12. Kapitel (Die Füchsin):
Noch immer verstört von diesem seltsamen Erlebnis trotte ich mit ihrem schlafen Körper im Maul zurück zu meinem Bau, denn ich weiß, dass ihre Geschwister längst verängstigt und hungrig auf mich warten.
Was ist da nur passiert?
Schnell unterdrücke ich den Impuls meinen Kopf zu schütteln um meine wirren Gedanken zu ordnen, damit sie kein Schleudertrauma erleidet.
Obwohl ich mich mehr als einmal davon überzeugt habe, dass sie noch lebt, sauge ich immer und immer wieder ihren Geruch ein.
Sie riecht anders.
Noch immer kann ich nicht ganz begreifen, was genau sich vor meinen Augen abgespielt hat.
Wer war das Mädchen und wo ist es hin? Was macht ein Menschenkind so nah an der Grenze?
Und doch weiß ich es längst...
Mir hätte von Anfang an klar sein müssen, dass das ganze einen riesigen Haken hat. Doch viel viel schlimmer ist, dass sie extrem nach Mensch riecht, was das Misstrauen der anderen Füchse nur noch mehr befeuern wird. Mir ist, als würde ich ihre hasserfüllten Blicke in meinem Rücken spüren.
Plötzlich stolpere ich.
Die Erinnerung an die Zähne des Rüden, die sich tief in mein Bein und meine Schulter graben, hat die Erinnerung an den Schmerz in meinem Gedächtnis hervorgerufen, was mich aus dem Gleichgewicht bringt.
Ein leises Wimmern rutscht aus ihrem Maul.
Noch ist sie am Leben.
Ungeachtet meiner Angst, die ich selber deutlich wittern kann, beschleunige ich meine Schritte, bis ich beinahe renne.
Wieder wimmert sie.
Ob hätte ihn dieser Laut auf der Bildfläche auftauchen lassen, steht der Rüde, an dessen Angriff ich noch vor wenigen Minuten denken musste, ein weiteres Mal vor mir. Wie auch beim ersten Kampf ist sein Fell gesträubt, seine Ohren sind angelegt und seine Zähne sind gefletscht. Alles an ihm drückt Angriffslust und den puren Willen zu töten aus.
Behutsam lege ich den immer noch bewusstlosen Welpen in den Schnee und betrachte sie mit einem letzten Blick voller Liebe. Bevor ich mich dem jungen Männchen zuwende, verschließe ich all diese Gefühle in mir, bis meine Augen nur noch grüne, funkelnde Steine sind.
Diesmal geht es um Leben und Tod.
Als auch ihm diese Erkenntnis gekommen ist, stürzt er sich auf mich und versucht sofort, nach meiner Kehle zu schnappen um sie wie bei einem Beutetier zu durchtrennen. Auch meine Zähne dringen tief in sein Fleisch, was er mit einem Knurren, das durch mein eigenes Fell und Fleisch gedämpft ist, quittiert.
Ich habe unvorstellbare Schmerzen.
Mit purer Kraftaufwendung schaffe ich es, ihn für einen kurzen Moment von mir zu stoßen und keuche mit brennenden Lungen, die scheinbar nicht genügend Schauerstoff bekommen.
Ich bin verloren.
Mit einem Blick voll Triumph und bösartiger Freude stößt er mich um und hält mich mit seinem gesamtem Gewicht am Boden. Ob würde er diesen Moment so lange wie möglich genießen wollen, schließlich löschte er bald mein Leben, das Leben der Verräterin, aus, wanderte seine Schnauze langsam zu meiner Kehle, während sich seine Zähne wie in Zeitlupe auseinander bewegten.
Gleich ist es vorbei...
Dass sein Körper scheinbar aus dem Nichts in die Luft gehoben wurde bekomme ich schon nicht mehr mit, da mich bereits eine angenehme, befreiende Schwärze ergriffen hat.
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Sie:
Ohne es gänzlich begreifen zu können, hat sich mein Körper in den eines schlanken, jedoch muskulösen Drachen verwandelt.
Meine kräftigen Flügel tragen mich hoch in die Luft.
Ich weiß nicht mehr, wer oder wo ich bin, trotzdem stürze ich mich auf einen der Füchse, der einen anderen zu Boden drückt. Als ich ihn mit meinen messerscharfen Krallen packe, stößt er einen erschrockenen Schrei aus, verstummt aber, als sein Körper aus einiger Höhe auf den Boden kracht und alle seine Knochen brechen.
Er ist tot. Ich habe ihn umgebracht.
Mit einem Geräusch, dass einem weiteren Aufprall gleicht, lande ich ebenfalls auf dem Boden.
Mein Körper schrumpft.
Vollkommen erschöpft und ausgelaugt kauere ich auf dem Boden, mein gesamter Körper, wieder der eines Fuchses, scheint in Flammen zu stehen und doch entrinnt sich meiner Kehle kein Laut.
Ich leide Höllenqualen.
Und doch bemächtigt sich die Kälte des Schnees meiner selbst und löscht das Feuer, das in mir zu toben scheint. Auch mich umfängt nun erlösende Finsternis.
Zusammen mit meiner Mutter liege ich regungslos und vollkommen Still im endlosen Weiß, während die ersten Sonnenstrahlen die Wipfel der Bäume erhellen und unheimliche Schatten auf unsere Körper werfen. Sowohl ihr Blut, also auch mein eigenes, verwandeln den Schnee in weiß-rote Pfützen, ihres aus dem Maul, meines aus der Nase.
Bald sind wir tot.
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