1.5. Schrecken der Schlacht (I)
Heinrich war wieder auf dem Schlachtfeld. Lautes Getöse und Gebrüll wallte um ihn her. Die Lage war zum Verzweifeln. Überall um ihn herum waren die Männer in Kämpfe mit den über zwei Meter großen Attanen verwickelt.
Die Gefechte fanden vereinzelnd statt. Es gab keine feste Formation mehr. Die Truppen aus Austria kämpften an vorderster Front – immer wieder versuchten sie in kleinen Gruppen den Gipfel des Berges zu erstürmen. Aber dieses Vorhaben war zwecklos. Fast jede Minute rollte von irgendwoher ein riesiger Stein oder eine ganze Lawine auf die Söldner zu und stoppte brachial jegliches Weiterkommen. Etliche der Austrianer waren auf diese Weise bereits umgekommen.
Gleichzeitig sprangen Attanen immer wieder aus den Erdlöchern im Felsen wie aus dem Nichts hervor und schlugen rücksichtslos zu. Heinrich blickte zu den Männern, die in einigem Abstand um ihn herum kämpften, doch konnte er kein Gesicht ausmachen, das er kannte.
Er schwankte auf dem schrägen Boden des Berges. Ganz auf sich allein gestellt, versuchte er, weiter nach oben zu kommen. Mit einem Mal kam ein Attane von links angesprungen, mit einem Speer in der Hand. Heinrich parierte seinen Angriff, indem er schnell rückwärts sprang und gleichzeitig sein Schwert hochzog.
Der Attane stieß einen Wutschrei aus, als er merkte, dass sein hinterhältiger Angriff misslungen war. Er wendete sich sofort danach direkt in Heinrichs Richtung und stürzte sich mit dem Speer auf ihn. Mit beiden Händen haltend benutzte der Attane seinen Speer wie ein übergroßes Schwert aus Holz. Der Graf wehrte die Schläge ab, wurde aber immer weiter rückwärts gedrängt.
Plötzlich trat er hinter sich ins Nichts und stolperte rückwärts. Er war in eine der Absenkungen getreten, die es hier haufenweise auf dem Berg gab. Er verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Rücken. Der Attane triumphierte und setzte seinen Speer zum tödlichen Stoß an. Da hörte man auf einmal von der Spitze des Berges her ein surrendes Geräusch, woraufhin gleich darauf ein weit entferntes Rumpeln zu vernehmen war. Der Attane hielt kurz inne und stieß mit seinem Speer schließlich in Heinrichs Schulterpanzer, ohne ihn aber wirklich zu verletzen. Heinrich sah den Attanen nur verständnislos an, der sich mit einem wissenden Lächeln schnell entfernte.
Kaum war er aus dem Sichtfeld verschwunden, wurde Heinrich die Absicht seiner Tat bewusst. Das weit entfernte Rumpeln war nun lauter geworden und Heinrich konnte deutlich eine Staubwolke erkennen, die von oben aus den Bergen immer näher kam.
‚Eine Steinlawine!', ging es ihm blitzartig durch den Kopf.
Er wollte sich aufrappeln, aber genau das ging jetzt eben nicht – der Attane hatte ihn durch den Hieb seines Speeres in den Schulterpanzer an den Felsen gebunden. Heinrich versuchte verzweifelt den Speer herauszuziehen, was schier unmöglich war, da der Stab des Speers fast drei Meter maß und er am Boden in einer schlechten Position war, um seine Kraft dafür richtig einzusetzen.
Das Rumpeln kam näher.
Heinrich versuchte nun den Speer abzubrechen. Tatsächlich konnte er das Holz ein wenig biegen. Es schien aber nicht zu reichen. Heinrich warf einen raschen Blick Richtung Berghang und erschauderte. Ganz deutlich waren nun mehrere große Steine nebeneinander zu erkennen, die wie eine Formation des Grauens auf ihn zu rollten. Heinrich musste sich umgehend befreien, da die Lawine mindesten drei Meter breit sein musste.
Mit aller Verzweiflung umklammerte er den Speer, der rechts neben ihm aus seiner Schulter herausragte und stemmte sich mit seiner linken Körperhälfte dagegen. Das Holz bog und bog sich, und mit einem Male knackte es laut und gab nach. Heinrich warf den oberen Teil des Speeres sofort weg, und betrachtete seine Leistung. Der Speer war nur zum Teil abgebrochen, der Rest steckte immer noch mit seinem Schulterpanzer verbunden im Boden fest.
Heinrich gönnte sich noch schnell einen Blick auf die Lawine, wünschte sich aber sofort, er hätte es nicht getan. Die Steinbrocken waren nun deutlich nahe und man erkannte, dass jeder Brocken mannshoch war oder sogar größer.
Das Rumpeln übertönte nun jedes Geräusch. Niemand befand sich mehr in der Nähe von Heinrich. Höchste Eile war geboten diesen Platz zu verlassen.
Der Graf stemmte sich nun mit seiner rechten Körperhälfte hoch, um damit den Rest des Speeres mithilfe seines Schulterpanzers rauszuziehen. Es gelang nicht.
Noch einmal stemmte er sich mit aller Kraft dagegen, wobei er laut aufschrie. Sein Schrei wurde aber durch das nahe Rumpeln der Lawine übertönt.
Es gelang wiederum nicht, aber dafür geschah etwas anderes. Der Schulterpanzer war bereits durch die Speerspitze leicht beschädigt worden. Als sich Heinrich das zweite Mal hochstemmte, wurde der obere Teil des Schulterteils plötzlich von der darin steckenden Speerspitze aufgerissen. Durch den plötzlichen Ruck merkte Heinrich, dass er befreit war.
Ohne sich lange darüber zu freuen, rappelte er sich sofort auf und eilte nach links, da er bemerkt hatte, dass die Lawine auf dieser Seite nicht so breit gefächert herunterkommen würde. Mit seinem Schwert in der Hand und dem herunterhängenden rechten Schulterpanzer hastete Heinrich eilig nach links. Er musste sich regelrecht zwingen, nicht zur Lawine zu sehen, sondern seinen Blick auf den Boden zu konzentrieren, damit er auf seinem Spurt den Erdlöchern und Absenkungen ausweichen konnte.
Das Rumpeln war nun wie ein unfassbar großes Grollen in seinen Ohren, und der Boden begann während seines sprunghaften Laufens unter ihm zu beben. Heinrich hatte Mühe sein Gleichgewicht halten zu können.
Schon erreichten die vordersten Steine der Lawine seine Höhe und polterten laut donnernd gerade über die Stelle, wo er eben noch festsaß. Der Rest des abgebrochenen Speeres wurde wie von Riesenhand tief in den Boden gedrückt.
Heinrich spurtete so schnell wie möglich über den Hang. Jeden Augenblick würden auch die anderen Steine seine Höhe erreicht haben. Er nahm einen letzten Anlauf und sprang verzweifelt nach vorne.
Damit war er gerettet. Die gesamte Lawine polterte nun an ihm vorbei. Heinrich warf sich auf den Boden und hielt sich die Ohren zu von dem Getöse. Direkt neben ihm kollerte der äußerste Stein der Lawine, der die Ausdehnung eines Mühlenrades besaß, an ihm vorbei. Es rumpelte und grollte unfassbar laut. Mit geschlossenen Augen lag Heinrich auf dem bebenden Boden und glaubte, der Weltuntergang sei gekommen.
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