Besessen (7)
Timo spürte wie sein Körper wieder aufstand. Sein Mund öffnete sich und er begann, ohne Chance sich dagegen zu wehren, zu sprechen: "Gib auf, Sklave. Der Junge ist schwach, du müsstest ihn erschießen, um mich zu töten und das kannst du nicht. Du kannst deinen Meister nicht umbringen." Es war nicht seine Stimme die sprach, es war der Dämon, Katharina. "Timo, Lord Timo.", Blitz' Stimme war ruhig und ungerührt,"Hört mir zu. Die Dämonin ist noch geschwächt. Ihr könnt sie abschütteln. Ich werde auf Euch schießen müssen, wenn Ihr Euch nicht wehrt." Das verstaubte, schwarze Gewehr lag in Blitz Armen. Groß und bedrohlich.
Timo versuchte es. Er versuchte es wirklich. "Geh raus, geh weg, lass mich in Ruhe!", rief er in Gedanken, doch erntete nur höhnisches Gelächter, das in seinem Kopf wiederhallte, wie hundertfache Echos. "Er kann es nicht. Er weiß nicht wie, und du kannst nicht auf ihn schießen. Deine Programmierung verbietet es.", verhöhnte Katharina. "Du weißt nichts über mich und meine Programmierung, du Made unter dem Schuh der dämonischen Zivilisation. Ich kann erschießen wen ich muss, um die mir aufgetragene Mission zu erfüllen. Es tut mir leid, Lord Timo.", erwiderte Blitz kalt. Es hob den Gewehrlauf und richtete ihn auf Timos Kopf. Timos Panik wuchs mit der der Dämonin um die Wette. Er würde sterben. Umgebracht von Blitz, dem Wesen dem er vertraut hatte. Das ihn vorhin noch gerettet hatte. "Du bluffst.", zischte Katharina durch Timos Lippen. Blitz lud das Gewehr durch. "Du würdest nicht...", nun zitterte die Stimme der Dämonin gut hörbar. Blitz legte seine kleinen, schneeweißen Finger um den Abzug und zielte. Ein Knall ertönte, als es abdrückte.
Timo sah, wie in Zeitlupe, wie die gläserne Perle den Lauf des Gewehres verließ und auf ihn zu raste, mit der Wucht und Geschwindigkeit einer Patrone. Sein komplettes Sichtfeld beschränkt sich auf die kleine, glänzende Kugel, die Kurs auf seine Stirn nahm und immer näher kam. Er konnte sich nicht bewegen, er konnte nicht fliehen. Angst machte sich an seinem Verstand breit, vertrieb alle anderen Gedanken. Er spürte wie sein Herz schneller schlug und seine Hände feucht wurden. Er konnte sich nicht bewegen. Die Perle kam näher. Er konnte nicht fliehen. Er würde sterben, er wusste es. Er konnte sich nicht bewegen. Wie ein Kaninchen im Angesicht einer tödlichen Kobra stand er regungslos in der Bahn der verhängnisvollen Perle. Er konnte nicht fliehen.
Plötzlich war die schmerzhafte Präsenz in seinen Gedanken verschwunden. Die Dämonin war weg. Die Kugel war nicht mehr weit von ihm entfernt, klein und tödlich. Die fremde Macht, Katharina, die ihn kontrolliert hatte floh. Nichts hielt ihn mehr aufrecht, niemand gab ihm Balance. Timo spürte wie er auf den Boden fiel, wie ein nasser Kartoffelsack. Mit einem panischen Aufschrei fuhr Katharina aus Timos Körper.
Nicht eine Sekunde später schlug die Perle in die Wand ein, vor der er gestanden hatte. Holzsplitter regneten und auf ihn herab. Timo atmete zitternd durch und versucht sich zu beruhigen. Er wäre fast gestorben! Tränen liefen über sein Gesicht, als er sich zu einem Ball einrollte und versuchte den Rest der grausamen Welt um ihn herum auszublenden. Am Rande seiner Wahrnehmung hörte er ein Knarzen und Rattern.
Er war nicht tot. Blitz hatte ihn nicht erwischt. Der Schnüffler konnte immer noch nicht fassen, dass das Wesen auf ihn geschossen hatte. Hatte sich denn der ganze Kosmos gegen ihm verschworen? Er weinte noch mehr. Wo war der Dämon jetzt? War Katharina... tot? Hatte Blitz sie getroffen? Timo traute sich nicht den Kopf zu heben, um nachzuschauen, aus Angst die unheimliche Rauchsäule mit den pechschwarzen Augen würde bereits, seine Angst verhöhnend, über ihm schweben.
Schritte näherten sich.
Plötzlich spürte er eine kleine, kalte Hand auf seiner Schulter. "Seid Ihr in Ordnung, Lord Timo? Ich hatte knapp über Euren Kopf gezielt, um die Dämonin zu verscheuchen. Habt Ihr euch beim Fallen verletzt?"
Timo drehte den Kopf und sah in Blitz' ausdrucksloses Porzellangesicht. "Ich bin nicht verletzt, nur erschrocken. Ich dachte nicht, dass du wirklich auf mich schießen würdest. Ich hatte furchtbare Angst zu sterben.", meinte Timo und wischte sich die Tränen ab, "Wie hätte ich sie denn abschütteln sollen?"
"Ihr seid wirklich kein Dämonenjäger, wie Lady Emma, oder? Um einen besitzergreifenden Dämon abzuschütteln, müsst Ihr dreimal seinen Namen sagen, und dann, dass er verschwinden soll. Ich dachte Ihr wärt in der Dämonenjägergide unterwiesen worden." Timo schüttelte den Kopf. Hätte seine Oma ihm das beibringen können? Wieso hatte sie es nicht getan?
Nervös sah sich Timo im Speicher um, der auf einmal viel heller aussah. Der Verwesungsgeruch wurde schwächer. Von der Dämonin war nichts zu sehen. Die Luke stand offen.
"I-ist,... ist Katharina tot? Hast du sie erwischt? Ist die Luke deshalb geöffnet?", wollte Timo wissen. Blitz ließ den Kopf hängen. "Nein, Lord Timo. Die Dämonin ist entkommen. Sie hat Euch zurückgelassen und ist in den unteren Stock geflohen, um sich einen neuen Wirt zu suchen. Zum Glück hat es sie viel Kraft gekostet von Euch Besitz zu ergreifen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie von etwas gefährlichem Besitz ergreifen könnte. Sie bräuchte einen Wirt, dessen Geist sehr schwach ist. Lord Waldemar hatte doch keine Haustiere, oder?", erklärte es. "Nein, er hat nicht einmal viele Pflanzen.", meinte Timo und war sich nicht sicher, ob er besorgt oder erleichtert sein sollte. "Gut! Dann lasst uns nach unten gehen, Katharina suchen und der Sache ein Ende bereiten.", meinte Blitz und packte das Gewehr fester. Das Fotobuch, das Opa Waldemar so unbedingt gewollt hatte, klemmte sich der Schnüffler unter den Arm.
Als Timo und Blitz aus dem Speicher kletterten, wurde das unheimliche Gefühl, das an dem Haus haftete, wie ein widerlicher Blutegel, nicht, wie der Schnüffler erwartet hatte, weniger, nein, es nahm zu. Timo spitzte die Ohren und sah sich aufmerksam um. Er hatte zwar noch nie einen Dämon erschnüffelt, aber es gab ja immer ein erstes Mal. Er sah unter Kommoden und Schränken nach, er filzte Regale, er wühlte unter Bettzeug herum, aber er konnte die Dämonin nicht finden. Langsam wurden sowohl er, als auch Blitz unruhig. Wo hatte sich Katharina versteckt? Wen oder was hatte sie befallen? Wann würde sie angreifen? Wen würde sie angreifen? Plötzlich hatte Timo eine schreckliche Vorahnung: was wenn Katharina beschlossen hatte Opa Waldemar anzugreifen?
"Blitz, wir müssen nachschauen, ob es meinem Opa gut geht. Er müsste unten im Wohnzimmer sein." Blitz nickte, und Timo glaubte einen Anflug von Sorge in seinem ausdruckslosen Gesicht gesehen zu haben. Der Schnüffler und das Wesen eilten die Treppe hinunter. Sie stolperten in das Wohnzimmer. Vor dem Bild von Opa Waldemar und Oma Emma stand Timos Großvater, aber er sah nicht so aus wie sonst. Er wirkte gebeugter, fast als habe er nicht wirklich die Kontrolle über seinen Körper, als wisse er nicht, wie er ihn richtig zu benutzen habe. "Opa, ist alles in Ordnung? Du musst hier weg! Eine Dämonin ist im Haus!", rief Timo.
Ungelenk und ruckartig drehte Opa Waldemar sich um.
Seine Augen waren schwarz, pechschwarz, und ein irres Grinsen verunzierte sein Gesicht. In seiner Hand hielt er den Revolver, den er langsam mit Munition lud, von der Timo nicht gewusst hatte, dass sie existierte. "Hallo Timo. Dein Opa hat Demenz. Es war leicht seinen Geist zu übernehmen. Jetzt wirst du sterben!", kreischte Katharina. Zum zweiten Mal an diesem Tag richte sich der Lauf einer Waffe auf Timo.
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