#50 Der Charme der Unschuld
"Guten Morgen mein Kleiner" begrüßte Gaston am nächsten Morgen Eleonor, der sich leise grummelnd an ihn schmiegte und sein Gesicht unter seinem Arm verbarg, "hast du gut geschlafen?"
"Ja, sehr..." nuschelte Eleonor, "ich glaube ich könnte mich daran gewöhnen..."
"Ich mich auch" erwiderte Gaston, stand dann aber doch auf, Eleonors unzufriedenes Gegrummel einfach ignorierend.
Er stand gerade unter der Dusche und dachte an alles Mögliche als sich plötzlich zwei schmale Arme von hinten um ihn schlangen und ein schmaler Körper sich an seine Rückseite lehnte.
"Eleonor?" fragte er, dabei war es wohl ziemlich klar, dass dieser es war, der zu ihm in die Dusche gestiegen war.
"Hmmm..." nuschelte der.
Gaston wusch sich einfach seine Haare weiter und als er dann fertig damit war, entfernt er einfach die beiden Arme von seiner Taille und machte, dass er aus der Dusche kam.
Eleonor starrte ihm etwas verdutzt nach, dann zuckte er mit den Schultern und begann sich die Haare zu waschen.
Er konnte ja nicht verstehen, dass Gaston die Befürchtung hatte, dass, wenn er sich umgedreht und einen nackten Eleonor gesehen hätte, er sich womöglich zu einer spontanen Entjungferung desselben hätte verleiten lassen.
Und so sehr wie er darauf hoffte eines Tages der Erste bei Eleonor sein zu dürfen, so würde das sicherlich nicht stattfinden.
Es war ein Tag, den die Vereinigte Königreiche von Angevinien und speziell New Lugunia nicht so schnell vergessen würden. Wohlbedacht und glaubhaft schilderte Archearl Meran of Martiam, der Supreme Commander of the armed forces and intelligence services of the Soreniam Empire dem Innenausschuss des Parliaments of New Lugunia was man in Sore über die Geldzuwendungen von Bürgern Sores, darunter sogar Mitgliedern des Senates von Sore, an die Anti-Administration-Party und an einzelne Personen, die Mitglieder dieser Partei waren oder als ihr nahestehend eingestuft wurden, herausgefunden hatte.
Wütend und mit Tränen in den Augen verteidigte sich später Finison Jeffer gegen die Vorwürfe, warf dem Ausschuss und feindlichen ausländischen Kräften eine "Suche-und-zerstöre"-Attacke auf die Reputation seiner Partei, auf seine Reputation und Familie vor und versprach, dass die Partei und er ihre Ziele unter keinen Umständen aufgeben wollen.
Doch die AAP war ja längst in diesem Parlament angekommen, stellte längst die Mehrheit der Abgeordneten aus den südlichen Shires von New Lugunia.
Der langjährige Abgeordnete Lindson Traitham, erst kürzlich von der Workers Party¹ zur AAP gewechselt, war es, der unter den bei Meran stillen Abgeordneten das Wort ergriff: "Das ist der unethischste Schwindel, seitdem ich in der Politik bin", donnerte er. Die AAP und ganz besonders Finison Jeffer seien beide Opfer. Die wenigen unentschlossenen Abgeordneten im Parlament warnte er: "Wenn Sie für die Verurteilung stimmen, legitimieren Sie die abscheulichste Sache, die ich in meiner Zeit in der Politik gesehen habe." Sein Ausbruch markierte den Wendepunkt: AAPler für AAPler sprachen nun von einem Ränkespiel der Court Party² und sicherten Jeffer ihr Bedauern zu.
Endgültig zu einem Skandal entwickelte sich die Anhörung als die AAP-Abgeordnete Tayla Greenmar das Wort ergreift und Hochkönig Trevon des Hochverrates bezichtigt weil er als Hüter des Glaubens mit seiner gotteslästerlichen Verbindung und der Zeugung eines widernatürlichen Monsters welches er als Kronprinzen ausgäbe die Faithful Praisers of Angevinia³ von innen heraus zerstöre und das sei das Werk des Satans⁴.
Sie wurde unterbrochen vom stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses, dem Abgeordneten Clinton Cheery, welcher sie in rüden Worten maßregelt und darauf hinweist, dass man ihre Worte als Hochverrat und als Aufruf zum Umsturz werten könne.
Worauf Tayla Greenmar kreischte, sie sei hier nur die treue Stimme Godans und irgendwer müsse doch Satan entgegentreten, auch wenn er sich an der Spitze des Staates zeige!
Mit den Stimmen der Mehrheit von Workers Party und Court Party beschließt der Ausschuss am Ende die Verurteilung der Anti-Administration-Party wegen illegaler Parteienfinanzierung. Die Partei muss die aus dem Ausland erhaltenen Gelder an das Hohe Haus abtreten und noch einmal eine Summe in derselben Höhe als Strafe zahlen.
Da half es auch nicht, dass Tayla Greenmar schrie, dass dies' das Werk Satans sei, welcher die Partei Godans vernichten wolle.
Brandon Wanker, welcher das ganze Spektakel als Zuschauer verfolgt hatte, zog auch eine Konsequenz daraus.
Ihm war klar, dass er zur Zeit keine Chance hatte seinen Kampf vor Gericht zu gewinnen.
Und so beschloss er sich zu Nutze zu machen, dass New Lugunia kein Melderegister hatte und es somit sehr einfach war, unterzutauchen.
Es lag in der Natur der Sache, dass Letons Stimmung dadurch beeinträchtigt wurde.
Der Auftritt von Tayla Greenmar machte sofort die Runde durch alle Medien und das ging selbst am College nicht vorbei.
Natürlich sprach ihn niemand darauf an, aber er hatte es angesehen und es war klar, die meisten um ihn herum ebenfalls.
Es war kein gutes Gefühl als widernatürliches Monster tituliert zu werden und das Gefühl wurde durch das Wissen, dass es alle mitbekommen hatten, auch nicht besser.
Entsprechend niedergeschlagen war er als er wieder bei seinen beiden Freunden anlangte.
Die von der Angelegenheit natürlich auch schon mitbekommen hatten.
"Komm her" meinte Evan auch gleich und zog ihn in seine Arme, hielt ihn tröstend fest.
Issan flüchtete sich eher in Witzeleien. "Willkommen in der WG der widernatürlichen Monster" spottete er.
Doch der traurige Blick von Leton zeigte ihm schnell, dass der darüber nicht lachen konnte.
Und dann kam wieder dieses heiße Gefühl in ihm hoch, dass er erst kürzlich beim Anschauen der Hetze im Telenet empfunden hatte. Verbunden mit dem Bedürfnis sie alle zu vernichten, vor allem diese Greenmar....
"Ich hasse sie!" brach es urplötzlich aus ihm heraus.
Augenblicklich hatte er die volle Aufmerksamkeit von Leton und Evan die ihn erschrocken ansahen und dann zu ihm eilten.
"Du kannst nicht hassen, du bist Issan!" erklärte Leton so hilflos wie liebenswert.
Evan indessen mahnte: "Du darfst nicht hassen, wo Hass aufkommt droht Untergang."
"Ich... ich..." stammelte Issan, "ich will das doch garnicht. Es überkommt mich einfach so. Sie tun Leton weh. Und dafür verlangt es mich sie zu bestrafen..."
"Das ist natürlich" erklärte Evan nun, "aber du darfst dem nicht nachgeben. Sonst wirst du am Ende so wie mein Pator..."
"Meinst du wirklich?" Issan war ernstlich erschrocken.
"Wer wünscht, daß man ihn fürchtet, erreicht nur, daß man ihn haßt" zitierte Leton nun den angevinischen Schriftsteller Charlon Secondis, Baron da la Breda.
"Ich will doch garnicht, dass man mich fürchtet" widersprach ihm Issan augenblicklich, dann fügte er sehr leise hinzu: "Ich will doch nur, dass man mich mag..."
"Das ist gefährlich" sprach Leton nun, "denn Hass ist das Bedürfnis nach Liebe mit dem man gescheitert ist. Und mit dem Bedürfnis, dass jeder dich mag wirst du unweigerlich scheitern..."
"Aber ihr könnt mich doch auch lieben?" wandte Issan nun ein.
"Wir sind ja auch etwas besonderes" entgegnete ihm Evan.
"Du musst doch nur an Ivan denken, dann weißt du doch, dass dich nicht jeder mögen kann" versuchte es Leton mit sachlichen Argumenten.
"Ivan kann mich schon mögen" widersprach Issan, "ich mag das nur nicht..."
"Wer sagt dir, dass du es dann bei diesen Hatern magst?" hatte Evan nun einen durchaus berechtigten Einwand.
"Ach, ihr versteht das nicht" grummelte Issan nun.
"Oh doch, viel besser als du denkst" seufzte Evan und zog ihn in seine Arme.
"Nachdem wir heute im Laufe des Tages erfahren durften, dass die Kinder unserer Archpeers allesamt widernatürliche Monster sind" sprach Gaila Orfrey, "frage ich mich natürlich, wie lebt es sich so als Monster. Kann man da glücklich sein oder werden? Und wie ist es, wenn man sich in so ein Monster verliebt? Machen Monster einen glücklich? Diese Fragen stelle ich nun meinen nächsten Gästen. Bitte begrüßen Sie mit mir Lord Gaston of Ostoria und Eleon Goldenhues!"
Während das Publikum nun Beifall klatschte betraten Gaston und Eleonor die Bühne der Gaila-Ofrey-Show.
"Hello Gaila!" rief Gaston und begrüßte sie mit Wangenküsschen.
Sicher, für ihn war das weder der erste Fernsehauftritt noch der erste Besuch in der Gaila-Ofrey-Show.
Für Eleonor war das hingegen etwas ganz anderes. Alles war neue und aufregend und so vielen Menschen deren Vorfahren aus dem südlichen Friqiya kamen, war er auch noch nicht begegnet.
Er gab Gaila Orfrey die Hand und begrüßte sie etwas steif mit: "Good evening Mrs. Ofrey!"
Worauf die natürlich zu lachen begann und meinte: "Oh, ein wohlerzogener Junge, auf der Bühne wirkte das aber anders..."
"...und unter der Dusche erst einmal..." merkte Gaston wie unbeabsichtigt an.
"Oh oh und hier steht er so wie Schwiegermutters Liebling..." scherzte Gaila nun.
Ein wenig wurde Eleonor rot, ein wenig aber auch wütend, dass man sich über ihn lustig zu machen schien.
Während Gaila, Gaston und er sich nun also setzten, ließ er mit einem kleinen Grinsen eine Bemerkung vom Stapel: "Nun, zum Glück habe ich mich ja für ein Monster entschieden. Und die haben keine Mutter..."
"Punkt für dich Kleiner!" lachte Gaila während Gaston ein wenig perplex zu sein schien.
"Also Gaston" wandte sich die Ofrey nun aber an diesen, "Ihr habt die Ausführungen der Gaga Queen heute über das was ihr seid mitbekommen vermute ich?"
"Nun, etwas intelligentes von Greenmar ist wirklich rar" spottete Gaston nun, "aber hey, ob ich nun ein Kind von Libulan bin oder wie sie sagt von Satan, immerhin stamme ich von Göttern ab."
"Nun, ob Gaga Greenmar Satan als Gott sieht darf man wohl bezweifeln" meine Gaila nun, "bei ihr hat man ja den Eindruck als wenn der Alte Glaube nur Godan kannte..."
"Nun, es ist ja nichts neues, dass diejenigen die am Lautesten mit dem Glauben argumentieren die wenigste Ahnung davon haben" erwiderte Gaston, "aber um ehrlich zu sein, ich bin zwar ein Archpeer, aber dennoch nicht der richtige Ansprechpartner für Greenmars Monstereien. Anders als beispielsweise mein Bruder Levon habe ich nämlich eine leibliche Mutter..."
"Oha, dann würde da also doch eine Schwiegermutter auf unseren Eleon hier warten?" gab sich Gaila nun überrascht.
"Nun" antwortete Gaston darauf, "in der Theorie schon. Aber meine Mutter steht weltanschaulich mehr auf der Seite von Gestalten wie der Gaga Queen. So traurig es ist, aber ich habe seit mehr als zwanzig Jahren kein Kontakt mehr zu ihr."
Eleonor hörte davon zum ersten Mal und wie schon bei seinem ersten Kuss gelang es ihm wunderbar auszublenden wo er war und wieviele ihnen gerade wohl zuschauten.
Traurig schaute er Gaston an und meinte voller Anteilnahme: "Das ist so traurig. Es tut mir so leid...
...warum nur macht man sowas? Zu seinem eigenen Kind den Kontakt abbrechen..."
"Oh cuter Eleon" meinte Gaila nun, "Eltern können furchtbar sein. Gerade wenn ihre Kinder nicht so sind wie sie sich das vorgestellt haben."
"Also ich könnte das nicht. Wenn ich Kinder hätte..." meinte Eleonor ehrlich erschüttert.
"Du könntest dir also vorstellen Kinder zu haben?" leitete Gaila elegant zu einem anderen Thema über.
"Oh ja, natürlich" bestätigte Eleonor völlig arglos.
"Vielleicht mit Gaston?" hakte Gaila da ein.
Eleonor wurde etwas rot, dann meinte er unschuldig: "Ich hoffe das, ich hoffe das wirklich sehr..."
Während das Publikum nun Laute des Entzückens äußerte, wandte sich Gaila wieder an Gaston.
"Ihr habt diesem entzückenden Jungen auf offener Bühne Eure Liebe erklärt, was Eurer Publicity sicherlich sehr geholfen hat, aber sagt mir, wie ernst war es Euch dabei?" fragte sie ihn.
"Sehr ernst" erklärte der, "absolut sehr ernst!"
"Und du hast ihm darauf ja ziemlich schnell eine Antwort gegeben" fragte sie daraufhin Eleonor, "da vermute ich doch, dass Gastons Gefühle bei dir nicht auf taube Ohren trafen?"
"Oh nein, das trafen sie nicht" strahlte Eleonor nun, "ich liebe ihn und er ist mein Boyfriend!"
"Boyfriend? Ihr seid also zusammen?" setzte Gaila sofort nach.
"Sind wir!" bestätigte Gaston und Eleonor meinte: "Oh ja und ich bin sooo glücklich..."
"Also führte der erste Kuss zu einem Happy End" resümierte Gaila und sie klang wirklich danach als wenn sie das freuen würde, "dann können wir euch in Zukunft vielleicht als Duett erleben?"
"Nun, wir sind gerade einmal vierundzwanzig Stunden zusammen" schaltete sich Gaston da nun souverän ein, "Sie werden verstehen, dass wir da noch nicht unser ganzes zukünftiges Leben durchgeplant haben..."
Er erntete Gelächter im Publikum.
Und Dann meinte Eleonor ganz ohne Hintergedanken: "Nee wir waren ja auch mit meinem zweiten und dritten Kuss beschäftigt..."
Nichts aber konterkarierte die bösen Worte der Greenmar und ihrer Gesinnungsgenossen besser als diese Cuteness von Eleonor und seiner Liebe zu Gaston die so offenherzig und unschuldig einherkam, dass ihm alle Herzen zuflogen und ihm jeder nur das Beste wünschte.
Selbst Tayla Greenmar die gemeinsam mit Brandon Wanker ebenfalls die Gaila-Ofrey-Show sah, konnte sich diesem Charme nur schwerlich entziehen.
"Das ist alles diese schwarze Hexe schuld" zischte sie, "eine Dienerin Satans die uns zu ihm verführen will, indem sie uns zusehen lässt wie ein unschuldiger Mensch ins Verderben gelockt wird..."
¹Arbeiterpartei
²Hofpartei, konservative Partei in Angevinien, Hilda Slater war da Mitglied
³Die Kirche Angeviniens
⁴Gott der Zerstörung und des Bösen
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