Teil 3

"Du bist spät zurück", ermahnt der Greis Matteo.

Der verzieht seine Mundwinkel und antwortet etwas patzig: "Es war aber noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang!"

"Schon gut, ich wollte dir nicht zu Nahe treten", beschwichtigt der Alte. "Ich weiß ja, es ist nicht einfach für dich. Wie läuft es mit .... wie heißt er noch gleich?"

"Liam", antwortet Matteo und hebt seine Schultern. "Ich weiß es noch nicht. Vielleicht ist er noch nicht soweit."

"Hmmm", entgegnet der Alte. "Du packst das schon! Morgen ist ein neuer Tag. Gute Nacht, Matteo!" Dann trottet er davon.

Matteo verharrt auf seinem Platz und senkt traurig seinen Kopf. Der Gedanke, dass Liam nun die Nacht ganz alleine in dem Sonnenblumenfeld verbringen muss, lässt ihn sich nur noch schuldiger fühlen. "Armer Liam!", seufzt er in die Nacht. "Verzeih mir, aber es geht nicht anders." Dann blickt er in den dunklen, aber sternenklaren Nachthimmel.

* * * * *

Unterdessen kauert Liam im Sonnenblumenfeld. Er spürt die leichte Nachtkühle. Verzweifelt starrt er in den Sternenhimmel, doch der spendet nicht genug Licht, um weiter nach einem Weg nach draußen zu suchen. Wenn er sich wenigstens erinnern könnte, wie er hierher gekommen ist. Und an das, was vorher geschah. Er kennt seinen Namen, aber sonst ist da .... nichts.

Er sucht sich einen Platz, an dem die Sonnenblumen besonders dicht sind in der Hoffnung, dass sie ihm etwas Wärme spenden. Schließlich übermannt ihn die Müdigkeit.

Mitten in der Nacht wird er von einem gleißend hellen Licht geweckt. "Bestimmt eine Taschenlampe! Matteo, er ist zurück. Er holt mich hier raus!", schießt es ihm durch den Kopf.

Doch als er aufsteht, muss er erkennen, dass es keine Taschenlampe ist. Das Licht kommt tatsächlich aus einer Sonnenblume. Ganz schön unheimlich! Mit zittrigen Beinen und kleinen Schritten nähert sich Liam der sich aus der Masse herausragenden Pflanze. Das Licht kommt direkt aus der Blüte. Es ist nicht besonders grell, eher sanft gedämpft. Vorsichtig schaut er in die Blüte. Er schreckt zurück, als ihm im Lichtkegel das Anlitz eines braunhaarigen Jungen entgegenspringt.

Liam zittert am ganzen Körper. In seinen Gehirnwindungen arbeitet es extremst. Der Junge kommt ihm sehr bekannt vor. Er schließt seine Augen, um sich besser konzentrieren zu können.  Erinnerungsfetzen kommen zurück und es fühlt sich so an, als würde sein Kopf gleich explodieren. Es kehren Bilder von früher zurück. Vor seinem geistigen Auge geht Liam um Jahre zurück und da macht es Klick. Die Sonnenblume zeigt ihm Kjell, seinen Freund seit der Grundschule. Sie haben zusammen gespielt und sie haben zusammen Scheiße gebaut. Und im Teenageralter haben sie eine weitere Gemeinsamkeit entdeckt, nämlich dass sie beide schwul sind. Die Gefühle übermannen Liam und er fängt plötzlich an zu weinen. Sehnsuchtsvoll umklammert er die besonders große Sonnenblume und schluchzt dann leise vor sich her: "Kjell? Wo bist du?"

Doch die Sonnenblume schweigt, zeigt ihm nur weiter das Bild von Kjell. Liam schüttelt die Blume heftig und schreit: "Sag mir sofort, was hier los ist! Wo ist Kjell? Warum bin ich hier?"

Statt einer Antwort erhält er einen elektrischen Schlag und die Sonnenblume verwelkt in sekundenschnelle. Verzweifelt lässt sich Liam auf den kühlen Boden fallen.

  


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