Sterne

gewidmet Schreibelfchen, die mir ebenfalls einen Floh ins Ohr gesetzt hat. Meinst du, das kann ich nehmen?

Ich liebe diese Phase im Leben einer Welt. Wenn aus winzigen Teilchen größere werden, bis sie vollständige Elemente bilden. Wenn sie wild umeinander wirbeln, miteinander tanzen, sich fast berühren und sich wieder trennen. In Kreislinien jagen, die nur sie verstehen.

Eines beginnt, dann schließen sich andere an, bis es so viele sind, dass sie sich berühren MÜSSEN. Jetzt geht es auch leichter. Sie ballen sich übermütig zusammen, bilden kleinere und größere Kugeln oder flache Kreise. Innerhalb der Scheiben, die sie formen, entstehen weitere Wirbel, verfestigen sich weitere Scheiben, Nebel und Sphären. Sie erhitzen sich in ihrem unermüdlichen Reigen, reiben aneinander, bis sie glühen, verschmelzen und schwerer werden.

Die zuerst nur vage ausgebildeten Nebel nehmen immer mehr Form an, der Tanz wird langsamer, weil die Teilchen nun ein Ganzes bilden. Noch rütteln sie an den Ketten, die sie sich selbst anlegen. Brechen aus, senden leuchtende Materieströme in die Dunkelheit. Manche entkommen, andere werden von weiteren, sich verdichtenden Schwaden eingefangen.

Die Äonen vergehen, während ich beobachte, wie sich die Welt neu formt. Ich habe es bereits mehrmals gesehen, aber ich werde nie müde, es wieder und wieder zu betrachten. Es wird jedes Mal anders. Jede Welt hat ihren eigenen Rhythmus, ihren eigenen Tanz, sogar ihre eigenen Farben.

Die Welt hier gefällt mir. Die Teilchen verstreuen sich nicht so weit wie meistens. Es bilden sich sehr viele weißglühende Scheiben, die sich in irrer, vergeblicher Jagd um sich selbst drehen. Noch ist es nur bunter Staub, der da rotiert, doch im Inneren der Scheiben entstehen Kugeln aus heißer, flüssiger, dann fester Materie. Die meisten sind diesmal von Ringen umgeben, stelle ich fest. Vielfarbigen Reifen aus Staub, der sich dann ebenfalls verdichtet. Gas fällt zusammen unter seiner eigenen Kraft und verliert das Leuchten, während es, noch immer glühend, zu schwimmen beginnt. Und dann fest wird.

Auch außen an den gewaltigen Scheiben tut sich viel. Etliche Staubpartikel kommen bei dem schnellen Dreh nicht mit, fallen zurück und wirbeln dann um sich selbst statt um das tief innerlich dunkle, weiter außen strahlende Zentrum der Scheibe.

Die zurückgelassenen Staubwolken formen nun ebenfalls Scheiben. Fasziniert sehe ich zu, wie sich auch hier dieses Phänomen abspielt. Je mehr Äonen vergehen, umso mehr bildet sich eine gewisse Ordnung. Alles kreist um etwas herum, welches wiederum um etwas anderes kreist, das sich ebenfalls um ein anderes, selbst rotierendes Zentrum bewegt.

Der Punkt, an dem mein Bruder damals die Nebel sammelte, ist nun zu einem Zentrum geworden, um das sich alles dreht. Aber es enthält nur das Nichts. Und einen Rest der Macht, die mein Bruder für das Sammeln einsetzte.

Diese Macht hält die neuen Sterne auf ihrem Kurs. Während des Kreisens entfernen sie sich zwar davon, aber nur langsam. Und sie behalten die einmal eingeschlagene Richtung bei. Folgen weiterhin unsichtbaren Linien, die nur jemand sehen kann, der wie ich durch die Äonen hindurch blicken kann. Es sind regelmäßige, zarte Muster, die sie in die Schwärze zeichnen, die nur flüchtig sind und doch in aller Ewigkeit in meinem Gedächtnis bewahrt bleiben werden.

Und sie singen. Ihre Drehbewegungen verursachen Schwingungen, die ich wahrnehmen kann. Es ist wie ein vielstimmiges Lied, ein Kanon, in dem zwar keiner der gleichen Melodie folgt wie der andere, sich aber dennoch alle Töne zu einem harmonischen Ganzen fügen. Ich summe leise mit.

„Lu?" Mein Bruder. „Es gefällt dir?" Ich höre die Belustigung in seiner Stimme.

„Ja", gestehe ich ein. „Sieh nur, wie ordentlich sie sich diesmal gruppieren. Ein Tanz, bei dem jeder seinen Platz kennt."

„Du magst Ordnung?"

„Irgendwie schon. Zu ordentlich muss es natürlich nicht sein. Dieses Nebeneinander von sich drehenden Systemen und bunten, leuchtenden Nebelwolken ist genau richtig. Einfach wunderschön. Und überall ist Licht."

Mein Bruder lacht leise. „Wie sehr du Licht liebst!"

Das ist wahr. Ich liebe Farben, ich liebe Töne, ich liebe den alten, immer wieder neuen Tanz der Sterne. Aber am meisten liebe ich das Licht.



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