#53 Aus der Vergangenheit
Natürlich war An-Taetsin im Keller bei seinen Treneminos, als Taeran mit seinem besten Freund Ivan und dessen Amoamicon Mercur bei sich daheim eintraf.
Wie erwartet war von Meran ab Martiam, seinem Pator, nichts zu sehen.
So stiegen die Drei hinab in den Untergrund, hinab in An-Taetsins Reich.
"Oh, Taeran..." freute sich sein Mator als er hereinkam, doch als dann noch Ivan und Mercur diesem folgten, war ihm die Verwunderung deutlich anzusehen.
"Ivan kennst du ja schon" erklärte Taeran, "und der hinter ihm ist Mercur, sein Amoamicon..."
"Vaj Ivan, Mercur nett dich kennenzulernen, hab schon von dir gehört" begrüßte sie An-Taetsin nun.
Dann wandte er sich an seinen Sohn: "Was führt euch her?"
"Also mich führt her, dass ich eine Frage habe an dich" erklärte der, " und Mercur ist hier weil er Treneminos mag..."
An-Taetsin schaute zu Mercur, musterte ihn und ein sehr erfreutes Leuchten trat in seine Augen: "Wirklich? Das macht deinen Amoamicon aber sehr sympathisch, Ivan..."
"Finde ich auch..." erwiderte Ivan lächelnd.
"Zuerst deine Frage, dann meine Züge" beschloss An-Taetsin.
"Gut" stimmte Taeran ihm zu, "du wolltest doch immer an die Orte deiner Kindheit zurückkehren, sie besuchen. Ich... Also ich würde die Heimat meines Mators auch gerne einmal sehen..."
An-Taetsin schwieg einen langen Augenblick, dann erwiderte er: "Das schiebe ich schon wieder viel zu lange vor mir her. Taejo hat mich gestern erst gefragt ob ich es nicht in den Ferien machen will..."
"Also ich hätte Zeit" merkte Taeran an.
"Hmm...." war An-Taetsin unschlüssig.
Dann aber plötzlich raffte er sich auf: "Vielleicht ist das einfach ein Wink des Schicksals. Ich rufe jetzt Taejo an, wann er Zeit hat..."
Sprachs und begann nach seinem Callidcom zu suchen.
Eine Viertelstunde später hatte Ivan es gefunden und tatsächlich nahm es An-Taetsin an sich und befahl: "Wähle Nummer von Taejo!"
Nach der Aufsehen erregenden Anhörung in Sachen Anti-Administration-Party im Parlament von New Lugunia waren Trevor und Taejo ins Herzen der Südshires gereist.
Nach New Awinion an der Kayonian Sea, an die Mündung des Gichissippi ins Meer.
Sind und Zweck war es einfach die Earldormen¹ der südlichen Shires wie Lower Gichissippi, Gichissippi und Tayshania, welche alle inzwischen der AAP angehörten zu zwingen, sie zu empfangen und im Prinzip sich ihnen zu unterwerfen.
Zu diesem Zweck hatte Trevor sogar eine ältere Hymne zu Ehren der Divinobles, nämlich 'Nuo honestoron nossos Divinores'² in eine angevinische Version übertragen lassen.
In prunkvoller Staatskarosse ließen sich der Hochkönig und der Kaiser vom Flughafen zur Residenz des Earldormen fahren.
Mit Ehrengarde.
Schulklassen, Sportvereine, ganze Behörden waren zum Spalier stehen verdonnert – und dazu ihr Knie zu beugen und ihr Haupt zu senken.
Aber es gab auch genügend Menschen die freiwillig kamen. Alle diejenigen Frauen und anderen Minderheiten der Gesellschaft die von der Emanzipation derselben seit Trevors Thronbesteigung profitiert hatten. Alle diejenigen die sich ausmalen konnten, was der latente Rassismus der AAP und ihrer Anhängerschaft für sie bedeutet wenn diese von nordisch-weißer Überlegenheit schwafelnden Hetzer wirklich uneingeschränkt an die Macht kämen.
Sie alle fingen an die Hymne anzustimmen sobald der Wagen mit Trevor und Taejo in Sicht kam.
So erschall denn sie denn durch die Straßen von New Awinion:
"We honor our highest gods
Which descendended to us
We honor our greatest rulers
Which providence has given to us..."³
Auch Earldorman Mouton Bordat war gezwungen Haupt und Knie zu beugen, seinem Herrscher Folgsamkeit zu demonstrieren.
Im Anschluss hielt der Hochkönig eine Rede vor der General Assembly⁴ of Lower Gichissippi in der er vor allem sein Befremden darüber zum Ausdruck brachte, das gewählte Vertreter seines Landes seinen Sohn als Monster bezeichneten, verbunden mit der deutlichen Warnung, dass auch die Meinungsfreiheit ihre Grenzen in der Treue zum Souverän findet.
Im Anschluss bestiegen sie einen Zug der sie durch einige der südlichen Shires bis nach Marthastown in Charlonia bringen würde. Natürlich mit Stopps in den wichtigen Orten und einer eingeforderten Huldigung durch Volk und Würdenträgern, selbst in den nur durchfahrenen Ortschaften.
Der Zug hatte gerade New Awinion verlassen und fuhr die lange Rampe zur King-Charlon-Bridge hinauf die ihn über den Gichissippi in Richtung Tayshania bringen sollte, als auf Taejos Callidcom der Anruf von An-Taetsin einging.
Mit "Ni hao Taetae!⁵" meldete er sich.
"Ni hao Taejo" begrüßte der ihn und fuhr dann gleich auf Kitaisch fort: "Störe ich?"
"Nein, ganz und gar nicht" erwiderte Taejo.
"Gut" erklärte An-Taetsin, "es ist vielleicht ein bisschen plötzlich, aber ich denke ich bin bereit..."
Taejo wusste sofort wofür er bereit war.
"Das freut mich sehr" erwiderte er, "in drei Tagen bin ich in Marthastown, ich könnte von da aus direkt nach Hanyang kommen..."
"Also in vier Tagen in Hanyang..." wiederholte An-Taetsin, "...gib mir einen Moment..."
Er drehte sich um und wandte sich den drei Jungens zu: "In vier Tagen in Hanyang?" wiederholte er dann auf Sorenisch.
"Ich kann Kitaisch" erwiderte ihm Taeran und wechselte dann in diese Sprache: "Wenn dir das nicht zu rasch ist, ich bin dabei!"
"Wenn dir das nicht zu rasch ist" gab An-Taetsin nun an Taejo weiter, "dann bin ich mit Taeran in vier Tagen in Hanyang."
"Dann in vier Tagen in Hanyang" bestätigte Taejo.
"Was wollte Taetae?" erkundigte sich Trevor kaum dass Taejo aufgelegt hatte.
"Sich endlich der Vergangenheit stellen" erklärte sein Uxvir ihm.
"Das heißt?" erkundigte sich Trevor.
"Ich fliege von Marthatown nach Hanyang. Und ich nehme Taephorn mit. Sein Vater ist nämlich zu der Zeit auch in Hanyang."
"Dann sage ich Leton mal Bescheid, dass er Taephorn rechtzeitig nach Marthastown schickt" meinte Trevor.
In Sore Urbs hingegen erklärte An-Taetsin gerade: "Das wäre geklärt, in drei Tagen fliege ich mit Taeran nach Hanyang. Jetzt zu den vergnüglicheren Dingen. Du interessierst dich also auch für Treneminos?" wandte er sich an Mercur.
Der nickte.
"Na dann komm mal mit" meinte er nun, "ich habe ganz neu das Modell des 'Ligusa' bekommen, des ersten Hochgeschwindigkeitszug zwischen Angevinien und Sore..."
"Komplett mit allen sechzehn Teilen?" erkundigte sich Mercur beeindruckt und als An-Taetsin das mit "Oh ja!" bestätigte meinte Mercur nur: "Nun ja, dein Sculpturicon ist ja auch groß genug um so einen 5-Meter-Zug fahren zu lassen..."
Etwas entgeistert schaute Ivan, ziemlich amüsiert Taeran den beiden hinterher.
"Na komm" meinte Taeran dann zu Ivan, "da sind wir jetzt für die nächsten zwei Stunden abgemeldet."
"Und nun?" erkundigte sich Ivan.
"Nun gucken wir einen Film oder du erzählst mir ob du Mercur schon flachgelegt hast.." lachte Taeran.
"Dein Pator hat echt 'Nuo honestoron nossos Divinores'² singen lassen?" Evan konnte es garnicht so richtig fassen.
Das war ein Gesang den er ganz klar mit seinem Pator und dessen Pator in Verbindung brachte.
Eine Hymne die er schon im sorenischen Original für sehr provokant hielt.
Und es war doch zweifelsohne provokant wenn sich die herrschenden Klasse als 'hinabgesandte Götter' feiern ließ.
Selbst für sorenische Verhältnisse der Gegenwart. Aber sicher noch mehr für angevinische Verhältnisse.
Trotzdem ließ Trevor sich mit genau dieser Hymne nun huldigen.
"Hörst du doch..." erwiderte Trevor unbekümmert, "...ich wette spätestens morgen früh findest du dann irgendwo im Telenet die erste Persiflage mit 'We honor our darkest monsters...'⁶ oder dergleichen..."
"Warum denn Schwarz?" erkundigte sich Issan, "du bist doch nicht schwarz..."
"Oh, natürlich damit man gleich seine Ablehnung von Gays, von uns und von People of Hues⁷ in eins bekommt" erklärte Leton zynisch.
"Du scheinst nicht sehr überzeugt davon zu sein, dass die Tour Deiner Eltern durch die südlichen Shires Erfolg haben wird" stellte Evan fest.
"Oh, es wird Eindruck machen" erwiderte Leton, "natürlich wird es das. Solche Frechheiten wie die Greenmar letztens wird man sich nicht mehr öffentlich erlauben. Aber es wird das Problem nicht lösen. Diese Leute werden verdeckt weiter machen, weiter hetzen und weiter ihre Kinder mit ihrer Gedankengülle zukübeln. Nicht einmal die Hetze im Telenet wird wirklich angegangen..."
Evan seufzte laut, dann meinte er: "Wisst ihr was wirklich schlimm ist? Ich beginne plötzlich manche Handlungen meines Pators in einem ganz anderen Licht zu sehen..."
"Wie meinst du das?" fragte Issan.
"Nun, guck dir doch dieses Sorte Leute da in den südlichen Shires an. Sie würden alles tun um uns loszuwerden, sie würden auch gerne wieder die Herrenrasse spielen. Sie haben dich, Issan, dazu gebracht Haß zu empfinden und dich, Leton, machen sie auch nicht glücklich" begann Evan auszuführen.
"Aber was hat das mit Terastan zu tun?" erkundigte sich Leton.
"Nun" antwortete Evan, "was, wenn zum Beispiel die Ostarier genauso waren? Was wenn sie Sore nicht nur angegriffen hatten sondern zuvor alles getan haben damit mein Pator, damit andere Divinobles in Sore, genau das empfanden was wir jetzt empfinden?"
"Oh Evan..." keuchte Issan der verstanden hatte worauf er hinaus wollte.
"Erscheint plötzlich der Untergang von Beksach nicht in einem ganz anderen Licht?" fuhr Evan unbeirrt fort.
"Nein Evan!" widersprach ihm Leton, "so darfst du nicht denken. Ich könnte doch niemals den Einsatz einer Fissionsbombe befehlen und auf einen Schlag Millionen Menschen töten!"
"Noch kannst du das nicht" kam es da mit dunkler Stimme von Issan, "aber niemand von uns kann versprechen, dass er das niemals und die nächsten neun Jahrhunderte niemals können wird."
"Hass ist eine Säure, die die Seele auffrisst, ganz gleich, ob man selbst hasst oder gehasst wird" zitierte Leton den berühmten nordenschen Pazifisten und Autor Error Remark.
"Das meine ich" erwiderte Evan, "vielleicht hat mein Pator nicht nur soviel gehasst sondern wurde auch genug gehasst um seine Seele Schaden nehmen zu lassen?"
"Selbst wenn wir nicht hassen kann Hass uns vereinnahmen" stimmte Issan ihm zu, "und wir alle wissen, dass aus erlittenem Hass irgendwann immer unweigerlich eigener Hass entstehen wird."
"Also können wir garnichts tun?" kam es betroffen von Leton.
"Doch, natürlich können wir etwas tun" entgegnete ihm Issan, "aber wenn wir glauben, dass wir uns dem völlig entziehen können, dann irren wir. Das ist aber kein Grund uns dem Hass einfach hinzugeben wie dein Großvater, der Storeledar oder dein Pator Terastan..."
Bei seinen letzten Worten schaute er zu Evan.
"Mir macht das Angst" erklärte der sofort, "ich habe Angst so zu werden wie mein Pator war. Angst, dass das tief in uns drinnen steckt und uns irgendwann übernimmt..."
"Und das unterscheidet dich von deinem Pator" widersprach ihm Leton, "der hatte diese Angst nie. Und das machte es dem Hass einfach ihn zu übernehmen. So wie mein Großvater. Der hat sich nicht nur widerstandslos übernehmen lassen, der hat den Hass sogar noch kultiviert. Er hat ein ganzes System auf kollektiven Hass aufgebaut. Wofür der Hass am Ende nicht einmal mehr ein Ziel brauchte wie man sehr gut daran sieht, wie schnell er den Hass von den Kinäden auf die Silistrier umschwenken konnte..."
Levon und Taylon machten sich ähnliche Gedanken, denn auch sie hatten natürlich die Berichterstattung aus den südlichen Shires gesehen.
"Ich weiß nicht ob das wirklich was bringt" meldete Taylon leise Zweifel an, "ich meine New Lugunia gibt sich immer gerne liberal und progressiv, aber wenn wir mal ehrlich sind, das trifft nur auf den Nordosten, Midtown, die Westküste und einzelne Orte in Ostoria zu."
"Und ich frage mich, was passiert, wenn das nichts bringt" erwiderte Levon.
"Wie meinst du das?" erkundigte sich Taylon.
"Nun, was ich meine ist folgendes:" begann Levon zu erläutern, "Die Familien Liang, vaf Somien und Landon waren in der Vergangenheit nicht zimperlich wenn es um ihren Machterhalt ging. Die Divinobles waren es noch weniger. Nun sind die Liangs, vaf Somiens und Landons noch zu Divinobles geworden, das wird es wohl nicht besser machen..."
"Was machen Divinobles denn so wenn man sie anpisst?" wollte Taylon da natürlich wissen.
"Sagt dir Beksach was? Oder Ostarien?" erkundigte sich Levon vorsichtig.
"Nein, nie gehört" lautete Taylons für Levon nicht ganz überraschende Antwort.
"Nun, dann bekommst du jetzt eine kleine Lektion in Geschichte" begann Levon zu erzählen, "also, Ostarien war ein durchaus bedeutender Staat zwischen Nordenland und Sore gelegen. Seine Hauptstadt nannte sich Beksach..."
¹Governors
²Wir ehren unsere Götter
³Wir ehren unsere höchsten Götter
Die zu uns herabgestiegen sind
Wir ehren unsere größten Herrscher
Die die Vorsehung uns gegeben hat..."
⁴Generalversammlung = Landtag
⁵Hallo Taetae
⁶Wir ehren unsre schwärzesten Monster..
⁷People of Color
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