12

Alec:

Dave und ich waren noch eine Weile bei Amy geblieben, ohne uns voneinander zu lösen.

Irgendwann hatte er sich wieder etwas aufgerichtet, aber wir hatten uns nicht losgelassen und Amy etwas verträumt beim Schlafen zugesehen, während wir aneinander gelehnt waren.

Wenn ich ehrlich war, war ich ziemlich enttäuscht, als ich feststellte, dass wir nicht ewig so verweilen konnten.

Und vor allem, als er mich sanft von sich schob und dabei tief durchatmete. „Wir sollten wieder runter..."

Ich wusste, dass er Recht hatte. Je länger ich mit Dave wegbleiben würde, desto schlimmer würden Dads Worte später werden, daher nickte ich nur niedergeschlagen und wir machten uns auf den Weg zurück in die Höhle des Löwen.

Meine Eltern mussten zusammen den Tisch abgeräumt haben, denn bis Dave und ich runter kamen, war hier unten alles wieder sauber und von dem Essen war nichts mehr in Sicht. Dafür standen jetzt Kuchen und Kaffee dort.

Mum und Dad unterhielten sich leise, aber doch angeregt. Obwohl beiden das Thema wichtig zu sein schien, verstummten sie, als ich mit Dave eintrat.

„Wie schläft wie ein Stein", verkündete ich Mum beruhigend auf ihren frageden Blick hin.

Sie nickte lächelnd und tätschelte Daves Hand, als er sich setzte. „Du bist wohl ein Naturtalent"

Dave schmunzelte etwas verlegen, aber deutlich erfreut.

Seine noch freie Hand lag so verführerisch für mich, sie erneut zu nehmen, in seinem Schoß, aber ich traute mich einfach nicht.

Außerdem starrte mich mein Dad so böse an, dass ich Angst hatte, jeden Moment zu Asche zu zerfallen, wenn das so weiterging.

„Man will es glauben oder nicht, aber ich konnte schon immer gut mit Kindern.", meinte Dave.

Mum lächelte. „Du hast wirklich eine schöne Stimme..."

Dave lächelte dankbar.

Unter dem Tisch lehnte sich sein Knie an meines, während er aber nur meine Mum ansah und sich mit ihr unterhielt.

„Meine Mutter war Sängerin und Musikerin, sie hat Noah und mir das quasi in die Wiege gelegt... Bis ich in den Stimmbruch gekommen bin, war ich auch unabhängig von dem, was ich bei meiner Mum gelernt habe, in einer Musikschule." Er lachte leicht. „Mein Stimmbruch war die Hölle für mich und alle, die sich das haben mitanhören müssen. Danach hatte ich richtig Komplexe wieder mit dem Singen anzufangen und habs nur noch zuhause gemacht mit Noah. Als es dann in der Schule um die berufliche Zukunft ging, wusste ich, kann will und kann eigentlich nur was machen, das was mit Musik zu tun hat. Ich habe getanzt, um das mit dem Singen irgendwie zu kompensieren und mich dann an der internationalen Kunsthochschule beworben im Studiengang für Gesang und Tanz, weil ich die Hoffnung hatte, wenigstens in einem aufgenommen zu werden. Es war ein richtiger Schock für mich, dass ich in beiden aufgenommen wurde, weil das eigentlich gegen ihre eigenen Regeln ist..."

Dave dazu zuzuhören, wie er von seiner Liebe zur Musik sprach, war irgendwie beruhigend. Man erkannte genau, wie viel ihm das bedeutete und vor allem, die Geschichte, die dahinter steckte.

Daher litt man quasi mit ihm, als er meiner Mum von dem Unfall erzählte, bei dem seine Mum gestorben, sein Dad ins Koma gefallen war und er sich das Knie irreversibel verletzt hatte.

Mum war wie ich ziemlich empathisch, naja vielleicht mehr als ich, denn sie begann dabei fast zu weinen und tröstete Dave durch ehrlich gemeinte aufmunternde Worte.

Obwohl Dad versuchte, weiterhin eine kalte Statue zu sein, erkannte ich genau, dass es ihn ebenfalls traf, so vorschnell über Dave geurteilt zu haben. Obwohl dieser mit keinem Wort erwähnt hatte, was genau zu seiner Abhängigkeit geführt hatte, reichte schon das aus, um zumindest nachzuvollziehen, dass er versucht hatte, diesen wichtigen Teil in seinem Leben, der plötzlich gefehlt hatte, mal ganz abgesehen von der Sache mit seinen Eltern, durch etwas anderes zu kompensieren. Dass er dazu die Drogen genutzt hatte, war ein Fehler gewesen, aber ein verständlicher...

Ich war ehrleichtert, dass wir irgendwann von den ersteren Themen wegkamen.

Wir rutschten auch nicht in Smalltalk ab, es war eher so, dass Mum begann, sich über mich und mein Verhalten als Kleinkind lustig zu machen und Dad irgendwann miteinstieg.

Sie hatten mich bekommen, als Mum 17 und Dad 20 gewesen war. Sie waren nicht mal verliebt gewesen zu diesem Zeitpunkt.

Mum war der Ausrutscher eines gestressten Jurastudenten gewesen, der sich auf einer gewöhnlichen Party das Hirn rausgeballert hatte und dann mit einem 16- jährigen Highschool Mädchen - der Schwester seines besten Freundes - im Bett gelandet war...Obwohl mein Dad das ungern zugab, weil es nicht in sein Bild einer perfekten Familie passte und bewies, dass auch er seine Fehler hatte. Ich meine, der wohl größte seiner Fehler saß gerade mit ihm am Tisch, also...

Nach dem Kuchen am Nachmittag bestand Dave darauf, Mum noch zu helfen dabei alles in die Küche zu bringen und etwas aufzuräumen.

Er und Mum verstanden sich echt gut, obwohl ich nicht um das Gefühl herum kam, dass er durch meine Mum das Vermissen seiner eigenen zu verringern versuchte.

Aber für mich war das kein Problem. obwohl ich Einzelkind war, teilte ich gerne, selbst, wenn es sich um die Liebe meiner geliebten Mum handelte.

Während wir Dave und Mum aus der Küche Kichern hörten, saßen Dad und ich noch um Tisch und er seufzte erschöpft durch, als er mich so ansah.

„Wenn es etwas gibt, das du mir sagen musst..." Es war nett gemeint von ihm, aber bevor ich nachdenken konnte, schüttelte ich schon den Kopf.

Man sah ihm etwas Enttäuschung an, weil er wohl auf ein tiefgründiges Vater-Sohn-Gespräch gehofft hatte, aber auch Erleichterung, weil es doch ausblieb.

Nach nicht allzu langer Zeit, kamen Dave und Mum zurück, Dave verabschiedete sich bei meiner Mum mit einer Umarmung und bei Dad erneut mit einem viel zu festen Händedruck.

Bevor wir irgendetwas machen konnten, bat er mich noch, ihn ein Stückchen zu begleiten.

Da mir kein Grund einfiel abzulehnen, stimmte ich zu und folgte ihm in den Flur, wo wir schweigend unsere Schuhe anzogen und schließlich das Haus verließen.

„Soll ich dich zu deiner WG fahren?", hakte ich nach.

„Nein, danke, ich laufe gern. Da kann ich nachdenken und keiner stört"

Etwas perplex schaute ich ihn an, nickte aber verstehend, da es mir ja gleich ging.

„Hör zu, ich wollte dich um einen kleinen... naja doch etwas größeren Gefallen bitten. Du kannst natürlich nein sagen, aber ich würde mich sehr freuen, wenn du zustimmst" Etwas nervös vergrub er seine Hände in den Taschen seiner Jacke.

Ich zog nur abwartend die Augenbrauen hoch, damit er mit der Sprache rausrückte.

„Naja, ich wohne ja jetzt in der WG und das Haus, das ich besitze, ist viel zu groß für mich alleine, deshalb will ich etwas anderes daraus machen... ich bräuchte aber jemanden, der mir hilft, also vor allem was die Gestaltung angeht... und du bist der einzige, dem ich da vertrauen würde..."

Ich begann zu schmunzeln.

Es war rein zufällig gewesen, dass er mal auf meinem Handy eine Zeichnung von mir gesehen hatte, die ich angefertigt hatte, dann hatte er immer mehr sehen wollen, mir auch mal beim Zeichnen zugesehen und war seitdem davon überzeugt, dass ich ein unbeschreibliches Talent für malerische Kunst hätte.

„Ich würde übers Wochenende hinfahren, eventuell auch noch ein paar Tage dranhängen und ein bisschen am Haus arbeiten. Und ich wollte dich fragen, ob du Zeit und/oder Lust hast mitzukommen..."

„Gib es doch einfach zu", schnaubte ich gespielt abweisend. „Du brauchst einfach nur jemanden, der dich fährt"

Zuerst schaute er mich schockiert an, wollte alles abstreiten, aber dann erkannte er, dass ich nur Spaß machte und begann zu lachen.

„Mann, du hast mir voll den Schrecken eingejagt!" Er schlug mir leicht auf die Schulter.

Ich lachte bloß. „Das hast du verdient. Aber ja, ich würde gerne mitkommen. Du solltest mir davor aber vielleicht erzählen, was genau du vorhast..."

„Das wird eine Überraschung", meinte er frech grinsend, wurde dann etwas ernster. „Bevor wir gehen, will ich aber noch ein paar Dinge mit dir besprechen... Hast du vielleicht die Tage mal Zeit für ein Treffen? Im Park chillen oder so?"

Ich stellte fest, dass er sich immer leicht auf die Unterlippe biss, wenn er nervös wurde und abwarten musste, sah kurz auf die Stelle und dann direkt in seine Augen. „Klar... Ich lass mir von Noah deine Handynummer schicken und schreib dich an..."

„Vergiss es", begann er erleichtert zu lachen. „Ich lass mir von Noah deine Handynummer geben und schreibe dich an. Ich kenne dich genau, Alec, jetzt bist du fest entschlossen, es zu tun und wenn's dann soweit ist, machst du einen Rückzieher. Erwarte also meine Nachricht"

Ich konnte gar nichts mehr darauf zurück geben, da er mich schon blitzschnell umarmt hatte und mich durch einen Kuss auf die Wange so schockiert hatte, dass mein Körper einfach anhielt, während er leicht lachend und deutlich erfreut seinen Weg weiterging und ich ihm solange hinterherstarrte, bis er um die nächste Ecke bog.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top