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Seit geraumer Zeit schon wartete Vibia Sabina in ihren persönlichen Gemächern des Palastes darauf, dass sie endlich die Neuigkeiten ihren Gemahl, den Kaiser betreffend, erfahren würde. Hadrian war nach Rom zurückgekehrt und es hatte ein Festgelage aus diesem Anlass gegeben, zu dem sie selbst sich hatte entschuldigen lassen. Als Kaiserin war es unter ihrer Würde, die Form zu wahren, wenn es sowieso ganz Rom wusste, dass ihre Ehe nichts war außer einer arrangierten, politischen Notwendigkeit. Die Nacht war so weit fortgeschritten, dass sie ihre Bediensteten zur Ruhe geschickt hatte und nur von weit her hörte man noch Stimmen oder Gelächter von Gästen Caesars, die immer weiter tranken oder sich betrunken auf den Heimweg machten. Das Flackern der Öllampen verriet Sabina schließlich, dass ihr später Gast endlich eingetroffen war.

Die Frau verneigte sich gebührend vor ihrer Kaiserin und machte ganz den Anschein, als habe sie etwas zu berichten. Sie wirkte nervös.

„Ich grüße dich, Iulia Balbilla, zu dieser Stunde. Du weißt, die Dinge dulden keinen Aufschub und der großzügige Dank für meinen Auftrag an dich wird dich nicht enttäuschen."

Die Angesprochene deutete eine weitere Verbeugung an, dann begaben sich die beiden Frauen auf Wink der Kaiserin zum Fenster, wo sie sich auf Bänken mit edlen Kissen niedersetzten. Sabina deutete ihrem Gast an, sich etwas zu trinken zu nehmen, was zu diesem Zweck bereitstand. Iulia goss sich sogleich dankend etwas ein, trank einen guten Schluck und wirkte dann bereit für das, was sie zu berichten hatte.

„So sage mir, Iulia Balbilla, wie verhält es sich in dieser Sache. Ist mein Gemahl seines Lustknaben, dieses griechischen Weichlings endlich überdrüssig?"

Das kaum merkliche, überraschte Blinzeln der Frau verriet Sabina sofort, dass etwas in ihrer direkten Ansprache nicht dem entsprach, was Iulia ihr zu offenbaren hatte. Was mochte das sein?

„So sprich endlich und frei heraus. Ist dieser widerwärtige Jüngling bei ihm oder hat er sich schon einen neuen Liebesdiener gesucht?"

Es war die unmissverständliche Verachtung für den Gespielen Hadrians in der Stimme der Kaiserin, die Iulia zögern ließ. Doch dann nahm sie sich ein Herz und antwortete.

„Ihr sprecht von dem jungen Antinous, meine Kaiserin, und wie mir scheint, habt Ihr ein falsches Bild von ihm und dem, was er für Euren Gemahl ist."

Sabinas Blick verriet ihren Unverstand und ihre Entrüstung. Wie konnte diese Frau so etwas behaupten?

„Du strapazierst meine Geduld, Iulia Balbilla! Der Herrscher Roms und dieser liederliche Grieche wälzen sich miteinander wie es die Tiere oder die Barbaren tun. Dies ist das Bild, von dem du sprichst."

Wieder blinzelte die Angesprochene. „Meine Kaiserin, verzeiht. Bitte erlaubt mir so offen zu sprechen, wie es die Sache erfordert."

Die Vermessenheit mit der Iulia Sabina begegnete, machte diese nun neugierig. Wenn die Frau es wagte, der Gattin Caesars solche Widerworte zu geben, dann hatte sie ihre Gründe.

„Also denn. Sprich frei heraus."

„Meine Kaiserin, habt Ihr den jungen Griechen gesehen?"

Sabina schwieg und forderte mit ihrem Blick, dass Iulia fortfuhr.

„Er ist schön, meine Kaiserin. So schön, dass die Kunde darüber Euren Mann schon ereilte, bevor er den Knaben überhaupt sah. In Bythinien weiß man um die Leidenschaft des Kaisers für die griechische Kultur und es ist kein Geheimnis, dass er die Knabenliebe anderer Liebe vorzieht. So erzählten sie ihm vom Wettkampf der jungen Krieger, den man ihm zu Ehren veranstalten würde. Sie erzählten ihm von einem unter ihnen, der nicht nur geübt und trainiert im Kampf und auf dem Ringplatz, sondern auch von einer Anmut war, wie sie sonst nur Tänzer besitzen. Einem Epheben mit langen, kräftigen Gliedern, der sich im Ringen gab wie ein junger Löwe. Mit der unbändigen Mähne eines solchen und einem Leib, dass man wünschte, man wäre der Staub, der ihn besudelt. Viele edle Männer hätten schon darum geworben, sein Mentor und Geliebter zu sein, aber er habe noch keinen gewählt. Es hieß, man höre das Klagen der Verschmähten des Nachts bis zum Hafen schallen."

Was Iulia da sagte, entlockte der Kaiserin ein verächtliches „Pah!"

„Ihr glaubt mir nicht? Nun, ich habe die Klagelaute der Männer nicht gehört. Aber Antinous ist schön und anmutig und ich wäre gern wie der Staub."

„Sie haben ihn meinem Gatten zugeführt wie eine goldglänzende Hure, deren Brüste nach Wein schmecken."

„Das haben sie nicht. Selbst Hadrian musste nach griechischer Sitte um den Knaben werben und die Erlaubnis seines Vaters erbitten. Drei Tage dauerte dies. Euer Gatte könnte sich genug Knaben erwählen, jederzeit, doch er wollte diesen."

„Weswegen? Welchen Reiz kann irgendein Provinzling aus den Peripherien unseres Reiches schon haben?"

„Verzeiht mir, aber dieser ist über alle Maße reizvoll. Nicht nur ist er ein Abbild des Apollon, zudem ist er ein wilder Reiter, sein Lachen ertönt mit warmem, klarem Schall und er ist überaus klug, meine Kaiserin. In kürzester Zeit verlor sein Latein den Akzent und sie lesen gemeinsam in unserer und der griechischen Sprache, ganze Nachmittage lang, wenn sie nicht ..."

„... wenn ER ihn nicht besteigt wie ein Eber seine Sau!"

Erschrocken hielt Iulia inne. Was dachte sie sich auch dabei, den Geliebten Hadrians vor dessen Gattin, der edlen Sabina zu preisen? Doch sie konnte nicht anders. Jeder, der den Jüngling Antinous je gewahrte, würde dies tun. Er war nicht das, was die Kaiserin hören wollte. Kein Lustknabe, kein Weichling, keine männliche Hure. Er war des Kaisers Liebster, sein Augenstern, seine Erfüllung und sein Glück.

„Sag mir", zischte Sabina in ungezügeltem Zorn, „wie steht's mit der Treue dieses Buhlen? Er zählt nicht halb so viel an Jahren wie der Kaiser. Und wenn er so unwiderstehlich ist, wie du sagst, dann verlangt es ihn doch auch nach mehr als der Kraft von Hadrians Lenden. Dann bieten sich ihm doch genug Gelegenheiten. Hast du getan, was ich dir befahl und ihm andere Jünglinge oder junge Frauen zugespielt?"

Iulia nickte demütig und suchte nach Worten, welche die Wut ihrer Kaiserin nicht noch mehr entflammen würden.

„Ich habe getan, was Ihr verlangtet und ich habe ihn beobachtet. Er ist blind für die Reize der Jugend beiderlei Geschlechts, edle Vibia Sabina. Nur der Anblick Eures Gatten lässt ihn erröten. Die ich ihm schickte, um ihn zu prüfen, sie kamen unverrichteter Dinge zurück. Er bemerkte sie nicht, wies sie ab oder jagte sie sogar fort."

„Das ist ungeheuerlich!"

„Das ist ... Liebe."

„Hältst du mich für eine einfältige Gans? Wie kann es Liebe sein? Zwischen einem Kaiser und einem Jüngling ohne nennenswerten Stand!" Die Stimme Sabinas überschlug sich. „Es ist allein der Verlust seiner eigenen Jugend, der Hadrian veranlasst, sich diese Knaben zu suchen. Sobald der Grieche zum Manne wird, ist es vorbei!"

„Wenn Ihr das glaubt, dann irrt Ihr. Es ist wahr, die anderen ließ euer Gemahl gehen und nahm sich neue Gespielen. Aber dieser ist schon seit mehr als drei Sommern bei ihm. Er ist von hoher, athletischer Gestalt, so überragt er Caesar um mindestens einen halben Kopf und man munkelt, Hadrian ließe ihn nichts gegen den Haarwuchs unternehmen, wenn sie tagelang nicht in der Öffentlichkeit sind. Er will es so und Antinous lässt es so und eine Sklavin entfernt ihm nur die Barthaare, bevor sie jemand anderes sehen könnte."

„Beim Zeus, Weib, was sprichst du da? Eine solche Verbindung wird aufgelöst, sobald ein Knabe keiner mehr ist. Alles andere wäre schmählich und entwürdigend. Für beide! Der Kaiser soll ein weibischer Mann sein? Das geht zu weit!"

Dies wusste Iulia, darum hielt sie es für notwendig, alles so zu schildern, wie man es ihr zugetragen hatte.

„Niemand, der Caesar kennt oder der seinen Antinous kennt, käme auf solch eine Idee, meine Kaiserin. Und doch gibt es zu viele, die ihnen nie begegnet sind oder begegnen werden. Euer Gatte riskiert sein Ansehen und damit seine Macht, denn er wird sich niemals von seinem einzigartigen Geliebten trennen."

„Das wäre Wahnsinn. Er ist kein Narr!"

„Macht nicht die Liebe uns alle zu Narren? Wenn ihr mir nicht glaubt, dann geht und schaut selbst. Sie sind hier im Palast. Nur wenige Mauern trennen Euch von der Gewissheit. Der Anblick des Griechen wird genügen."

Mit diesen Worten verneigte sich Iulia tief. Für sie gab es nichts mehr zu sagen. Jetzt war es an der Kaiserin, ihr Glauben zu schenken oder sich selbst ein eigenes Urteil zu bilden.

„Dann geh, du hast genug gesagt", entließ Sabina die Frau und starrte ihr hinterher, bis sie das Gemach verlassen hatte. Was sie zuletzt angedeutet hatte, war ebenso unverschämt wie verführerisch. Natürlich gab es zwischen den persönlichen Räumen der Kaiserin und des Kaisers einen Verbindungsgang, der genutzt werden konnte, wenn es der Wunsch war, dem Ehepartner nachts beizuwohnen. Und auch wenn Hadrian niemals Gebrauch davon gemacht hatte, so wusste Sabina doch von ihm und kannte den Weg. Sollte sie es tun? Wollte sie mit eigenen Augen sehen, wovon ihre Spionin berichtet hatte? Was für ein Schauspiel würde sich ihr bieten? Trieben es ihr Gemahl und dieser ... gottgleiche Jüngling ... wie die Wilden? Gaben sich da zwei Männer einander hin?

Sie wollte Gewissheit. Also legte sie sich ein Tuch um die Schultern und nahm eine Öllampe, um sich den Weg zu leuchten. Der Gang zu besagten Gemächern befand sich zwischen zwei Säulen und verdeckt durch einen schweren Wandbehang, den die Kaiserin zur Seite schob, um sich Zutritt zu verschaffen. Sie fluchte innerlich, da sie es natürlich als unter ihrer Würde empfand, wie sie dem schmalen, dunklen Gang folgte, doch ihre Neugier war größer als ihre Abwehr. Bei all dem war sie nicht sicher, welchen der beiden Männer sie mehr zu sehen hoffte oder fürchtete. Ihr Gemahl war ein stattlicher Soldat mit einer Muskulatur, die den Gebrauch der Waffen verriet. Ein paar Narben, die er sich im Kampf zugezogen hatte, zierten seinen Leib mehr, als dass sie ihn verunstalteten. Die eine im Gesicht war verdeckt durch einen griechischen Bart, ungleich römischer Sitte. Gewiss war er ein fähiger Liebhaber, wenn Sabina auch nicht so recht wusste, was das in Bezug auf einen anderen Mann bedeutete. Es war nicht ihr Unwille, der Hadrian davon abhielt, ihr beizuschlafen.

Von den Vorzügen seines jungen Geliebten hatte sie längst so viel gehört, dass sie ihn malen könnte, wenn sie denn ein Talent dafür hätte. Dunkle, schwere Locken umrahmten sein Gesicht, aus dem, so hieß es, wache Augen in der Farbe von Bernstein oder Honig blickten. Süß wie Honig sollten seine vollen Lippen sein und ebenmäßig waren die Züge seines Gesichts. Sein makelloser, jugendlicher Leib besäße die Kraft eines Bogens und sein Gang die Geschmeidigkeit eines Löwen. Breite Schultern sowie die Muskeln seiner Schenkel und seines Gesäßes, zeugten vom Training auf dem Ringplatz und der Leidenschaft für wilde Jagden zu Pferd. Wer würde einen solchen Geliebten gehen lassen? Welche Ehefrau könnte einen solchen Nebenbuhler dulden?

Als Sabina um die nächste Ecke bog, vernahm sie mit einem Mal Geräusche. Erst noch leise, doch je näher sie kam, desto deutlicher hörte sie etwas, das erst wie ein Wehklagen klang, doch dann begriff sie. Es war eindeutiges Stöhnen, dass sich immer wiederholte. Und noch eines. Zwei Stimmen, die da stöhnten. Für einen Moment blieb sie wie angewurzelt stehen und zögerte. Sie lehnte an der Wand und lauschte. Sie erkannte ihren Gemahl ohne Zweifel und während die lustvollen Laute sich steigerten, kämpften die widersprüchlichsten Gedanken und Gefühle im Innern der Frau. Zorn, Wut, Eifersucht, Enttäuschung, Neid, Neugier ... Warum war sie hier, welche Art der Gewissheit brauchte sie noch? Musste sie es mit eigenen Augen sehen, was Iulia Balbilla so dreist als Liebe bezeichnete? Musste sie sehen, dass ein scheinbar unbedeutender Provinzling und der Kaiser sich miteinander vergnügten? Sie schlich endlich voran und als sie den geheimen Zugang zu Hadrians Gemach erreichte, setzte sie ihre Lampe ab. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat hinter den schweren Vorhang, der sie vor den Blicken der Männer verbarg. Ihr Liebesakt dauerte noch an, die Laute waren unverkennbar. Sicher würden sie es nicht mitbekommen, wenn die Kaiserin sich vorwagte, um das Schauspiel zu sehen, welches das Paar bot.

Ein heißer Schauer der Scham über ihr Wagnis und ein kalter Schauer der Erkenntnis liefen der Frau über den Rücken, als sie aus ihrem Versteck hervorlugte. Und da waren sie, im schwachen Licht der wenigen Lampen, die noch brannten. Das üppige Lager Caesar Hadrians war zerwühlt, Laken und Kissen zur Erde hernieder gefallen. Und inmitten dieses Chaos befand sich einer der Männer über den anderen gebeugt, der auf dem Rücken lag. Sie waren in heftiger, rhythmischer Bewegung vereint und der kräftige Rücken des Oberen, den sie sehen konnte, glänzte von Schweiß. Er warf den Kopf zurück und beugte sich dann vorn über, um den Unteren gierig zu küssen und als er dies tat, wippten seine üppigen Locken umher. Sabina glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können, doch dieser war Antinous, der wohlig stöhnend dem reiferen Manne unter sich eine solche Lust bereitete, dass der sich wand und winselte. Hadrian war derjenige, der die Beine geöffnet und um den Jüngling geschlungen hatte und mit seinen Armen Halt an dessen breiten Schultern suchte. Der den Namen seines stürmischen Liebhabers voller Verlangen ausstieß und ihn so dazu veranlasste, ihren Liebesakt noch einmal zu steigern. Immer wieder suchten und fanden sich ihre Lippen in hungriger Begierde. Da wo sich der junge Grieche immer gnadenloser mit seinem Liebsten vereinigte, klatschte das Fleisch ihrer Leiber aufeinander und Sabina hielt sich die Ohren, konnte jedoch den faszinierten Blick nicht abwenden. Es war gleichzeitig entsetzlich und erregend, die Männer so zu beobachten, wie sie sich ihrer ungezügelten Lust vollkommen hingaben.

Und noch immer trieb Antinous den Takt voran, drängte sich Hadrian brünstig an ihn, bis jener endlich seinen Höhepunkt erreichte. Die Kaiserin sah ihn sich aufbäumen, den biegsamen jungen Leib durchdrücken, erschauern, den Kopf abermals zurückwerfen. Auch der Kaiser wand sich und Sabina sah, wie er kam, sich und den anderen besudelte, gänzlich ohne Scham. Sie sah den Jüngeren lachen und sich wieder vor- und zu dem Älteren herunterbeugen. Ihr Liebesspiel veränderte sich, wurde ruhiger und schließlich vollkommen sanft und zärtlich. Obwohl ihre Vereinigung beendet war, blieben sie beieinander. Antinous ließ sich halb auf, halb neben den Kaiser sinken. Beide waren erschöpft, atemlos, aber in absoluter Harmonie. Der schöne Grieche legte die Arme um den Kaiser und sein Haupt an dessen Brust. Hadrian zog ihn noch dichter zu sich, strich ihm über Schultern und Rücken, immer wieder gaben sie sich zärtliche Küsse ...

Sabina hatte genug. Die irrsinnige Behauptung Iulias, dass dies nicht Hurerei sondern Liebe war, hatte sich bewahrheitet. Und es durfte nicht sein. Sie riss sich von dem Anblick der Liebenden los, dann trat sie leise zurück hinter den Vorhang und in den Gang. Dort nahm sie ihre Lampe. Schon morgen würde sie einen Plan ersinnen müssen, um den jungen Griechen loszuwerden. Beinah empfand sie ein Bedauern, weil sie ihrem Gatten das Liebste rauben müsste, was er besaß.


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