#85 Familienpech, Familienglück

Eleonors Vater behielt recht.
Also sie wieder zurück in dessen Elternhaus kamen, war von seiner Mutter nichts zu sehen.
Nur auf dem Tisch lag ein Zettel auf dem in dürren Worten stand, dass sie jetzt Migräne hätte und sich in ihr Zimmer zurückgezogen habe.
Ihr Sohn war zornig und seine Stimme sehr laut, als er den Zettel zerknüllte und rief: "Das werte ich als 'Nein'. Spiel deine Spielchen mit jemandem anderes!"
"Was machen wir jetzt?" erkundigte Gaston sich etwas hilflos.
"Jetzt essen wir erst einmal auf" schlug Eleonors Vater vor, "es wäre doch schade um das schöne Essen. Und das Dessert..."
Eleonor zögerte nur kurz, dann schluckte er seine Wut herunter. Sein Vater konnte schließlich nichts dafür und weder ihm noch Gaston brach ein Zacken aus der Krone wenn sie nun noch etwas Zeit mit diesem verbrachten.

Zweieinhalb Stunden später, nach sehr viel Dessert für Eleonor und einer ziemlich angeregten Unterhaltung über Bauwerke (Gaston stammte immerhin aus einem Architektenhaushalt, Cator Guldenhals war Ingenieur) brachen Eleonor und Gaston in Richtung von Gastons zu Hause in Keizerstad auf.
Gaston hatte noch nicht ausgeparkt, da stürmte Eleonors Mutter bereits aus ihrem Zimmer nach unten.
"Warum hast du ihn gehen lassen?" schrie sie ihren Mann an, "ich erlaube es nicht, er ist noch minderjährig und dann bei diesem uralten Kinäden!"
"Der uralte Kinäde ist noch nicht einmal dreißig" merkte Cator Guldenhals spitz an.
"Mir egal" kreischte sie, "ich rufe jetzt die Polizei, ich erlaube nicht, dass mein minderjährigen Sohn um diese Uhrzeit nicht zu Hause ist!"
"Tu' was du nicht lassen kannst" erwiderte ihr Gatte und zog sich nun  seinerseits zurück.

Sie tat, was sie nicht lassen konnte.
Und erlebte eine für sie unerfreuliche Überraschung.
"Ihr siebzehnjähriger Sohn ist also über Nacht bei seinem Freund?" erkundigte sich der Polizeibeamte ruhig als er endlich einmal zu Wort kam.
"Ja. Und das dulde ich nicht, ich..." begann Feda Guldenhals sogleich ihre nächste Tirade.
"Hatten Sie Streit?" unterbrach sie der Beamte.
"Was?" fauchte Eleonors Mutter schon über die Unterbrechung erbost.
"Ob Sie einen Streit mit Ihrem Sohn hatten..." wiederholte der Beamte nun etwas genervt.
"Ja" erklärte sie etwas irritiert.
"Denken Sie nicht, dass es völlig normal ist wenn ein Junge in dem Alter nach einem familiären Steit zu seinem Freund geht?" erkundigte sich der Beamte.
Oh, da hatte er aber etwas gesagt. "Aber doch nicht zu so einem Freund. Der ist uralt und will ihn doch nur ins Bett bekommen wenn Sie verstehen was ich meine!" fuhr Feda Guldenhals.
"Ich verstehe Sie wirklich sehr gut" erwiderte der Beamte, "wissen Sie den Namen und die Anschrift des Freundes? Dann sende ich einmal eine Streife vorbei die nachschaut ob es ihrem Sohn gut geht..."
"Gastor vaf Ostorien, die Anschrift kenne ich nicht!" keifte Feda Guldenhals.
Kurz war es still in der Leitung, dann fragte der Beamte: "Herre Gastor vaf Ostorien?"
"Ja, genau der!" triumphierte Eleonors Mutter.
Erneut war es ruhig in der Leitung, dann hörte Feda den Beamten sagen: "Isoldor, kannst du mal bitte kommen?"
Worauf eine andere Stimme fragte: "Ja, was ist denn?"
"Ich habe hier so ein irres Weib" hörte sie den ersten Beamten sagen, "offenbar die Mutter von diesem Eleonor Guldenhals, den Sängerknaben....
...ja genau dem der mit Herre Gaston zusammen ist..."
Worauf dieser Isoldor erwiderte: "Da gibt es doch diese Anweisung von ganz oben..."
Was der erste Beamte bestätigte: "Genau, klärst du das mit der...?"

"Huved vaf Polisen¹ Isoldor Blaas" sprach der nun direkt zu ihr, "ich bedauere, aber durch kaiserlichem Erlass vom 1. Snömonad dieses Jahres ist uns untersagt in die selbstbestimmte Wahl seines Aufenthaltortes von Meherr Eleonor Guldenhals einzugreifen, unbeachtlich dessen, dass dieser noch minderjährig ist und unbeachtlich etwaiger Wünsche seiner Eltern. Wir können Ihnen da also nicht behilflich sein, es sei denn, Sie können nachweisen, dass Ihr Sohn von Herre Gaston vaf Ostorien gegen seinen erklärten Willen festgehalten wird."
Empört schnappte Feda Guldenhals nach Luft doch noch bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr Isoldor Blaas fort: "Falls Sie sich jetzt mit der Absicht tragen, dergleichen behaupten zu wollen, noch ein gut gemeinter Hinweis von mir: Die falsche Verdächtigung eines Erzadeligen zwecks Umgehung der Wirkung eines Erlasses Seiner kaiserlichen Hoheit stellt eine ernstzunehmende Straftat da die wir auf jeden Fall von Amts wegen verfolgen müssen."
Da verstand auch Feda Guldenhals, dass sie im Begriff war zu verlieren.
Zwar versuchte sie es nochmal mit Heulen und Wehklagen, aber außer dass Isoldor Blaas ihr sein Mitgefühl versicherte zeitigte das keinen Erfolg .

Auch weiter westlich in Annatown, Marlaland, hatte nun Levons Besuch mit Taylon bei dessen Familie zum Yules Eve bereits begonnen.
Anders aber als Gaston bei den Guldenhals war Levon bei den Chaffees offensichtlich sehr willkommen.
"Sir Levon" wurde er schon an der Haustür von Taylons Mutter freudig begrüßt, "wir freuen uns ja so sehr Euch endlich kennenzulernen. Taylon hat ja schon so viel von Euch erzählt."
"Meine Mutter Varia" stellte Taylon, dem es etwas peinlich war, dass diese seinen Freund als 'Sir' titulierte, sie vor. Das entging Levon nicht und so meinte er: "Das geht mir ebenso. Aber ich hätte eine Bitte,  nennt mich einfach Levon. Sonst komme ich mir wirklich komisch vor..."
"Das sollten wir hinbekommen" meinte nun ein Herr um die Fünfzig, "also, willkommen im Hause der Chaffees Levon, ich bin Willon."
"Mein Vater..." war Taylon ein.
"Was du nicht sagst" lachte Levon und schaute zu einem Mädchen welches nun neben Taylons Mutter auftauchte und ihn neugierig ansah. "Du musst Laria sein" sprach er sie an. "Ja, die bin ich" meinte sie, dann beugte sie sich zu Taylon und wisperte: "Oh Godan, Bruderherz, der ist ja sowas von heiß..."
"Laria..." zischte Taylon aber es sollte für ihn noch schlimmer kommen, denn ein blonder junger Mann, etwas größer aber mit auffälliger Ähnlichkeit zu Taylon trat nun neben ihm, klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und meinte: "Das ist also der Typ der meinem Brüderchen womöglich das ewige Leben beschert..." Dann reichte er Levon die Hand und meinte: "Ich bin Caylon, der große Bruder..."
"Levon, freut mich großer Bruder" erwiderte Levon während er Caylons Hand ergriff.
"Irgendwo ist hier auch noch mein Girlfriend" merkte Caylon nun an, "aber im Moment sehe ich sie nicht..."
"Minea ist noch in der Küche" erklärte Taylons Mutter, "aber jetzt kommt doch erst einmal herein..."

Auch in New Lugunia gehörte Geflügel zum traditionellen Essen am Yules Eve. Anders aber als die in Nordens Reike übliche Gans kam hier Truthahn auf den Tisch. Gefüllter Truthahn um genau zu sein.

Am großen runden Tisch in Taylons Elternhaus hatten sich alle versammelt als der Hausherr ganz stolz den verführerisch duftenden Vogel auf selbigen stellte und ihn nach allen Regeln der Kunst zerlegte.
"Dafür, dass unser Dad Strafverteidiger ist, zerlegt er Leichen echt routiniert" witzelte Caylon.
"Caylon!" mokierte sich dessen Mutter.
"Ach komm' Mom, das ist witzig" meinte Laria nun und selbst Taylon musste grinsen.
"Also mein Dad ist ja Anwalt und Taylon wird auch einer während Caylon ein Bankster ist" begann Laria nun Levon auszufragen, "was wirst du?"
"Oh ich?" spielte Levon den Überraschten, "ich werde Archduke."
"Cool, wann?" wollte Laria wissen.
"An dem Tag an dem.... na rate Mal" erwiderte Levon.
"An dem dein Vater stirbt?" riet Laria.
"Nein" entgegnete Levon, "das würde bei Archpeers viel zu lange dauern, da könnte ich noch neunhundert Jahre warten, aber wenn er jetzt plötzlich sterben sollte werde ich an dem Tag natürlich auch Archduke."
"Das wäre wirklich lange" stimmte Laria ihm zu, "aber an welchem Tag denn dann?"
"An dem Tag an dem dein Bruder sich von mir binden lässt" erklärte Levon während er Taylon verliebt anschaut.
"Binden lässt?" verstand Laria nicht wovon er sprach.
"Na, er meint heiratet, Dummerchen" warf nun Caylon ein.
"Und warum sagt er das dann nicht?" maulte Laria daraufhin.
"Das liegt daran, dass das bei den Archpeers ein bisschen mehr ist als nur 'Ich will' sagen" erklärte ihr nun ihre Mutter, "einmal verbunden ist es kaum möglich, dass sich ein Archpeer und sein Partner wirklich trennen..."
"Das ist dann wirklich bis der Tod euch scheidet" stellte Minea fest, "also ich finde das irgendwie romantisch..."
"Es hat ja auch ein paar Vorteile für einen" merkte Taylon nun an.
Diese sah auch Laria: "Oh ja, du lebst eeeeewig..."
"Nein, unsterblich werde ich dann nicht" widersprach ihr Taylon daraufhin.
"Aber fast tausend Jahre alt zu werden ohne dabei alt zu werden ist schon ein wenig so" entgegnete Laria.
Und dann fiel ihr etwas anderes dazu ein. "Denkst du, du kannst dich noch an mich erinnern wenn ich schon Jahrhunderte tot bin?"
Taylon verschluckte sich fast an seinen Süßkartoffeln. "Woher soll ich das denn wissen? Ich bin auch erst zwanzig!" antwortete er ihr.
"Weißt du das Levon?" ließ sie nicht locker.
"Nein" erwiderte der, "ich bin ja noch nicht einmal zwanzig..."
"Hast du so etwas noch nie deine Eltern gefragt?" wunderte sich Laria da.
"Die sind alle beide noch nicht einmal Fünfzig" erklärte ihr Levon daraufhin, "aber ich verspreche dir, wenn ich das nächste Mal richtig alte Archpeers treffe frage ich die..."
"Kennst du denn welche die richtig alt sind?" war Laria jetzt natürlich neugierig.
"Wie wäre es mit dem High Caser of Sore?" schmunzelte Levon.
"Den kennst du?" staunte Laria und sie staunte nicht alleine denn auch Taylon schaute ihn nun überrascht an und meinte: "Du kennst den Divinimperator?"
"Kennen ist zuviel gesagt" gab Levon zu, "aber ich könnte es sicherlich einrichten ihn mal danach zu fragen..."
"Mein Bruder hat echt Glück mit dir" erklärte Laria nun.
Da aber fand Taylon jetzt was zu meckern: "Wißt ihr, ich wundere mich ja schon, dass ihr alle ohne mich zu fragen davon ausgeht, dass ich Levon heirate."
"Wir halten dich halt schon für intelligent kleiner Bruder" meinte Caylon dazu.
"Aber echt" kam es abgeklärt von Laria, "also ich würde den sofort heiraten!"
"Ich verrate dir etwas" flüsterte Levon ihr da verschörerisch zu, "der Hochkönig wird Taylon bestimmt zu einem Earl machen wenn wir uns verloben. Und wenn du dann die Schwester eines Earls bist, dann suchen wir dir einen Prinzen..."
"Einen echten Prinzen?" war Laria jetzt verblüfft.
"Einen ganz echten" versprach ihr Levon, "wie wäre es mit Prinz Marlej von Silistrien zum Beispiel?"
"Kennst du den?" war Laria neugierig.
"Klar" meinte Levon, "der geht mit mir aufs King's College..."

****

"Woher weißt du das eigentlich alles?" war Evan jetzt dann doch neugierig geworden.
"Ich hab erst meinen Mator gefragt und der hat mich zu den Priesterinnen der Maiahula geschickt" erklärte Issan nun.
"Und da erfährt man so etwas?" staunte Leton.
"Oh ja, die wissen ziemlich viel was man in Sore lange Zeit nicht wissen wollte oder wissen sollte" erwiderte Issan.
"Eine Frau zum Uxvir zu machen hat also wirklich noch niemand versucht?" fragte Leton nun.
"Ergibt ja auch irgendwie Sinn" merkte Evan an, "die Divinobles sind auf die Uxvirs gekommen weil sie nicht damit klar kamen, dass in ihren Beziehungen einer von beiden zwecks Fortpflanzung zum Weibe wurde. Da wäre es ziemlich widersinnig eine Frau zum Uxvir zu nehmen..."
"Evan hat das schon richtig zusammengefasst" stimmte Issan diesem nun zu, "auch alle Unterlagen und die Bibliothek der Priesterinnen der Maiahula sagen, dass es noch keiner jemals versucht hat."
"War denn keiner neugierig?" wunderte sich Leton.
"Das liefe ja schon auf Experimente mit Menschen hinaus..." merkte Issan an.
"Na ja komm'" entgegnete Evan, "als wenn das die Divinobles vergangener Zeiten wirklich davon abgehalten hätte..."
"Das ist auch wieder wahr" räumte Issan ein.
"Wenn man euch so reden hört, bekommt man fast den Eindruck, dass es unter euren Vorfahren in Sore schlimmer war als unter dem Storeledar" warf Manor nun ein.
"Oh, der Eindruck täuscht nicht" erwiderte Issan, "gut, ich glaube einen Völkermord wie an den Vendy haben sie nicht gemacht. Aber Beksach und so..."
"Der Terror unter Pragoman..." ergänzte Evan.
"Ich glaube ich überlege mir das mit dem Divinoble werden noch einmal ganz genau" scherzte Manor jetzt.
"Du wirst dann wieder 25 werden und seeeeerhr lange bleiben" griente   Evan daraufhin.
"Du machst es mir wirklich nicht einfach" meinte Manor, "aber ich denke ihr solltet sowas nicht einfach so anbieten..."
"Wir haben garnichts angeboten" erwiderte Leton, "nur Issan hat mal wieder seine komische Gedanken laut ausgeplaudert..."
"Komische Gedanken...?" meckerte der auch sogleich.
"Ach, die hat er nur wenn er untervögelt ist" spöttelte Evan, "und daran werden wir heute Nacht noch arbeiten..."
"Bin ich überhaupt nicht" widersprach Issan.
"Bist du aber sowas von" konterte Leton.
"Nein!"  "Doch!" "Garnicht!"

¹Polizeihauptmann

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