Das Geigengleichnis

Es waren einmal zwei Zwillinge namens Jakob und Philip. Beide Brüder spielten leidenschaftlich gern Geige, kamen sehr gut miteinander aus und waren auch im Bereich des Talents auf der gleichen Stufe.

Nun gab es aber in ihrem Dorf einen Wettbewerb, um den besten Musiker zu finden. Da die Betonung auf dem Singular lag und es buchstäblich nur einen Sieger geben konnte, fiel ihr Plan eines musikalischen Duos ins Wasser. Beide wollten aber nach wie vor gewinnen.

Sie fingen also an, ihre Stücke für den Wettbewerb zu schreiben. Jeder wollte gewinnen und gab sich Mühe. Der Hauptantrieb für die Brüder war die Notwendigkeit, den Anderen und demzufolge auch sich selbst zu übertreffen. Deswegen konnten sie bei der Qualität ihrer Kompositionen beachtliche Fortschritte verzeichnen. Jeder war dem Anderen immer wieder ein Stück voraus.

Das Ganze tat der Beziehung der Brüder natürlich nicht gut. Der Leistungsdruck machte die Brüder angespannt. Sie konnten die Verbissenheit des Anderen nicht verstehen und zerstritten sich. Da jetzt die Bindung zwischen den Beiden nicht mehr gegeben war, wollten sie sich nicht nur gegenseitig übertreffen, sondern sogar zerstören. Denn der Wettbewerb war für sie zu einem Wettstreit der Ehre geworden. Letztendlich konnte sich Jakob durchsetzen, Philip beim Wettbewerb um Längen übertreffen und ihn somit durch seinen Sieg demütigen. Das traf Philip so hart, dass er sich endgültig von Jakob distanzierte.

Jakob stand nun da und war traurig über die verlorene Beziehung zu seinem Bruder. Aber dann betrachtete er den Pokal und die stetige und enorme Verbesserung seiner Kompositionen. Und letztendlich fragte er sich, ob Letzteres vielleicht Ersteres wert war.

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