27
Alec
Entscheidungen zu treffen war mir bisher immer relativ leicht gefallen.
Ich hatte nur daran denken müssen, was Dad wohl von mir verlangen würde und, egal wie sehr es gegen meinen eigenen Willen gesprochen hatte, so hatte ich entschieden.
Jetzt war das nicht mehr so einfach.
Mir war durchaus bewusst, was Dad in dieser Angelegenheit von mir erwarten würde, wüsste er von meinem Konflikt.
Dave vergessen und weitermachen.
Aber das schien keine Option für mich zu sein, denn meine Gefühle waren so stark, dass sich allein der Gedanke daran, einfach ohne ihn weiterzuleben als hätte ihm mein Herz nie gehört, als schlimmste Qual herausstellte, die ich derzeit zu empfinden in der Lage war.
Eigentlich gab es also gar keine Wahl zu treffen. Ich konnte und wollte das, was auch immer Dave und ich da hatten, nicht beenden, egal was alles für Extreme in seiner Vergangenheit lagen.
Mein Problem, das dazu geführt hatte, dass ich mich nun schon vier Tage nicht mehr bei ihm gemeldet hatte, bestand eher darin, dass ich einfach nicht wusste, wie ich ihm gegenübertreten sollte.
Ich wusste wie feige das war, aber ändern konnte ich es nicht.
Außerdem hatte ich mit mir selbst zu kämpfen und allem, was in meinen Kopf gerade so abging.
Ich wusste, alles was Dave erlebt hatte, hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass er der Mann geworden war, den ich heute so sehr mochte, aber ein Teil von mir, der ängstliche Teil, hatte die Hoffnung, er hatte nun nicht mehr zu beichten. Ich meine, konnte es denn noch schlimmer werden?
Ich hatte nicht wirklich Angst davor, alles was er mir erzählt hatte, würde mein Bild von ihm verändern, eher, dass es das nicht tun würde.
Was, wenn ich einfach nur ein blinder, verliebter Vollidiot war, der mit dem Kopf voran ins Unglück rannte und das mit seinen Gefühlen rechtfertigte, die seine Rationalität, die unter anderem dazu da war, um ihn zu schützen, gänzlich abschaltete?
Aber auf der anderen Seite wusste ich genau, ich konnte mir einbilden, was ich wollte, es würde nichts ändern. Ich wollte Dave. Mit all seinen Ecken und Kanten.
Die Frage war jetzt nur, wie ich ihm das glaubhaft vermitteln sollte, nachdem ich einfach gegangen war, als er seine Beichte beendet hatte.
Mich schlicht zu entschuldigen würde für ihn vielleicht ausreichen, aber nicht für mich.
Er gab sich solch eine Mühe, mir zu versichern und beweisen, was er für mich fühlte, nun lag es an mir.
Da ich aber zum ersten Mal verliebt war und daher keine Ahnung hatte, wie man sowas anging, musste ich mir Tipps holen. Und wer eignete sich dafür besser als mein bester Freund?
Da ich ihn auf der Kurzwahltaste meines Handys hatte, brauchte ich nur drei mal auf meinen Display zu tippen und schon rief ich Cameron an.
Es dauerte etwas, bis er abnahm, aber das war bei ihm immer so, also wartete ich geduldig, bis ich seine Stimme hörte.
"Jo, was los?"
Heute war er wohl mal wieder ganz cool.
"Hei, Ronny. Hast du ein bisschen Zeit?"
Ich nannte ihn immer so, wenn ich mich einschleimen wollte, weil ich der einzige war, der diesen Spitznamen für ihn benutzte.
"Kommt drauf an. Wie wichtig ist es?"
"Rot"
Dieses Codewort aus meinem Mund ließ Cam scharf die Luft einziehen, ich hörte etwas poltern und Stimmen im Hintergrund, ehe sich eine Tür schloss und Cam wieder sprach. "Hau raus"
Ich vertraue ihm zwar bedingungslos, aber ich fand, die Details sollten mein Geheimnis bleiben, da es sich ja eigentlich um Daves Angelegenheiten handelte.
Daher erzählte ich Cam nur davon, dass ich das Gefühl hatte, Dave enttäuscht und einen Fehler gemacht zu haben. Ich sagte, Dave beweisen zu wollen, was ich für ihn fühlte.
Obwohl es das erste mal war, dass ich so offen mit Cam über meine Gefühle für Dave sprach, war mir nichts daran unbehaglich. Cameron war wie ein Bruder für mich, allein mit ihm zu reden half schon, mich besser zu fühlen.
"Weißt du was? Am besten kommst du vorbei, dann regeln wir das zusammen", schlug er nach meinem Bericht vor.
Ich war ihm so dankbar dafür, dass er sich seine Kommentare ersparte und mir konstruktiv beistehen wollte. Dabei kam ich gar nicht auf die Idee, dass er wohl was im Schilde führte.
Andere in meinem Alter sind an einem Freitagnachmittag wohl mit Party-Vorbereitungen beschäftigt. Ich für meinen Teil hatte mich in meinem Zimmer verschanzt, um auf keinen Fall dröhne Gefahr zu laufen, Dad zu begegnen.
Seit unserer Auseinandersetzung war es mehr als seltsam zwischen uns. Wir sprachen nicht mehr miteinander und wenn wir uns ansahen, dann war nichts als Kälte zwischen uns.
Meistens verließ einer von uns ziemlich schnell das Haus oder zumindest den Raum, wenn der andere anwesend war.
Ich hasste das. Genau weil ich das vermeiden wollte, hatte ich bisher immer das getan, was Dad von mir wollte.
Diese ganze Situation bestätigte eigentlich wie sehr ich all die Jahre richtig gehandelt hatte in dem Versuch, ihm alles recht zu machen, denn wenn es Dad gut ging, ging es allen anderen auch gut. Eine Art ungeschriebenes Gesetz.
Jedenfalls kam es wie es kommen musste und beim Runtergehen und Betreten des Wohnzimmers, um meiner Mum bescheid zu sagen, dass ich gehen würde, traf ich genauso auf meinem Dad.
Er war eigentlich nicht so der Typ, der Freitags gerne mal früher Schluss machte, aber er schien zu wissen, dass er bei Mum was gutzumachen hatte. Was zu funktionieren schien, denn sie wirkte wirklich glücklich dabei, mit Dad und Amy auf dem Sofa zu sitzen, während sie sich den Kinderfilm Trolls reingezogen.
Dad hatte Mum dabei im Arm und Amy auf dem Schoß. Er wirkte so entspannt wie selten. Sie sahen aus wie eine richtige kleine glückliche Familie. Ohne mich.
Obwohl ich nicht stören wollte, musste ich Mum ja mitteilen, dass ich gehen würde, weshalb ich mich leise räusperte und sofort die Blicke meiner Eltern auf mir hatte.
"Ich gehe noch schnell zu Cameron, wartet mit dem Abendessen nicht auf mich, könnte spät werden"
Dad sagte nichts, er presste die Zähne zusammen als bereite meine Anwesenheit ihm körperliche Schmerzen, ehe er den Blick abwandte und wieder auf den Fernseher sah.
"Alles klar, Schatz, danke fürs bescheid geben. Sag Cammy und Noah schöne Grüße ja?" Mum lächelte mich aufmunternd an, in dem Wissen wie sehr mich die Spannungen zwischen Dad und mir belasteten.
Ich nickte. "Mach ich, viel Spaß euch noch"
"Dir auch, Liebling!", Rief Mum mir noch hinterher, als ich auch schon erleichtert die Tür hinter mir schloss.
Ich sollte wirklich mit Dad reden. Mein Gefühl, dass mehr hinter unseren Differenzen steckte als es den Anschein hatte, kam mir wie die einzige Erklärung dafür vor, warum er mich so behandeln sollte wie er es tat.
Ich hatte keine Ahnung, wohin uns das noch führen würde, aber für den Moment setzte ich einfach mal Prioritäten und lief zu Cam.
Der Weg dauerte zu Fuß zwar etwa eine dreiviertel Stunde, aber ich genoss das irgendwie. So konnte ich mir meine Gedanken etwas zurechtlegen, machte dabei etwas sinnvolles und war freundlich zur Umwelt.
Als ich schließlich bei Cam ankam, wollte ich nichts lieber als ein kaltes Bier trinken und mich auf sein Sofa flenzen, aber es kam anders als erwartet.
Kate öffnete mir die Tür und schickte mich nach oben, wo sich Cam und Noah aufhalten sollten. Ich dachte mir nichts dabei, sprang die Treppen hoch.
Meinen Weg änderte ich aber ziemlich schnell, als ich Cams Lachen aus Noahs Musikraum hörte.
Ich ging rein und schmunzelte, als ich sah was Noah und Cam da machten.
Noah krabbelte auf dem Boden und Cam saß auf seinem Rücken, während er ihn durch Schläge auf den Hintern antrieb.
"Das ist eine neue Trainingsmethode, die ich entwickelt habe. Genial oder?"
Mir war nicht klar, mit wem Cam da sprach, bis ich seinem Blick zur gegenüberliegenden Wand folgte, an der Dave lehnte und mit verschränkten Armen auf das Schauspiel vor sich sah.
Ich erwartete einen coolen Spruch von ihm, aber er zuckte nur desinteressiert mit den Schultern.
Keiner der Anwesenden hatte ich bisher bemerkt, während ich hier stand und mich so fühlte als tanzten Ameisen in meinem Bauch Samba.
Leider blieb ich nicht lange unsichtbar, denn durch ein Hicksen zog ich die Aufmerksamkeit aller auf mich.
Aus einem Reflex heraus hielt ich mir die Hand auf den Mund, um meinen Schluckauf zu verbergen, aber es half nichts.
Dave sah mich aus großen Augen an, ich ihn ebenso und ich wusste, mein sogenannter bester Freund hatte mich in eine Falle gelockt.
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