#46 Freunde, falsche und echte...

Nach seinem Schulwechsel und dem Tag von Punta war Mercur für längere Zeit bei Ivan geblieben.
Alle Beteiligten waren übereingekommen, dass das sicherer wäre für ihn. Immerhin lief Lorenur ja frei herum und wusste wo Mercurs Elternhaus war.
Trotzdem war zwischen Ivan und ihm noch nichts weiter passiert außer Küssen und der Tatsache, dass Mercur jeden Nacht in Ivans Armen schlief.
Beide wollten einander nicht drängen und warteten auf ein Signal  des jeweils Anderen. Das war vielleicht nicht besonders schlau wenn beide mehr wollten, aber sehr einfühlsam gedacht dafür um so mehr.

Heute aber war Mercur zurück in seinem Elternhaus.
Also was heißt zurück. Dass er am Ende seines Besuches viele seiner Sachen in Ivans Auto mit dem er gekommen war, laden und zu diesem zurückkehren würde, war allen Beteiligten mehr als klar.

Seit dem Tag von Punta allerdings war sein Ansehen als großer Bruder bei seiner Schwester Amaldita enorm gewachsen. Was auch sicherlich daran lag, dass alle deren Schulfreundinen und Klassenkameraden ihren Bruder natürlich im Television gesehen hatten.
"Du warst auf dem Tag von Punta" sprach sie ihren Bruder ehrfürchtig an, kaum dass sie zu Hause war.
"Hat man mich doch im TV gesehen?" erkundigte der sich süffisant.
Doch Amaldita stieg darauf garnicht ein: "Du hast an der Tafel der Großen des Reiches gesessen!"
"Jetzt wo du es sagst..." witzelte Mercur.
"Du hast mit dem Uxvimperator getanzt!" erklärte sie voller Bewunderung.
"Hat dich das so sehr beeindruckt?" erkundigte sich Mercur nun ernsthaft.
Mit leuchtenden Augen sah seine Schwester ihn an: "Oh ja! Dich etwa nicht?"
Mercur dachte zurück an diesen Tag. An die Fahrt mit der Carpezza de Gale¹ mit Eskorte und den wehenden Standern des Imperions und des Casa do Caruso da Massilia.
An die hellblaue, taillierte Tunika mit dem silbernen Gürtel die er trug und das ebenso silberne Stirnband mit hellblauen Edelsteinen das sich um seine Haare wand.
An die prunkvollen Uniformen der höheren Divinobles und die nicht minder prächtigen Carpartores²-Galauniformen der jüngeren Divinobles. Und die prunkvollen Togen der Divinobles die wie Marlur nie Carpatores² oder im Staatsdienst waren.
Uxvire und solche die es wie er vielleicht werden würden trugen alle dieselbe Tunika. Also im Prinzip. Dass zwischen seinem Modell und dem des Uxvimperators An-Anadur Welten lagen wurde ihm klar, als dieser ihn zum Tanz bat.
"Hört es irgendwann auf so aufregend zu sein?" hatte er sich getraut diesen dabei zu fragen.
An-Anadur hatte geschmunzelt und erwidert: "Es ist anders aufregend. Aber ich glaube für jemanden wie uns wird es niemals ganz normal sein."
Er hatte sich sogar eine weitere Frage getraut: "Wie ist das, wenn man Jahrhunderte zusammen ist? Wird es nicht langweilig? Wird die Liebe nicht weniger?"
Der Uxvimperator hatte ihn ganz ernsthaft angeschaut: "Wenn es die wahre Liebe ist, die euch zusammengebracht hat, dann bleibt sie für immer. Drum prüfe wer sich ewig verbindet, dass er auch den Richtigen dafür findet."

Seitdem grübelte er darüber nach, woran man wohl wahre Liebe erkennen konnte.

Doch seine ihn seit neuestem bewundernde Schwester wartete noch immer auf eine Antwort
So sah er sie liebevoll an und erwiderte: "Oh doch, mich auch. Sehr sogar!"
Deren Neugierde war damit allerdings noch nicht gestillt: "Wenn Ivan dich heiratet, wirst du dann für immer leben?"
"Nicht für immer" erklärte er ihr, "aber für eine sehr, sehr lange Zeit."
"Denkst du Ivan wird dich heiraten?" wollte sie dann wissen.
"Ich weiß es nicht..." erwiderte er.
"Aber ihr habt euch doch geküsst?" wunderte sie sich.
"Oh Schwesterchen" lachte er nun, "für eine Heirat braucht es ein wenig mehr als nur Küsse..."

Vielleicht sollte er mit Ivan über Küsse hinausgehen? Womöglich bekam er seine Frage bezüglich der wahren Liebe dann beantwortet...

Das war eine Frage die sich für Issan längst beantwortet hatte.
Er war sich längst sicher, dass das was er für Evan und Leton empfand die wahre Liebe war.
Auch wenn er ein wenig Mitleid mit Leton hatte der sich nun den zweiten Morgen ziemlich übernächtigt aus dem Bett geqält hatte um sich vom Fahrdienst des Deputy King zum King's College fahren zu lassen.
Leton hatte was von einer "etwas unausgeglichenen Life-Sex-Balance" gestöhnt heute früh. Aber hey, sie waren jung und Issan war zuversichtlich, dass sie die Balance da wahren würden wenn sie nur erst einmal richtig zusammen leben würden.

Erst einmal aber musste er den Tag alleine mit Evan herumbringen.
Und der wiederum schlief sich erst einmal richtig aus, pennte also bis zum frühen Nachmittag durch.

Also stromerte Issan ein wenig durch das Telenet.
Und traf da auf Netsites in denen mehr oder minder offen die Rechtmäßigkeit der Herrschaft des widernatürlichen Thronräubers über Angevinien bestritten wurde und noch viel mehr den Thronanspruch des widernatürlichen Monsters ohne Mutter.
Die Begründungen dafür reichten vom homophoben Unsinn des 'Alten Glauben' über pseudowissenschaftliche Ausführungen, dass ein Kind ohne Mutter wider die Natur sei, wahlweise auch mit der religiösen Verbrämung, dass sowas Gotteslästerung sei.
Es gab auch einige wenige Stimmen, die mit der Gerechtigkeit argumentierten. Es sei ungerecht, dass nur wenige Familien an der Spitze der Macht ständen und soviel Reichtum angehäuft haben, egal ob Divinobles oder Menschen.
Diese wenigen Stimmen konnte Issan verstehen.
Aber die anderen? Die richteten sich gegen seine wahre Liebe, gegen seinen Leton und gegen seinen Evan. Sie bezeichneten beide als Monster, als Gotteslästerung und widernatürliche Kreation. Sie wollten Leton wegnehmen was seins ist. Und sie richteten sich gegen ihn selbst. Sie bezeichneten auch ihn als Monster, als widernatürliche Lästerung der Götter und sie wollten ihm Leton wegnehmen. Und Evan auch.
Sie widerten Issan an. Und zum ersten Mal in seinem Leben empfand Issan ein heißes, brennendes Gefühl, welches in ihm das Verlangen erweckte diese zu vernichten.
Das Gefühl erschreckte ihn, denn er konnte es nicht einordnen.
Und er traute sich auch nicht mit Evan darüber zu sprechen.
So verdrängte er es, verdrängte er was er gesehen, gehört und gelesen hatte...

Am Abend desselben Tages stand Eleonor dann auf der berühmten Bühne des von Lepponson & Pricksburgh im Jahre 1168 erbauten Gilmore Place Garden, direkt gegenüber der Pell Station in New Kingstown.

Wieder startete er mit 'I wanna know what love is' und wieder war das Publikum spätestens beim Refrain hin und weg.

Hin und weg war auch Gaston der dieses Mal, anders als beim Aufritt in Angeviniana, alles von der Seite sehr genau aber unbemerkt beobachtete.
Der Junge ließ im wahrsten Sinne des Wortes die Herzen höher schlagen, dass er aber seines besonders hoch schlagen ließ, das konnte Gaston nur noch schwerlich ignorieren.

Diese Mischung aus Schüchternheit und Hingabe, aus Können und Unsicherheit die Eleonor auf die Bühne brachte und die so viel echter, mitreißender und aufwühlender war als Film- und Tonaufnahmen von diesem es jemals hätten vermitteln können, war es die Eleonor die Herzen nur so zufliegen ließen.
Man wollte sich niederknien und ihn anbeten und ihn beschützen zugleich. Also zumindest Gaston wollte das.

Natürlich kamen auch Gastons Darbietungen sehr gut an. Doch am Ende war es wieder dasselbe Lied.
Die Leute verlangten nach Eleon.

Und so kam der wieder auf die Bühne gelaufen. Guckte sich um als wenn er sich noch immer nicht ganz sicher wäre, ob er gerade träumen
würde.
Er betrachtet sein Können als Geschenk und nicht als etwas, das ihn über andere erhebt verstand Gaston in diesem Moment warum Eleonor so gut ankam. Sein Können hatte nichts bedrohliches. Es war ein Geschenk welches er mit anderen teilte. Gerne und voller Hingabe teilte.

Eleonor, der alle die alten Songs von Isador rauf und runter konnte, brachte wieder einen von diesen.
Inzwischen hatte er auch abgeklärt, dass die Band die konnte.
Und so wurde es sehr still im Gilmore Place Garden während Eleonor mit ganz viel Schmelz und Herzschmerz sang:
"Dost thou know where
The dreams that all flee?
That go unfulfilled
Are passing me by?
Dost thou know where
My heart is faraning?
When all the time
It longs for love?
To thou
For that's where I want to be
To thou
But I am alone..."

Wenn es nach mir geht, nicht mehr lange dachte Gaston.
Doch obwohl er noch auf der Bühne war, hielt er sich im Hintergrund.
Nicht nur weil er Eleonor den Jubel gönnte. Auch weil es unfair gewesen wäre auf jemanden der gerade am Anfang stand eifersüchtig zu reagieren.
Er hatte in den vergangenen mehr als zwölf Jahren seiner Karriere ziemlich viele Erfolge feiern und Preise abräumen können. Es gab keinen Grund jemanden anderes als Konkurrenten zu sehen und ihn wegbeißen zu müssen.
Dazu kam, dass er unendlich viel Zeit hatte. Er konnte einfach fünfzig Jahre warten, war dann immernoch so jung wie nun und konnte mit ein paar neuen Songs vor neuen Menschen die ihn nicht kannten eine neue Karriere starten.
Eleonor hatte diese Möglichkeit nicht. Es sei denn natürlich... flüsterte da eine leise Stimme in seinem Kopf.

Gastons Manager hatte alle im Pell Hostel direkt gegenüber des Gilmore Place Garden untergebracht.
Nicht weil es ein besonders luxuriöses oder glamouröses Hotel war, sondern einfach weil es nah war.

Die Tatsache, dass Gastons Suite direkt gegenüber von Eleonors Zimmer lag, brachte den ersteren, nachdem er sich frisch geduscht und umgezogen hatte, auf eine gewissermaßen naheliegende Idee.
Er verließ seine Räumlichkeiten, schritt über den Flur und klopfte an Eleonors Tür.
Es dauerte eine gute halbe Minute bis ein verwunderter Eleonor ihm mit ziemlich mißtrauischer Miene öffnete. Die sich aber sofort in ein überrascht-freundliches Lächeln verwandelte als er Gaston erkannte.
"Ach, du bist es..." meinte er.
"Hast du auf jemanden anders gehofft?" erkundigte sich Gaston grinsend.
"Neee!" erwiderte er, "eher an Einbrecher oder sowas gedacht..."
"Hättest du denn Lust noch zu mit zu kommen, etwas zu essen, was trinken, vielleicht einen Film gucken?" kam Gaston nun zu dem eigentlichen Grund warum er zu ihm hinüber gegangen war.
"Öhhh..... Ja klar, warum nicht?" war Eleonor erstaunlich rasch zu überreden.
Er öffnete weiter die Tür und Gaston sah, dass er nur mit einer Pyjama-Hose und einem dieser fluffigen Hotelbademäntel bekleidet war.
"Nimmst du mich so mit?" fragte er arglos und Gaston war erstaunt, einen Menschen zu treffen der so garkeine Hintergedanken zu haben schien.
"Klar, komm nur" erwiderte er und verdrängte alle unzüchtigen Ideen die Eleonors Anblick in seiner Phantasie entstehen ließen augenblicklich.

Was nicht unbedingt leichter wurde als Eleonor nur kurz darauf breitbeinig neben ihm auf dem Sofa lümmelte wobei der Bademantel einen breiten Blick auf seinen Oberkörper freigab und die dünne, glänzende Pyjama-Hose auch nicht grade vieles der Phantasie überließ.

"Das ist echt lieb, dass du mich zu dir einlädst" säuselte Eleonor dann auch noch treuherzig, "Abends dann alleine auf 'nem Hotelzimmer ist ja echt nicht so schön..."
"Alleine sein ist ja grundsätzlich nicht so schön" stellte Gaston daraufhin neutral fest.
"Das stimmt wohl" erwiderte Eleonor, "allein sein ist niemals schön...
Bist du alleine Gaston?"
"Wie alleine?" fragte der verwirrt.
"Hast du einen Boyfriend Gaston?" präzisierte Eleonor seine Frage.
"Nein..." seufzte Gaston.
"Hättest du gerne einen?" fragte Eleonor weiter.
"Ja, hätte ich gerne" erklärte Gaston nun.
Eleonor schwieg kurz, dann meinte er leise: "Ja, ich auch..."

Unwillkürlich wuschelte Gaston durch das Haar des neben ihm Sitzenden.
"Du bist ein hübscher junger Mann und ein aufstrebender Popstar Eleonor, du wirst sicher keine Probleme haben einen zu finden" sprach er ihm Zuversicht zu.
"Das kann man über dich auch alles sagen" erwiderte der aber, "und dennoch bist du alleine..."

Die nach seinen Worten eintretenden Stille unterbrach Gaston mit einer wohl leider sehr zutreffenden Feststellung: "Mit dem Erfolg kommen viele falsche Freunde. Zu denen dazu die du als Archpeer ohnehin schon hast..."
"Meinst du die werden auch bei mir kommen?" erkundigte sich Eleonor.
"Oh, ich befürchte die sind unvermeidlich" erwiderte Gaston traurig.
"Merkt man die nicht?" hakte Eleonor nach.
"Meistens schon" erklärte Gaston, "aber halt nicht immer. Und manchmal tut es schon ziemlich weh, wenn man es dann merkt..."
"Oh das glaube ich wohl" meinte Eleonor dazu.

"Ein nettere Sache" wechselte Gaston abrupt das Thema, "was möchtest du essen, vielleicht einen Cocktail von der Bar noch?"

Eleonor wollte und eine gute Viertelstunde später naschte er Himbeeren in einem Mantel aus weißer Schokolade und zippte an einem Baby Cribrara.
"Hat es bei dir denn schon mal wehgetan?" kam er für Gaston ein wenig unverhofft auf das vorherige Thema zurück.
"Hat es" erwiderte er, "nicht nur einmal..."
"Das tut mir leid, wirklich" erklärte Eleonor und streichelte Gaston unbeholfen über den Rücken.
Dann aber überraschte er diesen als er seinen Kopf sanft gegen dessen Schulter lehnte und fragte: "Vielleicht möchtest du mit mir befreundet sein Gaston? Ich habe nämlich noch keinen Freund..."
Gastons Herz machte beinahe einen Purzelbaum.
"Oh ja, sehr gerne möchte ich dein Freund sein!" erwiderte der und bemühte sich nicht allzu überschwänglich zu wirken.
"Das ist gut" erklärte Eleonor nun und lächelte ihn an, "dann bist du, Gaston, jetzt mein Freund..."



¹Staatskarosse
²Kadetten

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