Alwara

(Stundenplan oben vorhanden)

Kapitel 25

"Rechts, links, Ausfallschritt. Ally mehr Konzentration bitte", brüllte mich Hunter an und schlug sein Schwert kraftvoll gegen meines. Durch den Schlag fing ich an zu schwanken und stolperte nach hinten. Hart fiel ich auf meinen Po. Meine Waffe landete dumpf fünf Meter von mir entfernt. Fluchend stand ich schnell auf, holte mein Schwert und stellte mich wieder in Kampfposition. Feste umgriff ich den schwarzen Ledergriff, ging mit meinem rechten Fuß nach vorne und holte aus. Hunter nutze den großen Saal, welcher mit dicken Tüchern ausgelegt war, und sprang zurück. Schwer lag die Waffe in meiner Hand, als ich sie in der Luft anhielt und im letzten Augenblick Hunters Schlag parierte. Dabei fingen meine sowieso schon überanstrengten Armmuskeln fürchterlich an zu brennen.

"Ich kann nicht mehr", schnaufte ich und ließ das Schwert, mit der Spitze voran, auf den Boden fallen.

"Aufheben und weiter. Hier wird erst Pause gemacht, wenn ich das sage!", befahl Hunter streng.

"Die Waffe ist viel zu schwer. Ich hab noch gar nicht so viele Muskeln, um sie für Minuten oben zu halten!", schnaufte ich und hustete, da sehr viel Schleim in meinem Rachen war.

Hunter zog zweifelnd eine Augenbraue hoch und steckte sein Schwert in die Scheide, welche an seiner Hüfte hing.

"Wir üben erst seit fünf Minuten", warf er ein. Auf meinen flehenden Blick hin, meinte er seufzend "Dann suchen wir dir jetzt eben eine andere Waffe aus." Erleichtert atmete ich aus und folgte ihm.

Wir blieben vor der rechten Wand des Saales stehen und betrachteten grübelnd die vor uns aufgestellten Waffen. "Am besten wir fangen ganz vorne an", spazierte er nach rechts, auf die Dolche zu. Sie lagen nach Größe sortiert auf dem Boden. "Wie wäre es mit einer von denen? Sie sind sehr leicht, gut zu Handhaben und erfordern eine flinke Person. Mit ihnen kannst du auch werfen." Fragend schaute er mich an.

Überlegend kratzte ich mich an meinem Hinterkopf. "Dolche find ich schon gut, doch so flink bin ich nicht. Auch wenn ich ein Mädchen bin!", fügte ich auf seinen verständnislosen Blick hinzu.

"Hm.. Na gut. Dann weiter", ging er einen Schritt zur Seite. "Wie wäre es mit Kreisel? Nicht viele benutzen sie, doch die sie benutzen sind sehr gelenkig und bewegen sich sehr leise. Mit ihnen bist du im Vorteil, wenn dich eine Gruppe angreift, da sie mehrere Gegner gleichzeitig verletzen kann."

Wieder schüttelte ich den Kopf. "Ich würde mich mit ihnen nur selber verletzten", grinste ich schief.

Hunter nickte verstehend, legte die Waffe wieder an ihren Platz und zog nach weiteren zwei Schritten zur Seite zwei mittelgroße Schwerter aus ihren Hüllen. "Dann haben wir hier noch zwei einhänder Schwerter. Sie liegen leicht in der Hand und mit ihnen kann man sehr schnell attackieren. Meistens benutzen es Schüler, die sich an Gegner heran schleichen und sie dann überraschen wollen. Ich weiß nicht so, ob sie zu dir passen. Man muss dafür nämlich gelenkig sein und auch ein Gespür für Kraft haben. Wenn du zu schnell und vor allem zu stark zuschlägst, kann es passieren, dass du dich selbst verletzt."

"Ich weiß nicht. Es schreckt mich jetzt nicht ab, aber so wirklich zusagen tut es mir auch nicht. Außerdem bin ich nicht gerade gelenkig. Ich kann ja noch nicht mal Handstand, Rad, geschweige denn einen Spagat!"

Seufzend stülpte Hunter die Hüllen wieder über die Waffen. Nun blickte er sich suchend um. "Hammer, Axt, Säbel, Keule und Morgenstern kann man ausschließen, da sie zu schwer sind...", murmelte er. Also so schwach bin ich jetzt nun auch wieder nicht, dachte ich und zog eine Augenbraue hoch. "Zumindest mal für den Anfang", fügte er schnell hinzu, um mich zu besänftigen und redete weiter "Wie wäre es mit Peitschen, Speere oder Wurfsterne?"

Ich lächelte ihn entschuldigend an und schüttelte den Kopf. "Meine Trefferquote ist nicht gerade hoch und bei den Peitschen weiß ich nicht so recht. Wir können es ja mal ausprobieren, aber sehr zuversichtlich bin ich nicht."

Er nickte und sagte "Das machen wir nachher." Nun kratzte er sich an seinem drei Tage Bart. "Tja außer ein Anderthalbhänder, das du aber gerade hattest, Zweihänder und Einhänder Schwert bleibt dir nichts mehr zur Auswahl. Tut mir leid Ally." Er zuckte mit den Schultern.

Ich seufzte frustriert auf und trat einen imaginären Stein weg. Meine Arme vor der Brust verschränkt, pustete ich mir eine nervende Strähne aus dem Gesicht, die sich, beim auf den Boden schauen, aus meinem Zopf gelöst hatte.

"Bogenschießen bekommst du so wieso beigebracht...", murmelte mein Lehrer unbeirrt weiter und starrte Löcher in die Luft. "Ich hätte da vielleicht noch was für dich", sagte er nun lauter sowie vorsichtig und ging die Reihe ganz durch. Neugierig und mit neuer Hoffnung ging ich ihm hinterher.

Vor einem alten Tisch blieben wir stehen. Hunter zog eine Kette über seinen Kopf, an der ein verrosteter Schlüssel hing. Mit diesem in der Hand, ging er in die Hocke und tastete die untere Tischplatte ab.

Ich zog meine Augenbrauen nach oben. Was machte er denn da?

Nun hörte ich ein Schloss, das einrastete. Daraufhin fuhr eine Schublade aus dem Tisch heraus. Neugierig trat ich näher. Hunter kam wieder nach oben und sperrte die Schublade auf. Gleich darauf schob er eine Holzplatte zur Seite, die den Inhalt des hölzernen Kasten verbarg, und holte etwas behutsam heraus.

Zum Vorschein kam ein goldenes Rohr, auf dem Ranken und drei Drachen prangten. Drei bunte, linsenförmige Diamanten waren jeweils vorne und hinten in das Material eingearbeitet. Sie glänzten schön poliert im Sonnenlicht, welches durch die obere Fensterfront kam, und warfen bunte Lichtreflexe durch den Saal. In der Mitte war eine leichte Einkerbung für die Finger.

"Was ist das?", fragte ich verwirrt.

"Das ist ein Schmiedestück von Meister Remsin, der Begabteste Schmiedemeister des Landes."

"Ja, schon klar, aber was ist DAS?", zeigte ich vor mich auf das Rohr.

"Das ist Alwara. Eine Schwertwaffe. Es gibt keinen bestimmten Namen, wie Langschwert oder so für sie. Sie ist aus echtem Gold und deshalb sehr wertvoll."

"Das soll eine Waffe sein? Sie hat ja noch nicht mal Klingen", begutachtete ich skeptisch das Goldene Material. Mein Lehrer seufzte auf. "Und wie geht man mit ihr um?", fragte ich nun, da meine Neugierde doch geweckt war.

"Genau das ist das Problem", murmelte Hunter frustriert. "Wir haben ein Jahr diese Waffe erforscht, doch bis jetzt haben wir noch nicht herausgefunden, wie man sie benutzt."

Ungläubig zog ich eine Augenbraue nach oben. "Das ist doch jetzt nicht euer ernst?! Ein Jahr und nichts heraus gefunden?" Er schüttelte ernüchtert den Kopf. "Warum fragt ihr nicht einfach den Schmied? Er wird ja wohl wissen, wie er seine Waffe benutzen muss", scherzte ich leicht und grinste.

"Er ist tot", meinte Hunter trocken.

"Oh... Das wusste ich nicht. Tut mir leid", murmelte ich und schlug mir gedanklich gegen den Kopf. Er winkte abwehrend mit der Hand und seufzte.

Betretenes Schweigen legte sich über uns.

Laut räusperte ich mich, da mir die Atmosphäre zu angespannt war und sagte kurz entschlossen "Gib mal her." Ruckartig nahm ich ihm Alwara aus der Hand.

"Vorsichtig!", rief er leicht in Panik, ging einen Schritt auf mich zu und sah besorgt auf das Rohr. Seine Hände waren bereit zum auffangen der Waffe.

"Jaja", murmelte ich und sah durch das Rohr. Schwärze. Rabenschwarze Dunkelheit. Aus Gewohnheit kaute ich mir auf meiner Lippe herum und hob, senkte die Waffe, um ihr Gewicht abzuschätzen. Sehr schwer war sie auf jeden Fall nicht. Um genau zu sein wog die Waffe bestimmt nicht mehr als 100 g. Als ich sie mit meiner rechten Hand ganz umgriff, berührten meine Finger die drei Drachen, welche wiederum um einen schlafenden Drachen kreisten. Sie hoben leicht von der ebenen Fläche ab, wohingegen die Ranken nur eingraviert waren. Am Ende sowie am Anfang des Rohres waren noch zwei Ringe eingeschweißt. Die Einkerbungen passten sich perfekt meinen Fingern an.

"Hm.. komisch", nuschelte ich und betrachtete die Drachen genauer. Warum waren sie nicht, wie die Ranken, auf der ganzen Waffe verteilt und weshalb hoben sie von der Fläche ab. Der Schmied hätte es ja einfach einritzen können. Warum also hatte er sich so viel Mühe und Arbeit gemacht?

Sanft drückte ich auf den mittleren Drachen. Erst passierte nichts, doch dann hörte ich ein leises einrasten und hatte gleich darauf nur noch eine Hälfte der Waffe in meiner Hand. Schockiert und fassungslos klappte mein Mund auf.

"Das - das war nicht extra! Wirklich!", stotterte ich und sah ruckartig auf. Hunter wurde blass. Er starrte die Waffe vor meinen Füßen entgeistert an.

"Ally", knurrte er sauer.

"Ich hab nur auf den Drachen gedrückt", versuchte ich mich zu verteidigen. "Ehrlich!"

Plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck von wütend in verwirrt. Irritiert folgte ich seinem Blick. Wir starrten beide auf das Stück vor meinen Füßen. Da, wo das Rohr in einer Hälfte geteilt wurde, hatte sich nun ein weiterer Ring gebildet.

Sir Hunter hob es vorsichtig auf und drehte das Rohr in die Senkrechte. Zusammen blickten wir nun auf ein Goldenes Ende, das kein schwarzes Loch mehr aufwies. Zwei Drachen umkreisten oberhalb des neu erschienen Ringes, in der jeweils entgegengesetzten Richtung des anderen, die Waffe. Die drei bunten sowie linsenförmigen Diamanten waren oben geblieben. Was nun aber ganz fehlte, waren die Ranken.

"Das verstehe ich nicht", flüsterte er. "Wie kann es sein, dass du einfach auf den Drachen drückst und es sich teilt und bei uns gar nichts passiert ist?"

Ratlos zuckte ich mit den Achseln. "Weibliches Feingefühl vielleicht", murmelte ich grinsend.

Er ignorierte meinen Kommentar und sprach weiter "Und wie bekommen wir die zwei Stücke jetzt wieder zusammen?"

Behutsam nahm ich ihm die Waffe aus der Hand und betrachtete die beiden nun goldenen Enden. Vorsichtig hielt ich sie aneinander, mit zwei Zentimeter Abstand voneinander. Plötzlich zogen sie sich wie Magneten von alleine an und verbanden sich wieder. Ich konnte sehen, wie das Gold schmolz und sich die Teile zusammen fügten; die Ranken aus den Ringen in das Gold wuchsen und die Drachen an ihren Ursprünglichen Platz zurück wanderten. Danach war alles vorbei und die Waffe lag wie zuvor in meiner Hand. Als wäre gar nichts passiert.

"Das ist unmöglich", murmelte er fassungslos.

"Ich finds faszinierend!", zuckte ich mit den Schultern und grinste.

Ich drehte die Waffe herum und drückte zart auf den oberen Drachen, woraufhin Katana Klingen zischend aus den beiden Enden schossen.

"Pass doch auf", rief Hunter erschrocken und taumelte zurück.

"Kann ich doch nicht wissen, dass die so schnell heraus kommen!", verteidigte ich mich und verdrehte die Augen.

Nun drückte ich auf das rechte Feuerwesen. Gleich darauf verschwand die rechte Klinge wieder. Dies wiederholte ich am linken Drachen und die linke Klinge verschwand. "Cool", grinste ich und ließ beide Klingen wieder heraus fahren.

"Ally, jetzt hör auf damit zu spielen und gib es mir", motzte mich Hunter an und riss mir die Waffe aus der Hand.

"Hey", rief ich empört.

Mein Lehrer ignorierte meinen Protest und drückte auf die Drachen herum, doch nichts geschah. Selbstgefällig fing ich an zu grinsen und fragte provozierend "Bekommst dus nicht hin?"

"Jetzt halte bloß den Mund", fauchte er und drückte mir Alwara wieder in die Hand. "Lasse alle Klingen nochmal herein fahren und lege sie hinten auf den Tisch. Ich gehe die Scheide holen!" Wütend zischte er ab, aus dem Saal heraus.

Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf und wartete bis er draußen war. Danach ließ ich die Klingen wieder erscheinen und versuchte einige Handgriffe. Wie machten die Leute das nochmal mit dem Stock? So schwer wird es doch nicht sein, die Waffe, wie ein Propeller kreisen zu lassen!

Also versuchte ich es. Das Ergebnis war, dass mir die Waffe aus der Hand flog und klirrend gegen die Wand prallte, um gleich darauf dumpf auf den Boden zu landen. "Ups", flüsterte ich schuldbewusst lächelnd und hob sie schnell auf. "Keine Kratzer oder Macken", stellte ich erleichtert fest und legte die Waffe, mit den Klingen eingezogen, behutsam auf den Tisch.

Keine Sekunde zu spät, da Hunter mit einem Leder Bündel und zwei geraden Holzstäben wieder kam. "Da du anscheinend die Waffe als einzige bedienen kannst, gehört sie jetzt dir! Doch", hob er warnend den Finger und blieb vor mir stehen "wir üben erst einmal mit einem Stock. Und bevor ich dir nicht die Erlaubnis gebe, darfst du sie auch nicht in der Öffentlichkeit benutzen!" Er drückte mir einen Stock in die Hand und legte das braune sowie röhren förmige Lederbündel, was die Scheide war, auf den Tisch. Ich seufzte. Ich hatte sowieso nicht vor sie zu benutzen. Wer weiß, wie lange sie bei mir hielt und wie oft ich mich an ihr verletzte.

"Kommst du oder willst du weiter Löcher in die Luft starren?", riss mich Hunter aus meinen Gedanken. Blinzelnd schüttete ich den Kopf und ging zu ihm.

~ ° ~

Während den weiteren zwei Stunden zeigte er mir, wo man Gegner effektiv traf, damit sie K.O. gingen und wie ich meine Waffe halten musste. Ich war recht froh, als ich aus dem Saal heraus trat und auf meinen Stundenplan sah. Alles war besser, als Sport. Ich war zwar nicht gerade die unsportlichste, da ich zuhause noch joggen und manchmal ins Fitnessstudio ging, doch Schwertkampf und die schweren Waffen halten, war nicht so mein Ding. "Wenigstens hab ich schon vier Stunden hinter mir", seufzte ich und ging nach draußen auf den Hof. Nach einem Bogenschießen-Platz sah ich mich um.

"Ihr müsst dann wohl Soldatin Ally sein." Erschrocken drehte ich mich zu der rauen Stimme um. Vor mir erblickte ich braunes Pferdefell, dass langsam in einem Männeroberkörper überging. Schockiert hielt ich den Atem an und versteifte mich. Schwer schluckend sah ich von dem Sixpack auf und in das gebräunte Gesicht eines Zentauren. "Ihr seid doch Soldatin Ally, oder?" Versteift nickte ich und holte ruckartig Luft. "Stimmt irgendetwas nicht? Ihr seht so blass aus!" Er zog seine beiden, buschigen Augenbrauen zusammen und sah mich aus seinen Sandfarbenen, strahlenden Augen besorgt an. Seine Kieferknochen waren sehr ausgeprägt, weshalb er sehr attraktiv aussah. Um seine vollen Lippen wuchs ein dunkler drei Tage Bart, den er sich jetzt rieb. Dabei kamen seine Armmuskeln gut zum Vorschein. "Geht es Euch gut?", fragte er wieder mit Nachdruck.

"Ähm ja, ja danke der Nachfrage", flüsterte ich und schüttelte meinen Kopf. "Ich.. Ich hab nur noch nie einen Zentauren gesehen", murmelte ich leicht lächelnd und schüchtern.

"Oh", lachte er leise und zeigte mir somit seine strahlend weißen Zähne. "Dann ist es mir eine Ehre mich vorstellen zu dürfen. Ich bin Sir Risnor", sagte er mit der Hand vor seinem Bauch und ging mit seinem Oberkörper nach vorne. Gleichzeitig beugte er seine Vorderhufen leicht.

"Ich bin Lady Ally.... oder Soldatin Ally. Nennen sie mich, wie sie wollen!", lächelte ich.

Er lächelte und trabte ein wenig mit seinen Hinterhufen auf dem gepflasterten Boden. "Ich finde es angemessen Euch Soldatin zu nennen. Sie werden hier ja nicht zu einer Lady, sondern zu einer Kriegerin ausgebildet."

"Da muss ich Ihnen zustimmen. Sie unterrichten mich also in Bogenschießen?", zog ich beide Augenbrauen fragend nach oben und lächelte.

"Ja, das tue ich. Am besten zeige ich Euch erst mal, wie man einen Bogen hält und wie Ihr euren Köcher auf den Rücken bindet." Ich nickte, während er auf den Hof zuging. Bewundernd betrachtete ich seine Muskeln und den Köcher, den er auf seinem Rücken trug. Ihn hatte ich bis jetzt noch gar nicht bemerkt, da Sir Risnor mindestens zwei Köpfe größer war, als ich. Nun sah er nach hinten und rief "Kommt Ihr?"

"Ja, ich komme", rief ich zurück und lief ihm hinterher. Man musste fast schon joggen, um mit ihm Schritt zu halten. Sein schwarzes Haar war sehr fein und glänzte im Sonnenlicht. Die obere Haarpartie hatte er nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden, sodass ich gut seine leicht spitzen Ohren sehen konnte. Komisch das die anderen bei mir meine runden Ohren noch nicht bemerkt hatten!

Wir blieben am Rande des Hofes stehen und betrachteten drei Zielscheiben, die mal mehr und mal weniger von uns entfernt standen. Drei Meter neben uns lag eine kleine Hütte, die Sir Risnor nun aufsperrte. Nach zirka einer Minute kam er mit einem Köcher und einem Bogen wieder.

"Hier verstellt Ihr die Größe", zeigte er mir das Lederband und das silberne Quadrat des Köchers. Wie bei einem normalen Schulranzen konnte man das Leder länger und kürzer machen. Ich nahm ihm den Köcher dankend ab und schlang es quer über meine Schulter.

"Wie eng muss er denn am Rücken anliegen?", sah ich zu ihm hoch.

"So eng, dass er nicht mehr rutscht", antwortete er lächelnd.

Ich murmelte ein "Okay", und zog an dem Lederband, bis ich den Köcher an meinem Rücken spürte. Sir Risnor nickte zufrieden und übergab mir den Bogen.

"Jetzt testen wir, ob Ihr einen größeren braucht oder nicht. Holt Euch einen Pfeil aus dem Köcher und spannt Ihn in den Bogen." Ich nickte und griff hinter mich zu den Pfeilen. Mit der Spitze nach vorne und dem Feder Ende in das Seil gelegt, stand ich da und versuchte den Bogen zu spannen. Doch es war zu schwer und ich konnte nur leicht den Pfeil nach hinten ziehen.

"Ich sehe schon. Zu schwer. Wartet hier, ich hole Euch einen leichteren. Für den Anfang müsste es dann hoffentlich gehen." Er ging wieder in die Hütte hinein und kam mit einem größeren Bogen heraus. "Probiert es mal mit dem."

"Danke", nahm ich den großen Bogen und gab ihm den anderen zurück. Ich versuchte es wieder und war überrascht, dass es jetzt viel einfacher ging. Ich konnte den Pfeil zwar immer noch nicht bis ganz nach hinten spannen, aber bis zur Hälfte kam ich schon.

"Gut. Bleibt so." Ich blieb so stehen und merkte, wie Sir Risnor um mich herum ging. "Rechter Fuß nach vorne, linker nach hinten. Gerade stehen. Den Ellbogen waagerecht halten und mit dem Zeigefinger und Mittelfinger das Ende des Pfeiles einklemmen", gab er mir ruhig Anweisungen. Konzentriert führte ich seine Befehle aus. "Gut... Der Bogen muss ganz an das Gesicht heran, sodass Ihr schon ein wenig das Spannseil an eurer Wange spüren könnt", drückte er leicht den Bogen an mein Gesicht. Meine Arme fingen gleichzeitig leicht an zu zittern, da es sehr viel Kraft kostete den Pfeil nur mit zwei Fingern zu spannen. "Jetzt müsst Ihr den Pfeil mehr nach hinten ziehen können. Lasst erst los, wenn Ihr gezielt haben."

Ich atmete tief ein und zielte vor mich auf die Scheibe. Nun ließ ich los. Der Pfeil flog gerade Wegs an der Scheibe vorbei und prallte an einem Baum ab.

"Ups", lächelte ich schief.

"Das macht nichts. Ihr müsst nur sehr viel üben, um den Bogen zu beherrschen", meinte Sir Risnor amüsiert. Eine warme Brise von Blütenstaub wehte zu uns hinüber und ließ ein paar Strähnen meiner Haare in mein Gesicht fallen. Genüsslich sog ich den Duft ein und lächelte.

"Welche Jahreszeit haben wir?", fragte ich zu meinem Lehrer gewandt.

"Frühling, warum?", antwortete er irritiert.

"Nur so... Ist Ihnen nicht kalt?"

Er fing an zu grinsen und schüttelte den Kopf "Nein.. Nun lasst uns weiter machen. Wir haben noch einiges vor." Er verschränkte seine Arme vor der Brust und zeigte auf die erste Zielscheibe. "Ihr schießt jetzt so lange darauf, bis Ihr die Scheibe trefft und der Pfeil stecken bliebt."

Leise seufzte ich auf und fing an zu schießen.

Zwei Stunden später verabschiedete ich mich von Sir Risnor und tappte müde zu den Drachen Hütten. Mein rechter Arm tat furchtbar weh. Leider hatte ich bis jetzt noch nicht einmal die Zielscheibe getroffen. Aber ich war zuversichtlich und hoffte, dass es morgen besser würde.

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