31
Alec:
Ich hatte es keine Sekunde länger in Daves Nähe ausgehalten, hatte mich mit dem letzten Rest meines Stolzes ins Haus geschleppt, dort auf das Sofa niedergelassen und mich ausgeheult.
Zuerst nur für mich, dann am Telefon bei Cameron. Dieser war ausgerastet vor Wut, wie undankbar Dave doch sei, dass er mich gar nicht verdient hätte und er ihm höchstpersönlich in den Arsch treten würde dafür, wie er mich behandelte.
Er hatte schon herkommen wollen, um das wirklich durchzuziehen, aber dann hatte ich ihn nur noch mit Noah streiten hören, der versucht hatte, Cam klarzumachen, dass es nicht Daves Schuld war, sondern die seiner Depression und dass ich einfach nichts darauf geben sollte, was er sagte, solange er in dieser „Phase" war.
Noah meinte dann zu mir, nachdem er Cameron solange angebrüllt hatte bis er sich nicht mehr getraut hatte, etwas zu sagen, er würde es verstehen, wenn ich jetzt nicht mehr hier bleiben wollte, aber falls ich es doch tun würde, versprach er mir, dass ich meinen Dave wieder zurückbekommen würde, sobald seine Antidepressiva Wirkung zeigten.
Ich war unsicher, ob es wirklich so einfach war, auch weil Dave gesagt hatte, seine Gefühle für mich seien einfach verschwunden, seit er von seinen Medikamenten runter war, aber andererseits wusste ich, dass diese Medizin nichts verursachen konnte, das nicht da war, also versuchte ich dem keinen Glauben zu schenken.
Nach einem langen Gespräch mit Noah hatte ich mich dazu entschlossen, hier zu bleiben.
Es würde ein harter Kampf werden, aber das war es mir wert, wenn ich meinen Vollidioten für zurückbekam.
Natürlich sah man mir an, wie verzweifelt ich geweint hatte, ich erkannte das in Daves Blick, als er zurück kam und an mir vorbei in den Flur lief, um ein anderes Zimmer zu erreichen.
Aber genauso wie er diese Tatsache ignoriere, dass ich all diese Tränen für ihn vergossen hatte, tat es auch ich.
Ich machte mich daran, etwas zu essen zu machen, da es schon wieder abends war und wir den ganzen Tag noch nichts zu uns genommen hatten.
Mir schadete das nicht, vielleicht würde ich so mein kleines Bäuchlein wieder loswerden, aber Dave brauchte was zu essen, damit seine Pillen wieder richtig wirken konnten. Also suchte ich in der Vorratskammer alles für Nudeln mit Tomatensoße raus und machte mich ans Kochen.
Ich spielte mit dem Gedanken, ihm das Essen hinterher zu tragen, aber obwohl ich dazu bereit war, ihm weiterhin beizustehen, konnte ich gerne darauf verzichten, mir heute noch mehr wehtun zu lassen, daher stellte ich den Teller vor die Tür, hinter der er sich befinden musste, legte etwas zu Trinken und seine Medikamente auf einem Tablett dazu und einen Zettel, auf dem Folgendes stand:
„Auch gebrochene Herzen sind dazu in der Lage zu lieben. Denn selbst Scherben spiegeln das Licht."
Ich war mir nicht sicher, ob er meinen Worten in seinem Zustand überhaupt Bedeutung schenken würde, aber ich hoffte, dass er verstand, was ich damit meinte. Natürlich konnten diese Worte für jeden eine andere Bedeutung haben, aber ich war mir sicher, Dave würde meine verstehen.
Danach ging ich wieder zurück in die Küche, häufte mir ebenfalls etwas auf den Teller und setzte mich damit ins Wohnzimmer.
Zugegeben, irgendwie schmollte ich etwas beim Essen, aber mir war auch klar, dass Dave das wenig interessierte. Wie sollte es auch, wenn er es nicht mal mitbekam?
Etwas in mir wollte Noah und Cam wieder anrufen, aber ich entschied, dass ich ihnen heute schon genügend Sorgen gemacht hatte und wandte mich daher an einen anderen, der ein guter Freund für mich geworden war.
Bei ihm dauerte es nicht lange, bis er abnahm, da er sein Handy quasi an der Handy kleben hatte.
„Hei Traummann, vermisst du mich etwa?"
Ich schmunzelte leicht, als Ken das sagte. Er hatte mir noch nie geglaubt, dass ich hetero war.
„Nicht wirklich. Mir ist einfach nur langweilig"
„Oh" Er klang ehrlich betroffen, so als sei das eine der schlimmsten Nachrichten, die er jemals bekommen hatte.
Ich musste zugeben, er hatte sich in den letzten Jahren ziemlich verändert. Charisma hatte er ja schon immer gehabt, aber durch seinen Herzensbruch von Cam war er sehr zurückhaltend und niedergeschlagen geworden. Zumindest bis er begriffen hatte, dass heiße Jungs nicht auf Selbstmitleid standen – seine Worte, nicht meine. Jetzt war er irgendwie total aufgekratzt und manchmal erinnerte er mich ernsthaft an Sandy. Aber er war nun mal jemand, der sein Leben genoss und das in vollen Zügen.
„Soll ich vorbei kommen? Ich hab schon lang nicht mehr mit Amy gespielt" Er klang ganz niedergeschlagen dabei und ich musste schmunzeln. Ich wusste doch, dass es mir helfen würde, mit ihm zu plaudern.
„Ich bin nicht zuhause, eigentlich bin ich gerade nicht nur gefühlsmäßig am Arsch, sondern auch örtlich. Naja eher am Strand..."
„Huch wie kommst du denn da hin?" Er klang überrascht.
„Bin mit Dave hier"
„Dave? Klingt schon mal nach einem Namen, der sich gut stöhnen lässt"
Ich zog die Augenbrauen hoch. Das war mir noch gar nicht in den Sinn gekommen. Andererseits hatte ich bisher nie wirklich gestöhnt, also hatte ich damit wenig praktische Erfahrung.
„So ist das nicht", versicherte ich Ken sofort, bevor er noch die Gerüchteküche anheizte. „Er ist Noahs Bruder..."
„Oh den muss ich mir mal anschauen. Alle aus seiner Familie sind mit absoluter Geilheit gesegnet..."
Er vergaß manchmal einfach, dass Noah und Cam gar nicht genetisch verwandt waren, aber wenn ich ehrlich war, passierte mir das auch hin und wieder. Kein Wunder, Cam hatte nicht aufgehört Brian Dad zu nennen, Kate Mum oder sich so zu verhalten als sei er ihr Sohn. Nur schleimte er sich übertrieben bei ihnen ein.
Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil ihr leibliches Kind tot war und weigerte sich deshalb auch, nach seinen richtigen Eltern zu suchen.
Irgendwie verstand ich ihn, andererseits glaube ich zu wissen, dass man das nicht richtig verstehen konnte, wenn man nicht selbst in genau dieser Situation war.
„Tut mir leid, aber der ist schon vergeben"
War zwar nicht ganz die Wahrheit aber besser als, dass Ken sich jetzt einbildete, sich an Dave ranzumachen.
Ich war zwar nicht mit ihm zusammen, aber ich bildete mir ein, ein Anrecht auf ihn zu haben. Egal wie besitzergreifend das jetzt klang.
„Schade. Aber hab ja noch dich"
„Naa", meinte ich abschätzig. „Das wohl auch nicht. Denn Dave ist vergeben an mich"
„Oh, wow wow wow was?!" Er kreischte das fast, weshalb ich lachen musste. Das tat gut nach all diesen Tränen.
„Ja naja also wir sind nicht wirklich zusammen, aber was nicht ist, kann ja noch werden oder?"
„Alexej!", schnaubte Ken empört. „Du wirst doch wohl nicht wem anders als mir deine Jungfräulichkeit schenken!"
„Es geht nicht um Sex" Ich verdrehte die Augen.
Wieso war das das wichtigste für die Menschen? Vermutlich konnte ich das einfach nicht nachvollziehen, weil ich selbst noch keinen Sex gehabt hatte. Musste ja echt toll sein, wenn die Leute so ein großes Ding draus machten.
„Worum soll es denn sonst gehen? Ist er heiß oder nicht?" Ken klang leicht angepisst, weshalb ich schmunzelte.
„Ach jetzt sei doch nicht sauer. Andere Mütter haben auch hübsche Sohne..."
„Vergiss es, ich hab langsam die Schnauze voll von dem ganzen Rumgeficke mit unreifen Kindern..."
„Du treibst es mit Kindern?" Angeekelt verzog ich das Gesicht.
Er stöhnte genervt auf. „Nein, aber eben auch nicht mit echten Männern..."
„Was verstehst du bitte unter einem echten Mann?"
„Weiß nicht"
Ich konnte förmlich sehen, wie er mit den Schultern zuckte. „Einer, der mir nicht so ein Drama macht und die Ohren volljammert, wenn er checkt, dass ich „Es ist nur Sex" ernst gemeint habe. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für Waschlappen manche Typen sein können. Schlimmer als ich"
Ich musste leicht lachen. „Kein Grund, irgendwen oder dich selbst zu beleidigen. Wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast, dann machst du das eh, also viel Spaß"
„Danke sehr", meinte er wieder lockerer. „Ich gehe nachher noch in einen Club, was machen du und dein heißer Dave so am Strand, wenn nicht Ficken?"
Ernüchtert seufzte ich. „Vermutlich nichts. Wir haben eine Krise"
„Oh, das geht ja schon gut los"
„Wäre ja viel zu einfach ohne Drama oder?" Ich seufzte nicht wirklich überzeugt davon.
„Hört hört" Ken wirkte belustigt. „Da hat er endlich mal was am Laufen und schon versteht er, dass die Erde rund ist..."
Ich redete zuzugeben ziemlich lange mit Ken.
Dadurch, dass ich schon alles mit Cameron durchgegangen war und Noah jetzt auch von allem wusste, war auch die Hemmschwelle bei Ken weiter unten und ich konnte ihm viel von Dave und mir berichten.
Er gab mir auch ein paar Tipps, die aber seltsamerweise alle damit endeten, dass ich ihn verführen, ins Bett bekommen, ein Video davon machen und ihm schicken sollte.
Wie genau mir das weiterhalf, verstand ich zwar nicht wirklich, aber es half mir schon ziemlich, mir nochmal alles von der Seele reden zu können.
Dave begegnete ich heute nicht mehr. Ich räumte, nachdem ich gegessen hatte, die Küche wieder auf, wusch mein Geschirr ab und beschloss, mal nachzusehen, ob er den Teller schon gesehen hatte. Zuerst war ich erfreut, als ich sah, dass er das Tablett weggenommen hatte und aufgeregt, als ich einen Zettel erblickte. Ich kam dort an, hob das Blatt auf und laß mir durch, was er mir für eine Antwort geschrieben hatte.
In dem Moment als ich das laß, wurde mir erst bewusst, dass mein Herz nicht die einzige Sache war, die gebrochen war.
„Lässt du Scherben wirklich liegen, in der Hoffnung, sie würden ein Licht zu spiegeln bekommen, das gar nicht existiert, oder schmeißt du sie weg, weil du berechtigt Angst vor den Verletzungen hast, die sie dir zufügen können?"
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