Kapitel 4
Langsam wurde ich wach. Es war schon hell draußen und die Sonne schien in mein Zimmer. Ich legte mir meine Bettdecke um Schultern und ging zum Fenster. Mein Zimmer befand sich an einer Ecke des Schlosses. Ich konnte aus den Fenster der Ostseite die Stallungen sehen, während mir der Blick aus den südlichen Fenster die Sicht auf einen wunderschönen Garten bot. Dort befanden sich bunte Blumenbeete, Bäume von sattem grün und ein gewaltiger Springbrunnen mit kristallklarem Wasser. An den Seiten wurde der Garten von einem dunklen Wald umschlossen und vom Springbrunnen aus führten zwei Bäche durch die Beete, die in einem See mündeten, der sich bis zum Horizont erstreckte.
Ich holte mein mintgrünes Kleid hervor und zog mich an. Beinahe wäre ich auf dem Flur mit meiner Zofe zusammen gestoßen. "Oh Miss, sie sind wach. Und angezogen. Haben sie geläutet? Es tut mir furchtbar leid, können sie..." "Alles gut", unterbrach ich sie, "ich habe nicht geläutet, ich wollte etwas allein sein." "Natürlich Miss. Möchten sie, dass ich ihnen das Frühstück im Salon serviere? Ihre Eltern sind schon um acht Uhr in die Stadt aufgebrochen. Sie müssen geschäftliche Dinge regeln und kommen erst zum Dinner wieder." "Vielen Dank, aber ich werde mir einfach eine Kleinigkeit aus der Küche nehmen und das Schloss erkunden", antwortete ich.
Mit einem Marmeladenbrot, Kakao und zwei Orangen bewaffnet wanderte ich zwischen den Beeten entlang. Ich folgte dem kleinen Bach vom Springbrunnen aus, betrat den Wald und verschwand zwischen den Bäumen. Ich sah etwas weißes hinter einem Stamm aufblitzen und ging näher heran. Es war ein alter Pavillon. Die weiße Farbe war schon größtenteils abgeplatzt und durch das Dach ragte der Zweig einer Eiche. Die Säulen waren mit Efeu bedeckt und in der Mitte stand eine Statue. Sie war vom Moos schon leicht grün gefärbt. Es musste Artemis sein, sie hatte einen Bogen und um den Kopf einen Ring, der mit einem Halbmond verziert war. Der Pavillon lag am See. Am Ufer hatte sich eine kleine Lagune gebildet, in der ich Fische umherschwimmen sah. Der Ort fühlte sich magisch an.
Ich setzte mich auf die kleine Bank im Inneren des Pavillons und begann zu lesen, doch ich musste ständig die Statue ansehen. Schließlich legte ich das Buch weg und ging um sie herum. Am Sockel war ein kleines Loch in dem etwas seltsam golden schimmerte. Ich steckte meine Finger hinein und zog ein kunstvoll verziertes Büchlein heraus. Auf dem Buchdeckel war ein Medallion eingefasst, das eine junge Frau zeigte. Sie sah mir überraschend ähnlich, mit ihren blonden Locken und ihren blauen Augen. Doch sie hatte etwas an sich, das mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Ich konnte es nicht beschreiben, aber es jagte mir furchtbare Angst ein. Ich drehte das Buch um. Auf der Rückseite waren unzählige goldene Runen. Plötzlich klirrte etwas auf dem Boden. Es war das Medallion, das aus der Einfassung gefallen ist. Ich hob es auf und wendete es in meiner Hand. Es stand ein kleines Datum auf der Rückseite. 12.7.44
Ich erstarrte für einen Moment. Dies war das Datum, an dem das Feuer ausgebrochen war. Doch das Medallion war sicher früher gefertigt worden. Hatte jemand gewusst, dass es an diesem Tag passieren würde? Und wie konnte diese Person es wissen?
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