Hilferuf von Mila
Kapitel 34
Reflexartig griff ich nach meinem Stirnband. Auf einmal drehte sich alles um mich, weshalb ich auf dem Sattel hin und her schwankte und einen Augenblick später von ihm hinunter fiel. Mein Lehrer war schon längst an mir vorbei geflogen, als mein Körper erschlaffte, da ich immer mehr mein Bewusstsein verlor.
"Ally", hörte ich Hennas aufgebrachte Stimme gedemmt in meinem Kopf. Das Blau des Himmels wurde immer dunkler, während ich dem Boden entgegen flog. Wie bei einem Lichtschalter machte es 'Klick' und es wurde ganz schwarz vor meinen Augen.
~ ° ~
Irritiert blinzelte ich wegen dem hellen Licht über mir. Was war passiert?
"Allyson", hörte ich neben mir jemanden sprechen, weshalb ich mich der dunklen Stimme zuwandte. Lord Merlin kniete neben mir und lächelte mich zerknirscht an. "Wie geht es dir?", fragte er. Leicht hob ich meinen Kopf, bereute es aber sofort wieder, da ein Stechen meine Wirbelsäule hinunter zuckte. Stöhnend fiel ich wieder auf den harten Untergrund und hielt mir meine Stirn. Boah hatte ich Kopfschmerzen!
"Sie ist wohl noch nicht so bei Bewusstsein", hörte ich Pauls Stimme in meinem Kopf. Daraufhin nickte Merlin. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen, als ich auf einmal mich selber am Boden liegen sah. Ich blinzelte ein paar mal. Waren diese Bilder nur ein Streich meiner Fantasie?
"Was ist passiert?", schrie jemand von weitem. Langsam setzte ich mich auf, um zu schauen wer dort kam, und verzog gleichdarauf mein Gesicht vor Schmerzen. Kandor und Simon liefen auf uns zu.
"Geht es dir gut?", wandte sich Merlin wieder an mich.
"Ich hab übelste Kopfschmerzen", brummte ich und fasste an meine Stirn. Der Stoff war wegen meinem Blut ganz klebrig. Angeekelt nahm ich meine Hand wieder weg.
"Sonst nichts?", fragte mein Lehrer skeptisch.
"Nein", zog ich das Wort genervt lang. Was sollte die Frage?
"Aber-." Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen. Meine beiden Mitschüler kamen außer Atem bei uns an und sahen beunruhigt zwischen uns hin und her. "Du bist von zehn Metern Höhe auf den Boden geknallt. Es kann gar nicht sein, dass du nichts gebrochen hast!" Entsetzt starrte ich Merlin mit großen Augen an. Zehn Meter! Vorsichtig bewegte ich meine Beine und Arme. Nichts! Noch nicht einmal ein kleines Picken!
"Ich hab nichts", murmelte ich erleichtert, aber auch fassungslos.
"Das kann nicht sein", flüsterte mein Lehrer und schüttelte ungläubig den Kopf.
"Steh doch erst mal vom Boden auf. Du holst dir sonst noch was", meinte Simon und packte mich an meinen beiden Oberarmen, um mich kraftvoll hoch zu ziehen. Ächzend hielt ich mich an seinen Armen fest und stellte mich auf meine wackeligen Beinen.
"Ich glaub ich hab ne Gehirnerschütterung", nuschelte ich, als mir schlagartig schlecht wurde.
"Dich schicken wir erst mal nach Hause", sagte Merlin. "Kandor. Du bist jetzt für sie verantwortlich."
"Ja Sir", salutierte der angesprochene und nahm mich Simon sanft ab.
"Ich kann selber laufen", schlug ich seine Hände weg und ging ein paar Schritte. Plötzlich knickte ich aber weg und fiel nach vorne.
"Ich sehe wie du laufen kannst", murmelte Kandor, als er mich auffing und holte mich Huckepack. Beleidigt blies ich meine Wangen auf und legte meinen Kopf auf seine rechte Schulter. Ich nahm normalerweise von niemanden Hilfe an, da ich es nicht mochte.
Im Schloss angekommen, kam ein Arzt und untersuchte mich. Wie ich schon vermutet hatte, hatte ich nur eine Platzwunde an der Stirn, die Verbunden wurde, und sollte einfach im Bett liegen bleiben. Also machte ich es mir gemütlich und schlief nach einer halben Stunde Träumen ein.
~ ° ~
"Ahhh", schrie ich erschrocken, als ich mich am nächsten Morgen im Spiegel betrachtete.
"Alles in Ordnung Allyson?", klopfte Hanna beunruhigt an die Tür.
"Ja, ja. Alles bestens", antwortete ich schnell und hielt die Tür zu. Das gab es nicht! Das durfte einfach nicht sein! Fassungslos starrte ich wieder in den Spiegel. Eine große Beule, die blutrot angelaufen war, zierte meine Stirn. Vorsichtig fasste ich sie an. Sie schmerzte wie die Hölle und pochte unangenehm. Mir war zum Heulen zu mute.
"Hanna? Kannst du bitte Lukas oder Lord Merlin bescheid sagen, dass ich heute nicht zum Unterricht komme. Mir geht es nicht so gut", rief ich.
"Ja natürlich. Soll ich einen Arzt rufen?", fragte sie besorgt vor der Tür.
"Um Gottes Willen. Nein!", rief ich in Panik. "Ich hab nur noch ein wenig Kopfweh. Mehr nicht. Da musst du dir keine Umstände machen", erklärte ich etwas leiser.
"Wie du wünschst. Wenn irgendetwas ist, rufe mich bitte", sagte sie. Sekunden später hörte ich, wie die Tür meines Zimmer zu ging, weshalb ich zögerlich meinen Kopf aus dem Bad streckte und um die Ecke lugte. Keiner zu sehen. Erleichtert trat ich aus dem Bad und sperrte meine Zimmertür zur Sicherheit schnell ab. Die Beule konnte ich ja noch nicht mal mit meinem Stirnband abdecken! Außerdem hatte ich immer noch ein heftiges Pochen im Kopf, das einfach nicht weg gehen wollte!
Genervt stöhnte ich auf, als ich mich in mein Bett fallen ließ.
"Scheiße", fluchte ich und setzte mich sofort wieder auf. Mit schmerz verzerrten Gesicht hielt ich mir meine Stirn, da die Kopfschmerzen durch die Vibration kurz stärker wurden.
~ ° ~
"ALLY! ALLY! MACH DIE TÜR AUF!"
Schlagartig schlug ich meine Augen auf. Es war dunkel in meinem Zimmer. Jemand hämmerte mit voller Wucht gegen meine Tür.
"MACH SOFORT AUF!"
Genervt rollte ich mich langsam zur anderen Seite des Bettes und rutschte im Schneckentempo mit meinen Füßen voran von der Matratze. Mit hängenden Schultern schliff ich zur Tür und klopfte ein paar mal dagegen, damit die Person im Flur aufhörte an meine Pforte zu klopfen.
"Was willst du?", fragte ich mürrisch. Müde legte ich mein Ohr gegen die Tür und schloss meine Augen.
"Ich klopfe jetzt schon seid bestimmt zwei Stunden an deine Tür!", schnaufte er verärgert. "Nun mach schon auf!"
"Nö", antwortete ich knapp. "Ich hab geschlafen. Willst du jetzt noch was von mir? Wenn nicht, würde ich jetzt nämlich wieder ins Bett gehen!" Ich hörte wie er genervt ausatmete.
"Geht es dir gut?", fragte er nun leise. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
"Ja. Keine Sorge. Ich wollte mich nur noch von dem Schock gestern erholen."
"Kann ich nicht doch rein kommen? Ich will nicht, dass alle unser Gespräch mitbekommen!", bettelte er leise. Überlegend fasste ich mir an meine Stirn.
"Warte kurz", murmelte ich und knipste das Licht an. Anschließend ging ich ins Bad und schaute in den Spiegel. Die Beule war ein wenig zurück gegangen, doch leider noch immer sehr gut zu sehen. Vorsichtig band ich mir einen neuen Stoffstreifen um meine Stirn und öffnete danach die Tür. Schnell ging er an mir vorbei, weshalb ich meine Tür wieder zu sperrte.
"Lass dich ansehen", meinte er und drehte mich an meine Schultern um meine eigene Achse. "Dir scheint wirklich nichts zu fehlen", flüsterte er verwundert. Seine Hände ruhten auf meinen Schultern, als ich nickte.
"Hab ich doch gesagt", lächelte ich. Aufmerksam musterte er mich nun.
"Alle reden über dich", sagte er ruhig. Erstaunt, aber auch neugierig zog ich meine Augenbrauen hoch. "Alle fragen sich, wie du als Mensch diesen Sturz überleben konntest." Meine Mundwinkel sanken leicht nach unten. Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht.
"Ich weiß es auch nicht", wandte ich mein Gesicht von ihm ab.
"Wir brauchen Antworten! Sie fangen schon an, dich als Dämonin und Teufelin zu bezeichnen." Entsetzt schaute ich ihn mit großen Augen an. Besorgnis zeichnete sich in seinen braunen Augen ab.
"Was sollen wir jetzt machen?", fragte ich leicht ängstlich. Die ernste Mine von Simon wich einem frechen Grinsen.
"Wir könnten uns gegenseitig ausziehen und untersuchen", flüsterte er anzüglich und trat näher an mich heran. Empört schubste ich ihn von mir weg.
"Das ist nicht witzig, Simon!", schimpfte ich laut. Amüsiert grinste er und ließ sich auf mein Bett fallen.
"War auch nur ein Scherz. Am besten du bleibst für ein paar Tage im Schloss. Vielleicht legen sich die Gespräche dann wieder."
"Das glaub ich nicht. Spätestens, wenn ich wieder in die Akademie komme, gehen die Gespräche wieder los", setzte ich mich neben ihm auf das Bett und ließ meine Schultern hängen. Ein angenehmes Schweigen brach über uns ein. Simon setzte sich wieder auf.
"Das wird schon", klopfte er mir mehrere male aufmunternd auf die Schulter. Bei jedem Aufprall wurde das Pochen in meinem Kopf immer schlimmer. Gezwungen ruhig nickte ich. Daraufhin stand Simon auf, verabschiedete sich von mir und ging aus meinem Zimmer. Stöhnend hielt ich mir meine Stirn. Sie war kochend heiß. Vorsichtig stand ich auf, damit meine Kopfschmerzen nicht noch schlimmer wurden, und schloss meine Tür wieder ab.
~ ° ~
Nach zwei Tagen, in denen ich mich in meinem Zimmer eingesperrt hatte, entfernte ich zögerlich den Stoff von meiner Stirn. Die Daumen große Beule war abgeschwollen. Eine starke Kruste hatte sich aber gebildet, wodurch ich nicht genau sehen konnte, wie groß die Erhebung auf meiner Stirn nun war. Ein wenig erleichtert atmete ich aus. So konnte ich wieder raus gehen. Leise hörte ich ein Klopfen an meiner Tür.
Schnell lief ich zum Eingang meines Zimmers und fragte "Wer ist da?"
"Ich", antwortete mir die raue Stimme von Lukas.
"Ach. Lässt der feine Herr sich auch mal wieder blicken?!", giftete ich ihn an.
"Jetzt sei nicht sauer auf mich und mach die Tür auf", klopfte er wieder an das Holz.
"Nein!" Beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust. Alle waren in den letzten Tagen da gewesen. Sogar Toni durfte ins Schloss, obwohl er erst im ersten Lehrjahr war. Grundsätzlich war es den Soldaten nämlich erst ab dem zweiten Jahr erlaubt in das Schloss zu gehen. Warum wusste ich nicht.
"Ach komm schon. Ich hatte viel zu tun in den drei Tagen und es tut mir auch wirklich Leid, dass ich nicht vorbei gekommen war... Ich hab auch ein Brief für dich von einer sogenannten Mila..." Überrascht horchte ich auf. Hastig band ich mir mein Stirnband um den Kopf und öffnete einen Spaltweit die Tür.
"Gib ihn mir", befahl ich streng und streckte meinen Zeige- und Mittelfinger hinaus. Mein Gesicht war hinter dem Holz, weshalb ich ihn und er mich nicht sah.
"Kann ich nicht-."
"Gib ihn mir, hab ich gesagt!" Ich hörte, wie er genervt aufstöhnte. Gleichdarauf fühlte ich das grobe Papier zwischen meinen Fingern. Hastig schloss ich wieder die Tür ab und öffnete die kleine Rolle.
"Hilfe", stand mitten auf dem Blatt. Ich hatte die Dorfbewohner völlig vernachlässigt! Schuldgefühle und Panik kam in mir hoch. Ich musste sofort zu ihnen!
"Ally? Bist du noch da?"
"Sag Melbo er soll Tessa holen. Und Hanna soll zur Akademie reiten und Henna zum verlorenen Dorf schicken", gab ich ihm die Anweisung und sammelte meine Klamotten ein, die ich anziehen wollte.
"Welches verlorene Dorf?", hörte ich Lukas verwirrt fragen.
"Das ist nicht wichtig. Henna weiß was ich meine! Und jetzt geh!" Leise hörte ich Getuschel hinter der Tür.
"Ich habe gemacht, was du verlangt hast. Jetzt schuldest du mir eine Antwort. Was hast du vor?", rief er nun misstrauisch. Ich hielt in meiner Bewegung inne. Sollte ich ihm zeigen, was ich das halbe Jahr über getan hatte?
"Wirst du bald sehen", antwortete ich knapp und zog mich fertig an.
"Was soll das heißen? Allyson? Gebe mir sofort eine klare Antwort! Hallo? Bist du noch da?"
Ruckartig öffnete ich die Tür. Meine Haare zusammen gebunden, das Stirnband an und meine Reiterklamotten am Leib, stand ich nun still vor ihm und sah ernst in sein überraschtes Gesicht.
"Wann hast du den Brief bekommen?", fragte ich.
"Heute morgen", antwortete er stockend.
"Dann müssen wir uns beeilen", sagte ich und marschierte an ihm vorbei.
"Was- Warum? Ally! Du verwirrst mich total", beschwerte er sich und lief mir hastig hinterher.
"Tut mir leid. Aber Zeit zum Erklären bleibt nicht!"
Draußen angekommen, stieg ich sofort auf die gesattelte Stute und ritt los. Lukas war knapp hinter mir mit seinem braunen Pferd. Das Tor und die vielen schmalen Gänge von Zinstra durch ritten, kamen wir auf dem runden Hof des kleinen Dorfes an. Konzentriert scannte ich die Umgebung mit meinen Augen ab. Keiner war zu sehen. Unheimliche Stille hatte sich über das Dorf gelegt.
"Wo sind wir?", flüsterte Lukas und stieg von seinem Sattel ab.
"Im verlorenen Dorf", antwortete ich monoton und rutschte von meinem Sattel herunter. Argwöhnisch kniff ich meine Augen zusammen. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Es war viel zu ruhig. Sonst spielten Mila und ihre Freunde immer auf der Straße oder jemand holte einen Eimer Wasser aus dem Brunnen.
"Komm mit", flüsterte ich in seine Richtung und ging leise zum Gemeinschaftshsus. Die Fenster waren dunkel. Noch nicht einmal eine Kerzenflamme war zu sehen.
"Was geht hier vor sich Ally?", hauchte Lukas nahe an meinem Ohr.
"Ich weiß es ni-." Mitten im Satz hielt ich inne, da ich ein Geräusch vernahm. Leise, ja schon fast nicht mehr wahrnehmbar hörte ich meinen Namen. Suchend blickte ich mich um. Hinter dem Gemeinschaftshaus in einer dunklen Ecke stand Mila und winkte mir zu. Erleichterung durchflutete mich. Ihr ging es gut. Still gab ich Lukas das Zeichen mir zu folgen und ging auf Zehenspitzen zu dem kleinen Mädchen. Bei ihr angekommen, wollte ich schon fragen, was los sei, als sie den Zeigefinger auf ihre Lippen drückte und mich an meiner Hand mit sich zog. Zusammen gingen wir durch den nahe gelegenen Wald. An einem umgefallenen Baumstamm angekommen, sah sie sich aufmerksam um und fing leise an die Situation zu erklären "Räuber sind gekommen. Es konnten alle fliehen, aber sie haben unser ganzes Essen gestohlen und besetzen unser Haus." Voller Schock und Sorge sah ich sie an und konnte nichts sagen. Mit ihren großen, braunen Augen schaute sie hoffnungsvoll in meine. Was sollte ich nun tun? Ihre Augen flehten fast schon nach einer Lösung dieses Problems. Doch leider hatte ich keine. Kämpfen konnte ich zwar einigermaßen, aber ich wusste ganz genau, dass ich mich nicht trauen würde jemanden zu verletzen.
"Die Hauptsache ist doch, dass keiner verletzt ist. Wir werden die Räuber schon verjagen. Mach dir da mal keine Sorgen." Erstaunt starrte ich Lukas von der Seite an.
"Ihr werdet uns helfen?", fragte Mila den Tränen nahe.
"Sei dir da sicher", lächelte er sie an und strich mit seiner Hand fürsorglich über ihren Kopf. Weinend warf sie sich in seine Arme und klammerte sich an sein Hemd fest.
"Danke Herr. Oh Danke", schluchzte sie.
"Mila", hauchte ich und sah sie mitleidig an. Dadurch schaute Lukas von Milas Hinterkopf auf und direkt in meine Augen. Sein ernster und harter Blick ließ mich erstarren. Was war das? Dieses Gefühl in meinem Herzen? Mein Atem stockte für Sekunden.
"Bring uns doch bitte zu den anderen, ja?", sprach Lukas das kleine Mädchen wieder an ohne den Blick von mir zu wenden. Mila löste sich langsam von ihm und ging schniefend voran.
"Allyson", trat Lukas ernst auf mich zu, als Mila außer Hörweite war. Schwer musste ich schlucken. "Hast du mir etwas zu sagen?" Es war, als würde er den Finger auf den Abzug einer Pistole halten - bereit zum schießen.
"Ich-." Verzweifelt schnappte ich nach Luft. Was war nur los? Seine Aura hatte sich vollkommen verändert. Tief atmete ich ein und riss mich endlich von seinen tief waldgrünen Augen los.
"Ich hab den Einwohnern geholfen und mit deinem Geld neue Häuser bauen lassen. War es das was du hören wolltest?", fragte ich mürrisch. Es ging mir auf die Nerven, dass mein Körper nicht so auf ihn reagierte, wie ich es eigentlich wollte.
"Wie bitte?", rief er empört aus. Mein Blick huschte zu ihm. "Du gibst so viel Glonden nur dafür aus?" Energisch zeigte er hinter sich. Eine Welle von Wut ging durch meinen Körper. Kraftvoll griff ich nach seinem Hemd und zog ihn zu mir heran.
"Jetzt hör mir mal ganz genau zu du pissa", zischte ich wütend in sein perplexes Gesicht. "Du bist nichts weiter, als ein junger Mann der durch seine Familie an das Reichtum des Königreiches gekommen ist. Das wäre ja noch nicht mal so schlimm, wenn du deinen Pflichten als König mal nach kommen würdest und deine Gefolgsleute, egal wie arm oder reich sie sind, nicht in ihrer eigenen Scheiße schwimmen lässt. Kapiert?!" Ruckartig schubste ich ihn von mir weg und warf ihm einen herablassenden Blick zu. Fassungslos starrte er mich an.
"Tz. War ja klar", spottete ich, als er nichts sagte, und ging zu Mila, die schon ungeduldig auf uns wartete. "Na komm", nahm ich sanft ihre Hand in meine und ging los. Da Mila aber stehen blieb, machte ich stopp und drehte mich verwirrt zu ihr um.
"Was ist mit dem Herrn dort drüben?", fragte sie süß und zeigte auf Lukas.
Mit einem kalten Blick sah ich in sein emotionsloses Gesicht und sagte monoton "Der darf nicht mit." Seine Kieferknochen traten hervor, als er begann wütend mit seinen Zähnen zu knirschen.
"Warum denn? Bitte dürfen wir ihn mitnehmen! Bitte Lady Allyson", flehte Mila und schaute mit ihren braunen glubschaugen zu mir hinauf. Genervt stöhnte ich auf. Ihr konnte ich aber auch wirklich keine Bitte abschlagen.
"Na gut", verdrehte ich die Augen. Fröhlich lächelte sie mich an und umarmte mich stürmisch. Schmunzelnd legte ich ihr meine Hand auf den Kopf und strich über ihre braunen, langen Haare.
"Dankeschön", bedankte sie sich.
"Bitte. Und jetzt komm", löste ich ihre Arme sanft von meiner Hüfte. "Die anderen warten bestimmt schon alle auf uns." Mila nickte zustimmend und ergriff meine Hand, um mich durch den Wald zu führen. Still marschierte Lukas hinter uns her. Nur seine dumpfen, schwere Schritte verrieten mir, dass er noch da war.
Verwundert beobachtete ich nun, wie sich immer mehr Bäume und Stäucher in den schon fast kahlen Wald mischten. Als wir um die Ecke bogen, erhaschte ich kurz einen Blick auf etwas dunkel graues. Neugierig verlangsamte ich meine Schritte, ging dann aber doch schneller weiter, als Mila an meinem Arm zog. Suchend wanderte nun mein Blick durch die Umgebung. Erst ein paar Meter weiter sah ich, was das graue wohl war.
Drei Meter große, zackige Steine wuchsen aus dem Boden und waren mit Moos sowie Efeu fast vollständig bedeckt. Jedoch konnte ich bei zwei Stück komische Ziffern und Malereien ausmachen. Bewundert und neugierig zugleich klebte mein Blick auf ihnen, bis ich sie nicht mehr sehen konnte. Ein wenig traurig schaute ich wieder nach vorne. Genau in diesem Moment blieb Mila stehen, wodurch ich fast über sie fiel. Fluchend hielt ich mich an ihren Schultern fest und stolperte unbeholfen zur Seite.
"Alles in Ordnung Lady Allyson?", fragte Mila besorgt.
"Ja, ja", lachte ich leicht über mich selber und stellte mich wieder aufrecht hin. Meine Augen wanderten nach oben. Vor uns lag ein riesiger Höhleneingang, der nur von zwei Fackeln erleuchtet wurde.
"Ally? Wo bist du?", hallte Hennas Stimme laut in meinem Kopf wieder.
"Shit", fluchte ich, als die Kopfschmerzen mit voller Wucht wieder kamen. Mit zusammen gebissenen Zähnen hielt ich mir meine Stirn, die im Takt meines Herzens schmerzte. Langsam öffnete ich meine zusammen gepetzten Augen. Doppelt und dreifach sah ich den Waldboden vor mir, wodurch ich mein Gleichgewicht verlor und zur Seite taumelte.
"Ally?", hörte ich Lukas rufen. Gleichdarauf spürte ich, wie etwas hartes gegen meine Schulter knallte. Orientierungslos sah ich um mich. Ich wusste nicht mehr wo was war. Erde und Himmel vermischten sich zu einem Ganzen.
"Ally? Allyson? Kannst du mich hören? Mein Gott, jetzt sag doch was!", rief Lukas verzweifelt und tätschelte meine Wange. Erschöpft schloss ich meine Augen. Ich war auf einmal so müde.
"Ally!" Ein leichtes Beben ließ die kleinen Steine neben mir auf hüpfen.
Schlagartig wurde ich wieder hellwach und schlug die Augen auf, um mich irritiert um zu schauen. Das erste was ich richtig warnahm, war Lukas, der neben mir kniete und meinen Oberkörper in den Armen hielt. Das zweite war das Weinen von Mila, die sich an Hennas Hals fest krallte.
"Was ist passiert?", fragte ich und faste mir völlig durcheinander an die Stirn. Etwas nasses benetzte meine Finger. Fragend schaute ich auf meine Hand, an der Blut klebte. Meine Beule! Mila schmiss sich in meine Arme und fing bitterlich an zu weinen.
"Pscht. Es ist alles in Ordnung", beruhigte ich sie ein wenig und strich sanft über ihren Rücken.
"Du bist plötzlich umgekippt und warst weg", antwortete mir Lukas leise. Ich nickte und löste die Arme von Mila.
"Na komm", lächelte ich sie sanft an und setzte mich vorsichtig auf.
"Tut mir leid, dass ihr euch Sorgen gemacht habt", murmelte ich schuldbewusst.
"Wie geht es dir denn jetzt?", half mir Lukas langsam auf und ignorierte somit meine Entschuldigung.
"Gut... soweit", antwortete ich zögerlich. Skeptisch musterte er mich und hielt mich an meiner Taille fest.
"Soll dich nicht doch mal ein Arzt untersuchen? Seitdem dich mein Bruder mit dem Pfeil an der Stirn getroffen hat, benimmst du dich komisch", meinte Lukas misstrauisch.
"Nein. Wirklich! Es ist alles okay. Ich brauchte einfach mal ne Pause von allem. Mehr nicht", besänftigte ich ihn.
"Wie du meinst", brummte er nicht überzeugt.
"Jep... ähm... da wir jetzt ja alle hier sind, können wir ja auch zu den anderen hinein gehen. Sie sind doch da drin, oder Mila?"
"Mhm", nickte sie und wischte sich ihre Tränen von der Wange.
"Gut", lächelte ich sie an und nahm ihre Hand in meine.
"Ally? Warum lügst du ihn an?", fragte mich Henna, während wir durch die Höhle gingen. Still schaute ich sie an und zuckte mit den Schultern. Ich brauchte von niemandem Hilfe. Alleine würde ich das auch schaffen!
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