#93 Die Familienbande
Ivan war sich ziemlich sicher, dass bei ihm zu Hause noch niemand anwesend war.
Seine Eltern zumindest erwartete er erst für den Tag nach dem Dies Natalis Liamman wieder zurück in Sore Urbs.
Mehr als nur ein wenig verunsichert erhob er sich dennoch von seinem Platz und flüchtete sich hinter Mercur.
"Ich... das tut mir leid... das habe ich nicht gewollt..." entschuldigte er sich von dort aus stammelnd als wenn die ganze Situation sein Verschulden gewesen wäre.
Mit einem boshaften Grinsen bedachte Mercurs Schwester Amaldita ihn nun, dann meinte sie selbstgefällig: "Wusste ich doch, dass dein Pelex¹ nur Ärger machen wird!"
"Dafür wirst du in zwanzig Jahren so alt und hässlich aussehen wie du innerlich schon bist!" giftete ihr Bruder sie daraufhin an.
"Mama, Mercur hat gesagt ich bin hässlich..." plärrte die natürlich gleich pflichtschuldigst los.
"Also wirklich Mercur" mischte sich die Mutter seines Vaters nun ein, "du kannst doch deiner Schwester nicht sagen, dass sie hässlich ist..."
"Immer wenn die ihren Mund aufmacht kommt hässliches heraus" konterte Mercur, "von wem sie das wohl hat? Irgendwie erinnert sie mich da sehr an dich und Avon²!"
Während seine Großmutter nun empört nach Luft schnappte begann deren Gatte zu zetern: "Vidur, mein Sohn. Wie kannst du nur erlauben, dass dein Sohn sich derart respektlos deiner Mutter und mir gegenüber verhält?"
Bevor Mercurs Vater dazu etwas sagen konnte, meldete sich seine Mutter zu Wort. "Wer Respekt einfordert sollte ihn selbst erst einmal zeigen!" bemerkte sie spitz.
"Also bitte..." keifte die Großmutter da wieder los, doch sie kam nicht weit, denn nun unterbrach sie die Mutter von Mercurs Mutter mit der zynischen Bemerkung: "Was bitte? Du hast doch bis heute nicht einmal respektiert, dass dein Vidur meine Tochter geheiratet hat!"
Oh je, da hatte sie aber etwas gesagt.
"So redest du nicht mit meiner Mutter!" echauffierte sich Mercurs Tante, die Schwester seines Vaters sofort.
"Und du nicht mit meiner Verlana!" briet ihr daraufhin sofort Mercurs Onkel, der Bruder seiner Mutter, eines über.
"Na toll" kreischte Amaldita mittenrein, "jetzt ist Dies Natalis Liamman und alle streiten sich nur wegen meinem dämmlichen Bruder und seinem blöden Pelex!"
"Hättest du halt einfach mal dein böses Maul gehalten Consobrinilla³" hielt ihr Lucia daraufhin vor.
"Pata⁴, Pata, Consobrinia⁵ Lucia beleidigt mich!" plärrte Amaldita einmal mehr.
"Ach was, die benennt dich nur als die Giftspritze die du bist" sprang Verur sofort seiner Schwester Lucia zu Seite.
"Pata, Pata, Consobrinion Verur..." erhob Amaldita sofort weiteres Geplärr, doch sie kam nicht weiter, da unterbrach ihre Großmutter mütterlicherseits sie: "Hör auf zu plärren Amaldita, wir haben alle gehört was Lucia und Verur gesagt haben, du musst jetzt nicht noch allen zeigen was für eine tolle Petze du bist!"
Während Lucia und Verur nun triumphierend grinsten meldete sich einmal mehr nun der Großvater väterlicherseits zu Wort: "Pina, ich verbiete dir so mit meiner Enkeltochter zu reden!"
"Sie ist auch meine Enkeltochter Tilliur" erwiderte Oma Pina, "auch wenn du reaktionär verkalkter Trottel das vermutlich nicht begreifst..."
"Mein Mann ist kein reaktionärer Trottel" erklang nun schrill die Stimme von Tilliurs Gattin.
"Jemand der so dumm ist und dem Mechebetto so in den Arsch kriecht ist ein reaktionärer Trottel werte Tissa" widersprach Mercurs Onkel ihr da sarkastisch.
"Jemand der so esporcam progredissiam e viridissiam⁶ ist wie du wertester Villur" höhnte nun der Gemahl von Tante Verlana, "der sollte am besten mal ganz seine Fresse halten!"
"Schwager, bitte" versuchte Mercurs Vater nun beschwichtigend zu intervenieren, doch vergebens, denn schon sprang Villurs Sohn Verur für seinen Vater in die Bresche und meinte zu Mercurs anderem Cousin Eleanur: "Dein Vater ist echt so eine Hohlbratze, wenn sowas vor einem Divinoble wie Ivan sein Maul aufreisst, da bekommt der doch Zweifel ob die Demokratie eine gute Idee war. Dumme Hunde hält man doch am besten an einer kurzen Kette!"
"Ach ja?" blökte Eleanur, "wer ist denn hier dumm? Du glaubst auch echt alles du blödes Schlafschaf! Als wenn die Arschficker uns wirklich mitbestimmen lassen!"
Schnell wie der Blitz war Mercur nun bei ihm, riss ihn an seinen Haaren aus seinem Stuhl und warf ihn zu Boden, zielte mit der Faust auf sein Gesicht.
"Noch einmal nennst du meinen Amoamicon einen Pedicator⁷" fuhr er ihn wütend an, "und bei allen Göttern, ich schwöre dir, ich werde deine hässliche Visage derart umgestalten, dass nicht einmal mehr deine Mutter dich zu lieben vermag!"
Auch Eleanurs Vater sprang nun auf und brüllte nun Mercur an: "Lass deine dreckigen Finger von meinem Sohn du Scortion des Divinobles⁸!"
Als er dann allerdings auf Mercur zulaufen wollte, sah Ivan seinen Amoamicon in Gefahr.
Genau einen Schritt machte Eleanurs Vater und da erklang Ivans Stimme eiskalt und ohne auch nur einen Hauch von Verunsicherung.
"Non auderes anque solon de stringer lo mio sodalion"⁹ drohte er, "oder bei allen Göttern, du wirst es bereuen!"
Die Stimme eines erbosten und um seinen Liebsten besorgten Divinoble, selbst wenn er noch so jung war wie Ivan, war nicht nur geeignet einen Menschen, in diesem Falle Eleanurs Vater, in seiner Bewegung innehalten zu lassen, sie war auch sehr gut geeignet augenblicklich für Ruhe zu sorgen.
So auch jetzt im Hause Banquo.
Stumm schauten alle nun Ivan an.
Der hatte allerdings sein Selbstbewusstsein wieder gewonnen.
"Ich bedauere die Unstimmigkeiten die meine Anwesenheit heute hier verursacht hat" erklärte er in einem leicht arroganten Ton, der deutlich machte, dass er sich nichts vorzuwerfen hatte, "hätte ich von den großen Vorbehalten in Ihrem Kreise gegen meine Person oder die Divinobles im Allgemeinen Kenntnis gehabt, ich hätte in keinster Weise eine Partizipation an Ihrer familiären Zusammenkunft in Erwägung gezogen."
Manche allerdings wussten einfach nicht wann man seinen Mund halten sollte.
So wie Tissa Banquo, Mercurs Großmutter väterlicherseits nun.
"Das hat doch nichts mit Ihnen persönlich zu tun, junger Mann" entblödete die sich nun nicht loszuschwatzen, "es gibt ja auch wirklich wundervolle Divinobles wie Marlan Caruso, aber..."
Weiter kam sie nicht, denn Ivan unterbrach sie sarkastisch: "Das ist mir durchaus bekannt Madomina!"
"Was...?" verstand sie nun nicht.
"Marlan Caruso ist mein Pator. Mir ist daher bekannt, dass er ein wundervoller Divinoble ist" erklärte Ivan ihr süffisant.
"Der große Caruso ist Ihr Pator..." keuchte Tissa Banquo nun völlig entgeistert während Mercurs Mutter und deren Teil der Verwandtschaft schadenfroh grinsten.
"Das haben Sie richtig verstanden" bestätigte Ivan nun während er einen Arm um Mercurs Schultern legte und ihn behutsam von seinem immer noch am Boden liegenden Cousin wegzog. "Ich denke ich werde meinen Sodalion¹⁰ Mercur jetzt mit zu meinem Pator nehmen. Der großartige Marlan Caruso wird sicherlich hoch erfreut sein zu erfahren welch' herzlichen Empfang Sie Tissa Banquo und Ihre wundervolle Familie seinem Sohn am Dies Natalis Liamman bereitet haben" sprach er weiter und seine Worte tropften wie süsses Gift über seine Lippen.
Dann wandte er sich an einen Amoamicon: "Kommst du Mercur?" Vielleicht schauen wir auch noch bei Issan und Leton vorbei..."
Nur allzu gerne ließ sich Mercur von ihm hinausführen.
Ivans letzte Worte bevor er die Tür hinter ihnen zuzog "Ihnen allen noch einen wundervollen Abend" klingelten Mercurs Familie noch in den Ohren als die Beiden schon längst in Ivans Wagen davongefahren waren.
"Mercurs Freund" war Onkel Villur der erste der seine Sprache wiederfand, "meinte er tatsächlich Issan ab Apollam und Leton, den Kronprinzen Angeviniens eben?"
"Ja allerdings meinte er diese" bestätigte Mercurs Mutter.
"Das hat die Familie deines Mannes ja richtig gut hinbekommen" ätzte Villurs Gattin nun, "dein Sohn fährt jetzt zu den mächtigsten Häusern auf ganz Bumia und wird denen nun erst einmal brühwarm berichten wie herzlich die Banquos ihn doch aufgenommen haben. Wie gut, dass mein Nachname nicht Banquo ist!"
"Es kommt ja keiner ahnen, dass der Junge so hoch mit drinnen hängt" rechtfertigte sich nun Opa Tilliur, "es hat uns ja auch keiner vorgewarnt!"
"Weil man ja vorgewarnt werden muss um sich anständig zu benehmen" mokierte sich Lucia daraufhin über ihn.
"Das wird doch nicht etwa negative Konsequenzen für uns haben?" jammerte Tante Verlana nun.
"Daran hättest du vielleicht früher denken sollen werteste Verlana" erwiderte Mercurs Mutter ihrer Schwägerin.
"Tja Herras Hoffnungen auf ein Stipendium an der Schola Imperionam do Ballaton¹¹ könnt ihr sicher schon mal begraben" erklärte Verur schadenfroh.
"Was, wieso denn?" erkundigte sich deren Vater nun alarmiert.
"Vorsitzender des für die Vergabe von Stipendien zuständigen Förderkreises ist Luciur Venturis ab Massilia" erläuterte Verur sarkastisch, "das ist der Uxvir von Marlan Caruso ab Massilia und der Mator von Mercurs Soldalion¹⁰ Ivan."
"Waasssss?" heulte Herra nun los, "ich kann nicht Ballatrix¹² werden? Nur weil ihr Mercurs Amoamicon beleidigt habt? Ich hasse euch! Ich hasse euch alle!"
Damit sprang sie vom Tisch auf und lief heulend nach draußen.
"Das haben wir ja richtig gut hinbekommen" stellte Mercurs Mutter nun sarkastisch fest, da fiel ihr Blick auf ihre Tochter. "Und für dich Amaldita wird das Folgen haben" verkündete sie ihr, "heute bist du endgültig zu weit gegangen!"
Zu behaupten, dass Issan überrascht war, dass er, als er am späten Abend die Tür öffnete nachdem es geklingelt hatte, dort ausgerechnet Ivan mit dessen Amoamicon vorfand, wäre wohl die Untertreibung des Jahres gewesen.
Das war auch Ivan nur allzu bewusst.
"Auf ein Wort unter vier Augen" bat er diesen daher sofort.
Kurz zögerte Issan, doch schnell machte ihm die ganze Ausstrahlung von Ivan klar, dass dieser nicht in böser Absicht hier war und er ihn wenigstens anhören sollte.
"Einverstanden" erwiderte er und zog Ivan in den Raum in dem sonst der Portier arbeitete.
"Also?" fragte er skeptisch kaum, dass die Tür hinter ihnen beiden zugefallen war.
Ivan schluckte, dann begannen er zu reden: "Ich weiß, ich bin sicherlich nicht derjenige den du an einem Tag wie heute hier sehen willst und ich weiß auch, dass ich kein Recht habe von dir etwas zu erwarten...
...aber der Abend bei Mercurs Familie ist nicht so schön gelaufen und Mercur und ich, wir...
...ich will einfach nicht, dass er jetzt ganz alleine mit mir ist..."
Er brach ab und schaute Issan mit einem flehenden Blick an.
"Du weißt nicht wo ihr hin sollt" stellte der das offensichtliche fest.
"Ja..." hauchte Ivan und schämte sich unübersehbar dafür.
"Aber Mercur ist dir so wichtig, dass du deswegen sogar bei mir angekrochen kommst" fuhr Issan fort.
"Ja" gab Ivan sofort zu, "für Mercur würde ich alles tun."
"Ich weiß" erwiderte Issan, "und ich wäre ein ganz großes Arschloch wenn ich das ausnutzen würde..."
"Aber das bist du nicht" gab sich Ivan hoffnungsvoll.
"Nein" bestätigte Issan und lächelte, "deswegen schicke ich dich nicht weg. Außerdem haben Manor und Leton schon den zweiten Abend soviel gekocht, dass wir die halbe Divigilia verköstigen könnten..."
Zehn Minuten später sassen Ivan und Mercur zwischen Evan und Manor am großen Tisch im Hause ab Apollam e ab Torris.
"Kopf hoch Mercur" versuchte ihn Evan auch gleich zu trösten, "Eltern kann man sich nicht aussuchen..."
"In dem Falle wohl eher Großeltern" erwiderte Mercur, "also ganz genau nur die Hälfte von denen und die Schwester meines Vaters samt deren degenerierter Bagasch..."
"Ich sehe, die Tatsache, dass die Familien bei den Divinobles nicht so groß sind hat auch Vorteile" griente Evan nun.
"Oh keine familiäre Massenschlägereien" spöttelte Mercur nun, "da entgeht euch echt etwas..."
"Aber Blut ist doch dicker als Wasser" witzelte Leton worauf Issan total abgeklärt konterte: "Das kann man mit niedrigen Temperaturen beim Wasser und Blutverdünner rasch ändern..."
"Außerdem gibt es immernoch eine Familie die schlimmer ist als die eigene" stellte Evan jetzt fest, "fragt mal mich. Oder Leton. Vom armen Manor hier mal ganz zu schweigen..."
"Was ist denn mit deiner Familie?" wandte sich Mercur nun neugierig an Manor.
"Eigentlich nichts" erwiderte der, "sie tun einfach so als gäbe es mich nicht seitdem mich der Storeledar damals in eines seiner berüchtigten Lager gesperrt hatte..."
"Oh, das würde ich meinem Avon väterlicherseits auch zutrauen" erwiderte Mercur, "was bin ich dankbar, dass ich in nicht so dunklen Zeiten lebe wie die damals."
"Das sind wir alle" bemerkte Leton, "aber es liegt auch an uns dafür zu sorgen, dass diese Zeiten die Vergangenheit bleiben."
¹Buhle, Lustknabe
²Opa
³Cousinchen
⁴Papa
⁵Cousine
⁶links-grün versifft
⁷Arschficker
⁸Divinobles-Flittchen
⁹Wage es nicht auch nur meinen Gefährten zu berühren (zu streifen)
¹⁰ Gefährte
¹¹Imperiale Schule für Ballett
¹²Ballerina
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