Ängste leicht überwinden?

Kapitel 17

Ruckartig breitete sie ihre Flügel aus und rannte los. Erschrocken zog ich scharf die Luft ein, krallte mich an ihren Schuppen fest und presste meinen Oberkörper noch mehr an ihren Hals. Stark schlug sie nun ein paar mal mit ihren Schwingen, sodass wir langsam ab hoben.

~°~

"OhmeinGott, ohmeinGott. Fuck", piepste ich hektisch atmend. Ängstlich krallte ich mich fest und presste die Augen zusammen. "Phhuu Ally jetzt ganz ruhig. Es wird nichts passieren. Du vertraust ihr. Nicht nach unten schauen", sagte ich zu mir leise. Auf einmal beugte sie sich nach rechts. "FUUUUCCKKK. HILFEEE. SCHEISSE", schrie ich in Panik und heulte beinahe los. Ein unangenehmes Kribbeln hatte in meinem Bauch eingesetzt. Kalter Wind bließ mir meine Haare nach hinten und durch meine Kleidung hindurch, sodass ich eine Gänsehaut am ganzen Körper bekam.

In der Zwischenzeit unten:

Kandor und Lord Merlin gingen nebeneinander her und wollten zu ihren Drachen gehen, als sie Geschreie vom Himmel hörten. Irritiert blieben sie stehen und lauschten. "Ist das eine Mädchen Stimme?", fragte Kandor leise und hob eine Augenbraue.
Beide sahen sich kurz schweigend an, bis sie große Augen bekamen und gleichzeitig "Ally", sagten. Sie hetzten zu ihren Drachen, stiegen ohne sie zu satteln auf und schwangen sich in die Luft.

Dort rief Kandor seinem Gefährten zu "Lord, Ihr nach links und ich nach rechts." Merlin nickte und beugte sich mehr nach vorne, um dem Wind auszuweichen, damit sie schneller wurden.

Zurück zu Ally:

"HENNA HALTE SOFORT AN! DAS IST NICHT COOL!", schrie ich gegen den Wind und klopfte mit meinen Füßen ein wenig gegen ihren Bauch. Glucksend beschleunigte sie ihre Geschwindigkeit mit einem kräftigen Flügelschlag und drehte sich plötzlich um sich selber. Ein kurzes Schwerelosigkeitsgefühl kam bei mir zustande. Ich wäre beinahe von ihr hinunter gefallen, hätte ich nicht so viel Adrenalin im Blut gehabt und deswegen so eine Kraft aufgebaut, um mich noch mehr an ihren Körper zu drücken. Als wir wieder normal flogen, waren meine Ohren zu, weshalb ich nur gedämpft alles hörte. Immer noch hatte ich die Augen zusammen gepresst und wagte es nicht sie zu öffnen.
"Ally", hörte ich leise. War das Lord Merlin? Nein. Das konnte nicht sein! Das war bestimmt alles nur Einbildung!

"ALLY VERDAMMT! MACH DIE AUGEN AUF!"

"KANDOR?", rief ich irritiert.
"JAAA. NUN MACH SCHON", antwortete er.
"ICH KANN NICHT! ICH HAB HÖHENANGST!" Die Männer fluchten leise vor sich hin.
"MACHT JETZT EINFACH DIE AUGEN AUF. EUCH WIRD SCHON NICHTS PASSIEREN", hörte ich Lord Merlin genervt schreien. Tief durchatmend riss ich meine Augen auf und sah Schuppen. Nachtblaue, glitzernde Schuppen, welche sich im Licht leicht hell blau färbten.

"SEHE MICH AN." Mein Kopf zuckte zur rechten Seite, wo Kandor mit einem grünen Drachen flog. Kurz huschte mein Blick nach unten. Sofort wurde mir übel, als ich die grünen Baumkronen und den braunen Boden sah.

"Oh mein Gott", flüsterte ich und sah Kandor wieder an.
"DRÜCK DIE HÖRNER VON HENNA NACH UNTEN, DAMIT SIE-."

Weiter kam Kandor nicht, da Henna plötzlich steil nach oben schoss und brüllte. Wegen des zischenden und starken Wind verzog ich meine Augen zu Schlitzen und versuchte nicht dauernd, mit meinen Füßen, an ihren Schuppen abzurutschen.

"HENNA, HÖR AUF UND LANDE. ICH KANN MICH NICHT LÄNGER HALTEN", schrie ich ängstlich und in Panik. Doch sie hörte nicht auf. Nein! Sie beschleundigte ihr Tempo nur noch mehr und drehte einen Looping, bei dem meine Füße für kurze Zeit über ihrem Rücken schwebten. Tränen schossen mir in die Augen. Ich drückte meine Wange an ihre Schuppen, die unangenehm gegen meine Haut schirften. Feste biss mich ich meine Zähne zusammen, zog meine Beine wieder an ihren Körper und fasste nacheinander nach ihren weißen, etwas gebogenen Hörner. Sie fühlten sich rau unter meinen Handflächen an. Als ich mich gegen diese stemmte, ging ihr Kopf langsam nach unten. Widerstrebend schüttelte sie diesen, glitt aber dann doch in eine Waagerechte Position. Etwas erleichtert atmete ich aus und drückte weiter die Geweihe gen Boden. Geschmeidig flog sie nach unten und wurde dabei immer schneller. Wie ein Komet schossen wir auf die vielen Bäume und die große Wiese, vor den Scheunen, zu.

Schreiend versuchte ich Henna wieder nach oben zu bewegen, doch die Schwerkraft verbat es mir. Irgendwann, tausende Meter vom Boden entfernt, verließen mich meine Kräfte, sodass mir die Hörner aus den Händen und meine Füße von den Schuppen rutschten. Mit aufgerissenen Augen beobachtete ich, wie sich Henna immer mehr von mir entfernte und ich dem Boden immer näher kam. Der Wind riss schmerzhaft an meinen Haaren und Kleidern. Nach Sekunden hatte ich auch die Orientierung verloren, da ich mich immer wieder um mich selber drehte. Ich konnte keine klaren Umrisse mehr aus machen. Das einzige was ich sah waren Farben.

Plötzlich erhaschte ich ein helles Grün aus den Augenwinkeln. Mit meinen Armen ruderte ich immer wieder hin und her, um nicht die Balance zu verlieren und mich nicht wieder um mich selber zu drehen. Nun entdeckte ich auch Kandor, der unter mir flog und konzentriert zu mir hinauf schaute. Henna kam wieder unter mir zum Vorschein. Schnell griff ich nach ihren Hörnern, zog mich mit aller Kraft an sie heran und betete insgeheim, dass sie nun endlich landen würde. Und tatsächlich. Sie glitt in einen sanften Landeflug über und stolperte ein wenig über den Rasen, bis sie stehen blieb. Ich rutschte halb von ihrem Rücken hinunter und stand mit wackeligen Beinen auf. Neben uns landete Lord Merlin sowie Kandor, welche besorgt zu mir rannten.

"Geht es Euch gut?", fragte Lord Merlin und sah mich prüfend an. Ganz unerwartet über kam mich eine Übelkeit, weshalb ich schnell zu einem Busch lief, mich mit einer Hand an den Baum, rechts von mir, abstützte und mich übergab. Ich hielt mir den rumorenden Bauch und spuckte die Reste aus meinem Mund.

"Was für eine scheiße", fluchte ich leise und wischte mir, mit meinem Ärmel, über den Mund.

"Hier", hielt mir Kandor ein Holzbecher Wasser hin. Dankend nahm ich ihn und spülte meinen Mund aus. Danach trank ich zögerlich ein paar Schlücke und ließ mich am Baum hinunter gleiten.
"Ich werde eindeutig nicht mit einem Drachen fliegen", stöhnte ich leise und ein wenig sauer.
"Warum seid Ihr auch so doof und fliegt mit ihr los. Sie muss doch erst in die Ausbildung und außerdem hattet Ihr keinen Sattel drauf. Kein Wunder das sie völlig außer Kontrolle war!", fauchte Lord Merlin wütend und baute sich vor mir auf.
"Halte du mal lieber deinen Mund! Ich wollte nicht fliegen! Ich wollte einfach nur mal auf ihr sitzen und gucken, wie es sich anfühlt. Dann ist sie einfach los gegangen und hat abgehoben. Woher soll ich denn wissen, was sie vor hat oder wie man richtig 'Reitet'. Ich hab mir das ganz bestimmt nicht ausgesucht", fauchte ich zurück, stand auf und fuchtelte wütend mit meinen Händen vor seinem Gesicht herum.
"Sag mal, geht es Euch noch gut? Ich lasse mich doch nicht von einem Weib beleidigen."

Angepisst gab ich ihm eine heftige Backpfeife und war in der Versuchung ihm noch in die Eier zu treten, doch das wäre dann ja schon über trieben. Fassungslos sah er in mein Gesicht und hielt sich die rote Wange.

"Erstens: ich bin kein WEIB. Und zweitens: Rede nicht so mit mir. In meiner Wel- Stadt hättest du schon längst eine auf die Schnauze bekommen", zischte ich und beugte mich ein wenig zu ihm hinüber.

"Na warte. Das wird Konsequenzen haben", sagte er zornig und ging davon.

"GUT. MIR DOCH EGAL! DANN VERPISS DICH DOCH", rief ich zurück und stolzierte wütend zu Henna hinüber. "Und du Fräulein machst das nicht noch einmal. Das war das erste und letzte Mal, dass ich mit irgendeinem Drachen geflogen bin", brüllte ich sie an. Sie zog ihren Kopf ängstlich ein und sah auf den Boden.

"Ally-."
"Lasst mich alle VERDAMMT nochmal in Ruhe", schlug ich Kandors Hand weg, die er mir auf die Schulter legen wollte, und ging zurück zur Akademie.

Es tat mir schon ein wenig Leid, dass ich ihn so angefaucht hatte, doch ich war einfach so wütend. Seit ich hier war, sagte mir jeder, was ich zu tun und zu lassen hatte. Es ist ja nicht so, dass ich noch ein Kind bin. NEIN VERDAMMT! Ich bin VERFLUCHTE ZWANZIG JAHRE ALT!!!

Wütend drückte ich meinen Kiefer aufeinander, ballte meine Hände zu Fäusten und marschierte den Waldweg entlang.

Als ich nach fünfzehn Minuten am Eingang ankam, klopfte ich kräftig gegen die schwere Metalltür und stampfte, nachdem sie geöffnet wurde, den langen Gang weiter. Vor meiner Tür stehend, riss ich einen Briefumschlag, der dort hing, ab und machte die Tür grob auf. Die konnten mich mal alle!

Nun knallte ich sie zu, ließ mich auf mein Bett fallen und schmiss den Brief achtlos neben mich. Wütend blickte ich an meine Decke. Auf einmal merkte ich, wie mir etwas nasses die Wangen hinuner liefen. Meine Sicht wurde immer verschwommener. Genervt wischte ich energisch meine Tränen weg und setzte mich auf. In diesem Moment war ich am meisten auf mich selber sauer. Wie konnte ich so dumm sein und mich auf Henna setzten? Mir hätte doch von vorneherein klar sein müssen, dass das nicht gut ausgehen würde. Aber nein! Ich musste mich mal wieder selber überzeugen!

Schniefend nahm ich den Umschlag in meine Hände und löste vorsichtig das rote Wachssiegel von dem Papier, auf dem ein Drachenkopf abgebildet war. Langsam nahm ich das etwas beige Papier hinaus und las mir die Nachricht, die mit blauer Tinte und in Schreibschrift geschrieben wurde, durch.

Gehabet euch wohl meine lieben Soldaten und nun auch Soldatinnen,

 ich habe euch frohe Kunde zu übersenden, auf dass ihr am morgigen Tage kommet in meyn Lager zur grossen Feyerey mit Speis und Trank. Wie ihr wisset wird der vier Länder Ball euch zu Ehren und dem Bündniss der Länder gehalten. Ich erwarte vornemliches Verhalten und eine gute Garderobe. Auf dass mit grosser Freud getanzet und gesungen werde!

König Lukas der vierte

Darunter stand noch etwas nur an mich gerichtet.

Ich lasse dir Hanna zukommen, damit sie dich an kleidet. Sie wird dich um 18:00 Uhr abholen und dich auch zu dem Ballsaal führen. Ich hoffe du benimmst dich, da du auch unser Land und unsere Schule repräsentierst.

Mit hochgezogenen Augenbrauen faltete ich den Brief wieder zusammen und dachte mir: Luxus pur! Schon wieder keine Schule. Meine Laune stieg etwas. Was für eine Ausdrucksweise sie hatten. Wirklich lustig!

Grinsend schnappte ich mir bequeme Sachen und ging los zum Esssaal. Es war viel Betrieb, was mich nicht besonders wunderte. Es war bestimmt schon neun Uhr. Und da dort schon alle frei und Hunger hatten, kamen sie natürlich zuerst hier her.

Seufzend setzte ich mich mit ein wenig Essen an meinen gewöhnlichen Platz und sah lustlos um mich herum. Da erblickte ich Simon. Er kam direkt auf mich zu und setzte sich schweigend neben mich. Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete ich ihn von der Seite und wartete, dass er etwas sagte. "Freust du dich schon auf den morgigen Tag?", fragte er nach vorne schauend.

Ich zuckte mit den Schultern.
"Wenigstens haben wir dann frei", murmelte er und biss in sein Brot hinein.
"Simon? Was willst du wirklich hier? Ich glaube nicht, dass du nur neben mir sitzt, um mit mir über den Ball morgen zu reden", grinste ich ihn an. Ertappt sah er mich an und seufzte.
"Naja... ich wollte nur wissen, ob du schon einen Begleiter hast. Es ist ja ein Ball und eine Dame lässt man dort nicht alleine hin gehen!"
Erstaunt legte ich den Kopf leicht zur Seite und meinte "Das ist wirklich nett, dass du fragst, aber ich geh lieber alleine hin. Hanna, eine Zofe vom König, holt mich sowieso um 18:00 Uhr ab."
"Verstehe", sagte er leise und auch ein wenig enttäuscht. "Geht es dir eigentlich noch mal gut. Dein Drache hat dich ja angegriffen", schlug er ein anderes Thema ein.
"Ja, geht schon wieder. Hatte nur einen ganz schönen Schock. Deswegen war ich heute ja auch nicht im Unterricht." Verstehend nickte er.
"Und was willst du jetzt machen... Ich meine, willst du den Drachen behalten oder einen anderen haben."
Spöttisch lachte ich einmal auf. "Die Aktion heute hat mir gereicht. Ich will kein Drachen und ich brauch kein Drachen. Basta!" Fragend zog er eine Augenbraue nach oben und schwieg. Schnell stand ich auf und räumte mein Tablet weg. Der Appetit war mir vergangen.
"Was ist denn vorgefallen?", tauchte Simon hinter mir auf.
"Mein Drache wollte mir mal zeigen, wie toll es ist zu fliegen. Vor allem wenn man Höhenangst hat!" Lächelte ich ihn gefakt an. Sein Mund formte sich zu einem lautlosen 'Oh'. Schweigend ging ich zum Ausgang. Simon mir hinterher.
"Ally, ich will zwar jetzt nichts sagen-."
"Dann sag auch nichts", maulte ich ihn an und beschleunigte mein Tempo.
"Aber du musst fliegen. Ob du willst oder nicht. Und außerdem kann man seine Ängste auch über winden. Versuch es doch einfach mal", rief er und eilte mir hinter her.
Ruckartig blieb ich stehen und drehte mich um. "Du versteht das nicht! Ich bin anders als alle anderen. Ich kann nicht von jetzt auf gleich meine Angst über winden und total locker herum fliegen", sagte ich verzweifelt.
"Ich sag doch auch gar nicht, dass es so schnell gehen muss", kam er auf mich zu. "Versuch es einfach", sagte er ruhig und lächelte mich an. Seufzend nickte ich und rieb mir die Stirn.
"Ich geh ins Bett. Bis morgen Simon", sprach ich leise und winkte ihm zum Abschied.

Im Schneckentempo ging ich den langen Gang entlang und machte mich in der Mädchen Dusche fertig. Seufzend legte ich mich danach ins Bett und schlief ein.

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