22
Alec:
Schon lange hatte ich nicht mehr vor dem Spiegel gestanden und mich so wohl in meiner Haut gefühlt.
Heute war ein guter Tag, hatte ich beschlossen.
Ich meine, ich hatte stundelang mit Dave telefoniert, war irgendwann in Begleitung seiner Stimme eingeschlafen, der Streit mit meinem Dad hatte sich bisher in Grenzen gehalten, meine Mum war so verrückt wie immer, Amy schien es besser zu gehen und Dave war einfach der süßeste Verehrer, den man nur haben konnte.
Ich trug die schwarze Lederjacke, darunter ein Olivgrünes Hemd und eine schwarze Jeans, hatte meine Haare heute mal ganz gut hinbekommen und fühlte mich allgemein einfach besser als sonst.
Pünktlich, als Mum und Dad Amy fertig machten, ging ich die Treppen runter und schlenderte zu ihnen.
„Uhh steht dir gut", schnurrte Mum mit einem Zwinkern.
Leicht grinsend schaute ich auf den Boden und dann zu meinem Dad
Er schien weniger erfreut zu sein. „Wann hast du dir das Teil denn zugelegt?"
„War ein Geschenk", gab ich zu und versuchte zu lächeln.
Er sollte meine Anspannung nicht bemerken, meine Angst, dass er mir durch seine Psychospielchen die Liebe zu dieser Jacke kaputt machen würde.
„Wer schenkt dir denn sowas?" Dad war ganz verwirrt und musterte die Jacke. „Das scheint nicht gerade billig gewesen zu sein..."
„Deshalb sollte er sie tragen", unterbrach meine Mum Dad sorglos und drückte ihm Amy in die Hand. „Ab ins Auto" Sie schaute ihn auffordernd an.
Er blickte wieder zu mir. „Ziehst du dir bitte was anders an? Das Hemd und die Hose passen, aber diese Jacke lässt dich wie so einen Möchtegern-Gangster aussehen..."
„Mann, Dad! Ich bin 20, du kannst mir nichts verbieten, was ich anzuziehen habe"
Ich war selbst überrascht von mir, dass ich ihm das ins Gesicht sagen konnte und er schien es auch zu sein, denn er wurde zerknirscht.
Er hasste es, wenn ich ihm widersprach. Sehr oft war das noch nicht vorgekommen. Vielleicht drei Mal in meinem Leben, dieses Mal eingeschlossen.
„Isak, hör jetzt auf so ein Pieeeeep zu sein und bring die Kleine ins Auto" Mum presste Dad durch die Tür und dieser ließ es über sich ergehen.
Als er weg war, sah Mum mich mit einem Lächeln an. „Das wird schon."
Sie klopfte mir auf die Wange, sah mich aufmunternd an, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie wohl mehr im Sinn hatte als mich nur aufgrund der Jacke aufzumuntern.
„Kann ich bei euch mitfahren?", hakte ich bei Mum nach, als wir ebenfalls das Haus verließen.
„Klar. Du darfst dann gerne Heimfahren, wenn ich deinen Dad abfülle" Sie kicherte frech und ich musste amüsiert den Kopf schütteln.
„Wirst du eigentlich auch mal erwachsen?"
„Schatz, ich bin 36, ich bin noch in meiner besten Zeit und das sollte ich ausnutzen. Solange meine Brüste mir noch nicht am Bauchnabel hängen" Sie verzog das Gesicht, weshalb ich lachen musste.
Mir fiel auf, dass Mum sowas irgendwie immer brachte, nachdem ich eine Auseinandersetzung mit Dad gehabt hatte. Sie war mir immer eine Stütze, wenn Dad versuchte, mich zu brechen. Deshalb liebte ich sie so sehr.
Dad schaute ganz seltsam, als ich mich zu Amy auf den Rücksitz begab.
Ich erwiderte seinen Blick mit einem versöhnlichen Lächeln, er seufzte und der Ausdruck in seinem Gesicht wurde schon weicher.
„Also, was ich euch noch sagen wollte...", meinte Dad, als er losfuhr. „... ein Kollege von mir hat sich quasi selbst eingeladen, mitzukommen..."
„Das ist jetzt nicht dein Ernst" Mum sah Dad empört an.
Dad zuckte mit den Schultern. „Naja, ich hab den Termin mit ihm vorverschoben, damit dieses Essen heute Abend stattfinden kann und musste natürlich eine Erklärung abliefern und er meinte halt dann, dass er gerne mal wieder mit uns essen gehen würde..."
„Wieder? Wer ist es?" Mum klang gereizt und ich konnte sie da gut verstehen.
Dad hatte gerade aus unserem Familienessen ein Geschäftsessen gemacht, ohne dass wir noch nein sagen konnten und uns somit schon wieder vor vollendete Tatsachen gestellt. Und das ohne ein schlechtes Gewissen.
„Kennedy... Spencer Kennedy"
„Dieser schmierige Lappen?!" Mum haute Dad auf den Oberarm, den er sich dann mit verzogenem Gesicht rieb.
„Ich kann ihn ja auch nicht wirklich leiden, aber solange wir ihm sympatisch sind, hab ich geschäftlich viele Vorteile..."
„Du verkaufst uns, ist dir das eigentlich klar?!", schnaubte Mum und verschränkte die Arme.
Da waren wir schon wieder. Kurz vor der Ehekriese.
Obwohl Mum nur ein Ausrutscher von Dad gewesen war und er sich die ersten Jahre nur gezwungenermaßen um mich und Mum gekümmert hatte, hatten sich meine Eltern doch wirklich verliebt und liebten sich seitdem.
Sie waren auch verheiratet seit gut 13 Jahren, aber bei ihnen gab es immer mal wieder Krach. Als Kind hatte ich das gar nicht so mitbekommen.
Ich erinnerte mich eigentlich auch nur noch daran, dass meine Eltern ein Paar gewesen waren, seit ich denken konnte, aber ich erinnerte mich auch an das ein oder andere Mal, dass Mum nach einem lauten Streit mit Dad einfach so weinend zusammen gebrochen war.
Einmal hatte Mum Dad sogar vor mir eine geknallt. Sie hatten beide nicht gewusst, dass ich es gesehen hatte, es war mitten in der Nacht gewesen, aber mein etwa 8-jähriges Ich war durch ihre lauten Stimmen bei einem heftig Streit aufgewacht, ich war zu ihnen ins Zimmer geschlichen, mitten in der Nacht, hatte mitbekommen, wie Dad sich entschuldigt hatte und Mum ihm eine Ohrfeige verpasst hatte.
Kurz danach war sie ihm um den Hals gefallen, sie hatten sich geküsst und alles war wieder in Ordnung gewesen. Bis heute wusste ich nicht, worum es damals gegangen war. Alles, woran ich mich erinnerte, war, dass Mum immer sehr verständnisvoll war, wenn es um Dads Beruf ging und vor allem seine Arbeitszeiten.
Nur einmal hatte ich sie wirklich extrem sauer erlebt und konnte mich erinnern, wieso das alles. Sie war arbeiten gewesen und Dad hätte sich freinehmen sollen, um mit mir zu einem Projekt zu gehen, bei dem Eltern mit ihren Kindern gemeinsam Kunst schaffen dürften.
Dad und ich waren eine halbe Stunde dort gewesen, bis ich weinend rausgerannt war, weil er allen Anwesenden erläutert hatte, dass es lächerlich war, sein Kind in sowas zu unterstützen, dass man von Kunst und Kreativität nicht leben und sich nichts zu essen kaufen konnte.
Klar hatte er recht gehabt, aber ich hatte mich so gedemütigt gefühlt und ich war so enttäuscht gewesen in dem Moment, als mir bewusst geworden war, dass Dad meine Leidenschaft für Kunst als den lächerlichen Traum eines kleinen Kindes einstufte, der ohnehin niemals in Erfüllung gehen würde.
Er hatte mich dabei nie unterstützt und mich durch seine knallharten Ansichten so sehr zum Verzweifeln gebracht, dass ich zu Mum in die Praxis gerannt war, so wie Arzthelferin war und ihr einfach so weinend um den Hals gefallen war.
Ich erinnerte mich daran, wie sie ihre Kollegin gebeten hatte, zu übernehmen und mich ins Hinterzimmer gebracht und getröstet hatte. Dann wollte sie jede Einzelheit von dem wissen, was passiert war und ich hatte es ihr erzählt.
Vor mir hatte sie nicht zugeben wollen, wie enttäuscht sie dafür von Dad war, aber als wir zuhause gewesen waren und sie mich in mein Zimmer geschickt hatte, um mich etwas abzulenken, hatte ich sie schreien hören, was für ein herzloses Mistkerl er doch war, wie sehr sie es bereute, einen Mann wie ihn zu lieben und dass sie sich wünschte, er sei nicht mein Vater, da er nichts anderes konnte, als mir das Herz zu brechen.
Sie hatte recht gehabt. Aber all das zu hören und es nicht mehr verleugnen zu können war wie ein Schlüsselerlebnis für mich gewesen.
Ich war nur Dads Fehler. Er hatte mich nie gewollt. Und ich würde ihm niemals genug sein, außer ich machte genau das, was er sagte, wurde zu dem, als den er mich sehen wollte und hörte auf, meinen eigenen Kopf, meine eigenen Gedanken, meine eigenen Träume und Wünsche zu haben. Denn für ihn waren diese nichts wert, solange sie ihm kein Geld brachten.
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