#78 Der Favorit des Zaren

Nachdem endlich klar war, dass alle Beteiligten mitspielen würden, wurde An-Taetsin was nun die Verdrängung seiner gut zweihundert Jahre alten Erinnerungen anging, ziemlich ungeduldig.
Da traf es sich gut, dass der Ort des Geschehens in den vergangenen zweihundert Jahren mit einer Zentral- und Fußbodenheizung ausgestattet worden war, denn so konnte Taejo bereits für die am 60.1.¹ beziehungsweise am 20. Snowmonth² beginnenen Winterferien einen Termin festsetzen und einladen.

So begann mit Beginn der Ferien eine allgemeines Verreisen.
Leton machte sich auf dem Weg zu Issan und Evan.
Taeran flog mit seinen Eltern Meran und An-Taetsin nach Tschinkyu wohin auch Taephorn kam.
Levon hingegen war für Yules Eve, ein Feiertag zu Ehren von Godan Yuleon am 22. Snowmonth⁴ zu Taylons Familie eingeladen und ebenso verhielt es sich mit Gaston, der diesen, in Nordens Reike Jolnnachten und zu Ehren von Godan Jolnor gefeierten Tag mit Eleonor bei dessen Eltern zu verbringen gedachte.
In Sore feierte man am 60.5. den Dies natalis Liamman³ und zu diesem Feiertag war Ivan in Mercurs Familie eingeladen, weswegen er als Einziger nicht aufbrach um zu verreisen.
Nathon flog zu seinen Eltern nach Northern Montalvia und Evasan fuhr zu den Seinigen nach Aquilia.
Die ältere Generation hingegen fand sich aus gegebenem Anlass von Trevor über Isador, Trevastan, Taejo, Ieran, An-Anadur, Marlur, Luciur, Simur, Lison und Ivenej bis hin zu Terastan in Tschinkyu ein.

Denn Taejo hatte eingeladen für den 60.4. oder 22. Snowmonth⁴ und gedachte damit in den 60.5. respektive den 23. Snowmonth hineinzufeiern. So ein Ereignis ausgerechnet in der Nacht von dem höchsten religiösen Feiertag in Nordenland und Angevinien auf einen der höchsten religiösen Feiertage in Sore stattfinden zu lassen, entbehrte nicht einer gewissen Pikanterie und war, wenn man bedenkt, dass Trevor immerhin der Hüter des Glaubens und das Oberhaupt der angevinischen Kirche war, durchaus auch gut für einen Skandal.
Die Tatsache, dass das kitaischen Fest namens Dong Zhi, auch 'Tag des Anfangs des neuen Lebens' genannt ebenfalls auf den 60.4. fiel war zwar einerseits in Hinblick auf das, was diese Nacht für An-Taetsin bewirken sollte durchaus passend, minderte die Skandalträchtigkeit in keinster Weise.

Ein Vorteil an so einer Palastanlage wie dem Nánfāng huāyuán gōngdiän war, dass man da nicht nur gut feiern konnte, es war auch Raum genug da, seine Gäste zu beherbergen.
Der Nachteil war, dass man dann nicht nur fürs Feiern sondern auch für die sonstige Betreuung der Gäste ausreichend Personal vorhalten musste, welches zwangsläufig von den Aktivitäten mitbekommen würde, was angesichts der Art der beabsichtigten Aktivitäten durchaus eine gewisse Brisanz hatte und eine sorgfältige Auswahl desselben bedingte.
Anders als Liang Taego vor zweihundert Jahren konnte Taejo weder auf Eunuchen zurückgreifen, noch konnte er seine Angestellten einfach abmurksen wenn die ihren Mund nicht hielten.
Aber er konnte sie so gut bezahlen, dass sie es nicht riskieren würden.

Darüberhinaus bat er seine Gäste einfach, selber eigene Angestellte mitzubringen, die solche Anlässe zuverlässig mit der gebotenen Diskretion handhaben würden.
Eine Aufforderung der diese gerne nachkamen und so sassen in der Aerion AS 3 von Trevastan und Isador wie auch in der AS 2 von Marlur und Luciur jeweils einige der Angestellten die sich bisher um die Organisation und Durchführung von ebensolchen Aktivitäten in Tibur verdient gemacht hatten.

Doch zunächst war es Taeran für den diese Winterferien eine Überraschung bereithalten.
Die war nicht, dass Taephorn ihn am Flughafen direkt auf dem Rollfeld erwartete.
Auch nicht, dass der sich wahnsinnig freute ihn zu sehen, ihn fest umarmte und sogar innig küsste.
Sehr wohl aber, dass dieser ihn und sein Gepäck direkt von der Aerion AS3 seiner Eltern zu einer SKY⁵ Phlekabantor⁶ 1 mit khamarinischen Hoheitszeichen brachte.
"Wir bleiben nicht in Tschinkyu?" wunderte sich Taeran.
"Nein, wir fliegen nach Ankrong Kampoul" erwiderte Taephorn, "ich stelle dich meiner Mutter vor..."
"Du.... was?" kam es von Taeran völlig entgeistert.
"Ich stelle dich meiner Mutter, Tommo Mei, Königin von Khamarinien und so weiter und so fort vor" wiederholte Taephorn, "also mein Vater ist natürlich auch da, aber den kennst du ja schon..."
"Oh...." war Terastan immernoch überrascht, "also damit habe ich jetzt nicht gerechnet..."
"Du hast noch gute zwei Stunden Zeit dich gedanklich darauf vorzubereiten" erwiderte Taephorn während er ihn sanft in einen der luxuriösen Ledersessel an Bord der SKY Phlekabantor 1 drückte und sich dann auf seinen Schoß setzte.
"Wenn du die zwei Stunden so auf mir sitzt" merkte Taeran etwas heiser daraufhin an, "weiß ich nicht ob ich genug Blut im Hirn habe um gedanklich irgendetwas zu machen..."
"Mache ich dich so sehr an?" schmunzelte Taephorn.
"Ich habe die letzten neuneinhalb Wochen an nichts anderes gedacht, als daran dich wiederzusehen, deine Nähe zu fühlen, deine Stimme zu hören" erklärte Taeran, "natürlich machst du mich an..."
Taephorn lächelte vergnügt, meinte dann aber: "Da ich mein erstes Mal nicht in einem Flugzeug haben will..." und stieg dann wieder von ihn herunter.
"Du hast also schon über unser erstes Mal nachgedacht?" erkundigte sich Taeran.
"Natürlich" erwiderte Taephorn, "du etwa nicht?"
"Doch, doch, natürlich..." gab Taeran eilig zu.
"Siehst du" meinte Taephorn nun, "ich weiß sogar schon wo..."
"Wie, wo?" konnte Taeran ihm nicht ganz folgen.
"Der Ort für unseres erste Mal" erklärte Taephorn, "wenn wir bei meinen Eltern fertig sind, dann geht es für uns nach Khao Phnom Koumnor..."
"Ga Penom Kumna? Nie gehört..." erklärte Taeran.
"Khao Phnom Koumnor" wiederholte Taephorn, "das ist eine wunderschöne Insel im Chhoungosamoutr Khamar⁷ oder wie ihr in Sore sagen würdet, im Colfus da Camarinia⁷."
"Ah...." tat Taeran jetzt so als wüsste er wovon Taephorn redete, nur um diesen Eindruck mit seinen nächsten Worten wieder zunichte zu machen: "Und da ist es schön?"
"Nein, wie kommst du darauf?" erkundigte sich Taephorn nun ironisch bei ihm, "da lagern wir unsere toxischen Industrieabfälle...
...natürlich ist es da schön. Wunderschön. Ich habe immer davon geträumt mit jemanden da hinzukommen der etwas besonderes für mich ist, also von daher kannst du dir vorstellen wie schön Khao Phnom Koumnor ist..."
"Ich bin also Jemand der etwas besonderes für dich ist?" freute sich Taeran.
"Trottel" frotzelte Taephorn, "als wenn du das nicht wüsstest..."

Wegen Taeran waren An-Taetsin und Meran etwas früher eingetroffen als die Anderen und so brachten Taejo und Trevor die beiden schon hinaus zum Nánfāng huāyuán gōngdiän während ihr Sohn sich auf den Weg nach Khamarinien machte.

Im Nánfāng huāyuán gōngdiän angelangt war es Taejo höchstpersönlich der ihnen ihren Raum zeigte.
An-Taetsin erkannte ihn sofort wieder.
"Das ist der Raum in dem ich mit Taego... am Tag danach..." raunte er und griff fest nach Merans Hand.
"Dieses Mal ist das der Raum in den du dich jederzeit zurückziehen kannst und wohin dir niemand außer Meran folgen wird" erklärte ihm Taejo sanft.
Er nickte und erklärte: "Das ist eine gute Idee", dann grinste er und meinte: "Das ist aber nicht das originale Bett von damals, wo Taego mich...?"
"Nein, der Himmel bewahre" sprach Taejo beinahe entsetzt, "das ist eine Rekonstruktion, du willst nicht wissen was man in den Stoffen und Polstern eines Himmelbettes nach zweihundert Jahren alles findet..."
"Es ist schöner als ich das Original in Erinnerung habe" lobte An-Taetsin nun.
"Ich freue mich, dass es dir gefällt" erwiderte Taejo, "aber mal eine andere Frage: Weißt du schon was du anziehst?"
"Das ist eine gute Frage" seufzte An-Taetsin, "aber ich weiß auf jeden Fall was ich nicht anziehen werde, nämlich ein Brautkleid. Und alles was einem solchen nur ansatzweise nahe kommt!"
"Wenn du erlaubst würde ich dir gerne einen Vorschlag machen" sprach Taejo nun.
"Ja gerne, tue dir keinen Zwang an" ermutigte ihn An-Taetsin.
"Dann komm' mit" forderte Taejo ihn auf.

An-Taetsin, Meran und Trevor folgten ihn durch mehrere Flure in einen kleinen Raum.
Was sie dort dann sahen als Taejo das Licht einschaltete, verschlug ihnen den Atem.
Eine Art Schaufensterpuppe stand vor ihnen und sie war mit etwas bekleidet von dem sich keiner der Betrachter sicher war, ob es Kleidung war, oder doch ein einfach überdimensionales Schmuckstück.
Unzählige Perlen waren zu Perlenketten verbunden worden die wiederum zu einer Art Kleidungsstück verbunden waren in welches eine große Zahl blau schimmernder Edelsteine eingefügt waren.

"Was um alles in ganz Bumia ist das?" erkundigte sich An-Taetsin ein wenig irritiert.
"Was das ist, kann ich dir auch nicht sagen" erwiderte Taejo, "aber ich kann dir sagen wie es heißt und woher es kommt."
"Ich bin ganz Ohr!" versicherte ihm An-Taetsin.
"Es nennt sich 'Slozy platschuschtschego mal'chika', das meint übersetzt soviel wie 'Die Tränen des weinenden Jungen'" begann Taejo zu erzählen, "und wie ihr euch jetzt vermutlich schon denken könnt, steht es in einem Zusammenhang mit dir mein lieber An-Taetsin. Zar Fedej hat es anfertigen lassen und zwar für Alexej Basdunow. Ivenej wusste davon und hat es mir aus Tsarigrad kommen lassen."
"Eindrucksvoll" erklärte An-Taetsin, "aber jetzt will ich natürlich wissen wer Alexej Basdunow war?"

Mit dieser Frage hatte Taejo offensichtlich gerechnet, denn er grinste verschmitzt und meinte dann: "Ich wusste, dass du das wissen willst, deswegen habe ich mich vorbereitet."
Er zückte ein Blatt Papier von dem er vorlas: "'Die ersten Favoriten von Zar Fedej waren Valej Basdunow, ein temperamentvoller Gouverneur, aber eine schamloser Heiliger der Tyrannei und sein Sohn Alexej, dieser hatte ein schönes Gesicht und eine gemeine Seele, ohne die Fedej keinen Spaß bei Banketten haben konnte oder Lust am Morden.'
Das schreibt Nikolej Karamzin in 'Die Geschichte des silistrischen Staates'.
Nach dem heutigen Kenntnisstand war Alexej wohl ein Geliebter des Zaren Fedej, einige gehen soweit, dass sie sagen, er war der einzige Mensch den Fedej je geliebt hat. Aufrichtig geliebt hatte.
Wie das bei Fedejs bekannten Hang zur Grausamkeit funktionieren konnte ist auch heute noch ein Rätsel, wobei es Hinweise gibt, dass das womöglich eine Gemeinsamkeit der Beiden war.
Knjas Andrej Jusowa, ein silistrischer Feldherr und Zeitgenosse Fedej nennt Alexej in seiner umfassenden Korrespondenz mehrfach 'Liebhaber des Zaren', beschuldigt aber auch Valej Basdunow seinen Sohn Alexej auszunutzen, um in die Gunst des Zaren zu gelangen.
Zumindest war die Beziehung der Beiden schon für ihre Zeitgenossen offensichtlich, denn ein Knjas Dimitrej Ovotschina hatte Alexej als Kinnäden des Zaren beschimpft und ein erboster Zar Fedej hat ihn daraufhin zum Tode verurteilt und selbst erdrosselt.
Abgesehen davon, dass er der Geliebte von Fedej dem Furchtbaren war, war Alexej Basdunow auch ein fähiger Feldherr der dem Zaren einige wichtige Siege errang.
Trotzdem tanzte er nur mit diesem hier bekleidet den berühmten Tanets sljez⁸ vor Zar Fedej."

"Du hast dich gut vorbereitet" meinte An-Taetsin anerkennend, "eine Frage aber bleibt noch: Hat dieser Alexej den Zaren Fedej überlebt? Und falls nicht, wie kam er ums Leben?"
"Zar Fedej war irre" erwiderte Taejo darauf, "daran bestand kein Zweifel und jeder vernünftig denkende Mensch musste sich irgendwann gegen den Irrsinn wenden. So auch Alexejs Vater Valej Basdunow.
Der Zar verurteilte ihn zu Tode und um seine Liebe zu Fedej dem Grausamen zu beweisen, erstach Alexej seinen Vater eigenhändig.
Was ihm aber nicht auf Dauer geholfen hat, denn in seinem nächsten Anfall von Wahnsinn befand der Zar: 'Wenn du deinen Vater verraten hast, wirst du den Zaren verraten!' und ordnete seine Hinrichtung an. Das war dann auch das Ende für Alexej Krasavtschik⁸."

Betroffenes Schweigen, dass Meran mit einer Frage brach: "Wie hat der Zar ihn hinrichten lassen?"
"Ich wusste, dass einer von euch das fragen würde" erklärte Taejo und grinste Trevor an.
"Hab dagegen gewettet" murmelte der.
"Der Zar hat ihn pfählen lassen" beantwortete Taejo nun Merans Frage, "der Legende nach, hat er eine Nachbildung seines eigenen Gliedes aus Eisen auf eine eiserne Stange befestigt, dann dieses dem armen Alexej hinten einführen und ihn mitsamt der Stange aufrichten lassen. Angeblich soll Alexej noch einmal gekommen sein, während sich das Glied seines Geliebten als Nachbildung in Eisen in ihn bohrte und dem Zaren seine Liebe versichert haben. Aber dafür gibt es natürlich keine gesicherten Quellen..."

Das erneute betroffene Schweigen brach dieses Mal An-Taetsin: "So hätte ich auch enden können. So vernarrt wie Fedej in mich war, hätte er mich Taego sicher irgendwann abgeschwatzt. Egal wie sehr ich ihn hätte glauben lassen ihn zu lieben, er war Irre. Irgendwann hätte mich so ein Schicksal ereilt. Ich meine, dass er dem Mann den er als einzigen Menschen aufrichtig geliebt haben soll so etwas anfertigen ließ und es dann 'Die Tränen des weinenden Jungen' nennt, zeigt doch wie besessen er von mir war!"
"Natürlich zeigt es das" stimmte Trevor ihm zu, "und ehrlich gesagt, ich war und bin nicht so davon überzeugt, dass es eine gute Idee war, dieses.... dieses Ding... hierherzubringen."
"Oh, das sehe ich anders" widersprach ihm An-Taetsin, "auch wenn ich befürchte, dass man damit nicht gut auf dem Rücken liegen kann, ich werde es tragen. Eine größerer Thriumph über Fedej der mich nicht vergessen konnte kann ich nicht erringen als wenn ich das trage wenn ich mich anschicke, zu vergessen und zu überwinden was er mir angetan hat."

¹etwa 21. Dezember
²etwa 22. Dezember
³Tag der Geburt von Liamman (Sonnengott), etwa 25. Dezember
⁴etwa 24. Dezember
⁵Saamleng Khlang Yontohaoh = Überschallflieger
⁶Blitz
⁷Golf von Khamarinien
⁸der Schöne

Bild oben: Alexej Basdunow und Zar Fedej der Grausame/Furchtbare

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top