#21 Gern haben
Erst als das Polizeiboot am Horizont verschwunden und Leton und Taeran sich daran machten das Magnuvelun erneut zu setzen, fiel Ivan ein, dass er die anderen vielleicht hätte fragen sollen bevor er Mercur einlud bei ihnen zu bleiben.
So hastete er nun zu Issan und Evan die zufällig gerade nebeneinander standen und erkundigte sich ein bisschen nervös: "Es ist doch in Ordnung, dass ich Mercur gefragt habe ob er hierbleiben will?"
"Jetzt kann er ja auch nicht mehr weg" erwiderte Issan, als er dann aber Ivans schuldbewussten Blick bemerkte, lenkte er ein: "Nachdem was wir da gerade von dessen Freunden mitbekommen haben, scheint es diesem Mercur nicht zu schaden, wenn er neue Leute kennenlernen kann..."
"Danke..." zeigte sich Ivan nun für Issan ungewohnt dankbar.
Kaum das er außer Hörweite war, stellte Evan fest: "Da hat aber einer sehr schnell Ivans Interesse geweckt..."
"Ich hoffe nur er meint es ehrlich" seufzte Issan, "nachdem der Junge gerade seinen besten Freund abserviert hat..."
"Wurde der nicht mehr abserviert?" entgegnete Evan nun, "aber davon mal abgesehen, kann es sein, dass du keine besonders hohe Meinung von Ivan hast?"
"Kann sein, ja" antwortete Issan darauf.
"Darf ich fragen warum?" wollte Evan nun wissen.
"Er behandelt mich wie Dreck" erklärte ihm Issan und ergänzte etwas leiser, "außerdem kann ich ihn nicht riechen."
Natürlich hätte Evan aus den Unterhaltungen vom Abend zuvor sich schon zusammen reimen können, was Issan ihm damit hatte sagen wollen.
Doch soweit dachte er in dem Moment nicht und so fragte er nach: "Was meinst du mit: Ihn nicht riechen können?"
"Du weißt schon" wich Issan nun aus, das Thema war ihm unangenehm, "wenn er auf mich steht, dann merke ich das. Und bei Ivan mag ich das nicht..."
"Wie wenn er auf dich steht..." hob Evan sichtlich verständnislos an, dann aber fiel der Groschen bei ihm jäh, "ach du meinst wenn du ihn aufgeilst?"
"Ja" bestätigte Issan.
"Oh..." rang nun auch Evan um Worte, "das ist... das ist ungut dann..."
"Hmm..." stimmte Issan ihm zu.
"Gibt es denn auch jemanden den du riechen magst wenn... na du weißt schon?" Auch wenn das ein heikles Thema war, Evan war neugierig.
"Ja, gibt es" erwiderte Issan.
Evan überlegte, dann stellte er seine nächste Frage: "Ist es Leton?"
Jetzt musste Issan ein klein wenig Grinsen, dann meinte er: "Das war ja nun nicht soooo schwer..."
Dass Evan einige Zeit schwieg, bis er seine nächsten Frage stellte, hatte wenig damit zu tun, dass er über die Frage lange nachdenken musste. Warum auch, drängte diese sich aus seiner Sicht ja geradezu auf.
Aber sie war halt doch ziemlich intim. Und delikat.
"Was ist mit mir?" traute er sich dann aber doch das Schweigen zwischen ihnen zu brechen.
"Wie, mit dir?" verstand jetzt Issan nicht worauf er hinaus wollte.
"Na mit mir halt..." war es Evan jetzt doch peinlich konkreter zu werden.
"Oh....." jetzt verstand Issan, "....also... äh... ...keine Ahnung..."
Dann sah er Evan an und aus dessem besorgten Blick las er nun, dass diesem das sehr wichtig war.
"Was würdest du dir denn wünschen?" fragte er ihn beinahe liebevoll.
"Das es zumindest nicht so ist wie bei Ivan..." druckste Evan herum.
"Ich glaube es hat etwas mit deiner Einstellung zu tun" vermutete Issan nun.
"Wie meinst du das?" hakte Evan sofort nach worauf Issan ihm erklärte wie er das meinte: "Ich denke, wenn du mich nur als fickbares Loch siehst und dich an der Vorstellung aufgeilst, dann spüre ich das und es widert mich an. Aber wenn du mich anders begehrst, als jemanden der liebenswert ist, ich glaube dann kann mich das anziehen..."
"Du denkst Ivan sieht dich nur als 'fickbares Loch'?" Evan war wirklich schockiert von dem Gedanken.
"Ja" bestätigte Issan lakonisch.
"Das könnte ich niemals!" versicherte ihm Evan nun energisch, "nicht bei dir!"
Und dann lächelte Issan, lächelte ihn an und es war das schönste und strahlenste Lächeln was Evan sich erinnern konnte je von Issan gesehen zu haben.
Während Leton zurück ans Steuerrad gegangen war, hatte Taeran nun das Trahenvelun mit Hilfe des Bergungsschlauches eingezogen nur um es dann erneut zu setzen.
Dann blähte es sich im Wind und souverän steuerte Leton das Schiff wieder auf Kurs, welches rasch Fahrt aufnahm und alsbald wieder zügig Richtung Mare Nosteram durch die Wellen schnitt.
Taeran aber hatte nicht vergessen, dass Leton ja unter ihnen war um andere kennenzulernen und nicht, um seine Fähigkeiten als Steuermann unter Beweis zu stellen.
Aus diesem Grund begab er sich nun in das Heck des Schiffes und bot Leton an, ihm am Ruder abzulösen.
Mit den Worten: "Ja, das fände ich gut" nahm der das Angebot an und überließ Taeran das Steuer.
So kam es, dass Leton wenig später auf einen Issan traf, der völlig verzückt einen Evan anlächelte, dem er wohl gerade etwas sehr Schönes gesagt hatte.
Er räusperte sich und meinte dann leise: "Störe ich gerade?"
Nun schauten beide ihn an.
Evan fasste sich als Erster und meinte: "Nein, du doch nicht..."
Zu Letons Überraschung blieb das strahlende Lächeln in Issans Mimik als dieser sich nun ihm zuwandte und ihm ziemlich euphorisch versicherte: "Nein, wir haben dich beide gern! ....äh also bei uns... so... wenn du da bist... dabei bist..."
"Es ist schon gut" beruhigte ihn Evan nun, "ich denke er versteht wie du das meinst... oder Leton?'
"Ich verstehe, dass ihr mich gerne habt" erwiderte der und bemühte sich, nicht zu kichern, "ich verstehe das, ich habe mich auch gerne und von daher könnt ihr mich gerne gern haben..."
"Wer kann wen mal gerne haben?" mischte sich nun Nathon ein der just in diesem Moment mit Evasan zu ihnen stieß, dennoch aber nur die letzten Worte von Leton mitgehört hatte.
"Ähhh.... mich? Mich kann man gerne haben..." stotterte Leton nun.
"Oh" witzelte Evasan sofort los, "dann hatte Issan dich schon letzte Nacht?"
"Er hat ihn bestimmt gerne gehabt" sprang Nathon sofort darauf an.
"Dabei hätten doch alle gerne Issan gehabt" gackerte Evasan sofort weiter.
"Vielleicht hat er ja auch Issan gehabt?" warf Nathon nun ein.
"Oder...." startete Evasan eine Erwiderung, wurde aber von Evan sehr nachdrücklich unterbrochen: "Jungs.. JUNGS!... Lasst es einfach, ja?"
Erst da wurde Evasan klar, wie kurz er davor war Issan wirklich zu verletzen. "'Tschuldige, war nicht so gemeint..." nuschelte er verlegen und Nathon guckte ganz betroffen und meinte dann in einem beinahe kindlichen Ernst: "Ich glaube wir sind einfach noch ein bisschen unreif..."
"Das glaube ich allerdings auch" meinte Evan.
Was wiederum Issan schmunzeln ließ und zu der Bemerkung verleitete: "Möglicherweise ist Evan auch einfach nur ein bisschen frühreif..."
"Vielleicht musste er das auch sein" warf Leton nun ein.
"Damit ist er wohl nicht alleine..." stimmte ihm Issan zu und nun schmunzelte er nicht mehr.
"Du hast doch jetzt keine Probleme mit deinen Freunden weil ich hiergeblieben bin?" erkundigte sich Mercur sorgenvoll bei Ivan.
"Oh, nicht alle hier sind meine Freunde" erwiderte Ivan ihm, "aber fast alle gehen auf dieselbe Schule wie ich – und unsere Eltern sind ganz dicke...
...aber um dich zu beruhigen, sie meinten nur, nachdem wie dich dein bester Freund abgefertigt habe, würdest du wohl auch gerne wie Prinz Leton neue Leute kennenlernen..."
"Der Prinz Leton, der Kronprinz von Angevinien?" staunte Mercur nun.
"Ja, das ist der Blonde der da hinten in der Gruppe steht" erklärte Ivan und deutete mit der Hand in dessen Richtung, "er ist der Grund warum wir alle heute hier sind."
"Er ist zu Besuch und ihr müsst ihn bespaßen?" kam es von Mercur.
"Das ist sicherlich ein Teilaspekt" erwiderte Ivan, "aber greift dennoch zu kurz. Leton ist hier, weil er andere kennenlernen will, die ihn weder ablehnen weil er 'ein solcher' ist wie dein bester Freund so schön sagte noch sich an ihn ranschmeißen, weil sie ihn als Schlüssel zu Macht, Reichtum und langem Leben betrachten."
"Du meinst Lorenur" kam es nun traurig von Mercur, "ich glaub nicht mehr, dass er nach heute noch mein bester Freund sein wird...
...aber ist das mit den ganzen Leuten die einen nur als Aufstiegschance sehen echt so ein Problem für euch?"
"Die meisten in meiner Generation sind so erzogen worden, dass sie ein Bewusstsein dafür haben, dass es das gibt" antwortete Ivan, "aber so richtig schön ist es nicht, immer den Gedanken im Hinterkopf zu haben wenn sich jemand für einen interessiert. Und wenn man es dann doch mal vergisst und dann an so eine Person gerät, das ist nicht schön. Auch wenn wir privilegiert sind und sehr lange leben werden, wir sind nicht so anders wie du. Wenn man gehasst oder betrogen wird, dann fühlt sich das nicht anders an, als für jeden anderen Menschen in unserem Alter..."
"Das dachte ich mir" merkte Mercur an.
"Aber was ist mit dir, was ist mit diesem Lorenur? Woher kommt dieser Hass auf 'solche wie ich'?" hatte nun auch Ivan Fragen, "ich meine, ich hatte jetzt nicht den Eindruck, dass er aus schlechten Verhältnissen stammt. Bitte halte mich nicht für naiv, mir ist klar, dass es in Sore nicht gerecht zu geht und wenn jemand der in Chibera aufgewachsen ist, verstehe ich, dass er mich hasst weil ich ein Symbol bin für alles was ungerecht ist. Aber dieser Lorenur schien mir durchaus selbst zur Oberschicht zu gehören..."
"Oh, natürlich gehört er dazu" bestätigte ihm Mercur, dass er richtig lag, "die Familie Mechebetto gehört nicht zu den Armen unseres Imperion. Ihr Hass resultiert aus etwas anderem, nämlich einfach daraus, dass egal was sie machen, sie nicht so weit aufsteigen können dass sie zu den Divinobles gehören.
Der alte Mechebetto hasst euch einfach dafür, dass ihr habt, was er nicht erreichen kann. Euer Status als Divinoble. Er hasst was er selbst nicht haben kann – und diesen Hass hat er seinem Sohn von Kindesbeinen an eingeimpft..."
"Aber du scheinst da Zweifel gehabt zu haben..." zeigte sich Ivan voller Hoffnung, dass ihn Mercur nicht so pauschal ablehnen würde wie dessen bis zu diesem Tag bester Freund.
"Meine Eltern neiden den Divinobles auch ziemlich viele Privilegien, gerade was Steuern angeht oder die Tatsache, dass sie das Amt des Staatsoberhauptes quasi abonniert haben" erklärte Mercur ziemlich offenmütig, "aber beide sagen auch, es sei unsinnig euch wegen des langen Lebens zu hassen und der Tatsache, dass ihr so mehr Zeit habt eure Ziele zu verfolgen. Meine Mutter meinte immer: 'Als wenn sich einer der ganzen Kritiker mit 80 umbringen würde wenn er noch 920 Jahre weiter leben könnte...'. Und da hat sie vermutlich ja recht."
"Man muss ja auch zugeben, dass gerade in früheren Zeiten sich Divinobles auch als die besseren Menschen hingestellt haben, als wenn man, nur weil man viel länger lebt automatisch moralisch überlegen ist" meinte Ivan, "sowas hat natürlich zu solcher Ablehnung auch ordentlich beigetragen..."
"Oh ja..." seufzte Mercur, "und dann kommt bei Lorenur noch etwas dazu. Er findet – und ich vermute das kommt auch von seinem Vater – dass eine Verbindung zwischen Personen des gleichen Geschlechts widernatürlich ist."
Damit hatte Ivan so garnicht gerechnet und er fiel förmlich aus allen Wolken: "Echt? Solche Leute gibt es in Sore? Ich mein in den Vereinigten Reichen des Nordens, da logisch – aber in Sore?"
"Auch in Sore" erklärte Mercur.
"Aber du warst davon nie überzeugt?" vermutete Ivan.
"Nein" erklärte der sofort, "meine Mutter meinte immer, ich dürfe kein anderes denkendes Wesen danach beurteilen wen es liebe so lange es einvernehmlich ist."
"Oh, das ist gut" fand Ivan, "ich glaube ich mag deine Mutter jetzt schon!" Erst dann wurde ihm klar, was er gerade gesagt hatte und er wurde rot und stotterte: "Ich... so... das hätte ich nicht..."
Doch Mercur winkte nur grinsend ab: "Na komm, mit einem Kompliment an die Mutter macht man niemals was falsch – du denkst doch nicht ich wäre hier geblieben wenn mich schon der Gedanke jemand meines eigenen Geschlechtes könnte Interesse an mir haben schreiend davonlaufen lassen würde."
"Nein, das wohl nicht" musste Ivan nun zugeben, "aber um ehrlich zu sein, meine Erfahrungen sind überhaupt sehr überschaubar..."
"Hehe, ich hatte tatsächlich schon eine Freundin" kicherte Mercur da.
"Und?" hakte Ivan gleich nach.
"Sie hat sich nicht beklagt" feixte Mercur, wurde dann aber schlagartig wieder ernst, "aber ich hab mich zu oft in ihrer Rolle gesehen und das konnte ich ihr gegenüber nicht zugeben..."
"In ihrer Rolle?" Ivan zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
"Nicht so wie du vielleicht denkst" rüffelte ihn Mercur sofort, "ich wollte schwach sein, in den Arm genommen und beschützt werden. Ich wollte nicht stark sein müssen in einer Beziehung...
...na ja und das andere natürlich auch..." Und da grinste er dann doch und zwinkerte Ivan zu.
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Am frühen Mittag läutete Terastans Telefon. Doch dieser war im Garten um die Neuanlage desselben zu betreiben und so war es sein Uxvir Ivenej der es auf dem Bord im Esszimmer vorfand und dranging.
"An-Ivenej Rurikawitschi am Callidcom von Terastan ab Apollam" meldete er sich freundlich.
Eine ungehaltene männliche Stimme fuhr ihn äußerst unhöflich an: "Geben Sie mir augenblicklich Messere Apollam!"
"Vosta Numeen, der Dividuxam ab Apollam ist leider im Moment nicht verfügbar" erwiderte Ivenej nun etwas indigniert, "mit wem haben Wir denn das Vergnügen und wen darf ich Vosta Numeen melden, dass er ihn zurückrufen möge?"
"Mechebetto" blaffte der unhöfliche Mensch da auch schon, "Senator Mechebetto hier. Wenn der Dividuxam glaubt ich lasse ihm die Frechheiten seines Sohnes und dessen Bande schnöseliger Freunde einfach so durchgehen, dann hat er sich gehörig geschnitten! Ich erwarte seinen umgehenden Rückruf!" Dann legte der Wütling auf.
Ivenej fand es nun doch angemessen, sich das Callidcom zu schnappen und in den Garten zu gehen und nach seinem Virion zu suchen.
Senator Mechebetto überlegte er, irgendwo her kannte er den Namen.
Dann fiel es ihm ein: Das war doch der Typ der die Vermögensangabe für Divinobles gefordert hatte weil deren Familien so selten Erbschaftssteuer zahlten.
Eine unangenehme Person. Nur wo sollte ihr Evan dem begegnet sein? Der war doch segeln mit seinen Schulkameraden.
Obwohl, segelte Mechebetto nicht auch? Vermutlich hatten die ihn abgehängt und alt aussehen lassen dachte Ivenej. Und so wie er Evan und dessen Freunde kannte, hatten sie das bestimmt pointiert kommentiert.
Mercur Banquo
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