Der Weihnachtsmarkt


Der Weihnachtsmarkt sah genauso aus, wie Lily ihn in Erinnerung hatte. Duzende kleine Holzhütten standen in unordentlichen Reihen auf dem auf dem Kirchplatz. Lichterketten waren zwischen den Straßenlaternen aufgespannt und überspannten den Platz wie ein eigener Sternenhimmel. Massen von Menschen drängten sich zwischen den Verkaufsständen umher und überall waren Weihnachtsmusik und laute Gespräche zu hören. Lily atmete tief ein und sog den weihnachtlichen Duft ihrer Kindheit ein, Glühwein, gebrannte Mandeln und ein Hauch von Zimt.
„Wow!", entfuhr es James neben ihr. Lily wandte sich zu ihm und sah Staunen und Bewunderung in seinen geweiteten Augen. Genauso hatte sie sich gefühlt, als sie als kleines Mädchen das erste Mal hier gewesen war. Sie lächelte sanft. Weihnachten hatte nunmal einen Zauber, den sie sich nichtmal als Hexe erklären konnte. Dieser Zauber, der nie verging und Kinder wie Erwachsene gleichermaßen in seinen Bann zog.
Alle vier Rumtreiber starrten voller kindlicher Neugier auf das Treiben vor ihnen und das war wohl das erste Mal in ihrem Leben, dass Lily sie sprachlos erlebte.
„Und, sagt ihr heute nochmal was, oder wollt ihr einfach so stumm herumstehen?", Lily konnte es nicht lassen sie zu necken.
Und von einer Sekunde auf die andere war die Magie verschwunden, so schnell, dass man es garnicht merkte.
„Können wir endlich los?", fragte James mit unverhohlener Aufregung in der Stimme. Lily musste über dieses Verhalten tatsächlich schmunzeln, hatte sie ihn doch nie so gesehen.
„Ja, bitte", quengelte auch Sirius.
„Ok, aber zwei Regeln: 1. Wir bleiben immer zusammen oder zumindest zu zweit. Niemand geht alleine. Und 2.: Keine Magie! Egal was ihr tut, ihr dürft nicht Zaubern. Wenn irgendein Muggel etwas merkt, haben wir ein gewaltiges Problem.", sagte Lily eindringlich und bedachte dabei besonders James und Sirius mit einem strengen Blick.
Die vier Jungen nickten ernsthaft und Lily lächelte, wieder etwas freundlicher
„Na dann, los gehts!"

Lily hatte sich schon gedacht, dass es anstrengend werden würde, aber es war noch viel schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte. Kaum erreichten sie die erste Hütte, blieben die Rumtreiber stehen und betrachteten eingehend die ausgelegten Holzschnitzereien. Für ganze zehn Minuten. Langsam spürte Lily, wie ihre Zehen taub vor Kälte wurden und versuchte die anderen daran zu erinner, dass es noch andere Stände zu besichtigen gab. Endlich schafft Lily es die Jungs dazu zu bewegen weiterzugehen. Die Auslage des nächsten Standes war mit Kerzen in allen Farben und Formen gefüllt. Auch hier verweilte die Gruppe einige Zeit, bis Lily wieder die Initiative ergriff und die Jungen weiterzerrte. Nach dem fünften Stand reichte es Lily schließlich.
„Jungs, so funktioniert das nicht! Ich weiß, die Sachen sind alle unglaublich interessant, aber so macht man das einfach nicht. Seht ihr die anderen Leute hier? Sie laufen, während sie sich alles anschauen und bleiben nicht fünf Stunden vor jedem Stand stehen. Lasst uns uns doch erstmal einen Überblick verschaffen, dann können wir uns aufteilen und jeder kann nochmal dorthin gehen, wo er etwas interessantes gesehen hat. Einverstanden?", schlug Lily vor.
„Klingt vernünftig.", stimmte Remus ihr zu und auch die anderen nickten. Lily seufzte erleichtert und die Fünf setzten ihren Weg fort.
Gemütlich schlenderten die Gryffindors über den Weihnachtsmarkt. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, lief es nun gut und Lily konnte sich endlich entspannen.
„Was ist das da?", fragte sie plötzlich Peter und deutete auf eine kleine Fläche in der Mitte des Weihnachtsmarktes. Dort befand sich keine Hütte, dafür standen auf einem kleinen Podest zwei Figuren über eine Holzschale gebeugt, in der eine Babyfigur mit Heiligenschein stand.
„Na eine Krippe.", erwiderte Lily beiläufig und wollte schon weitergehen, als ihr einfiel, dass dies ja eine Muggeltradition war. Sie blieb stehen und blickte in vier verständnislose Gesichter.
„Also das gehört zu einer Muggelweihnachtsgeschichte", erklärte sie, „Das sind Maria und Josef und das Baby ist Jesus. Er ist der Sohn Gottes und wurde vor zweitausend Jahren an Weihnachten geboren. Jesus ist der Grund, warum wir eigentlich Weihnachten feiern."
„Und warum liegt er in so einer komischen Schüssel?", fragte Sirius skeptisch.
„Das gehört zur Geschichte. Das ist eigentlich eine Futterkrippe, aus der Tiere essen können, aber Maria und Josef haben ihr Kind dort reingelegt, weil alle Gaststätten besetzt waren und sie in einem Stall übernachten mussten."
„Also ist Maria die Mutter?", hakte James nach.
„Ja", nickte Lily.
„Und Gott ist der Vater?", fragte er weiter. Wieder nickte Lily.
„Und wer ist dann dieser Josef?", fragte Remus verwirrt.
„Er ist Marias Mann.", erläuterte Lily.
„Also ist er Gott?", wunderte sich Sirius.
„Nein, er ist nur ein Mensch.",
„Also hat Maria Josef mit Gott betrogen?", fragte James irritiert.
„Nein, Gott ist allmächtig, er hat sie einfach so geschwängert.
„Ist ja öde.", murrte Sirius.
„Und wo ist Gott?", wollte jetzt Peter wissen.
„Also der ist nicht dabei. Also irgendwie schon, das Baby ist Gott"
„Ich dachte das ist Gottes Sohn!", unterbrach Sirius sie.
„Ja auch, aber gleichzeitig ist es Gott. Und der heilige Geist. Der hat auch eigentlich Maria geschwängert, aber das versteht niemand so richtig, also macht euch keine Sorgen.", meinte Lily, als sie die verdutzten Gesichter sah.
„Muggel haben echt einen an der Klatsche.", befand Sirius und da musst Lily ihm ausnahmsweise einmal Recht geben.

Sie bummelten weiter über den Markt, als Lily einen Stand entdeckte, der ihr Herz höher schlagen ließ. Schlagartig blieb sie stehen.
„Ich dachte wir bleiben nicht stehen, Evans.", meinte Sirius süffisant grinsend und wandte sich ihr herausfordernd zu.
„Glaub mir, hier wollt ihr stehenbleiben.", versprach Lily und trat einen Schritt näher an den Stand.
„Das sind die besten Muggelnascherreien, die ihr überhaupt irgendwo finden werdet!", meinte Lily und ließ ihren Blick über das Angebot gleiten. Lebkuchen, Schokoküsse, kleine Fläschchen mit Zuckerperlen und gebrannte Mandeln. Eilig kramte sie in ihren Taschen, zum Glück hatte sie immer ein wenig Muggelgeld dabei.
„Einmal gebrannte Mandel, bitte.", bestellte Lily bei der älteren Dame im inneren des Standes und legte einige Münzen auf die Kasse.
Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis sie endlich eine Tüte voller duftender und noch etwas warmer gebrannter Mandeln in der Hand hielt. Eilig öffnete sie die das Papier an der Öffnung und steckte sich eine Mandel in den Mund. Sie bis hinein, schmeckte das leichte Aroma der Mandeln und den Zucker auf ihrer Zunge zergehen. Wohlig seufzte Lily und schloss die Augen. Es war viel zu lange her, dass sie das letzte Mal gebrannte Mandeln gegessen hatte.
„Ähm, Lily?", hörte sie es belustigt vor sich und öffnete eilig die Augen. Die Rumtreiber standen vor ihr. Vor lauter Glückseligkeit, hatte Lily sie beinahe vergessen.
„Geht's dir gut?", fragte James und musste ein Lachen unterdrücken.
„Wollt ihr auch welche?", fragte sie schnell, um von sich abzulenken und hielt den Vieren die Tüte hin.
„Also wenn sie bei mir das Gleiche machen wie bei dir, dann probiere ich auf jeden Fall eine.", bemerkte James und funkelte sie frech an.
„Idiot!", knurrte Lily und warf ihn mit einer Mandel ab, was aber nur zur Folge hatte, dass alle Rumtreiber in lautes Lachen ausbrachen.
Beleidigt zog Lily die Tüte wieder zu sich.
„Gut, esse ich sie eben Allein!", schmollte sie.
„Nein, nein, wir wollen wirklich gerne welche probieren.", krächzte Remus zwischen zwei Lachern und verschluckte sich dabei an seiner eigenen Zunge. Der folgende Hustenanfall brachte die übrigen drei Jungen nur noch mehr zum Lachen. Sogar Lily begann zu kichern und schlug Remus halbherzig auf den Rücken.
„Tolle Freunde seid ihr!", röchelte dieser, als er wieder Luft bekam und sandte einen bösen Blick in die Runde, der seinen Zweck allerdings verfehlte und keinen der Vier verdampfen ließ.
„Kriege ich jetzt wenigstens eins von diesen Dingern?", fragte Remus wehleidig und Lily konnte nicht anders, als ihm eine ihrer Mandeln zu geben.
„Die sind wirklich gut.", meinte Remus.
„Sag ich doch!", gab Lily zurück und seufzte dann, „Gut, ihr könnt auch welche haben."   Sofort griffen die Jungen strahlend zu.

„So gleich sind wir am Ende vom Weihnachtsmarkt angekommen. Da kommt dann nur noch das Kinderkarussell.", verkündete Lily und trat schwungvoll um die letzte Hütte herum.
Vor ihr stand das Karussell, das schon immer bei jedem Volksfest in Cokeworth an genau der gleichen Stelle stand. Als Kind war sie immer mindestens einmal damit gefahren, davor war sie nicht nachhause gegangen. Niemand wusste so genau, wie alt es eigentlich war, doch Lilys Vater hatte ihr erzählt, dass es schon dort gewesen war, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. Es sah genauso aus, wie Lily es in Erinnerung hatte, nur etwas kleiner. Doch ansonsten war es exakt wie bei Lilys letzten Besuchs. Die zehn weißen Metallpferde an den Stangen, die sich im Rhythmus der Musik auf und ab bewegten strahlten eine solche Vertrautheit aus, das Lily sich ganz anders fühlte. Kinderlachen hallte zu ihr herüber und zauberte ihr ein leichtes Lächeln auf die Lippen.
„Was ist das denn?", Sirius' Ruf riss Lily aus ihren Gedanken und zurück in die Gegenwart.
„Äh, ein Karussell. Die Kinder setzen sich auf die Pferde und es dreht sich.", weklärte sie knapp.
„Cool!", hauchte James, „Können wir auch mal?" Lily wollte es schon verbieten, doch dann blickte sie in James' Augen. Kindliche Freude und Hoffnung leuchtete ihr aus ihnen entgegen. Noch nie hatte Lily ihn so gesehen. So...süß?
Natürlich nicht!, schallt sie sich in Gedanken. Sie konnte es nicht genau benennen, doch es überzeugte sie.
„Na gut.", gab sie schließlich und die Rumtreiber jubelten begeistert.
Gerade endete eine der Fahrten und die Kinder liefen zurück zu ihren Eltern.
Die vier Jungen mit Lily im Schlepptau nährten sich dem Karussell, wo bereits die nächsten Kinder auf die Rücken der Pferde stiegen. Sirius, Peter und Remus folgten ihnen begeistert, doch James zögerte, als er sah, dass Lily vor dem Karussell stehen blieb.
„Kommst du nicht mit?", fragte er verwundert.
„Nein, ich werde ganz bestimmt nicht irgendeinem Kind den Platz wegnehmen.", erklärte Lily, auch wenn sie sich sehnte nochmals mit dem Karussell ihrer Kindheit zu fahren.
„Komm schon, die werden es verkraften.", meinte James und grinste unheilverkündend.
„Nein, lieber nicht.", Lily blieb standhaft.
„Dann komm mit auf mein Pferd, dann nimmst du niemandem was weg. Ich sehe doch, dass du auch eine Runde fahren willst."schlug James vor und bevor sie widersprochen konnte, schnappte er ihre Hand und zog sie mit zu einem der Pferde. Perplex stieg Lily auf und James hinter ihr. Er griff um sie herum nach der Haltestange, so dass sie zwischen seinen Armen eingesperrt war und grinste sie dann frech an.
„Siehst du, es geht doch."
„Hm", gab Lily nur zurück, denn ihr wurde gerade unangenehm bewusst, wie nah James ihr war. Nervös versuchte sie etwas Abstand zwischen sie beide zu bekommen, doch der schmale Pferderücken ließ dies kaum zu.
Ein Ruck ging durch das Karussell und dann setzte es sich langsam in Bewegung. Die fröhliche Musik setzte wieder ein und um sie herum hörte sie Kinder glücklich kreischen. Doch sie konnte sich kaum auf ihre Umwelt konzentrieren. Langsam wurde ihr schwindelig und sie war sich nicht sicher, ob das nur am Karussell lag. Sie spürte James' Atem in ihrem Nacken und seinen Oberkörper in ihrem Rücken. Lily merkte, wie steif und angespannt sie da saß und lehnte sich etwas zurück, bis ihr Kopf an seiner Schulter lag. Nervös wartete sie, ob James etwas sagen würde, doch wenn er es bemerkt hatte, ließ er sich das nicht anmerken. Entspannt schloss sie für einen Moment die Augen, nur um sie in der nächsten Sekunden weit aufzureißen und hochzuschrecken.
Was zum Teufel tat sie da?
Der Schwindel in ihrem Kopf hatte sich verflüchtigt und zurück blieb nur grenzenlose Verwirrung. So weit wie es ihr möglich war rückte Lily von James ab, klammerte sich so nah an die Stange, als ob ihr leben davon abhinge.
Endlich ging wieder ein Ruck durch das Karussell und es kam mit einem leisen Quietschen zum Stehen. Noch bevor es ganz zum Stillstand kam, hatte Lily sich aus James' Armen gewunden und stand genauen der Sekunde auf, als es anhielt. Eilig sprang Lily vom Karussell auf das Kopfsteinpflaster. Ihr Herz pumpte heftig in ihrer Brust und ihre Atmung beruhigte sich langsam wieder. Nervös blickte sie sich um. Um sie herum waren alle Leute in Bewegung, nur sie stand still da.
Und dann traf ihr Blick auf James. Auch er stand nur da und starrte. Starrte sie an, mit seinen durchdringenden Augen. Sie erwiderte seinen Blick, war gefangen von dem tiefen Braun. Eine Ewigkeit dauerte dieser Moment an, bis die anderen Rumtreiber ihn durchbrachen.
„Das war ja mal echt klasse!", rief Sirius begeistert, „ Können wir nochmal fahren?"
„Es ist schon spät, wir sollten zurück ins Schloss, man wird uns bald vermissen.", warf Lily rasch ein, bedacht niemanden anzusehen, während sie sprach, „Lasst uns gehen."

Zurück apparierten die fünf alleine, jeder von ihnen kannte Hogsmead gut genug. Die Sonne war schon längst untergegangen und schweigend stapften die Gryffindors unter dem schwarzen Himmel nach Hogwarts. Lily lief mit einem kleinen Abstand ganz hinten und betrachtete die Fußspuren, die die anderen im Neuschnee hinterließen. Sie war so konzentriert, dass sie erst nicht merkte wie James sich zurückfallen ließ. Eine Weile lief er schweigend neben ihr her, bevor er sich kurz räusperte un dann leise zu sprechen begann:
„Wegen vorhin...Ich habe nie aufgehört, also...wenn du...es hat sich nie etwas geändert. Ich wollte nur, dass su das weißt."
Damit ließ er sie stehen und lief wieder vor zu seinen Freunden. Nachdenklich blickte Lily hinauf in den nächtlichen Himmel.
Doch die Sterne schwiegen ebenso wie ihr Herz.
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War dann doch nicht ganz Sonntag, tut mir leid. Drückt mir die Daumen, dass ich die letzten drei Kapitel noch rechtzeitig fertigkriege. Ich hoffe es hat euch soweit gefallen, das Ende war beute mal etwas gefühlslastiger. Schreibt mir soch gerne wie ihr es fandet, würde mich wirklich sehr freuen. LG–Lita.

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