt. Jetzt aus dem Muster zu fallen, konnte verheerend sein.
Aber hingegen meiner Erwartung, dass es alles kaputt machen würde, half es, denn Dave öffnete die Tür, um sich anzusehen, ob er etwas zu essen bekommen hatte.
Als das passierte, sprang ich auf und schob meinen Fuß in die Tür, bevor er sie wieder zumachen konnte. Er versuchte sofort, mich wieder rauszupressen, aber ich war schon halb drin und gewann schließlich den Kampf, weil er aufgab, wohl um mir nicht wehzutun, oder weil er einfach keine Lust mehr hatte.
„Wieso kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?", seufzte Dave niedergeschlagen und ließ sich auf seine Bettkante sinken.
Es war ziemlich dunkel und stickig hier drin, deshalb war mein erster Gang zum Fenster, damit ich die Vorhänge wegziehen und das Fenster öffnen konnte.
„Weil du mich brauchst, selbst, wenn du dir das Gegenteil einbildest"
Dave schnaubte bloß, legte sich in sein Bett schaute an die Zimmerdecke.
Ich ging zu ihm und ließ mich auf der Bettkante nieder.
Obwohl die Situation mir unbekannt war, war ich nicht halb so unsicher wie sonst. Ich machte einfach, was mein Herz für richtig hielt.
„Hast du deine Tabletten genommen oder muss ich dich echt noch dazu zwingen?"
Statt mir zu antworten drehte er mir den Rücken zu.
Ich seufzte und schaute mich um.
Das Geschirr, das sich über die Tage angesammelt hatte, stand auf dem Schreibtisch, die Zettel waren ebenfalls da, aber die Tabletten sah ich nirgends. Er musste sie also entweder genommen haben oder verstecken.
„Wieso hast du sie abgesetzt?"
Vorher hatte ich gewusst, dass es einfach nicht die Zeit gewesen war zu reden. Obwohl das jetzt vielleicht auch noch so war, konnte ich meine Fragen einfach nicht zu zurückhalten.
Ich riss mir hier buchstäblich den Arsch auf, um ihm irgendwie beizustehen. Eine Erklärung war das mindeste, was ich verdient hatte.
Als Antwort zog er sich die Decke über den Kopf, was wohl als Hinweis dafür gelten sollte, dass ich mich verpissen sollte. Aber danach war mir gerade nicht wirklich.
„Dein Zimmer gefällt mir", stellte ich fest, als ich mich zu ihm legte und mich dazu umsah. „Ist zwar ein bisschen lieblos eingerichtet, aber hat irgendwie was. Wir könnten hier ein paar Bilder aus deinem alten Zimmer aufhängen, was meinst du?"
Er reagierte nicht.
„Ich mag Selbstgespräche", stellte ich hörbar fest. „Da widerspricht mir schon keiner"
Seufzend schob ich mir einen Arm unter den Kopf und schaue an seine Zimmerdecke. Da hingen doch tatsächlich Kleien Sterne, wohl welche von denen, die im Dunklen leuchteten.
„Weißt du, ich finde, du musst gar kein Stern sein, um zu strahlen. Dein Lächeln reicht"
Fragt mich nicht wieso, aber ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, ihn solange zuzulabern, bis ich eine Reaktion von ihm bekam.
Es war mir bewusst, dass diese wohl aus einem Wutanfall bestehen würde, daher überraschte es mich auch so, als ich mitten in meinen Monologen das Beben seines Körpers und ein leises Schluchzen vernahm.
Ich stoppte mitten im Satz und drehte mich wie von alleine zu ihm, um meine Hand dorthin zu legen, wo ich seine Schulter vermutete.
Entschlossen rutschte ich an ihn heran und zog ihn, in seinem Kokon verpackt, an mich.
„Ich hab oft Angst", gestand ich ihm leise und schmiegte mich dabei an ihn, schloss die Augen und versuchte einfach nur genug zu sein, um ihn davon abzuhalten von der Klippe zu springen, an der er sich mental befand.
„Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass ich anderen niemals ausreichen werde, wenn ich ihre Erwartungen an mich nicht übertreffe. Mein Dad hat mich quasi dazu gedrillt, perfekt zu sein. Aber er hat dabei übersehen, dass jeder davon andere Vorstellungen hat. Er will einen Sohn, den er bei einem Geschäftsessen stolz als seinen Nachfolger präsentieren kann. Lange Zeit war auch das mein einziges Ziel. Ich dachte, wenn er zufrieden mit mir ist, müssten es alle anderen ja auch sein. Aber von dir hab ich gelernt, dass es nicht wichtig ist, ob man perfekt ist und irgendwelchen Erwartungen entspricht. Wirklich glücklich wird man nur, wenn man es schafft, man selbst zu sein und sich so zu lieben. Das ist die schwerste Aufgabe im Leben, die jeder zu meistern hat. Ich sage das nicht, um bedeutungslos irgendwelche Reden zu schwingen. Ich will nur, dass du weißt, dass es völlig okay ist, anders zu sein. Sich von der Masse abzuheben, ist das, was uns besonders macht. Und du bist besonders, Dave. Nicht, weil du dich schminkst, wenn du Lust drauf hast, weil du dich anziehst, wie andere das niemals tun würden oder weil du eine Vergangenheit hast, mit der sich andere nur durch Filme beschäftigen, sondern weil du du bist. Und ich genau das an dir liebe"
Ich rutschte wieder etwas zurück, spürte, dass sein Weinen dadurch nur noch stärker würde.
Wenn er aber glaubte, ich machte das, um jetzt zu gehen, dann hatte er sich geschnitten.
Nein, denn ich hob die Decke an und schlüpfte ebenfalls runter, um mich wieder an ihn zu drücken, aber diesmal ohne, dass die Bettdecke im Weg war.
Hier war es zwar verdammt heiß und stickig, aber darauf legte ich gerade keinen Wert.
„Du kannst mich so oft wegstoßen wie du willst", flüsterte ich ihm ins Ohr. „Ich werde bei dir bleiben. Immer"
Dadurch brachen alle seine restlichen Dämme, er schluchzte los, aber drehte sich schneller zu mir, als ich es begriff und drückte sich so an mich.
Dadurch hatte er den Kopf auf meinem Oberarm und krallte die Finger in mein Shirt.
Mit dem Arm, auf dem sein Kopf lag, umschloss ich seinen Kopf und kraulte seine Haare beruhigend, die in leichten Locken herum lagen, und mit dem anderen drückte ich ihn weiter an mich und strich über seinen Rücken und seine Seite.
„Schon gut", flüsterte ich dabei. „Ich lass dich nicht los"
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