1.6. Schrecken der Schlacht (II)
Nach einigen, scheinbar nicht enden wollenden Momenten, war alles vorüber. Das Getöse und Gerumpel entfernte sich.
Heinrich erhob sich langsam und erschrocken. Fast schon ungläubig nahm er zur Kenntnis, dass er noch am Leben war. Mit stark verstaubtem Gesicht und finsterer Miene sah er der Lawine nach, die sich ungehindert ihren Weg ins Tal bahnte.
Er sah sich um und musste plötzlich husten. Eine riesige Staubwolke hatte den Schauplatz des Geschehens eingerahmt und verbreitete sich nun auf den Hängen. Heinrich erblickte wieder andere Männer, die oberhalb von ihm in Kämpfe verwickelt waren. Er versuchte nochmals irgendwelche Verbündeten zu erspähen. Irgendwo noch weiter links neben ihm musste August von Hegelin mit seinen Männern sein. Aber auf welcher Höhe? Oder waren sie auch schon zerschlagen? Dieser Gedanke beunruhigte ihn. Er hoffte, dass die anderen Grafen aus Allerlanden mehr Glück hatten als er. Aber was hieß hier schon Glück! Reiner Irrsinn war es, angesichts dieser Lage noch weiterzukämpfen!
Dann erblickte Heinrich einen seiner Getreuen. Er wischte sich den Staub von der Stirn und schaute angestrengt in die Richtung eines Mannes, der etwas entfernt mit einem Attanen kämpfte.
‚Kein Zweifel, das ist Johannes!', dachte Heinrich und machte sich daran, zu ihm zu eilen. Johannes war ein sehr flinker Bursche. Schon zum dritten Mal in Folge gelang es ihm, einen Attanen zu entwaffnen. Der wollte daraufhin mit Händen und Füßen zuschlagen, doch Johannes wich ihm aus und stach ihm erbarmungslos in die Seite. Heinrich erreichte ihn.
„Wie ich sehe, habt ihr euch wacker geschlagen, Johannes von Helmsdorf!", rief er ihm zu. Johannes drehte sich um und lächelte erfreut, wenn auch angespannt. „Anscheinend halte ich es in dieser Art genauso wie mein Herr", erwiderte er schlagfertig. „Es ist schön euch lebend zu sehen, Graf! Viel zu viele der Unsrigen sind schon gefallen", fügte Johannes leicht betrübt hinzu.
Heinrich nickte nur, dann fragte er: „Wo sind all meine Ritter? Ich habe schon seit einiger Zeit keinen mehr gesehen."
„Das werdet ihr wohl auch nicht mehr, Graf", antwortete Johannes langsam und ernst. „Ich sah mindestens ein Dutzend von unsren Leuten sterben auf diesen Feldern."
Diese Antwort schockierte Heinrich. „Das, das...", begann er zitternd. Er wischte sich Staub und Schweiß von der Stirn. „Was ist mit Reinhard? Der kämpft doch sicher noch irgendwo", warf er dann plötzlich ein.
„Reinhard und ich haben uns aufgeteilt", antwortete Johannes. „Er ging mit Hugo, Franz, Andreas und noch sieben Anderen auf die rechte Seite, ich wollte mit meinen fünf Freunden nach links, um Verbindung zu Hegelin halten zu können. Leider hat das nicht funktioniert." Er lächelte ein bedauerndes Lächeln. „Reinhard wollte später wieder zu uns stoßen, allerdings gingen auf der rechten Seite dann viele Lawinen runter."
Heinrich erinnerte sich daran. Während er in der Nähe des austrianischen Fürsten Alfons von Amalien bleiben wollte, hatte er Johannes mit einem Teil seiner Männer nach links geschickt. Sie sollten die Verbindung zu August von Hegelin halten, der mit seinem Vetter Jean de Beauville an der Seite der Frankobarden kämpfte. Rechterhand des Berges waren immer wieder allerhand Felsbrocken und Lawinen heruntergekommen – zweifellos ausgelöst durch die Attanen und deren Zaubersteine. Heinrich war zu dem Zeitpunkt froh gewesen, dass sich seine Männer nicht auf dieser Seite des Berges befanden. Wenn Reinhard nun aber mit einem Großteil seiner Leute doch dort gewesen war...
Der Graf von Bernstein seufzte tief und schwer. Dann fragte er: „Und was ist mit den Leuten, die bei euch waren. Ihr sagtet, ihr ward zu fünft."
„Zu sechst sogar, Herr", berichtigte Johannes ihn. „ich und meine fünf Freunde Hans, Walter, Wilhelm, Kaspar und Helmut. Wir hatten schwer zu kämpfen, und mussten immer wieder den Lawinen ausweichen. Außerdem sind Golem auf uns gehetzt worden." Sein Blick wurde fröstelnd und unbehaglich.
Heinrich nickte verständnisvoll. Ja, ja - die Golem. Auch für ihn waren sie eine faustgroße Überraschung gewesen. Ohne jeden Zweifel würden bald wieder welche von oben her auftauchen.
Johannes senkte den Blick und seine Stimme wurde traurig. „Meine Freunde haben es allesamt nicht geschafft. Ich konnte als Einziger dem Golem entkommen."
Heinrich blickte düster drein. Wenn alles stimmte was er soeben erfahren hatte, war seine gesamte Ritterschaft bis auf Johannes ausgelöscht worden. Die fünf Freunde von Johannes waren von einem Golem erschlagen worden. Das Dutzend Männer, das er geführt hatte, war in Kämpfe mit den Attanen Stück für Stück dezimiert worden, ein weiterer Großteil war zusammen mit Austrianern ebenfalls durch einen Golem getötet worden. Blieben noch Reinhard und seine Getreuen, die aber vermutlich von einer Lawine erschlagen worden waren. Alles in allem, beunruhigende Aussichten...
Mit einem Mal stürmten zwei Attanen heran, die sich scheinbar wie verabredet zugleich auf die Beiden stürzten. Der eine tauchte hinter Johannes auf und versuchte ihn von hinten zu erstechen, der andere sprang von einer Felserhöhung in der Nähe auf Heinrich herab.
Die beiden Ritter kämpften verbissen gegen die Angreifer, die ihr Überraschungsmoment nicht ausnutzen konnten. Heinrich gelang es seinem Angreifer den Speer durchzuschlagen. Der Attane war nur kurz verwirrt, dann griff er mit beiden Speerhälften erneut an. Heinrich ließ ihn auf sich zukommen und warf sich kurzerhand unter ihn auf den Boden. Bevor der Attane sich bremsen konnte, stach Heinrich ihn von unten das Schwert tief zwischen die Beine. Der Attane sackte vornüber und fiel zu Boden.
Heinrich rappelte sich hoch, und sah erleichtert, dass auch Johannes seinen Angreifer abwehren konnte. Scheinbar war der zweite Attane nicht ganz so mutig, da er sofort die Flucht ergriff, nachdem ihn Johannes entwaffnet hatte. Johannes ließ ihn aber nicht davonkommen, sondern warf ihm seinen eigenen Speer hinterher in den Rücken. Der Attane brach zusammen.
„Ein guter Wurf!", lobte sein Graf anerkennend. Dann kamen sich beide überein, dass es das Beste wäre, sich zu August von Hegelin durchzuschlagen. Unterwegs dorthin mussten sie noch weitere Attanen abwehren und zweimal einigen Steinbrocken ausweichen.
Als sie schon ein Stück weit gekommen waren rief Johannes plötzlich: „Da seht – Herr!" Heinrich blickte in die Richtung, in die sein vermutlich letzter Lehnsmann zeigte. Von oben her stapften mehrere Golem heran. ‚Oh nein!', dachte er. Unfassbar blickten die beiden auf die oberen Hügel. Bisher war nur ab und zu ein Golem aufgetaucht, dieses Mal stapften aber mindesten acht oder neun dieser Ungetüme heran.
„Wir haben keine Wahl", bemerkte Heinrich grimmig, „wir müssen hier weg – und zwar sofort!" Es schien ihm der erste vernünftige Gedanke des Tages zu sein. Bisher war der Kampf mit den Attanen bereits ohnehin schon schwierig verlaufen, nunmehr musste jeder Feldherr einsehen, dass es in dieser Schlacht nichts mehr zu gewinnen gab.
Johannes stimmte seinem Herrn missmutig zu. Auch Heinrich war selbst nicht wohl bei der Sache, aber was blieb ihnen übrig? Er hoffte nur, dass auch Hegelin und seine Männer rechtzeitig einsehen würden, dass der Abbruch des Unternehmens nur noch der einzige Ausweg war.
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