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Wir liegen auf der gelbweissen gepunkteten Decke und starren in den Himmel, welcher von kleinen gräulichen Wolken durchzogen ist. Deine Atemzüge sind langsam und auch wenn ich kein Liebhaber von Zahlen bin, scheint es mir, als würde dein Herz nur 20 Schläge pro Sekunde schlagen. Es erscheint mir widersprüchlich, denn dies würde voraussetzen, dass du bereits tot wärst - und doch fühle ich mich hier mit dir lebendiger denn je.

Du hast deine Augen auf eine Wolke gerichtet, welche du präzise auf ein Blatt Papier nachzeichnest und dabei lächelst, als wäre es das Schönste, das du jemals erblickt hast. Ich folge deinen Bewegungen und rauche meine Zigarette fertig, bevor ich den Stummel in das Gras drücke. Dann betrachte ich deine Zeichnung und erwidere den fordernden Blick, den du mir zuwirfst. Deine Augen sind so purpurfarben wie das Karohemd, welches du gerade trägst und als sie auf die meinen treffen, scheint es mir, als hätten sich tausende von Sonnenblumen um mein Herz geschlossen. Auch mein Herzschlag wird langsamer und auch wenn er noch nicht deinem gerecht wird, scheint es mir völlig irrational, die Regeln der Physik zu umgehen.
Ich möchte dich gerne fragen, warum du dir ausgerechnet diese Wolke ausgesucht hast, doch bevor ich die nötige Luft dazu aufbringe, schüttelst du bereits den Kopf.
Du bittest mich, keine Bewertung abzugeben und auch wenn ich verdächtig lange darüber nachdenke, nicke ich schlussendlich. Der Wert in dieser Zeichnung ist nicht greifbar, da er vielleicht auch gar nicht existiert. Für dich scheint diese Sicherheit, immer etwas Rationales in den Händen halten zu müssen, völlig überflüssig und auch ganze Zahlen empfindest du als unehrlich. Dieses völlig Abgeschlossene existiert in deinem Kopf nicht und als sich die Blätter des Ahornbaumes neben uns weiß verfärben, empfindest du dies neben mir nicht als verwunderlich oder merkwürdig.

Du forderst mich auf, die Zeichnung einfach nur anzusehen und auf mich wirken zu lassen, auch wenn ich den Sinn dahinter nicht verstehe. Als ich dir ein Fragezeichen zuwerfe, schenkst du mir ein Semikolon, welches ich so oft einsetzen kann, wie ich will. In meinem Kopf erscheint eine Lücke, welche ich jedoch nicht als störend empfinde und viel eher für immer bei mir behalten möchte.
Dein Herzschlag hat sich nun noch mehr zur Ruhe gesetzt und die Angst macht sich in mir breit, dich hier zurücklassen zu müssen. Du hingegen lächelst und erklärst mir, dass ich es noch immer nicht verstanden habe. Das Logische existiert in deiner Welt nicht, erwiderst du. Bevor ich dir antworten kann, fällt mir plötzlich auf, dass wir uns schon längst nicht mehr auf der gelbweissen Decke befinden und uns viel eher auf der Wolke breitgemacht haben, welche du gezeichnet hast. Wir sitzen auf dem Geschwür aus Wassermolekülen und ich warte nur darauf, bis sich die Aggregatzustände ändern und uns zum Fall bringen. Das Adrenalin schießt mir durch den Körper, doch du nimmst meine Hand und wirfst mir einen Blick zu, welcher mich wieder ins Gleichgewicht bringt. Du zeigst auf die zwei Fallschirme, welche neben uns liegen und ich verstehe plötzlich, auf was du hinauswillst. Ich schüttle mit dem Kopf und nicke dir zu, als du mir das Fragezeichen zurückgibst, welches ich dir vorhin schenkte. Von mir bekommst du das wahrhaftige Rufezeichen und auch du scheinst nun verstanden zu haben.

Als wir das Semikolon in die Luft setzen, bricht die Wolke unter uns ein und reißt uns den Boden unter den Füßen weg. Wir fallen, der Wind rauscht in den Ohren und kurz zweifle ich daran, die Lösung des Rätsels verstanden zu haben. Ich fülle meine Angst mit Leben auf und grinse - denn auch wenn wir uns im Fall befinden, fühlt es sich wie ein Zustand völliger Ekstase an. Es scheint wie ein lebenslanges Schweben, da es diesmal keinen Boden geben wird.

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