Das Hier und Jetzt

Ich halte meine Tochter im Arm und kann nicht fassen, dass er vor mir steht. Genauso attraktiv und bezaubernd.

Er blickt mich mit seinen hellgrünen Augen an und seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Unwillkürlich lächle ich zurück und denke an den besten Sommer meines Lebens.


Nach unserer Abmachung verbrachten wir zwei wundervolle Tage und Nächte miteinander. Morgens schliefen wir nach den wilden Nächten aus, den Tag über liebten wir uns. Heiß und innig! Überall: im Bett, auf der Couch, im Bad, auf dem Tisch. Zwischendurch schauten wir Filme, hörten Musik und tanzten. Am späten Abend, wenn ich mir sicher war, dass meine Freunde nicht mehr da waren, gingen wir zu dem Fest und entdeckten die Nacht für uns. Wir besuchten alle Attraktionen, fütterten uns mit Zuckerwatte, tranken Cocktails und tanzten bis alles dicht machte.

Auf dem Rückweg schwammen wir im Wasser und hatten auch da unseren Spaß.

Ob das alles eine gute Idee war? Sicherlich nicht. Denn der Abschied fiel uns umso schwerer. Er versuchte mich aufzuhalten, mich nicht gehen zu lassen, doch ich war zu feige. Zu feige gegenüber ihm, gegenüber Noah und mir selbst.

Als Mel und ich nach Hause fuhren, liefen mir unkontrolliert die Tränen. Ich konnte es ihr nicht erklären, sagte nur, dass es an Noah lag. Genau das war auch die Ausrede, wieso ich die Tage auch nicht mit allen anderen auf dem Fest war. 

Ich wusste nicht viel über den fremden Mann, der mir im Sturm den Kopf verdrehte, aber was ich ganz sicher wusste, war, dass er nicht hier wohnte. Er kam damals beruflich in die Gegend, was zugleich hieß, dass ich ihn nie wieder sehen würde.


"Hey", begrüßt mich Rico verlegen und läuft auf uns zu, mit angespannten Schultern und in den Hosentaschen vergrabenen Händen. Seine Augen funkeln von den Lichtern in der Dämmerung.

"Hey", erwidere ich leise. "Was machst du hier?" 

Er zuckt mit den Schultern und schaut sich Kayla an, die sich runterneigt. Ich lasse sie auf den Boden und sie stampft unbeholfen im weichen Sand.

"Und was machst du hier?", fragt er zurück, ohne zu antworten.

"Ich bin jedes Jahr hier. Bei meiner Familie und Freunden."

"Stimmt", gibt er lächelnd zurück. "Aber letztes Jahr warst du nicht da ..."

"Woher weißt du das?"

"Ich habe dich nicht gesehen."

"Du hast mich gesucht?", frage ich erstaunt und er nickt. "Wieso?"

"Ich weiß nicht ... . Ich dachte ... Egal. Bei dir scheint alles wieder gut zu sein." Er deutet auf Kayla, die gerade versucht den Sand in der Hand zu halten, es ihr aber durch die Fingerchen entwischt.

Ich lächle und zucke mit den Schultern, genau wie er, wenn er keine passende Antwort hat.

"Ich geh' dann mal. War schön dich zu sehen!" Er wendet sich ab und ich nehme in diesem Moment meinen ganzen Mut zusammen.

"Warte! Wieso hast du nach mir gesucht?", frage ich noch mal.

Er zögert, entscheidet sich aber schnell um. "Naja, ich habe ehrlich gesagt gehofft, ... dass du deinen Mann vielleicht doch verlassen hast. Ich konnte an nichts anderes mehr denken." Ein gezwungenes Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht.

"Und wieso bist du dieses Jahr hier?" Nachdem er wieder keine Antwort hat, verstehe ich es. Er hat mich immer noch nicht vergessen!

Plötzlich entscheide ich mich für den schnellen und direkten Weg. Wir haben genug gewartet! "Ich habe meinen Mann verlassen! Direkt, als ich zurückgekommen bin. Ich konnte nicht anders."

Rico starrt mich sprachlos an und sieht zwischen Kayla und mir hin und her. Ich sehe förmlich, wie es in seinem Kopf rattert

Ich hole ein Foto aus meinem Portmonee. Sein Atem stockt, als er das Baby mit dem Riesenteddy darauf erblickt.

"Ich hatte auch nach dir gesucht, aber keiner wusste was von dir. Was auch verständlich ist, denn ich und du waren ein Geheimnis."

"Ja, ein Geheimnis zwischen uns und den Sternen", wiederholt er meine Worte, die ich ihm mal am Strand sagte. Eine Träne entwischt ihm, als Kayla an seiner Hose zieht und ihm klar wird, wer sie ist.

Er nimmt sie in den Arm und sie lächelt.

"Herzlichen Glückwunsch, Daddy!"

"Wie ... wie kann das sein?" Seine Stimme zittert.

Ich laufe auf ihn zu und stelle mich auf die Zehenspitzen vor ihn. "Ich konnte dich auch nicht vergessen!"

Ich drücke meine Lippen fest an seine und küsse ihn, so leidenschaftlich, wie keinen zuvor. Es fühlt sich richtig an! Genau richtig!

Als ich mich umdrehe, sehe ich Mel in fester Umarmung mit Carlo.

Sie hat ihre Sommerliebe gefunden!

Und ich auch!

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