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Alec:

Nachdem ich Dave gestern angerufen und ihm berichtet hatte, was noch so passiert war, als ich nachhause gekommen war, hatte er vorgeschlagen, dass wir uns heute treffen würden, damit ich den Kopf ein bisschen frei bekam.

Natürlich hatte ich zugestimmt. Allerdings wollte ich heute nicht bis zum Nachmittag warten, da ich es nicht riskieren wollte, meinem Dad irgendwann über den Weg zu laufen, also machte ich mich schon früh morgens aus dem Haus.

Ich holte Dave ab, aber zu Fuß, weil wir beide eigentlich ganz gerne liefen. Da konnte man sich auch viel besser unterhalten als beim Autofahren.

Er stand schon vor seinem Wohnhaus, als ich dort ankam und empfing mich mit offenen Armen, in die ich mich sofort schmiegte, um ihn zu umarmen.

Ich spürte, dass er mir dabei einen Kuss auf den Haaransatz gab und seinen Kopf dann an meinen legte.

Normalerweise umarmte man sich ja eher flüchtig zur Begrüßung und einfach nur der Routine wegen, aber Dave und ich taten es, weil wir uns wirklich freuten, einander zu sehen und die Nähe des anderen suchten. Daher wurde die Umarmung auch deutlich länger als nötig, bis wir uns auf den Weg in die Stadt machten, wo wir frühstücken gehen wollten.

„Also wie sieht's aus?", fragte Dave mich gut gelaunt. „Lästern wir über deinen Dad oder verdrängen wir das Thema?"

Ich seufzte. „Wir haben ja gestern schon zwei Stunden drüber diskutiert. Ich denke nicht, dass es da noch viel drüber zu sagen gibt oder?" Fragend schaute ich Dave an.

Er zog eine abschätzige Miene und zuckte mit den Schultern. „Mir fallen bestimmt noch ein paar passende Beleidigungen ein, wenn du mich kurz nachdenken lässt"

Amüsiert schüttelte ich den Kopf. „Nein danke, gestern hat mir gereicht. Deine Kreativität, wenn ich hätte"

„Also bitte!", schnaubte er und sah mich ungläubig an. „Wie kannst du bei deinem Talent für Kunst an deiner Kreativität zweifeln?! Du spinnst!"

Das brachte mich zum Schmunzeln. „Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt eine Beleidigung oder ein Kompliment war"

„Suchs dir aus", meinte Dave.

Kurz war es still zwischen uns, ich schmunzelte vor mich hin, bis er mir plötzlich seine Hand hinhielt. „Lust Händchen zuhalten?"

Keiner würde mir jemals glauben, wie süß er gerade aussah. Nicht wirklich unsicher oder aufgeregt, eher neugierig und leicht vorfreudig.

„Weiß nicht. Will die Gerüchteküche nicht anheizen"

Die Augen verdrehend steckte Dave seine Hand in die Hosentasche, sodass ich sie nicht mehr halten konnte. „Dein Pech. War ein einmaliges Angebot"

Ich lachte leicht. „Klar."

Wir wussten beide, dass er das wahrscheinlich immer wieder fragen würde, daher gab ich da jetzt mal nicht so viel drauf.

„Ich wollte noch was mit dir besprechen"

Ich schaute Dave fragend an und er mich mit einem leichten Lächeln. „Naja, wir haben ja über das Wochenende geredet und dass ich da deine Hilfe bräuchte..."

Ich nickte und wartete weiterhin auf die Neuigkeiten.

„Naja, ich dachte mir, weil es vielleicht ein bisschen knapp wird, auf eine ganze Woche ausdehnen. Die Sache ist die, dass ich die Instrumente, die gerade ungenutzt bei Brian rumstehen und die Möbel aus meinem Haus in Noahs Strandhaus bringen will. Das alleine dauert schon gut einen Tag und ich dachte halt, wenn wir schon dort sind, könnten wir auch ein paar Tage dort bleiben und ein bisschen entspannen, bevor wir das an meinem Haus angehen"

Dave biss sich leicht auf die Unterlippe, als er mit dem Sprechen fertig war, was hieß, dass er nervös auf meine Antwort wartete.

Ich überlegte. Ferien hatte ich ja noch und obwohl mir dieser Ausflug wohl erneuten Stress mit Dad einbringen würde, hatte ich so dann wenigstens die Möglichkeit, ihm eine Woche aus dem Weg zu gehen.

„Klar", meinte ich deshalb zustimmend. „Wird bestimmt lustig"

„Oh ja" Man sah Dave an, wie erleichtert er war und vorfreudig zugleich. „Du und ich, ganz allein auf so einer abenteuerlichen Reise. Das wird großartig"

Ich schmunzelte. „ich freue mich auch darauf"

Kurz sahen wir uns einfach lächelnd an, ehe sich etwas in dem Ausdruck seiner Augen änderte. Es war, als würde ein dunkler Schatten über sein Glück ziehen. „ich will davor aber noch was mit dir besprechen..."

„Worum geht's?" Besorgt sah ich ihn an, weil er nun so in sich gekehrt wirkte. Das kannte ich ja gar nicht von ihm.

Dave war quasi die Definition von offen im Charakterlichen Sinne, deshalb machte mit dieser traurige Ausdruck in seinem Blick gewaltige Sorgen.

Wir setzten uns in das Kaffee, in das wir wollten, in eine ruhige Ecke, wo wir ganz alleine sein und reden konnten.

„Weißt du, Menschen machen Fehler..." Schon als er so begann und dabei nur auf seine verkreuzten Hände auf dem Tisch zwischen uns sah, ahnte ich böses.

Trotzdem legte ich meine Hand auf seine.

Er schaute auf und ich lächelte ihn aufmunternd an.

Gerade wollte ich ihm sagen, dass ich der letzte war, vor dessen Reaktion er Angst haben musste, da kam auch schon eine Kellnerin und nahm unsere Bestellung auf. Bis diese uns gebracht wurde, hielten wir uns einfach weiterhin an den Händen und ich versuchte ihm Sicherheit durch meinen Blick zu vermitteln.

Ein Mann, der so war wie er, so selbstbewusst, so gleichgültig dem gegenüber, was andere von ihm dachten, so wundervoll... wie konnte er sich vor etwas fürchten?

Die Antwort war einfach. Auf mich kam Dave zwar meistens wie ein Held rüber, aber was ihn von den meisten Helden aus Comics und Filmen unterschied war, dass er nur menschlich war. Er hatte keine Superkraft, um sich gegen die Boshaftigkeit der Welt zu wehren.

Und das war auch völlig in Ordnung. Genauso mochte ich ihn ja auch.

„Erinnerst du dich an den Abend im Club... als es die Schlägerei gab und wir in den Knast gekommen sind?"

„Wie könnte ich das vergessen?", lachte ich leicht.

Dave grinste schief, aufgrund meiner Reaktion, aber er sah trotzdem noch irgendwie mitgenommen aus. „Dieser Typ da, der dich so belästigt hat", redete Dave weiter.

„Hast du eine Ahnung, was er von mir wollte?"

Ich schüttelte den Kopf. „vielleicht bin ich einfach dumm, aber ich blicke bei sowas meistens nicht durch..."

„Du bist nicht dumm", widersprach Dave sofort, strich mit seinen Daumen über meine Fingerknöchel.

„Es ist so, dass ich damals ziemliche Geldprobleme hatte. Ich hab meine Studiengebühren abbezahlen müssen, die Behandlung und Beerdigung von meinem Vater, die Schulden vom Haus, Dinge allgemein zum Leben und meinen Stoff musste ich ja auch irgendwie finanzieren. Einen Job hatte ich nicht und obwohl ich regelmäßig Geld von Noah und meiner Tante bekommen habe, hat es halt nicht gereicht... Weißt du, wenn du schon mal in diesen Kreisen bist, bist du ganz unten. Da ist es dir dann egal, wie du an das Geld kommst, das du brauchst."

Er seufzte schwer. „Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll..." Dabei schüttelte er den Kopf und warf mir einen leicht verzweifelten Blick zu.

„Versprich mir bitte, nicht einfach wegzulaufen, wenn ich dir das jetzt erzähle. Hör bis zum Ende zu"

„Versprochen" Ich drückte seine Hände, um ihm etwas Sicherheit zu geben. Mit traurigem Blick ließ er mich los und lehnte sich etwas zurück, um Abstand zu mir zu schaffen.

„Der schmierige Typ damals wollte mit mir schlafen"

So wie er das sagte, wirkte es, als käme da noch etwas. Und das tat es.

„...weil ich schon mal mit ihm geschlafen hab, öfter... und ich... Ich hab mich dafür bezahlen lassen"

Er presste die Lippen zusammen, zwang seinen Blick in die Höhe, um mir in die Augen zu sehen. „Ich hab mich prostituiert, um an mein Geld zu kommen..."

Er stockte, als er bemerkte, wie meine Hände leicht verkrampften.

Ich meine, jetzt wo er das sagte, ergab das alles irgendwie Sinn, aber trotzdem weigerte sich alles in mir zu glauben, dass der Mann, den ich so sehr bewunderte einst seinen Körper verkauft hatte.

„Ich weiß, wie das auf dich rüberkommt. Ich hab auch nichts, womit ich mich irgendwie verteidigen kann. Es hat halt angefangen, als ich kein Geld mehr für meinen Stoff hatte. Mein Dealer meinte, er würde sich auch anders bezahlen lassen und... als ich den Schritt erstmal gegangen bin, gab es dann kein Zurück mehr. Meistens hab ichs mit ihm gemacht, um die Drogen kostenlos zu bekommen. Manchmal auch mit anderen... Es waren auch eignetlich nur Männer..." Er schüttelte leicht den Kopf und verzog das Gesicht. „Gefallen hat mir das sicherlich nicht. Es hat wehgetan und ich hab mich gefühlt wie eine Puppe, die... Schon nach dem ersten Mal, hab ich es nur noch zugelassen, als ich so voll war, dass ich eignetlich gar nicht gespürt habe, was da mit mir passiert. Den Typen wars auch egal, ob ich mitmache oder einfach nur daliege wie sie mich haben wollen, solange sie ihre ... Befriedigung bekommen haben"

Er schluckte und schaute mich leidend an. Er schien zu bemerken, dass das gerade wirklich viel für mich war. Ich meine, ich hatte Bilder im Kopf, die da eindeutig nicht reingehörten und die mir auch nicht gefielen.

„Deswegen weiß ich, wie es mit Männern funktioniert... Das sind aber auch die einzigen Erfahrungen, die ich mit gleichgeschlechtigem Sex habe. Ich hab bisher nie mit einem Kerl geschlafen des Vergnügens wegen oder weil ich das Verlangen danach hatte, sondern einfach nur, um Geld beziehungsweise meinen Stoff zu bekommen."

Er machte eine kurze Pause, in der er beschämt auf die Tischplatte sah und sich erschöpft durch die Haare strich. „Ich erzähle dir das nicht, weil ich irgendwie stolz drauf bin oder dich vertreiben will, eher aus dem Gegenteil. Du bist er erste Typ, dem ich wirklich aus freien Stücken nahe sein will. Nicht direkt sexuell... Ich will einfach bei dir sein, weißt du? Ich mag es, wenn wir reden und philosophieren... Ich mag deine Nähe, deine Berührungen, meine Vorstellungen davon, was wir noch so zusammen machen könnten... Du bist mir so wichtig, Alec. Ich will von vorne rein klarstellen, wer ich bin und was ich getan habe, um mir nicht die Hoffnungen zu machen, du könntest mich genauso mögen wie ich dich, wenn du mich dann verlässt, sobald du die Wahrheit kennst. Ich glaube, dass das mit uns... Dass das was für eine lange Zeit ist, ein ganzes Leben, ja vielleicht sogar die Ewigkeit, deshalb will ich, dass du alles über mich weißt, damit du selbst beurteilen kannst, ob du dir das antun willst. Ich weiß nicht, wie ich jetzt reagieren würde, wenn ich an deiner Stelle wäre. Dir muss klar sein, dass du eigentlich viel zu gut für mich bist. Das bist du. Deshalb macht es mich so glücklich und traurig zugleich, jedes Mal, wenn ich feststelle, dass du irgendwie ähnlich für mich empfindest wie ich für dich. Ich weiß nicht, ob ich dir jemals das bieten werden kann, was du verdient hast. Das einzige, was ich dir versichern kann, ist, dass ich für Menschen, die mir wichtig sind, alles tun würde. Und du gehörst da definitiv dazu. Du musst mir also nur sagen, was du jetzt von mir erwartest. Wenn du willst, dass ich gehe, dann gehe ich. Wenn du willst, dass ich dich in Ruhe lasse und wir uns nicht mehr sehen, dann macht mich das zwar traurig, aber ich werde es akzeptieren und es tun. Und wenn du komplett bescheuert bist, dann entschließt du dich dafür, es weiterhin mit mir zu versuchen und gibst mir somit die Chance, dir zu beweisen, dass ich trotz allem noch dazu in der Lage bin, dich glücklich zu machen..."





Hallo:) Ab hier beginnt eine kleine Pause, aber ich verspreche, dass es weitergehen wird.


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