3. Das Lied von dunklen Gängen & Schatten
"Photographs are so ironically impermanent. They capture one moment in time to perfection. A painting can capture eternity"
Victoria blieb wie angewurzelt stehen, als sie den düsteren Anblick des Ganges, der tief in das Gedärm des Hauses führte, vor sich erfasste.
Dunkelheit, Kälte und eine kaum greifbare Leere füllten jeden Quadratzentimeter dieses betagten Gemäuers aus. Licht und Leben hatten sich wohl bereits vor langer Zeit von diesem kummervollen Ort verabschiedet, die Beine in die Hände genommen und auf ewig das Weite gesucht.
Während der flüchtige Herbstwind einen letzten Versuch wagte, seine gierigen Finger durch die sich schließende Tür hindurch zu strecken, musste Victoria auf einen Schlag so heftig niesen, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor.
Urplötzlich tanzten unzählige Staubwölkchen, gleich aufgewirbelten Schneeflocken, in der kühlen Luft auf und ab, ehe sich die feinen Gebilde in aller Schnelle wieder auf den unterschiedlichsten Orten niederließen.
»Verdammt! Seid wann wurde denn hier nicht mehr sauber gemacht? 1880?«, röchelte Victoria verzweifelt um Luft, rang buchstäblich wie eine Ertrinkende auf hoher See um jeden einzelnen Zug. Ihre Hände suchten instinktiv Halt, glitten über die dunklen Seitenwände, doch nur um am Ende weitere Staubschichten aufzuwirbeln.
Immerhin erschien es ihr als ein schwacher Trost, dass sie definitiv nicht alleine um Würde und Haltung rang. Dem anderen Krächzen nach zu urteilen, erging es nämlich Louisa und Charlotte kein Stückchen besser.
»Muss bestimmt länger als 1880 her sein«, antwortete Charlotte mit gedämpfter Stimme, ehe sie einen weiteren, lauten Nieser ausstieß. »Ich hasse dich jetzt schon, Louisa. Warum hast du uns hierhergeschleppt? Ein nettes Spa hätte es doch auch getan.«
Die Frau in Frage warf ihr einen gespielt beleidigten Blick zu.
»Weil ich euch Langweiler mal aus der Komfortzone locken wollte. Und jetzt seid ihr hier. Genießt es also!«
»Genießen? Oh, ich genieße es sehr, mir die Lunge mit hundert Jahre altem Staub zu ruinieren. Ich kann mir wirklich nichts Schöneres vorstellen«, verdrehte die Rothaarige genervt ihre Augen, bevor sie ein paar Mal tief Luft holte und sich abermals zur vollen Größe aufrichtete.
Sobald sich die Freundinnen wieder einigermaßen im Griff hatten, bemühte sich die Blondine sogleich um eine heitere, fast übertrieben humorvolle Miene.
»Gehen wir lieber weiter. Wer hier Wurzeln schlagen will, darfs gerne machen. Ich für meinen Teil will aber endlich meine Füße hochlegen!«
Ohne überhaupt auf eine Antwort zu warten, setzte sich Louisa unweigerlich in Bewegung. Ihren braunen Lederkoffer zog die Tattüchtige wie einen getreuen Kumpanen, der ihr auf Schritt und Tritt folgte, hinter sich her. Klackernde Geräusche ertönten im regelmäßigen Rhythmus, die dadurch entstandenen Echos prallten gleichfalls im geregelten Maße an der einengenden Steinmauer wider.
Charlotte, die über den blinden Aktionismus von Louisa nur den Kopf schütteln konnte, stieß daraufhin einen Seufzer der Frustration aus und warf dabei leicht die Hände in die Höhe.
»Wie will sie sich hier bitte ohne Licht zurecht finden? Herr im Himmel, schenk mir Geduld mit Louisa!«
Leise vor sich hin murrend, tastete die Rothaarige mit ihren Finger schnell die flankierenden Wände ab und stieß schon bald auf den gewünschten Fund.
»Wusste ich's doch..!«, triumphierte die Krankenschwester, während sie den gleichfalls verstaubten Lichtschalter nach Links drückte. Rasch erfüllte schimmerndes Licht, von einer an der Decke hängenden Lampe herrührend, den vor ihnen liegenden Flur und gab nun ein besseren Blick auf das hier ausgestellte Ambiente preis.
Unzählige Kerzenhalter, aus feinstem Silber geformt, zierten wie Perlen an einer Schnur die ins Innere verlaufenden Wände. Heruntergebrannte rote Wachsgebilde saßen einheitlich auf ihren Gefängnissockeln fest. Unfähig, die auferlegte Zelle nur für einen flüchtigen Moment zu verlassen.
Obgleich die Helligkeit einen guten Schutz gegen die vorherrschende Finsternis bot, so rückte ihr gleißendes Strahlen doch auch so manch grinsenden Schatten in den Vordergrund.
Wie im Sturme erfasste eine urplötzliche Ahnung, konturlos und kaum greifbar, Victorias Gemüt. Sogar ihr verkümmerter Überlebensinstinkt erwachte schlagartig zu neuem Leben. All ihre Sinne schienen auf einen Schlag so scharf geschliffen wie eine perfekt gewetzte Klinge für die Schlacht.
Fast war der jungen Frau, als befände sie sich auf einem gruseligen Friedhof und müsste sich sicherheitshalber nach jedem getanen Schritt umdrehen. Nur um sich stets Vergewisserung zu verschaffen, nicht doch von einer unbekannten Gestalt verfolgt zu werden.
»Aber mit einer Sache hat Louisa durchaus recht gehabt«, gestand Charlotte mit einer Grabesstimme und riss somit Victorias gedankenverlorenes Bewusstsein wieder auf der Stelle in die Realität zurück. »Warum hier am Eingang versauern? Hoffen wir, dass es drinnen deutlich gemütlicher für uns wird.«
Gesagt, getan.
Im schweigenden Gleichklang folgten die Zwei schließlich Louisas Beispiel und glitten schnellen Schrittes über den aufgebahrten Gang hinweg. Unentwegt knarrte dabei das vertäfelte Bodenholz zu ihren Füße laut auf, so als beschwerte es sich über die zu erduldende Last.
Feine Schauder des Grusels jagten ab und zu über den Rücken der Schwarzhaarigen hinweg, unablässige Begleiter ihrer stetig größer wachsenden Unruhe.
Während ihres gemeinsamen Marsches bemerkte Victoria, wie sich übergreifender Schimmel an vielerlei Ecken und Kanten festgesetzt hatte. Und als würde dieser Anblick nicht bereits ausreichen, schienen hier auch zahlreiche Spinnweben ihre gesponnen Zelte in den verschiedensten Nischen aufgeschlagen zu haben. Im Insgeheimen wohl stets darauf wartend, dass sich eine arme Fliege in den tödlichen Fallen verheddern würde.
Lange dauerte es allerdings nicht, bis Victoria und Charlotte sogleich das rettende Licht am Ende des schwarzen Dunkels erblickten. Ihre vorausgeeilte Freundin hatte bereits dafür Sorge getragen, dass der vor ihnen liegende Saal mit ausreichend Helligkeit geflutet wurde.
»Na, lasst ihr euch auch endlich mal wieder blicken?«, spaßte Louisa und salutierte mit einer eindeutigen Handbewegung in Richtung ihrer Freundinnen, in etwa so wie ein Oberst seine unterstellten Soldaten bei Dienstantritt begrüßen würde. »Hab mir ja schon fast Sorgen um eure armen, gequälten Seelen gemacht!«
»Du mich auch, Louisa. Du mich auch«, grummelte Charlotte mit gerümpfter Nase zurück, woraufhin ihr die Blondhaarige ein überzuckertes Lächeln schenkte. »Sei lieber froh, dass ich überhaupt diese Odyssee mitmache. Dieser verdammte Schuppen hier ist mir wirklich nicht geheuer!«
Victoria, die nur mit halbem Ohr dem Geplänkel zuhörte, wusste dagegen ihren Blick nicht für eine Sekunde von dem dekadenten Aufenthaltsraum abzuwenden.
Vor langer Zeit hatte diese Einrichtung wohl als Empfangs- und Wohnsalon gedient, allerdings wohnte dieser Stube nun keinerlei einladende Aura mehr bei. Ganz im Gegenteil, dieser Ort hatte sich inzwischen das Kleid der Geselligkeit abgestreift und offenbarte nun der Welt sein einsames und verlassenes Knochengerüst.
Beide Augen in die Höhe richtend, schätzte die Dunkelhaarige, dass knappe sieben Meter den Grund von der Decke trennen mussten. Am vertäfelten Gestirn prangte in zentraler Position ein riesiger Kronleuchter, dessen weit ausgestreckte Kristallfangarme wunderschön funkelten.
Hohe Fenster, eingelassen zwischen den weitläufigen Außenfassaden, wussten bei genauerer Betrachtung allerdings mit mehr Schmutz als mit einem polierten Glanz aufzuwarten. Finstere Ebenholzvertäfelungen säumten in Reih und Glied die komplette Inneneinrichtung und verliehen dem hiesigen Ambiente einen Anstrich von mysteriöser Geheimniskrämerei.
Des Weiteren nahm Victoria auch davon Notiz, dass die Täfelung nicht unbedingt die beste Abdeckung bot, denn ab und zu verriet das wabernde Lampenlicht die Anwesenheit von gehauchten Windböen. Kaum wahrnehmbare Atemzüge eines vor sich hin schlummernden Hauses.
Um all den schauderhaften Beobachtungen noch die Krone der Düsternis aufzusetzen, fegte von draußen ein donnernder Wind über die gewölbte Decke hinweg, so als plante er das Strebewerk gänzlich aus den Angeln zu heben. In jenem Moment kam es der Schwarzhaarigen so vor, als frönte diese stöhnende Behausung tatsächlich einem untoten Leben.
Unweigerlich erschauderte ihr Gemüt bei dem plötzlichen Gedanken, dass hier vielleicht doch nicht alles mit rechten Dingen zuging. Doch so schnell wie ihr diese Eingebung gekommen war, so rasch verwarf sie diesen Aspekt wieder in den See der Unsinnigkeit.
Reiß dich gefälligst am Riemen, Victoria. Du bist doch kein ängstliches Waschweib. Geister gibt es nicht.
Sich über ihre eigene Torheit ärgernd, wandte die junge Frau kurzzeitig ihre Aufmerksamkeit auf die zahlreichen Bücherregale.
Auf die freue ich mich ja schon wie Bolle. Und wer weiß, vielleicht muss ich ja nur an einem Lesewerk ziehen und schon öffnet sich mir ein verborgener Geheimgang? Versprechungen, Versprechungen.
In der Mitte des Salons stand hingegen ein kleiner Mahagonitisch, auf dessen verstaubter Oberfläche ein edles Tee-Set und zwei Flaschen mit bernsteinfarbener Flüssigkeit verweilten.
Mehrere Sessel und eine lang gezogene Couch rundeten letzten Endes den Anblick der Anrichte ab. Weiße Laken bedeckten die Möbel, vermutlich um deren Bezüge vor Schmutz, Motten oder andern schädlichen Einflüssen zu beschützen.
Victoria fühlte sich bei der gegebenen Darbietung allerdings eher an Leichentücher erinnert, die sich über die Körper von verrotteten Verstorbenen spannten.
Ein ausgerollter Perserteppich unterstrich zudem den Flair der Vergangenheit und verbreitete mitunter einen süffelnden Geruch des Moders. Prächtige Ritterrüstungen, gepinselte Gemälde und aufgehängte Schwerter wussten ebenfalls ihren Part zu spielen und verbannten jeden Betrachter in eine düstere Zeit, die bereits über dreihundert Jahre zurücklag.
Im hinteren Eck befand sich, als hätte es auch anders sein können, ein respekteinflößender Steinkamin. Pechschwarze Rußwolken trieben sich wie festgesetzte Schatten an der Innenmauer der offen Feuerstelle umher. Klägliche Überreste von morschen und verkokeltem Holzscheiten fristeten dagegen am Grund ein jämmerliches Dasein.
Doch schlussendlich hatte nicht die imposante Darstellung des Kamins ihre ungeteilte Aufmerksamkeit erregt. In diesem Fall fiel die Schuld auf das bemerkenswerte Gemälde, dessen güldener Rahmen ein paar Meter über dem stillen Rauchfang fest hing.
Im unverkennbaren Stile des achtzehnten Jahrhunderts gemalt, stierte ihr nun das stolze Abbild einer ehrbaren Familie entgegen. Selbst der verblichene Goldschimmer der Umrandung wusste um seine eigene Schönheit und verströmte mit jede Pore seines Seins den einzigartigen Duft von Reichtum und Adel.
Wenn mich mein Gedächtnis nicht völlig im Stich lässt, so kann es sich hier nur um die ursprüngliche Familie von Lahnstein handeln. Gut, dass ich mich im Vorhinein über das Herrenhaus informiert habe. Sowohl über die interessanten, als auch erschreckenden Aspekte.
Das prächtige Ölbild schien wohl einst dem Zweck gedient zu haben, die Darbietung einer lächelnden Aristokratenblutlinie für die Nachwelt festzuhalten. Ein Vater und sein erwachsener Sohn hielten sitzende Haltungen ein, während die Mutter und ihre Tochter neben ihnen standen und geschwungene Lächeln präsentierten.
Für Victoria ließ es sich nicht leugnen, dass gerade das attraktive Aussehen des Sohnemanns bei ihr großen Anklang fand. Doch schnell war über etwaige Anziehung hinweg gesehen, da sich ihrem Verstand bereits eine weitaus mysteriöse Überlegung aufdrängten.
Tadellos geschneidertes Gewand, natürlich der gegebenen Epoche entsprechend, vervollständigte den scheinbar fehlerlosen Eindruck. Alles in allem lebte der wohl Geist der vergangenen Jahrhunderte innerhalb dieses Ausstellungsstückes weiter, während zudem auch ein Hauch von Unsterblichkeit in der Luft lag.
Und doch war es Victoria, als würde der perfekte Schein trügen. Ganz so, als hätte es den beauftragen Künstler heillose Anstrengungen gekostet, über etwaige Spannungen hinweg zu malen. In der Tat schien das Abbild auf den ersten Blick idyllisch, doch beim genaueren Hinsehen offenbarten sich schon bald die ersten Risse im ausgestellten Familienporzellan.
Kleine Beobachtungen, wie die sichtbar fehlende Nähe zwischen Patriarch und Sohnemann oder das beinah zu dick aufgetragene Lächeln der Frauen, ließen auf der Stelle ihre Alarmglocken läuten.
Wellen des Grusels jagten über ihren Rücken hinweg, drangen bis in den letzten Herzenswinkel vor und streuten dort schließlich fröstelnde Eiskristalle hinein. Je länger sie auf die Malerei stierte, desto stärker verdichteten sich die zusammenhangslosen Fäden in ihrem Verstand. Fragen über Fragen schossen ihr durch den Kopf, jedoch ohne Aussicht auf zufriedenstellende Antworten.
Wie hat nur eine so schreckliche Handlung in diesen Hallen stattfinden können? Aber hat sich diese Tat auch wirklich so zugetragen? Wer weiß, wie mündliche Überlieferungen die wahre Begebenheit verfälscht haben?
»Der Wohnsalon mag ja ganz schön sein, aber nach Däumchen drehen ist mir so gerade echt nicht! Lasst uns erstmal die anderen Zimmer anschauen...«, seufzte Louisas schließlich laut auf, so als bereitete es ihr eine Höllenqual, nur für ein paar Sekunden an einem Ort verweilen zu müssen.
Im selben Sekundenschlag schien Victoria unweigerlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Erst ruckelte ihr Verstand, so als klemmte dieser wie eine versperrte Tischschublade fest, bevor sich das Gewinde wieder loslöste.
»Wie immer stellt unsere liebe Louisa die Stimme der Vernunft dar«, spöttelte Victoria, im Insgeheimen der Hoffnung nachgehend, so schnell wie möglich die letzten Augenblicke in Vergessenheit geraten zu lassen. »Aber ich teile durchaus ihre Meinung. Es gibt noch viel zu sehen!«
Louisa, die als Reaktion darauf lediglich ihre Augen in Richtung Zimmerdecke verdrehte, ergriff abermals das Zepter der Führung und nahm sogleich Kurs auf eine offen stehende Tür, angebracht im hinteren Abschnitt des hiesigen Wohnsalons.
»Da schreitet sie hin, unsere Kämpferin für die Gerechtigkeit«, meinte Victoria trocken in die bleierne Stille hinein, was Charlotte daraufhin zu einem glucksenden Lachen veranlasste.
»Also, da hast du mir die Worte aus dem Mund genommen!«, gluckste die Rothaarige, sichtbarer Humor glomm nu wie eine flackernde Flamme in ihren glänzenden Augen auf. »Wie ich Louisa allerdings kenne, wird sie sich direkt das beste Zimmer unter ihre manikürten Fingernägel reißen! Und ich will verdammt sein, dass sich Las Vegas wiederholt!«
»Na dann, ... schwing gefälligst die Hufe! Es ist noch nicht aller Tage Abend!«, spaße Victoria freundschaftlich zurück, während sie durch das Portal hindurch trat und im Handumdrehen in einem weiteren Foyer landete. Zu beider Wohlwollen hatte Louisa auch hier bereits für reichlich Licht gesorgt.
Victoria erkannte auf Anhieb drei Umrisse, deren schattige Konturen alsbald in unterschiedliche Richtungen führten. Scheinbar verlief der erste Gang links, der Zweite mündete in dem rechten Abschnitt und der gerade verlaufende Weg zielte direkt auf eine beeindruckend große Treppe ab.
Allerdings fiel ihr Blick schon bald auf das stattliche Ambiente dieser mit Holz vertäfelten Vorhalle. Edle Perserteppiche schienen hier ebenfalls in Hülle und Fülle zugegen und reichten dabei sogar weit über die nach oben führenden Treppenstufen hinweg.
Die edle Stiege, aus starkem Eichenholz geschnitzt und mit zahlreichen Maserungen versehen, wandte sich einmal um die eigene Achse, bevor sich das obrige Ende mit dem Beginn des ersten Stockes verschmolz. Sicheren Halt bot hierbei ein flankierendes Geländer. Nebst zwei großen Fenstern ließen sich hier auch zahlreiche Kerzenständer, kleine Teak-Tische und weitere düstere Wandgemälde entdecken.
Wenige Schritte von ihnen entfernt, hielt die vorausgeeilte Blondine geradewegs in ihrer nächsten Bewegung inne. Ein nachdenklicher Ausdruck huschte über das Gesicht der Schriftstellerin, während sich diese zur gleichen Zeit mit ein paar Finger den Nasenrücken massierte.
»Lasst mich mal kurz nach denken. Der alte Kauz hat mir nämlich vor unserer Anfahrt einen Lageplan des Herrenhauses zu gemailt. Wenn ich mich recht entsinne...«, erinnerte sich Louisa, während ihre aufmerksame Sicht immer wieder zwischen den wegstrebender Flure hin und her huschte. »Dann müssten sich auf dem rechten Korridor die Küche, der Speisesalon und der Ballsaal befinden. Auf der linken Seite sollten dann Bibliothek und das Musikzimmer zu finden sein. Und zum Schluss verteilen sich die Schlafzimmer, Bäder und die eine verbotene Stube über die zwei bewohnbaren Oberetagen.«
»Und wir werden ganz gewiss keinen Ärger auf uns ziehen, indem wir uns unerlaubten Zugriff zu dem abgeriegelten Raum verschaffen!«, ermahnte Charlotte streng, währned sie die Blondhaarige mit einem wissenden Blick bedachte.
»Hey, wieso starrt ihr mich alle an?«
»Weil wir dich kennen! Muss ich dich wirklich an die eine Nacht in Las Vegas erinnern? Bei der du dich einfach, voll wie eine Haubitze, in ein fremdes Hotelzimmer gestürzt hast?«
»Jetzt mach mal halblang, wenn ich bitten darf! Ich dachte, was in Las Vegas passiert, bleibt auch auch in Las Vegas!«, empörte sich Louisa, doch das leichte Lächeln auf ihren Lippen strafte den gesprochenen Worten durchaus Lügen. »Ich muss aber gestehen, dass das schon eine tolle Nacht gewesen war...«
»Ha, für dich vielleicht! Victoria und ich durften dafür die Sicherheitsleute für Stunden anbetteln, deinen Hintern eben nicht hinter schwedische Gardinen zu verfrachten!«
»Sag mal, willst....«
Amüsiert über das Wortgefecht, richtete die Dritte im Bunde schon bald ihren Fokus auf die zu erklimmende Treppe aus.
Wer zuletzt lacht, lacht doch bekanntermaßen am besten. Gleich das schönste Zimmer schnappen und die anderen blöd aus der Röhre gucken lassen, stichelte Victoria in Gedanken, sich im Stillen bereits als ungekrönte Siegerin feiernd. Was ein Kinderspiel.
Vorsichtig versuchte sie ihren mitgebrachten Trolli über jede einzelne Treppenstufe hinweg zu bugsieren. Derweilen ächzte das tragende Holz zu ihren Füßen laut auf, sodass Victoria zeitweise befürchte, dass der Bau möglicherweise jede Minute in sich zusammen fallen könnte.
Während die junge Frau das mächtige Gestell mit aller Achtsamkeit bestieg, kam sie nicht ohnehin zu denken, welch unheimliche Grabesstille hier zu allen Seiten herrschte. Und wie hier früher einst die Stimmung wohl gewesen sein musste.
Sobald sich Victoria auf der ersten Etage vorfand, fielen ihr direkt ein paar seltsame Sammelsurien ins Auge. Dicht auf den Fersen gefolgt von drei weiteren Gängen, die sich wiederum in verschiedene Himmelsrichtungen schmiegten.
Hoffentlich verlaufe ich mich in naher Zukunft nicht... aber mit meinem hundsmiserablen Orientierungssinn wird's wohl leider so geschehen, seufzte die Dunkelhaarige in Gedanken, während sie die zahlreichen Wandverschönerungen schließlich genauer unter die Lupe nahmen.
Gleich dem Abbild des Wohnsalons und des Foyers, zierten auch hier aufgehängte Gemälde die umliegenden Holzwälle. Allerdings wiesen die hiesigen Porträts einen eklatanten Unterschied zu den früheren Darstellungen auf.
Anstelle von festgehaltenen Ahnenvorfahren ließen sich hier allerdings die Präsentationen von vielerlei Objekten vorfinden. Ein bemerkenswertes Bildnis zeigte sogar eine tapfere Galeone mit einer treuen Besatzung, die sich geradewegs durch wütende Meerwellen kämpfte.
Freilich besaß jenes Gemälde einen eigenen Charme, doch war es eine andere Präsentation, die umgehend Victorias Aufmerksamkeit in feste Ketten legte.
Anno Domini 1709 - Ein Frühlingsfest im Hause von Dunkelmoor, las die junge Erwachsene im Stillen vor, eine verschnörkelte Handschrift hatte jenen Sachverhalt in der linken Ecke des Abbildes festgehalten. Und als sich Victoria umgehend die Darstellung des stattlichen Gutes aufdrängte, musst sie auf der Stelle erschaudern.
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