Der Parcour
(Das Schwert Alwara, mit seinen ganzen Formen, wird noch bearbeitet und hinzugefügt.)
Kapitel 26
"Lord Merlin", rief ich über den Hof hinweg, während ich zu ihm joggte und ihm zuwinkte. Er stand mit dem Rücken zu mir und drehte sich nun überrascht um. Lächelnd stellte er seinen Heu ballen ab und verschränkte seine Arme vor der Brust.
"Hallo. Na bereit für die erste Flugstunde?", grinste er, als ich bei ihm stehen blieb.
"Ist zwar nicht meine erste, aber ja... Obwohl ich nicht gerade heiß drauf bin....", zuckte ich mit den Schultern und fixierte ihn mit meinen Augen. Ich war immer noch ein wenig wütend auf ihn, wegen der Sache mit Henna. Ob er sich entschuldigen wird?, fragte ich mich im Stillen.
"Nicht Eure erste Flugstunde?", fragte er irritiert.
"Ja. Soldat Kandor ist mit mir eine Runde geflogen... Obwohl... Ich bin ja auch schon alleine geflogen. Zwar nicht freiwillig und nicht ohne Probleme, aber naja", grinste ich leicht bei der Erinnerung.
Lord Merlin verzog bei der Erinnerung das Gesicht. "Ja... Das kann man nicht wirklich fliegen nennen."
"Ich weiß", seufzte ich.
"Was ich zu Euch gesagt habe tut mir übrigens aufrichtig Leid!" Aufmerksam sah ich ihn an. "Ich war nur so aufgebracht und besorgt um Euch, dass ich meine Manieren vergessen habe. Ich hoffe Ihr könnt mir verzeihen", begründete er seinen Ausraster von gestern. Nachdenklich legte ich leicht den Kopf schief.
"Sie sind doch der Bruder von Lukas, oder?", fragte ich. Er nickte. "Na gut", murmelte ich. "Aber nennt mich nie wieder Weib! Ich nehm das als Beleidigung auf!", warnte ich ihn. Er nickte lächelnd und bedankte sich.
"Und wenn wir schon beim Thema sind. Duzen Sie mich doch einfach. Das ganze Ihr, Euch und Eurer kann ich nicht mehr hören!", stöhnte ich genervt. Verwundert nickte er.
"Wenn du das so willst!"
"Jep", lächelte ich. Das hörte sich doch schon mal viel vertrauter an! "Aber jetzt mal zurück zum Thema", klatschte ich in die Hände. "Werden wir heute sehr hoch fliegen?"
"Am Anfang so hoch, wie du willst", zuckte er mit den Schultern.
Erleichtert atmete ich aus. Merlin holte den Heu ballen und ging mit mir in den Stall hinein. "Ich werde Euch heute die Grundlagen eines Drachenreiters beibringen und mit Euch und Eurem Drachen einen Sattel herstellen", erklärte er und stellte das Heu vor Hennas Tür ab. Ich nickte einfach nur und sah zu, wie er die Tür öffnete und den Ballen in die Scheune hinein trug. Leise folgte ich ihm.
Henna lag eingerollt auf dem Stroh und schlief. Die Halme raschelte immer wieder leise, wenn sie durch die Nase ausatmete.
Lord Merlin schnitt mit einem Messer das Stoffnetz durch, das das Heu zusammen hielt, und verteilte es mit den Händen gleichmäßig auf dem Boden.
"Ally, stehe nicht so dumm herum und helfe mir", flüsterte er.
"Klar", schreckte ich leicht auf und holte mir eine Hand voll Heu. "Einfach auf dem Boden verteilen?", fragte ich leise.
"Ja, aber so, dass kein Boden mehr zu sehen ist. So etwas musst du dann auch ohne mich machen können", nickte er flüsternd.
"Also so schwer ist das nun auch wieder nicht", schnaubte ich leise und verdrehte die Augen. Die Männer hier dachten wirklich, dass Frauen nichts außer Kinder bekommen, putzen und kochen konnten.
Als wir fertig waren, spazierten wir wieder aus der Scheune und gingen raus ins Freie. Lord Merlin öffnete die Türen des Hauses, in der Kandor den Sattel für Henna geholt hatte, und ging mit mir hinein.
Als ich über die Türschwelle trat, kam mir ein Luftzug entgegen, der nach Leder roch. Leicht lächelte ich. Ich mochte den Geruch. Es erinnerte mich an meine Mutter, wenn sie sich neue Lederschuhe kaufte und sie am nächsten Tag an hatte.
Ich sah mich um. An den Holzwänden lagen, auf dicken Stöcken, verschiedene Arten von Satteln. Breit, dünn, schwarz, braun. Dann aber auch welche, die sehr lang und elegant aussahen.
Anstatt, dass Lord Merlin auf diese zu ging, lief er nach rechts und holte einen großen Haufen von weißem Leder.
"Was machst du da?", fragte ich verwirrt.
"Leder für Hennas Sattel holen", antwortete er.
"Aber warum weiß?", zog ich eine Augenbraue hoch.
"Mein Bruder meinte, dass das besser zu deinem Drachen passen würde, da ihr ja auch sehr stark in der Öffentlichkeit steht und ihr das Land beziehungsweise die Akademie repräsentiert." Er zuckte mit den Schultern und marschierte an mir vorbei. Empört schnaufte ich.
Seid wann repräsentierte ICH und HENNA die Akademie? Und so stark standen wir nun auch nicht in der Öffentlichkeit! Klar! Ich war das einzige Mädchen auf der Akademie und erlernte die 'Männerkunst' bla bla BLAAAA. Aber mein Gott! Ich wollte nicht was besonderes sein! Und schon mal gar keine Extras bekommen. Doch Lukas, der feine Herr, musste mal wieder übertreiben. Spätestens heute Abend würde ich ihn wieder treffen und da musste er sich warm anziehen.
Bekräftigt nickte ich und schmiedete in meinen Gedanken Pläne, wie ich ihn zur Sau machen konnte.
Gedankenverloren starrte ich Löcher in die Luft, bis mich lautes Lachen zusammen zucken ließ. Ich blinzelte schnell und stellte verwundert fest, dass Lord Merlin nicht mehr neben mir stand. Deshalb drehte ich mich um und trat aus dem Haus hinaus.
"Lord Merlin?", rief ich und sah mich suchend um.
Als ich ihn neben fünf Männern stehen sah, die über irgendetwas herzlich lachten, marschierte ich schnell auf sie zu. "Merlin?", tippte ich auf seine Schulter. Keine Reaktion. Ignorierte er mich?
Genervt stöhnte ich auf. "Halloooo? Jemand zu Hause?"
Er drehte sich um, ohne das Gespräch und den Blickkontakt der anderen zu unterbrechen, und drückte mir das Leder gegen die Brust. Verdutzt umgriff ich es mit meinen Armen, drückte es an meinen Oberkörper und zog eine Augenbraue nach oben. Was sollte das denn jetzt? Lord Merlin wandte mir den Rücken zu. "Ähm...", sah ich zu ihm hoch.
"Einfach in die Scheune bringen", sagte er mitten in ihrem Gespräch beiläufig und ignorierte mich.
"Und was soll ich -", fing ich an zu fragen, als er mich genervt unterbrach "In die Scheune meine Güte."
Was war denn jetzt plötzlich los? Ich zuckte mit den Schultern und fragte "Kommst du dann gleich?"
Plötzlich drehte er sich um und brüllte gleichzeitig "Wage dich noch einmal mich zu duzen und du wirst von mir höchstpersönlich in den Kerker geworfen." Er hatte meinen Oberarm feste umgriffen und sah mich wutentbrannt an.
Geschockt riss ich meine Augen auf und zog meinen Kopf ein. Tränen traten mir in die Augen. Schnell blinzelte ich sie weg und kniff meine Lippen aufeinander, während sich mein Hals zu schnürte. Schwer schluckte ich den Klos, der sich in meinem Hals bildete, hinunter. Sonst hielt ich ja alles aus und heulte auch bei kleinen Verletzungen nicht herum. Doch ich hasste es abgrundtief, wenn man mich an schrie.
Lord Merlins Gesichtsausdruck entglitt ihm vollständig, als er in meine Augen blickte. Blitzschnell ließ er meinen Arm los und holte Luft, um etwas zu sagen. Bis es dazu aber kommen konnte, hatte ich ihm schon eine verpasst. Laut hallte der Klatsch über den nun stillen Hof.
"Schrei. Mich. Nie. Wieder. An", zischte ich gefährlich leise.
Wütend biss ich meinen Kiefer aufeinander, sah starr in seine hell grau, grünen Augen und wartete auf eine Erklärung. Er rieb sich seine leicht rote Wange und schaute schuldbewusst zu Boden.
Leise nuschelte er "Verzeih. Ich wollte dich nicht anschreien. Ich habe nur ein Mädchen aus den Augenwinkeln gesehen und habe gedacht, dass es eine Zofe wäre."
Verständnislos zog ich eine Augenbraue hoch. "Auch wenn ich eine Zofe wäre, hättest du nicht das Recht mich so an zu schreien!"
Verwirrt sah er mich an.
"Eine Zofe ist genau so viel Wert, wie ein ganz normales Wesen", erklärte ich "Also habt Respekt vor ihnen. Ohne sie würdet ihr nämlich keine frische Wäsche, kein Essen oder sonst irgendwas bekommen!"
Verwirrung und Unglaube spiegelten sich in den Gesichtern der Männer, als ich mich umsah.
"Verzeiht, aber da muss ich Euch widersprechen! Wir Männer sind sehr wohl in der Lage die Kunst der Frauen auszuüben", lachte ein blonder Mann abfällig, der links neben Merlin stand.
Zweifelnd zog ich eine Augenbraue nach oben. "Na das möchte ich sehen. Dann kochen Sie mir nächstes mal etwas zu Essen und waschen meine Wäsche", nickte ich.
"Ich muss Euch bitten! Ich bin doch keine Frau", rief er empört.
"Und ich bin kein Mann", ahmte ich ihn nach und verdrehte die Augen. Was für ein Vollidiot!
Daraufhin war der Mann still.
"Gut das wir darüber geredet haben", schüttelte ich genervt den Kopf, drehte mich um und ging los zur Scheune. Heute morgen erst entschuldigt und schon schreit er mich wieder an. Wenn das noch einmal vorkommt, mache ich ihm sein Leben zur Hölle, dachte ich und schaute grimmig drein.
Nach ein paar Meter blieb ich stehen, da ich keine weiteren Schritte hinter mir hörte, und sah nach hinten. Lord Merlin stand bei den Männern und diskutierte hektisch mit ihnen. "Lord Merlin, kommst du?", rief ich.
Er nickte schnell, winkte den vier Männern zu und kam zu mir gelaufen.
"Musste das sein?", fragte er flüsternd "Sie haben ihren ganzen Ärger jetzt an mir ausgelassen und werden wahrscheinlich zu dem König gehen und sich beschweren!"
"Jep. Mir aber egal", war meine knappe Antwort. Er seufzte neben mir frustriert auf und ging mit mir in die Scheune.
Dort legte ich das Leder vorsichtig auf einen Strohballen ab und trottete zu Hennas Gehege. Lord Merlin bereitet derweile schon alles für den Sattel vor.
"Henna. Komm, steh auf", grinste ich und rüttelte ihren Kopf durch. Murrend drehte sie sich auf die andere Seite. "Henna! Jetzt komm schon. Wir wollen dir einen Sattel bauen", murmelte ich und stieß sie kräftig an. Sie hob ihren Kopf und gähnte herzhaft. Ihre Augen öffneten und schlossen sich langsam. "Jetzt komm", stand ich auf. Schwerfällig schleppte sie sich hinter mir her und schnaufte laut. "Sei froh, dass du so lange schlafen darfst. Ich muss schon sau früh aufstehen", murmelte ich.
"Ich hab auch Unterricht. Und Wache musste ich gestern auch halten! Also ist das voll in Ordnung, dass ich so lange schlafe!" Sie gähnte laut, sodass ich ihre spitzen, strahlend weißen Zähne und ihre lange, rosa Zunge sah.
"Achsoo. Das konnte ich ja nicht wissen", zuckte ich mit den Schultern. Sie brummte genervt.
Wir blieben vor Merlin stehen und betrachteten das viele Leder auf dem Boden. "Hier", drückte er mir eine lange Nadel in die Hand. "Hole dir zwei lange Streifen von Leder, lege sie bündig übereinander und nähe rechts und links die Enden feste zusammen."
"Mit welchem Faden?" Abwartend sah ich zu ihm hinauf. Er nahm eine dünne, weiße Lederschnur und nahm mir das spitze Werkzeug wieder aus der Hand. Nun fädelte er es in das kleine Loch des Metalls hinein und gab sie mir wieder.
"Ziehe aber die Fäden feste an. Wir wollen ja nicht, dass während dem Flug euer Sattel auseinander fällt!" Ich nickte und beugte mich zu dem Leder hinunter. Kraftvoll stieß ich die Nadel in den festen Stoff hinein und nähte an der rechten Seite die beiden Lederbänder aneinander. Der weile probierte Henna verschiedene Sattelpolster aus. Immer wieder hörte ich sie genervt brummen.
Als ich nach zehn Minuten fertig mit Nähen war, drehte ich mich leise um und schaute Lord Merlin zu, wie er das weiße Leder über die Polsterung zog und beides miteinander vernähte. Seine Bewegungen und Stiche waren sehr gekonnt, weshalb ich davon ausging, dass er dies nicht zum Ersten mal tat.
"Ich bin fertig", rief ich und legte das schwere Leder über meine Unterarme. Lord Merlin sah zu mir, nickte und winkte mich zu sich. Zusammen brachten wir die Lederbänder vorne an dem Sattel an.
~ ° ~
Eine Stunde später hatten wir den Sattel endlich fertig und setzten ihn auf Hennas Rücken.
"Und?", fragte ich, die Hände in die Taille gestützt.
Sie schüttelte sich ein paar mal und breitete ihre Flügel aus.
"Der ist voll gemütlich", murmelte sie erstaunt. Stolz auf mich grinste ich.
"Gut", nickte Merlin "Dann wird es jetzt Zeit zum Fliegen." Mein Grinsen verschwand. Stattdessen sah ich grimmig auf den Sattel. "Na los", drückte mich mein Lehrer sanft nach vorne.
"Ja, ja, ich mach ja schon", murmelte ich und stolperte zu Henna. Sie kniete sich hin.
Nach drei Versuchen auf den Sattel zu kommen, saß ich endlich auf dem Leder und hielt mich an dem hell beigen Bogen fest.
"Am Aufstieg müssen wir noch arbeiten", grinste Merlin schief. Ich verdrehte die Augen und sah auf Hennas Schuppen.
"Das wird was", murmelte ich und seufzte auf. Henna stand wieder auf und trottete aus der Scheune heraus. Dabei kippte ich immer wieder leicht nach rechts und links.
Stimmengewirr riss mich aus meinen Gedanken, als wir auf dem großen Platz stehen blieben. Männer kamen lachend zu Lord Merlin gelaufen. Darunter auch Kandor und Simon, die nun brav vor ihrem Lehrer salutierten. Dabei schielten sie zu mir hoch, weshalb ich genervt aufstöhnte. Bin ich Kino oder was?
"Gewöhn dich dran! Die starren immer so", schnaufte Henna und drehte ihren Kopf zu mir.
"Das ist echt zum Kotzen", flüsterte ich genervt. Die Winkel ihres Maules bewegten sich nach oben, sodass man ihre spitzen Zähne sah. Laut hallte ihr Lachen durch meinen Kopf. Ich lächelte schmunzelnd und schaute wieder nach unten.
Die Männer waren alle in der Scheune. Nur Kandor und Simon standen, mit ihren Drachen, neben mir.
Höflich begrüßte ich Klea, woraufhin sie mir zu nickte und ihren Kopf zu Kandor nach hinten drehte. Nun sah ich zu Simon. Er saß auf einem dunkel braun geschuppten Drachen, der etwas größer war als Henna. Aber nicht viel. Höchstens einen Drachenkopf.
"Na, alles klar?", grinste mich Simon verschmitzt an und zwinkerte mir zu. Ich verdrehte die Augen. Wenn er schon so grinste, kam immer ein bescheuerter und noch dazu alberner Anmachspruch. "Hast du Fieber?", fragte er mich. Fragend zog ich die Augenbrauen nach oben. Darauf war ich jetzt nicht gefasst. Ich hatte etwas anderes erwartet. Irritiert fasste ich mir an die Stirn und schüttelte unmerklich den Kopf. Nein. Ganz normale Temperatur. Dann fuhr er fort "Du siehst nämlich verdammt heiß aus." Da war er. Der alberne und zugleich witzige Anmachspruch. Zuerst ein unterdrücktes Kichern, dass sich aber schnell in schallendes Gelächter meinerseits umwandelte.
"Oh Gott", lachte ich und hielt mir den Bauch, der schon total verkrampft war. "Der war so schlecht Simon. Da wäre sogar meine Mutter nicht drauf angesprungen!" Langsam beruhigte ich mich und wischte mir die Tränen aus den Augenwinkeln. Beleidigt murmelte er etwas vor sich hin.
"Na? Heute schon was vor Henna? Du könntest ja mal zu mir kommen", hallte eine raue und tiefe Stimme plötzlich durch meinen Kopf. Verwirrt sah ich zu Henna hinunter.
Der braune Drachen hatte ihr den Kopf zugedreht, sodass ich nun seine Sandfarbenen Augen, die durch das dunkle Schuppen Kleid hervorstachen, mustern konnte. Leuchtend sahen sie Henna an, die ihren Blick zu ihm wandte.
"Danke für dein Angebot Greg, aber ich lehne ab. Bevor ich freiwillig zu dir gehe, holt mich lieber ein Dämon", sagte sie genervt und sah wieder in den Wald hinein.
"Uhhh Abfuhr", konnte ich mir nicht verkneifen und fing wieder an zu lachen. Simon und sein Drache Greg brummte auf. Sie passten perfekt zusammen. Beide Machos, die gerne Mädchen anbaggerten.
In der Zwischenzeit hatten sich meine anderen vierzehn Mitschüler, mit ihren Drachen, in einer Reihe aufgestellt und sahen zu ihrem Lehrer hinunter. Mein Lachen klang langsam ab. Neugierig lehnte ich mich in dem Sattel nach vorne und schaute mich um.
Alle Drachen hatten die unterschiedlichsten Farben. Blutrot, Nachtblau, Waldgrün, beige, sogar schwarz war dabei. Viele Farben sah man doppelt, obwohl sie sich doch voneinander unterschieden. Mal heller, mal dunkler, mal intensiver. Und ich stand mit Henna in der Mitte. Der einzige weiße Drache und dabei noch kleiner, als alle anderen. So fiel man ja auch gar nicht auf. Hört ihr die Ironie, wie sie auf dem Boden tropft?
"Ally", klatschte Lord Merlin in die Hände. Erschrocken schoss mein Kopf zu ihm nach vorne. "Hier spielt die Musik", lächelte er leicht. Ertappt zog ich leicht meinen Kopf ein und formte meine Lippen stumm zu einem "Tschuldigung." Er nickte einfach nur und sah sich die anderen Schüler an. Währenddessen betrachtete ich seinen Drachen etwas genauer.
Seine Schuppen waren Nachtblau, schon fasst Schwarz, und schimmerten etwas heller in der Sonne. Wachsam wanderten seine dunkelblauen, gelben Augen über seine Gleichgesinnten.
"Jungs, ihr übt das Balancieren auf eurem Sattel, dieses mal aber in zwanzig Meter Höhe, und ich kümmere mich um Ally", brach Merlin die Stille, welche sich um uns gelegt hatte.
"Ihr wisst was ihr zu tun habt", sagte Merlins Drache. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Leise hallte seine dunkle Stimme in meinem Kopf wieder.
"Ja wohl Sir", riefen alle gleichzeitig und flogen hoch. Ob ich das später auch mal können musste?
"So Ally. Dann wollen wir mal los legen", lächelte mich Merlin an und kam mit seinem Drachen auf mich zu. "Zu aller erst üben wir mal, wie man sich richtig in die Kurven rein legt. Dazu gehen wir zu einem Parcour. Er ist auch ganz in der Nähe."
"Aber ich muss doch nicht für die Übung fliegen, oder?", fragte ich erschrocken. Henna ging los. Leicht kippte ich immer wieder auf die rechte und linke Seite.
"Natürlich im Fliegen. Wie willst du es denn sonst machen?" Nun ging auch Merlins Drache los. Er war fasst sechs Meter groß. Beängstigend, wie er mit seinen großen Augen zu Henna hinunter sah. Unterhielten sie sich?
"Aber du hast gesagt, dass ich mir am Anfang aussuchen darf, wie hoch wir fliegen." Verwirrt zog ich beide Augenbrauen zusammen.
"Ja. Das stimmt auch", nickte er. "Aber in die Kurve legen und dabei fliegen, hat ja nichts mit der Höhe zu tun. Die Geschwindigkeit ist nur sehr hoch, wenn du durch den Parcour fliegst."
"Das ist ja noch schlimmer", rief ich aus und sah ihn entrüstet an.
"Ally. Irgendwann musst du deine Angst vor der Höhe überwinden. Vertrau doch einfach mal Henna. Sie weiß was sie tut. Dafür wird sie ja ausgebildet!"
Nicht begeistert von der ganzen Sache brummte ich ein "Ja", und rutschte nervös auf dem Sattel hin und her.
"Mach dir nicht so viele Sorgen. Dir wird es gefallen. Ehrlich!", sagte Henna und sah zu mir nach hinten.
"Wenn du das sagst", murmelte ich nicht überzeugt.
~ ° ~
Minuten später blieben wir vor einem Abgrund stehen. Unter uns brauner Boden und dünne sowie dunkel graue Steine, die hoch in den Himmel ragten. Schwer schluckte ich. Wenn man dagegen knallte, hatte man eindeutig viele Knochen gebrochen!
"Das ist der Parcour?", fragte ich ängstlich und betrachtete die Gegend weiterhin.
"Ja", antwortete Merlin knapp und trat neben uns. Steine rieselten den Abhang hinunter, als sein Drache sich mit den Krallen in den Sandfarbenen Boden krallte.
"Und da muss ich mit Henna durchfliegen?" Ich sah ihn aus großen Augen an.
"Ja."
Ach. Du. Scheiße! Das schaff ich niemals im Leben ohne Herzinfarkt!
"Ich bin schon tausend mal da durch geflogen. Also mach dir mal keine Sorgen, dass wir gegen die Steine knallen könnten", sagte Henna ruhig und ging mehr nach vorne. Unter uns der steile Abgrund.
Ich atmete tief durch und schloss die Augen. Vor Aufregung und Nervosität wurde mir übel.
"Okay. So schlimm wird es nicht werden. Ich darf einfach nicht nach unten schauen...", redete ich mir selber zu und öffnete wieder die Augen. "Und wehe du lässt mich nochmal fallen", warnte ich Henna.
Sie schnaubte. "Keine Sorge. Das wird nicht nochmal passieren!"
Ich nickte. "Dann lass uns mal los legen", murmelte ich.
"Wir sind hinter euch, falls was passiert...", sagte Merlins Drache.
Ich und Henna nickten.
"Auf die Plätze", rief Merlin. Henna ging ein paar Schritte zurück.
"Bitte lieber Gott, lass mich...", nuschelte ich.
"Fertig."
Sie lief los.
"... heil dort unten ankommen", sagte ich nun lauter und krallte mich feste in das Seil. Automatisch lehnte ich mich im Sattel mehr nach vorne.
"LOS!"
Und sie sprang ab. Direkt auf den ersten Stein zu.
"AMEN", brüllte ich laut.
Schreiend festigte ich meinen Griff um den Bogen und wurde durch die Anziehungskraft in den Sattel gedrückt. Gleich darauf schwebte mein Po über dem Leder, da Henna die Richtung änderte. Steil schossen wir am Abgrund hinunter. Nur meine Fußschnallen hinderten mich daran einfach von ihr zu fliegen. Wind blies mir meine Haare nach hinten und riss an meinen Kleidern.
"Aufpassen!", rief Henna. Ruckartig flog sie wieder senkrecht. Dadurch wurde ich wieder in den Sattel gedrückt und konnte kurz die Schatten von mir und Henna beobachten, wie sie einen halben Meter neben uns glitten. Schnell sah ich wieder nach oben.
Mit Schreck geweideten Augen rief ich "HENNA! STEIN!"
Nur noch einen Meter trennten unsere Gesichter von dem harten Material, wenn wir dagegen knallen wollten.
~ ~
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