19

Dave:

Mit pochendem Herzen nahm ich ab, als Bärchen 💖 auf meinem Display erschien.

„Hei", meinte Alec schüchtern.

„Selbst hei" Ich klang gereizt, denn das war ich. Dieser Junge raubte mir den letzten Nerv.

„Jetzt hör mal gut zu, du kleiner Koalabär, und wehe du unterbrichst mich. Wie oft soll ich dir eigentlich noch klarmachen, dass ich über beide Ohren verknallt in dich bin, mh?! Meine Gedanken kreisen schon fast ausschließlich nur noch um dich, seit wir uns das erste Mal gesehen haben. Schon damals fand ich dich einfach nur noch schön. Zuerst dachte ich, du bist so ein verwöhnter Schnösel und nur eine hübsche Hülle, aber als du mit mir in den Garten bist und wir angefangen haben, richtig zu reden, wusste ich schon, dass ich in dem Moment mein Herz an dich verloren habe. Vielleicht war das ein bisschen früh, na und? Liebe braucht keinen Zeitpunkt und ich lasse mir auch sicher keine Regeln aufzwingen, wann ich was zu fühlen habe. Ich bin zwar hauptsächlich in den Entzug, damit ich irgendwann für Amy da sein kann, aber denkst du echt, ich hätte das durchgezogen ohne immer wieder daran zu denken, dass ich dich eines Tages mein nennen will? Ich will, dass du aufhörst an dir zu zweifeln, Alec, dafür gibt es nämlich absolut keinen Grund. Es gibt nicht viele Dinge, die ich dir versprechen kann, aber meine Gefühle für dich schon. Was willst du, das ich tue, um es dir zu bewiesen? Willst du Liebeslieder? Willst du Gedichte? Willst du Geschenke? Willst du einen Blowjob? Sag mir, was du willst. Für dich würde ich alles tun"

Nennt mich talentiert, aber meine gesamte Aussage über hatte ich kein einziges Mal geatmet und musste deshalb jetzt erstmal tief die Luft einziehen, während ich angespannt auf seine Antwort wartete.

Alec wusste eigentlich, dass er keinen Grund hatte, unsicher zu sein. Ich verstand nicht, was ihn in den letzten zwei Jahren dazu gemacht hatte. Ich vermutete es lag in diesem drecks Jurastudium und seinem scheiß Vater, der ihn zu Sachen drängte, die er gar nicht wollte. Klar verlor man da irgendwann man seinen eigenen Willen und den Glauben in sich selbst. Aber jetzt war ich wieder da und ich würde ihm seinen alten Glanz zurückbringen, das kann ich euch versprechen.

„Wenn du die Wahl hättest", begann Alec leise. „Wenn du die Wahl hättest, dein Leben lang Drogen nehme zu können, ohne, dass es dir in irgendeiner Weise schadet oder ein Leben mit mir zu verbringen... was würdest du wählen?"

Er wusste genau, wie schwer diese Frage für mich war. und ich hasste mich dafür, eine Grauzone zu finden und auszunutzen.

„Wenn es mir nicht schaden könnte, dann würde ich dich durch die Entscheidung nicht verlieren...", meinte ich, hörte genau wie beschämt ich dabei klang.

„Mhm"

Leidend schloss ich die Augen, atmete tief durch.

„Weißt du, im ersten Moment würde sich jeder für die Droge entscheiden, der das schon mal probiert hat. Wenn sie dir nicht schaden, dann ist es eigentlich das Beste, was dir passieren kann. Du müsstest nie wieder unglücklich sein und... Aber wer es kennt, richtig drauf zu sein, weiß auch, dass die Gefühle, die dadurch ausgelöst werden, richtige Emotionen unterdrücken. Die, weswegen wir die Drogen nehmen, damit wir sie entweder unterdrücken oder empfinden oder beides zeitgleich. Deshalb würde ich mich für dich entscheiden. Weil keine Droge der Welt die Gefühle, die ich für dich habe, nachahmen könnte. Und weil ich nichts anderes brauche, wenn ich dich habe. Weil ich will, dass das mit uns echt ist, selbst, wenn es ein schwerer Weg ist zu dem Punkt, an dem ich gerne mit dir stehen möchte."

Nervös biss ich auf meine Lippe und ballte meine Hand zu einer Faust. Meine Fingernägel drückten dadurch schmerzhaft in meine Handfläche, aber ich somit konnte ich mich gut von dem Gefühlschaos in meinem Inneren und den Erinnerungen an meine dunklen Zeiten ablenken.

„Okay"

Ich hätte ja echt mit allem als Antwort gerechnet nur nicht damit.

„Okay?" hakte ich unsicher nach.

Was wollte er mit denn damit sagen? Was sollte Okay bedeuten? Hilfe!

„Okay", wiederholte er schlicht.

Ich seufzte. „Kannst du vielleicht was anders dazu sagen? Ich hab grade keine Ahnung, woran ich bei dir bin..."

„Danke, dass du so ehrlich warst"

Ich konnte den Klang seiner Stimme absolut nicht deuten. Er wirkte nicht wirklich zufrieden, aber auch nicht unzufrieden.

„Ich habe schon alle Menschen in meinem Leben belogen, Alec, jeden einzelnen, aber obwohl ich dir damals die Sache mit der Abhängigkeit verheimlicht habe, bist du der einzige, zu dem ich immer ehrlich war"

„Danke", wiederholte er leiser.

Ich hörte ein leises Schniefen und mein Herz blieb stehen.

„Alec?" Ich bekam selbst Tränen in den Augen, als ich das so unsicher fragte und richtete mich etwas auf, um notfalls loszustürmen, um ihn in den Arm nehmen zu können.

„Ich..." Wieder schniefte er. „Ich bin einfach nur erleichtert... Ich dachte die ganze Zeit, dass ich dir scheißegal bin und jetzt sagst du all das mit einer Überzeugung, dass es nur die Wahrheit sein kann und das macht mich so glücklich, dass ich es selbst gar nicht glauben kann... Ich hab Angst, dass ich mir das nur einbilde oder träume"

„Tust du nicht" Ich begann erleichtert zu lächeln, mein Herzschlag setzte wieder ein und ich traute mich wieder zu atmen.

„Würde das ein Traum-Dave nicht auch sagen?", fragte Alec.

Schmunzelnd sank ich in meine Kissen zurück, während ich mir das Handy weiterhin ans Ohr hielt. „Ich weiß nicht. Wäre ja dein Traum-Dave. Denkst du Traum-Daves wissen, dass sie nur Traum-Daves sind?"

„Kommt vielleicht drauf an", vermutete Alec. „Es gibt ja verschiedene Arten von Träumen. Die, die ich mir bewusst vorstelle, weil ich mir die Dinge, die darin passieren wünsche und sie in der Realität nicht haben kann und die beim Schlafen, wenn das Unterbewusstsein sie steuert und ich selbst nicht mal weiß, dass ich träume. Jetzt ist halt die Frage, ob der Traum in dem Moment, wenn ich nicht weiß, dass es ein Traum ist mehr die Realität ist als alles andere..."

Ich lächelte noch breiter.

Alecs Gedanken waren das schönste, was ich jemals gehört hatte. Ich wusste zwar nicht, ob es gesund war, alles so genau zu durchdenken, wie er das manchmal machte, aber andererseits glaubte ich, er musste sich gar nicht anstrengen, um auf solche Gedankengänge zu kommen. Alec war einfach jemand, der den Blick für das Größere hatte. Er sah über seinen Tellerrand hinaus und der dachte über Fragen nach, auf die er die Antworten niemals bekommen konnte, aber dabei ging es ihm auch weniger um die Beantwortung, als um die Tiefsinnigkeit der Frage an sich. Und ich liebte es, ihm dabei zuzuhören.

„Willst du wissen, was lustig wäre?", fragte ich aus meinen eigenen Gedanken heraus.

Ich hörte ein Rascheln von der anderen Seite und dann ein fragendes: „Mh?"

„Stell dir vor, das, was wir für die Realität halten, ist eigentlich ein Traum und jedes Mal, wenn wir einschlafen, wachen wir eigentlich auf..."

„Das ist nicht lustig, Dave, das ist genial", kam von Alec.

Es brachte mich zum Lachen.

„Die Frage ist aber dann, warum man sich an manche Träume erinnert, an andere nicht, warum man manchmal immer wieder dasselbe träumt und manchmal die Träume gar nichts miteinander zu tun haben... Beziehungsweise die Realitäten, wenn wir von deiner These ausgehen"

Es schein Alec Spaß zu machen, sich solche „Was wäre, wenn"-Fragen zu stellen und jede Einzelheit davon auszuknobeln und weil ich gerne mit ihm über solche philosophischen Themen diskutierte, stieg ich wieder mal mit ein.

„Manchmal kann man ja auch im Schlaf seine Träume kontrollieren. Vielleicht kann man, wenn das eigentlich die Realität ist, so selbst bestimmen, was wann passiert und man zum Beispiel schöne Momente immer wieder erleben, so als hätte man eine Rückspul-Taste. Oder, wenn man scheiße erlebt hat, dann kann man sie einfach vergessen und dann ist es so, als habe man gar nichts erlebt in der Zeit, versteht du was ich meine?"

„Klar", stimmte er sofort aufmerksam zu. „Wenn du aber einen Moment nochmal erleben willst und zurückspülst, was passiert dann mit allen anderen auf der Welt? Stell dir vor, jede Sekunde würde ein Mensch eine Zeitspanne von 10 Sekunden zurückspulen, dann lebt man quasi in die Vergangenheit hinein und nicht in die Zukunft. Oder dann ist die Vergangenheit eigentlich die Zukunft und die Zukunft die Vergangenheit und oh mein Gott, ist das cool!"

Ich lachte leicht und schloss dann die Augen, um seiner Stimme besser lauschen zu können.

„Vielleicht hat ja jeder sein eigenes kleines Universum, unabhängig von den anderen. Es hat ja immerhin auch jeder seine eigenen Träume", vermutete ich.

Natürlich wussten wir, dass das alles Schwachsinn war, aber unsere gesamte Existenz durch einzelne kleine Vermutungen in Frage zu stellen, ließ alles, was wirklich passierte, alle Probleme und Sorgen und klein und unbedeutend wirken. Ich brauche das manchmal, einfach flüchten zu können. Früher hatte ich das durch den Konsum von Drogen gemacht, doch danach war die Landung nach jedem Höhenflug nur umso schlimmer gewesen. Jetzt tat ich es zusammen mit Alec in eine Welt, die nur aus unserer Vorstellungskraft bestand und es kam mir so vor, als sei diese grenzenlos

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top