Pretio von Est (10)
Timo schlang die Arme um seinen geschundenen Körper. Seine Hände zitterten so sehr, dass er das Messer nicht mehr halten konnte. Mit einem Scheppern fiel es zu Boden. "Wo ist der Junge. Zeig mir den Feuerfluss Erben. GK- 2785, leih mir deine Augen.", sagte der reich geschmückte Dämon mit einer tiefen, ruhigen, fast schon gelangweilten Stimme. Timo hatte Angst. Wieso hatten die Dämonen es immer auf ihn abgesehen? Trug er ein unsichtbares Schild auf dem 'äußerst köstlich' stand auf der Stirn? Wimmernd wich er weiter zurück. Der Kopf des Dämons schnalzte in Timos Richtung, so schnell, dass es ein Wunder war, dass sein dünner Hals nicht brach. Eine silberne Kette, mit Edelsteinen besetzt, klirrte leise. Sein knochiger Arm, geziert mit schillernden Ketten, zeigte verstörenden akkurat auf den Schnüffler, und er sprach: "Schau in diese Richtung!" Leise Schritte trippelten über den Boden und um das Bett herkm trat ein Wesen hervor. Seine Ähnlichkeit zu Blitz war so groß, dass Timo einen Moment brauchte, um zu verstehen, dass die beiden nicht ein und das selbe Wesen waren. Es trug den gleichen Haarschnitt wie Blitz, hatte die gleiche Augenfarbe, die gleiche Porzellanhaut, das gleiche puppenartige Aussehen, ja, sogar der Anzug war fast identisch.
Aber das Wesen war unversehrt. Keine Risse durchzogen das Porzellan seines Kopfes, das Auge saß perfekt an Ort und Stelle und die Stirn wirkte kein bisschen eingedellt. Doch selbst nachdem Timo längst klar war, dass es sich bei dem Wesen nicht um Blitz handeln konnte, beruhigte dessen Anblick ihn. Es wirkte so vertraut, so als würde es ihm nichts tun, wie Blitz ihm im Speicher nichts getan hatte. Der Schnüffler schöpfte Hoffnung, bis sein Blick wieder zu wandern begann. Der Dämon stand nun hinter dem Wesen, das Gesicht genau in Timos Richtung geneigt, mit einem kaum merklichen Lächeln auf den Lippen.
"Sei gegrüßt, Erbe der Feuerfluss Familie. Es ist mir eine Freude einen weiteren von euch Treffen zu dürfen, auch wenn es scheint, als hätte ich etwas früher eintreffen sollen. Wie ich sehen kann ist deine Dämonenjägerausbildung noch nicht beendet, sonst hättest du das rasende Geschöpfe, das dich angegriffen hat, sicherlich besiegt.", grüßte der Dämon höflich. Timo blinzelte sich Tränen aus den Augen. "Hallo.", flüsterte er schüchtern.
"Ich bin sicher GK-1751 hat dir schon von mir erzählt. Ich bin Pretio, größter Unternehmer von Est und Gemahl der Rätin Runa von Est. Verrätst du mir auch deinen Namen, mein Freund?", erklärte der Dämon, legte seine knochige, mit Ringen verzierte, Hand auf die Brust und breitete gigantische, rot-schwarze Flügel aus, die Timo bis dahin gar nicht aufgefallen waren. Es war, angesichts all der wertvollen Sachen mit denen Pretio behängt war, schon ziemlich logisch anzunehmen, dass er, zumindest was den Teil mit dem Unternehmer anging, nicht log. Aber Timo war sich ziemlich sicher, dass Blitz nie einen Pretio erwähnt hatte. Während der dämonische Unternehmer von Est auf eine Antwort wartete, legte er das Glasperlengewehr in die Arme eines Wesens und nahm von einem anderen einen reichlich verzierten Spazierstock entgegen. Die Wesen sahen alle identisch aus.
"Ich bin Timo... und ich bin kein Dämonenjäger, wirklich nicht.", meinte Timo leise und starrte Pretio mit großen Augen an. "Nicht? Ging ich falsch davon aus, dass du der Enkel von Dämonenjägerin Emma bist?", hakte der Dämon nach. "D-d-doch. Oma Emma war meine Omi, aber ich bin kein Dämonenjäger. Woher kennen Sie Blitz eigentlich?", erwiderte der Schnüffler. Sehr zu Timos Überraschung lachte Pretio. "Ich habe es erschaffen. Hat GK-1751 mich also doch nicht erwähnt. Hm, es muss schlimmer beschädigt gewesen sein, als ich annahm, sonst hätte es mich nicht vergessen.", erklärte der Dämon. "Doch, Blitz hat gesagt, dass ein Beschwörer Dämon es erschaffen hat, aber es hat keinen Namen genannt. Wieso sind Sie eigentlich hier? Also nicht als ob ich jetzt jammern wollte, oder so.", sagte Timo und rappelte sich vom Boden auf. Er schwankte. Das Wesen, welches ihn für Pretio aufgespürt hatte, stand immer noch regungslos an Ort und Stelle und 'lieh dem Dämon seine Augen'. Pretio schnippte mit den beringten Fingern. "Ich kann spüren, wenn meine Wesen zerstört werden und ging davon aus, dass meine alten Freunde, die Feuerfluss Familie, meine Hilfe brauchen könnten. GK-2981, der Junge ist erschöpft und verwundet. Gib ihm einen Spazierstock.", befahl er und die vergoldeten Spitzen seiner Fangzähne funkelten. Auf der Stelle wuselte ein Wesen herbei und überreichte Timo einen Stock, der vermutlich mehr wert war als das Haus in dem er momentan wohnte. Dankend nahm der Schnüffler die Gehhilfe entgegen und stürzte sich darauf. "GK-1751 hat dich geheilt, vorhin, liege ich da richtig? Sonst wäre es doch nicht zerstört worden.", fragte Pretio, während er sich mit wehender, schillernder Robe umdrehte und das Zimmer verließ.
Timo murmelt eine Zustimmung und fühlte sich absolut miserabel. 'Sonst wäre es doch nicht zerstört worden.' Blitz hatte ihn geheilt und war deswegen gestorben. Es war seine Schuld. Nur seine! Timo humpelte dem Beschwörer und seinen Wesen hinterher, und wünschte sich, er würde einfach an den Verletzungen verenden. Er hatte doch nur helfen wollen, und damit hatte er alles so viel schlimmer gemacht. Er war eine furchtbare Person!
Eine Gruppe Wesen trug seinen bewusstlosen Opa vorbei, um ihn ins Bett zu bringen. Es hätte so lustig aussehen können, aber es war es nicht im geringsten.
Timo lief weiter, sich schwer auf den Stock stützend, hinter der großen, mageren Gestalt und den vielen kleinen, puppenhaften, die diese umringten, hinterher. Der Tag war schrecklich eskaliert.
Als der Schnüffler das Wohnzimmer, das Pretio von Est angesteuert hatte, erreichte saß der Beschwörer Dämon elegant auf dem Sessel, den Opa Waldemar normalerweise besetzte, und die langen Ärmel seiner teuren Roben hingen so über die Armlehnen, dass sie wirkten wie schillernde, weinrote Wasserfälle mit Goldbestickung. Die Wesen hatten in akkuraten Reihen neben dem Sessel Stellung bezogen. Gemächlich hob der Unternehmer seinen Arm von der Lehne und zeigte auf den Wohnzimmertisch, auf dem immer noch das abgedeckte, tote Blitz lag. Der Anblick versetzt Timo einen Stich der Trauer. "Willst du ein neues Wesen, mein Freund, wo du doch dein altes verloren hast?" Timo fiel die Kinnlade herunter. Was? Ein Neues? Glaubte Pretio wirklich er könnte Blitz einfach ersetzten? "Wie wäre es mit GK-2981? Es ist noch ganz neu und unbeschädigt, außerdem hat es, genau wie GK-1751, ein gewisses Maß an Emotionen. Wäre das in Ordnung? Du kannst natürlich auch ein anderes haben...", bot der Dämon an, der Timos Verwirrung wohl als Schwierigkeiten beim Entscheiden auffasste. Langsam schüttelte der Schnüffler den Kopf. "Ich möchte Blitz nicht ersetzen. Es ist mein Freund. Ich will kein anderes Wesen.", entrüstete sich Timo. Pretio schien verwirrt. Langsam strich er sich eine, mit Gold und Edelsteinen besetzte, Haarsträhne über die Schulter und fuhr sich mit seiner weißen, gespalten Zunge über die Lippen. "Du siehst GK-1751 als Freund an? Es ist führt doch nicht einmal ein richtiges Leben. Es ist ein Diener und Berater, es hat kaum freien Willen, wie ein... ein Saugrobotter, um etwas zu nennen, das dir ein Begriff sein dürfte. Nun gut, ein Saugrobotter, der um einiges mehr kann, Emotionen und eine Art Leben hat, aber doch nichts an das man sich bindet.", meinte er. Timo wollte protestieren, bekam aber von einem Wesen, das in den Raum geflitzt war, ein unglaublich teuer aussehendes Glas mit einer pinken, blubbernden Flüssigkeiten darin in die Hand gedrückt. "Ah. Endlich! Trink das, Timo. Es wird die Wunden heilen. Es ist eine spezielle Medizin, die gegen die Nachwirkungen von verletzender Dämonenmagie wirkt. Ich kann GK-1751 natürlich für dich zurück holen, aber du musst sehen, dass es nicht mehr unversehrt sein wird. Ein Wesen mit Rissen im Gesicht ist einfach kein wirklich ästhetischer Diener.", schilderte der dämonische Geschäftsmann und zog eine goldene Taschenuhr hervor, auf die er kurz guckte, "Wir haben noch zehn Minuten, bis ich, um Strahlungsschwierigkeiten zu vermeiden, in die Welt hinter der Welt zurückkehren werde. In dem Zimmer, in dem ich dich fand, liegt ein bisschen Geld, um eventuelle Schäden zu beheben. Natürlich in Euro. Um deinen Großvater wurde sich gekümmert. Viel Glück und denke mal darüber nach eine Dämonenjägerausbildung zu beginnen." Timo nickte und nippte vorsichtig an dem pinken Zeug. Es schmeckte furchtbar süß, wie eine Mischung aus weißer Schokolade, Zuckerwatte und Stevia, aber es wirkte sofort. Der Schnüffler konnte spüren, wie sich all seine Wunden schlossen. Er würgte das Gebräu hinunter, während Pretio zum Wohnzimmertisch schlenderte. Sofort wuselten Wesen herbei, welche Blitz' improvisiertes Leichentuch entfernten. Der Unternehmer von Est breitete seine Hände über dem kleinen, zerschlagen Körper aus. Weinroter Rauch sickerte zwischen seinen Fingern hervor und hüllte Blitz ein, wie ein Kokon. Timo betrachtete das ganze beeindruckt. Als der Dämon fertig war lief Timo zu ihm und hielt ihm Glas und Stock entgegen. Pretios augenleihendes Wesen drehte sich zum Schnüffler um und Pretio selbst begann zu lachen. "Du kannst das behalten, ich habe genug davon, außerdem bin ich sicher, dass unsere Allianz uns noch beiden nützlich sein wird. Wenn ich wieder Probleme auf der Erde haben sollte, werde ich dich natürlich kontaktieren. Bis die Tage, Timo Feuerfluss.", sagte der Beschwörer Dämon und lief zusammen mit seinem Gefolge aus Wesen davon. "Auf Wiedersehen!", rief Timo ihnen nach.
Der weinrote Kokon um Blitz schien, nach bestimmt 15 Minuten, endlich blasser zu werden und Timo sah aufgeregt dabei zu. Gleich würde es soweit sein. Gleich würde er Blitz wieder haben.
Das schrille Kreischen der Türklingel riss ihn aus seinen Gedanken. Er legte Stock und Glas beiseite, die er ohne es richtig gemerkt zu haben, die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte, und eilte zur Türe. Das unheimliche Gefühl war verschwunden. Das Haus war wieder wie früher, schön und frei. Mit Katharinas Tod war ein riesiges Gewicht von dem alten Gebäude genommen worden. Nichts böses schien mehr in den Ecken zu lauern.
Timo lachte als er durch den Gang hüpfte und die Dielen quietscht wie die Nase eines lustigen Zirkusclowns.
Der Schnüffler machte die Tür auf und blickte in Tobis sorgenvolles, vom Rennen rot beflecktes, Gesicht. "Alles okay? Was war das für ein Anruf, vorhin? Ich hab mich richtig beeilt! Bin per Anhalter sogar in nur einer Stunde da gewesen.", keuchte Timos bester Freund.
"Ja, mir geht es gut.", sagte der Schnüffler beschwichtigend und winkte seinen erschöpften besten Freund ins Haus, der sich sofort auf den Stuhl, auf dem Opa Waldemar immer seine Schuhe anzog, setzte, "Du wirst nicht glauben, was heute passiert ist!"
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