Blut aus Lava

Kapitel 35

"Gott sei Dank", kam Leo auf Mila zugerannt und nahm sie erleichtert in seine Arme, als wir am Ende der Höhle ankamen. "Ich dachte schon dir wäre etwas passiert." Sanft löste er sich von ihr und betrachtete ihr Gesicht. "Sag mal? Hast du geweint?", fragte er daraufhin besorgt. Still nickte das kleine Mädchen.
"Hallo Leo", begrüßte ich ihn lächelnd und trat in das Licht der Flammen.
"Lady Allyson", rief er überrascht aus. "Gut das Ihr hier seid", stand er auf. "Ich weiß, dass es viel verlangt ist", fing er verzweifelt an und ging vor mir auf die Knie. "Aber bitte helft uns unser Dorf von den Räubern zu befreien." Erschrocken packte ich ihn sofort an seinen Armen und zog ihn hoch.
"Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ihr das nicht bei mir machen sollt!?", fauchte ich verärgert. Reumütig schaute er auf den Boden.
"Ich weiß, aber-"
"Kein aber! Und jetzt komm", bestimmte ich laut. "Wir müssen uns einen Plan ausdenken, wie wir die Räuber los werden." Leo nickte und nahm Mila auf seine Arme. Neugierig warf er einen Blick auf Lukas, der hinter mir zum Vorschein kam. Langsam gingen wir durch einen schmalen Eingang.

Nachdem mich und Henna die Bewohner des Dorfes begrüßt hatten, versammelten wir uns alle in der Mitte des kleinen Raumes.
"Was ist passiert?", fragte ich konkret und sah mich um. Alle fingen auf einmal an wirr durcheinander zu reden, weshalb ich mir genervt die Schläfen massierte.
"RUHE", schrie ich. Stille. "Es redet nur einer!" Alle schauten sich fragend an. Ihre Blicke blieben an Mila hängen.
"Mila schatz? Würdest du uns die Geschichte ausführlich erzählen?", fragte Leo sanft. Das kleine Mädchen saß auf seinem Schoß und nickte nun zögerlich. Gespannt setzte ich mich gemütlich hin und lehnte mich gegen Hennas Körper.
"Ich war dabei Wasser aus dem Brunnen zu holen, als Männer schreiend angeritten kamen und mit Schwertern bewaffnet in unsere Hütte stürmten."
"Sie schubsten uns zur Seite, bedrohten uns mit ihren Waffen und schaufelten unser Essen in Säcke. Wir sind alle aus dem Haus geflüchtet und hier her gekommen. Das ist unser geheimer Treffpunkt, wenn wir in Not sind", erzählte Leo weiter.
"Ich bin in die Stadt gelaufen und hab mit unseren restlichen Glonden den Brief verschickt", lächelte Mila stolz.
"Hast du gut gemacht süße", küsste Leo sie auf die Wange und drückte sie mehr an sich. Kichernd bedeckte sie ihre Augen mit ihren Händen.
"Verstehe", murmelte Lukas neben mir. "Könnt ihr mir sagen, wie er auf dem Pferd aussah?"
"Schwarze Haare, muskulös", zuckte Leo mit den Schultern.
"Eine große Narbe zieht sich über sein ganzes Gesicht", warf jemand von ganz hinten ein. Lukas Augenbrauen zogen sich verärgert zusammen. Hastig kniete er sich zu mir hinunter, weshalb ich fragend zu ihm hoch schaute.
"Ich weiß mit wem wir es hier zu tun haben", flüsterte er ernst in meine Richtung. Überrascht setzte ich mich auf. "Das ist Großmagier Lennard. Er ist der Feind gegen den du kämpfen musst. So hat es auf jeden Fall unser Wahrsager vorher gesagt!", erklärte er.
"Was macht er hier in Zinstra?", fragte ich geschockt.
"Das ist mir schleierhaft", seufzte er leise.
"Wer seid Ihr eigentlich?", wandte sich Leo Lukas zu und kniff misstrauisch seine Augen zusammen. Gespannte Stille herrschte, als alle neugierig aber auch misstrauisch den König anschauten.
In einer fließenden Bewegung richtete sich Lukas zur vollen Größe auf und meinte mit sicherer Stimme "Ich bin König Lukas der vierte." Gespannt auf die Reaktion der anderen, sah ich schnell zu ihnen. Langsam aber sicher veränderten sich die Gesichter der Dorfbewohner zu einer misstrauischen und zum Teil auch wütenden Grimasse.
"Was fällt Euch ein hier her zu kommen nach all den Jahren, in denen Ihr uns im Stich gelassen habt?", brüllte der ältere Bruder von Leo in die Stille hinein und stand hastig auf.
"Hek-", versuchte ihn seine Mutter wieder zu beruhigen, griff nach seinem Arm und zog ihn zu sich nach unten. Hektor entriss sich aus dem Griff seiner Mutter und trat zornig einige Schritte nach vorne.
"Wir mussten Hunger leiden und habe alle Krankheiten ohne Eure Hilfe überstehen müssen. Wisst Ihr wie viele Elfen dadurch sterben mussten? Meine Schwester, mein Vater, Kims Kind, dass noch nicht einmal einen Tag alt war", zeigte er auf die Betroffenen, die betreten und traurig auf den Boden blickten. "Meine Schwester ist elendig erstickt. NUR WEGEN EUCH! WEIL IHR UNS ALS ABSCHAUM VON TLENSIN BEZEICHNET, WILL UNS NOCH NICHT EINMAL DER SCHLACHTER ALS PACKESEL HABEN!" Hektors Brust hob und senkte sich hektisch, während seine Worte durch die Höhle hallten.
"Ihr seid für uns kein König", flüsterte Hektors Mutter in die nun entstandene Stille hinein. "Ihr seid ein nichtsnutziges Pack, das sich im Reichtum seiner Eltern sudelt. Wie ein Schwein."
"Ein Heuchler!", rief jemand hinein.
"Eine Mistgeburt!" Ein wahnsinniger Lärmpegel entstand, als alle auf einmal anfingen ihren Ärger und ihre Frustration hinaus zu brüllen. Erschrocken von dem Anblick vor mir, stand ich auf und schaute zu Lukas. Verbissen versuchte er seine neutrale Maske zu halten, was ihm aber nicht gut gelang. Immer wieder erhaschte ich einen betroffenen Gesichtsausdruck, wenn ihm jemand eine Beleidigung an den Kopf warf.
Tief holte ich Luft und brüllte "RUHE!" Erschrocken zuckten alle zusammen und schauten zu mir.
"Ich weiß nicht, was zwischen euch und der Königsfamilie vorgefallen ist. Ich weiß nicht, wie schlimm es ist geliebte Menschen zu verlieren. Und ich weiß auch nicht, wie ihr Freundlichen und Hilfsbereiten Elfen auf einmal so voller Hass sein könnt. Doch eins weiß ich. Das gerade JETZT nicht der richtige Zeitpunkt zum Streiten oder auseinander gehen ist. Wenn ihr wirklich euer zu Hause wieder haben wollt und ein glückliches Leben in Zukunft führen wollt, müsst ihr zusammenhalten und kooperativ sein. Auch wenn ihr nicht mit dem König arbeiten wollt! Verstanden?" Angespannte Stille. Alle sahen hin und her gerissen zwischen Hass und Vernunft auf den Boden.
"HABT IHR VERSTANDEN?", rief ich nun streng.
"Ja", riefen alle wütend zurück. Hektors Mutter fing vor Frust bitterlich an zu weinen.
"Packt eure Sachen zusammen. Wir bringen euch jetzt erst mal in eine vernünftige Unterkunft", sagte ich laut und drehte mich zu Henna um. "Wärst du so nett und fliegst zu Lord Merlin, dass er doch drei Zimmer in der Akademie aussuchen soll und zusätzliche Decken oder Matratzen rein legen soll."
"Natürlich. Noch etwas?" Lächelnd schüttelte ich den Kopf und klopfte ihr freundschaftlich auf ihr Schuppenkleid, woraufhin sie los ging. In den letzten sechs Monaten waren wir ganz schön zusammen gewachsen. Schon fast wie ein Team, dachte ich stolz.

Als ich mich wieder umdrehte, stand Mila und Joshua vor mir und sahen verunsichert zu mir hoch.
"Lady Allyson?", fragte Mila leise.
"Was ist denn Mila?", lächelte ich sanft und kniete mich zu ihnen hinunter.
"Dürfen wir unsere Mama dann auch wieder sehen?" Hoffnungsvoll schauten sie zu mir hoch. Mein Herz blieb stehen. Ich hatte in dem ganzen Stress und wegen meiner Beule an der Stirn völlig vergessen, nach der kranken Frau zu sehen. Ob es ihr gut ging? Als ich das letzte mal nach ihr schaute, ging es ihr besser als je zuvor.
"Ich weiß es nicht. Ich werde so schnell wie möglich nach ihr schauen gehen und euch dann zu ihr bringen, wenn es ihr besser geht", nickte ich. Joshua kullerten einige Tränen über seine, in den letzten Monaten immer voller werdenden, Pausbacken, als er sich in meine Arme warf. Stark nahm ich ihn und Mila in meine Arme, die laut anfingen zu weinen. "Ist gut", versuchte ich sie zu beruhigen, wobei mir selber die Tränen kamen. Wenn die Mutter schon gestorben war, hatte ich ihnen gerade unnötig Hoffnung gemacht. Das würden sie mir niemals in meinem Leben verzeihen. Da war ich mir sicher! Schnell blinzelte ich meine Tränen weg und wiegte sie in an meiner Brust hin und her. Mein Blick wanderte über die Elfenmenge und blieb bei Lukas hängen. Schnell sah er weg und verschränkte seine Arme vor der Brust. Mila und Joshua lösten sich von mir und gingen, nach einem kurzen aufmunternden Nicken von mir, zu Leo hinüber. Argwöhnisch musterte er mich. Still wandte ich meinen Blick von ihm ab. Ich konnte verstehen, dass mir jetzt vielleicht viele nicht mehr vertrauten, da ich Lukas hier her gebracht hatte. Doch dieses Problem mit den Räubern konnte ich nicht alleine lösen. Nicht nur sie mussten ihren Stolz jetzt überwinden, sondern auch ich. Hilfe anzunehmen, oder gar darum zu bitten, war für mich nie eine Option gewesen. Aber wie man so schön sagte. Einmal ist immer das erste mal.
Seufzend ging ich die paar Schritte zu Lukas hinüber und stellte mich neben ihn.
"Ich bin überrascht", murmelte er. Verdattert schielte ich zu ihm hinüber. Er beobachtete konzentriert die Elfen. "Sie hören alle auf dich und hinterfragen deine Befehle nicht."
Ich schaute wieder nach vorne und sah den anderen beim Packen zu.
"Weißt du Lukas? Der Unterscheid zwischen mir und dir ist, dass du auf deinen Status vertraust und ich mir das Vertrauen der Dorfbewohner erarbeite. Für mich sind sie keine Gefolgsleute oder Arbeiter, denen man Befehle geben muss, damit sie hören. Für mich sind sie Freunde, denen man in großer Not hilft!" Ruhig sah ich nun zu Lukas. Verstehend nickte er und starrte danach gedankenverloren auf den Boden.

~ ° ~

"Wann sind wir denn endlich da?", zupfte Mila zum tausendsten Male an diesem Abend an mein Hemdende.
Genervt atmete ich aus und antwortete "Gleich."
"Das hast du vor einer halben Stunde auch schon gesagt und wir sind immer noch nicht da!", erwiderte sie verärgert.
"Wenn du jetzt nicht den Mund hältst, werden wir nie an der Akademie ankommen", fauchte ich zurück. Getroffen starrte sie mich einen Moment lang an und schloss langsam ihren Mund. Das Zittern ihrer Unterlippe und die Tränen in ihren Augen ließen mich schuldbewusst nach vorne schauen. Leise hörte ich ihr Schniefen.
"Das war nicht nett", raunte mir Lukas ins Ohr.
"Ich weiß. Aber irgendwann ist auch mal gut", sagte ich leise. Daraufhin erwiderte er nichts mehr. Erschöpft rieb ich mir meine brennenden Augen. Wir waren nun schon eine Stunde unterwegs und immer noch weit von der Akademie entfernt, obwohl die Sonne unter ging. Ich fragte mich wirklich, wann wir endlich ankommen würden. Von Henna hatte ich auch nichts mehr gehört.
"Ally?"
Aha, wenn man vom Teufel spricht, dachte ich schmunzelnd und sah hoch in den Himmel. Sachte zog sie über uns ihre Kreise.
"Es ist alles vorbereitet. Lord Merlin hat sogar vier Zimmer einrichten lassen und Kleidung hinaus gelegt." Ein erstauntes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.
"Alles klar. Du kannst dich-." Eine plötzliche Hitze schoss durch meinen Körper, weshalb ich in meinem Reden innen hielt. "Du kannst dich, wenn du willst, ein wenig ausruhen gehen. Ich werde morgen vorbei kommen", führte ich schnell meinen Satz zu ende, damit keiner Verdacht schöpfte, dass mit mir etwas nicht stimmte. Tief holte ich Luft und legte meine kalte Hand auf meine heißen Wangen. Das war doch alles nicht mehr normal!
"Gute Nacht Ally. Und pass auf dich auf", verabschiedete sie sich und flog davon.
"Was hat sie gesagt?", fragte Lukas neugierig.
"Das schon alles vorbereitet ist." Ausgelaugt schloss ich meine Augen. Ich brauchte unbedingt Schlaf.
Plötzlich blieb mein Fuß an etwas hängen, weshalb ich nach vorne stolperte und erschrocken meine Augen aufriss. Hart kam ich mit meinen Knien und Handballen auf dem Boden auf. Scharf sog ich die Luft ein. Das Brennen an den betroffenen Stellen wurde von einem Stechen in meinem Kopf und der unangenehmen Hitze in meinem ganzen Körper übertönt!
"Alles in Ordnung Lady Allyson?", fragte mich Lukas besorgt und half mir vorsichtig auf. Fluchend nickte ich und betrachtete prüfend meine Wunden. Nur aufgeschürft, dachte ich erleichtert und pustete vorsichtig den Dreck weg.
"Scheiß Kopfschmerzen", machte ich meinen Ärger leise Luft.

~ ° ~

"Lady Allyson?", fragte mich Mila, als ich sie mit einer Decke zudeckte. Es war still in dem Zimmer. Nur das laute Zirpen der Grillen war gedämpft durch die Mauern der Akademie zu hören.
"Ja?", fragte ich leise und strich den Stoff glatt.
"Ihr seid eine sehr großzügige Frau." Verblüfft hörte ich auf die Bettdecke an ihren Schultern zu richten und sah in ihr Gesicht. Lächelnd griff sie nach meiner Hand und drückte sanft zu.
Gerührt von ihren Worten lächelte ich sie sanft an, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sagte leise "Schlaf gut Mila." Langsam schloss sie ihre Augen, ließ meine Hand los und kuschelte sich in die weiche Decke hinein. Nachdem ich noch einen Blick auf die anderen Kinder geworfen hatte, schlich ich mich aus dem Zimmer hinaus und machte die Tür leise hinter mir zu. Nachdenklich blieb ich an dem dunklen Holz gelehnt stehen - noch immer den Türgriff in der Hand. Alle Dorfbewohner hatten eine warme Dusche, warmes Essen und neue Kleidung bekommen. Bis wir aber erst mal hier ankamen, dauerte es schon drei bis vier Stunden. Ob wir die Räuber wirklich besiegen konnten?

Verwirrt fasste ich an meine Wangen, als etwas nasses meine Lippen berührte. Blut klebte an meinen Fingern. Frustriert atmete ich aus. Die Wunde an meiner Stirn war jetzt bestimmt schon zum vierten mal an diesem Tag aufgegangen und der Grund war mir unerklärlich. Meine Kopfschmerzen und das Hitzegefühl wollten auch nicht weg gehen.
"Was für eine verkackte Scheiße", zischte ich schlecht gelaunt und ging zu den Mädchenduschen, um dort mein Stirnband und meine Stirn zu säubern. Durch das viele Blut konnte ich, wie auch vor ein paar Tagen, nicht erkennen, an welcher Stelle die Wunde aufgeplatzt war. Ich tupfte zwar immer wieder das Blut weg, doch einen Wimperschlag später sah ich nur noch rot. Schlussendlich band ich mir das saubere Band um die Stirn und ritt zum Schloss zurück.

Verwundert betrachtete ich die Lampen an den Wänden, die den Flur in ein gedämmtes Licht tauchten, als ich die geschlossenen Tore passierte. War denn keiner mehr wach? Normalerweise waren die Flure immer hell erleuchtet. Um mich schauend, spazierte ich über den roten Teppich und suchte die Gegend misstrauisch mit zusammen gezogenen Augen ab. Hier stimmte doch etwas nicht! Ein starker Druck, der langsam in meinem Kopf entstand, lenkte mich von der verdächtigen Stille ab, weshalb ich vorsichtig das Stirnband entfernte, in der Hoffnung, dass das schlimme Gefühl weg ging. Genervt stöhnte ich auf. Warum zum Teufel spielte mein Körper in letzter Zeit so verrückt? Das konnte doch nicht alles von der leichten Gehirnerschütterung sein, oder?

Ruckartig gingen meine Ohren zu, wodurch ich meinen Herzschlag überdeutlich gegen meinen Brustkorb schlagen hörte. Mehrere male gähnte ich laut. Doch alles blieb, wie es war.

"Sag mal-", murmelte ich verärgert und drückte gegen meine Ohren, sodass ein Vakuum entstand. Anstatt, dass meine Ohren wieder aufgingen, setzte ein penetrantes Piepen ein. Abwechselnd wurde mir nun kalt und warm. War mein Blutdruck ganz unten, oder warum passierte das hier alles?

Während ich schnell den Gang entlang ging und schon die Ecke sehen konnte, die zu meinem Zimmer führte, verlor ich plötzlich mein Gleichgewichtssinn. Hastig krallte ich mich an der verputzten Wand fest, um nicht zu fallen, und petzte meine Augen zusammen. Was passierte hier? Schweißperlen liefen an meinem Nacken und an meiner Stirn herunter. Vorsichtig öffnete ich wieder meine Augen und stieß mich von der Wand ab. Jetzt schnell ins Zimmer und ins Bett, dachte ich. Vielleicht geht es mir morgen wieder besser. Langsam schlürfte ich über den roten Teppich - die Hand zur Sicherheit an der Wand behalten.

Um die Ecke gebogen, wurde mir schlagartig schwindelig, weshalb ich hin und her schwankte. Verzweifelt krallte ich mich an der Wand fest, um wieder Halt zu finden, rutschte aber wegen meinen verschwitzten Fingern am Putz ab. Mit Schreck geweiteten Augen stolperte ich unbeholfen nach vorne. Dadurch, dass sich alles um mich herum drehte, sah ich die Welle im Teppich nicht und fiel einen Wimpernschlag später darüber. Erschrocken schrie ich auf. Reflexartig kniff ich meine Augen zusammen, als ich dumpf auf dem Boden aufkam. Gleichdarauf zuckte ein gleißend heißer Schmerz durch meinen Körper, woraufhin sich meine Muskeln automatisch anspannten. Röchelnd atmete ich aus und ein. Nur meinen Atem und mein rasendes Herz hörte ich ohrenbetäubend laut in meinen Ohren. Ich wollte nach Hilfe schreien, doch kein Laut kam aus meinen Mund. Heiße Tränen liefen meine Wangen hinunter und über meine Nase, während ich wieder meine Augen öffnete und vor mich sah. Genau in diesem Moment wurde mir klar, dass der Zustand meines Körpers nicht an Überlastung, Übermüdung oder an der Gehirnerschütterung litt, sondern an etwas ganz anderem. An etwas schlimmeren! Ich bereute die Hilfe von Lukas und Hanna abgelehnt zu haben. Ich bereute sie zu diesem Zeitpunkt zu tiefst.
In Panik und Verzweiflung griff ich vor mich. Nur noch einen Meter und ich hätte mein Zimmer erreicht.
Verbissen krallte ich mich in den Teppich fest und robbte meinen Körper nach vorne. Ich verstand es nicht! Ich verstand einfach nicht, wie das hier alles passieren konnte! Mir war so heiß! Es fühlte sich an, als würde flüssiges Lava durch mein Blut laufen und mich von innen verbrennen.
Plötzlich sah ich nicht mehr meine Zimmertür oder den Flur des Schlosses, sondern die dunkle Holzwand von Hennas Stall. Irritiert und ängstlich wanderten meine Augen hektisch durch den hohen und dunklen Raum. Was war denn jetzt auf einmal los? So eine Situation hatte ich vor und nach dem Absturz von Henna schon einmal, erinnerte ich mich. Nur nicht so intensiv. Meine Schmerzen verschwanden langsam und machten einer wohligen Kühle platz. Nachdem ich ein paar mal blinzelte, sah ich wieder auf meine Zimmertür. Schlagartig kamen meine Schmerzen wieder zurück, wodurch sich mein Körper zusammen krampfte und somit meine Finger über den roten Stoff des Teppich kratzten.
Schnaufend und unter Schmerzen robbte ich mich die letzten Zentimeter zu meiner Tür. Hinter der Türschwelle angekommen, tanzten schwarze Punkte vor meinen Augen herum. Mit letzter Kraft machte ich die Zimmertür mit meinen Fuß zu, damit mich keiner so schwach sah, und blieb dann erschöpft auf dem Boden liegen. Werde ich jetzt sterben?, fragte ich mich, während Tränen über meine Wangen kullerten. Wieso hatte ich auch immer so Pech? Sonst hetzten doch die Bediensteten noch Nachts durch das Schloss und nervten mich mit ihren lauten Schritten. Warum also nicht heute?
Wieder versuchte ich nach Hilfe und nach Hanna zu rufen, doch vergeblich. Ich hatte noch nicht einmal mehr die Kraft meine Augen oder meinen Mund zu öffnen. Meine ganze Aufmerksamkeit galt ganz alleine dem glühenden und stechenden Schmerz in meinem gesamten Körper.

~ ۝ ~

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top