#182 Wer weiß...
"Erinnerst du dich noch an den Tag wo du auf unsere Schule gekommen bist?" Erwartungsvoll sah Issan Nathon an.
"Oh bei den Göttern ja" erwiderte Nathon, "ich hatte so Schiß..."
"Vor uns?" erkundigte sich Evan überrascht.
"Was? Nee, ich kannte euch doch garnicht" erwiderte Nathon, "ich hatte Angst ihr würdet mich nicht mögen, ich würde unbeliebt sein und so..."
"Und dann hab ich gesagt das Surferboys cute sind" schmunzelte Issan.
"Ja" erinnerte sich Nathon und ein seliges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, "ich glaube in dem Moment habe ich mich in dich verliebt..."
"In mich etwa nicht?" warf Evan mit gespielter Empörung ein.
"Dich fand ich cool" erwiderte Nathon, "wie du gleich über den schlechten Ruf deines Pators gewitzelt hast..."
"Und drei Sekunden später hat Evasan sein Herz an dich verloren..." erinnerte sich Evan.
"Evasan?" Fassungslos sah Nathon ihn an, "der war in mich verliebt? Warum hab ich das nicht mitbekommen?"
"Am war arbeitet der noch..." merkte Issan an.
"Er ist noch?" Nathon fiel aus allen Wolken, "er weiß, dass ich mit euch..." Betroffen verstummte Nathon.
"Weiß er" bestätigte Issan.
"Warum hat er denn nie etwas gesagt?" wunderte sich Nathon nun.
"Weil er deine Gefühle für Issan erkannt hat bevor du sie selbst erkannt hast" erklärte Evan ihm.
"Wenn ich ehrlich bin" erwiderte Nathon nun, "als Issan euch unterbrochen habt wie ihr mit erzählt habt, dass ihr ein bisschen Angst vor ihm habt..."
"Er kann dich den Verstand verlieren lassen vor Angst oder vor Verlangen" erinnerte Evan was sie Nathon damals erzählt hatten.
"Beides trifft wohl zu" erwiderte Nathon, "und trotzdem haben wir keine Angst mehr vor ihm...
...Dabei wissen wir doch alle, dass ihr heimlich davon träumt wie ihr euch in mir versenkt, das hast du gesagt Issan" besann sich Nathon, "und dann hast du mich so angesehen..."
"Und du bist so niedlich rot geworden" warf Issan nun ein.
"...Rückblickend denke ich, das war der Moment wo ich mich an dich verloren habe, allerdings habe ich es nicht verstanden" fuhr Nathon fort, "spätestens als du so zweideutig meintest, du zwingest mich nicht, dich zu besteigen, es sei denn ich wolle das...
...ich glaube da hast du die Saat genau das zu wollen ganz tief in mich eingepflanzt..."
"Was hast du damals gedacht?" wollte Issan nun wissen.
"Katze!" antwortete Nathon sofort.
"Katze?" echote Issan verblüfft.
"Das du eine nette, gutaussehende und verdammt heiße Katze bist" erläuterte Nathon.
"Katze?" hakte jetzt auch Evan nach.
Da errötete Nathon und verlegen wisperte er: "Ich sah mich als Maus..."
"Oh Nathon..." lachte Issan jetzt.
"Anders als die Anderen an der Schule damals habe ich dich niemals gefürchtet" merkte Nathon nun an.
"Ich weiß" erwiderte Issan, "und ich konnte dich gut riechen, wenn ich dich erregt habe..."
Jetzt wurde Nathon knallrot: "Du hast das mitbekommen? Bei den Göttern, ist das peinlich..."
"Ich habe auch nie vergessen, dass du es als einziger gewagt hast dich einzumischen als ich mit Ivan und Taeran aneinander geraten war" meinte Issan nun, "und dass du den Mut hattest mir Vorhaltungen zu machen als ich Taeran auf so indiskutabele Weise verletzt hatte..."
"Ich war nicht mutig" widersprach Nathon, "ich war empört...
...und enttäuscht. Ich bewunderte dich so sehr und dann..."
"Ich weiß" erwiderte Issan, "deine Enttäuschung hat mich mehr getroffen als alles andere in dem Moment..."
"Als ihr dann draußen wart haben Nathon und ich uns gegenseitig eingestanden, wie süss wir dich finden und wie sehr uns der Gedanke anmacht..." merkte Evan nun an.
Weiter kam er nicht, denn ein empörtes "Evan!" von Nathon unterbrach ihn.
"Dann kam Leton in unser Leben..." erinnerte sich Evan.
Der kam just in dem Moment auch wieder zu ihnen in den Raum.
"Wohin bin ich gekommen?" erkundigte er sich.
"Also außer in Issan und in Nathons" witzelte Evan nun, "vor allem erst einmal in unsere Leben..."
"Oh ihr seid gerade sentimental?" verstand der sofort.
"Sind wir" räumte Evan ein, "wer hätte damals den gedacht, dass wir mal dahin kommen wo wir jetzt sind?"
"Meine Eltern" erwiderte Issan ruhig und dann an Evan gewandt: "Erinnerst du nicht mehr an den Abend wo ich dich ihnen vorgestellt haben und sie über meine Fähigkeiten und das Erbe der Götter sprachen?"
Evan erinnerte sich natürlich an diesen Abend.
"Nun, was dich angeht, hast du das Erbe der Götter wohl erhalten" meinte er, "spätestens wenn Lillian dir beigebracht hat, wie man Raum und Zeit beeinflusst bist du wohl selber einer von ihnen."
"Oh, das kann ich inzwischen" erwiderte Issan.
"Wie, du kannst das?" fiel Leton jetzt aus allen Wolken.
"Klar, glaubt ihr mir nicht" meinte Issan, "dann kommt mit raus, wo soll es hingehen?"
Kurz war es still während seine Gefährten diese Information verarbeiteten.
Dann war es Leton der tatsächlich einen Wunsch äußerte: "Können wir nach Otaheiti und mit Plalomas schwimmen?"
"Das mit den Plalomas geht dir nicht aus dem Kopf oder?" griente Evan daraufhin.
"Dann ruf mal im Ferienhaus deines Vaters an, dass wir in einer Stunde ankommen" meinte Issan unbekümmert, "denn wenn ich euch da jetzt hinbringe bleiben wir wenigstens eine Nacht...
...ach ja, wenn das Spielzimmer noch so ist wie damals, than it's my turn!"
"Was meinst du damit?" war Evan verwundert.
"Wirst du sehen wenn wir da sind" schmunzelte Issan, "packt euch ein paar Sachen..."
Zwei Stunden später schlug auf einem berühmt-berüchtigten weißen Sandstrand von Otaheiti der Blitz ein.
Doch die dunkle Wolke des Unwetters verzog sich zum Erstaunen der Otaheitianer so rasch wieder wie sie gekommen war.
Zurück blieb ein prächtiger Regenbogen am Himmel – und vier gutaussehende Jünglinge am Strand.
"Ua heere mai te mau atua i nia ia tatou i nia i te ario!"¹ rief einer der Bediensteten des hochköniglichen Strandhauses, der am Nächsten am Ort des Geschehen war und alsbald machte das Gerücht die Runde, das Oro mit seinen Brüdern über den Regenbogen herabgekommen sei wie einst in der Legende geschildert.
Auch auf Otaheiti verfügte längst so gut wie jeder über ein Mobiltelefon.
Natürlich waren es nicht die Götter die auf Otaheiti gelandet waren, auch wenn man sich bei Issan trefflich darüber streiten konnte.
Aber woher sollte das auf Otaheiti jemand wissen.
So näherte sich ein Mann in seinen Fünfzigern vorsichtig dem Grüppchen auf dem Strände.
Gut, auch er hätte die Götter jetzt nicht unbedingt in bunt bedruckten Tuniken und glänzenden Shorts erwartet. Doch was wusste man denn schon über die Götter?
"Oro rahi, te rahi..."² sprach er daher ehrfurchtsvoll als er sich vor Issan, Evan, Nathon und Leton in den feinen weißen Sand warf.
Dass ihn prüfende Blicke von Issan und Leton trafen, bekam er so und vor lauter Aufregung garnicht mit.
"E Hauariin, eaha ta oe e rave ra i roto i te one?³" sprach ihn Issan jetzt an.
Sie wussten sogar seinen Namen und sprachen Gaganaota, also wenn das nicht der Beweis wäre, dass sie Götter waren. Doch just in diesem Moment fiel Hauariin ein Ereignis ein, wo schon einmal ein Fremder seinen Namen wusste und seine Sprache sprach.
Vorsichtig blinzelte er nach oben und erspähte Issan. Dieser Fremde hatte zweifelsohne gewisse Ähnlichkeiten mit dem Fremden von damals.
Dessen Name er niemals vergessen würde.
"Isador, seid Ihr das?" erkundigte er sich vorsichtig.
"Hauariin, ich bin sein Sohn Issan und jetzt hör auf mit dem Schauspiel und steh auf!" erwiderte Issan.
"Wie Ihr wünscht Lord Issan" erwiderte Hauariin und erhob sich.
"Schon besser" lachte Issan ihn an, "könntest du unsere Taschen ins Haus bringen und für später etwas zu essen vorbereiten? Wir werden hungrig sein wenn wir mit den Plalomas geschwommen sind."
"Wie kommt ihr hierher?" war Hauariin jetzt aber doch neugierig, "Rotui wartet seit mindestens einer Stunde am Flughafen..."
"Dann sag diesem Rotui mal Bescheid" mischte sich nun Leton ein, "denn wir sind ja jetzt da..."
"Das sehe ich" war Hauariin weiter am Staunen, "aber wie...?"
"Unser Issan hier" erklärte nun Evan, "er ist der Herr über Zeit und Raum!"
Nicht, dass Hauariin das wirklich verstanden hätte, aber soviel verstand er, Isadors Sohn gebot über Kräfte die seine Verständnis bei weitem überstiegen.
"Dann los ins Wasser, schwimmen mit den Plalomas!" rief Leton nun ungeduldig.
"Es sind leider heute garkeine Plalomas da" meinte Hauariin bedauernd.
"Oh, ich bin mir sicher, das ändert sich gleich" gab sich Nathon optimistisch während er bemerkte wie Issan sich konzentrierte und seine Augen zu leuchten begannen.
Es dauerte nur Minuten und vor dem Strand erschienen unzählige Plalomas im azurblauen Wasser des maximischen Ozeans, streckten ihre Köpfer aus dem Wasser und keckerten wild durcheinander.
"Wie..." war Hauariin verblüfft, meinte dann aber mehr zu sich selbst mit einem leicht resignierten Unterton, "...ach, was wundere ich mich eigentlich noch? Für einen Herren über Zeit und Raum ist die Beherrschung von ein paar Plalomas vermutlich ein Kinderspiel..."
Zuhören tat ihm eh niemand mehr, denn Leton, Nathon und Evan stürzten sich nun begeistert ins Wasser, gefolgt von Issan der etwas langsamer und mit einem zufriedenen Lächeln in den Ozean stieg.
"Davon hab ich immer geträumt" rief Leton.
Dann stießen ihn und die Anderen die ersten besonders vorwitzigen Plalomas mit ihren Schnauzen an und forderten sie so auf mit ihnen zu spielen.
Anders als sein Mator drei Jahrzehnte zuvor musste Issan hier niemandem mehr etwas erklären und alsbald schossen sie, sich an den Rückenflossen der eleganten Tiere festhaltend mit denen durch das Wasser.
Doch Issan vermochte mehr als sein Mator. Nicht nur konnte er eine Verbindung mit den Tieren aufbauen und sie seinem Willen dienbar machen, nein, er konnte eine Verbindung schaffen zwischen den Tieren einerseits und jedem seiner Gefährten andererseits.
Keiner von denen hätte je in Worte fassen können wie es war, mit einem Plalomas eins zu werden. In Einem allerdings waren sie sich später einig: Es war ein überwältigendes, ein beglückendes Gefühl von unvorstellbarer Intensität.
Als sie nach einer gefühlten Unendlichkeit wieder aus den Wassern des Maximik stiegen war es insbesondere Nathon, der tief beeindruckt war.
"Wenn ich sowas schon erleben darf" raunte er ehrfurchtsvoll, "wo ich gerade einmal den zweiten Monat mit euch zusammen bin, was werden mir da die kommenden Jahrhunderte noch alles bescheren?"
"Ich bin ja eher neugierig was uns die kommenden Stunden bescheren werden" erwiderte Leton dem Issans Bemerkung vonwegen 'it's my turn' nicht aus dem Kopf ging, "und du grübelst über die nächsten Jahrhunderte nach..."
Issan lachte schelmisch, dann trällerte er: "Quis scire, scire! Whatever will be, will be, the future is not ours to see. Quis scire, scire! What will be will be...."⁴
Nathon stieg nun darauf ein: "May I am just a little boy
I know for sure what we will be
We will be pretty! We will be rich!"⁵
"Das ist mal sicher" lachte Evan nun.
"Sicher ist jetzt, dass wir etwas essen" erklärte Issan nun, "ich habe ganz massiv Hunger!"
"Erstmal das Salzwasser abduschen" schlug nun Nathon vor.
"Also dann erstmal auf unsere Zimmer und dann essen" kommandierte Leton ganz der Kronprinz.
Gesagt getan.
Als sie dann zwanzig Minuten später auf den Liegen um den Tisch herum verteilt hatten, waren sie sogar, wenn auch nur minimal, bekleidet.
Hauariin persönlich servierte ihnen Häppchen nach der Art des Landes.
Vor allem Issan griff zu, so sehr, dass Evan spottete: "Wie machst du das? Wenn ich soviel essen würde, Divinoble hin oder her, würdet ihr bald mit den Odobenuns⁶ schwimmen wenn ihr mit mir ins Wasser geht..."
"Versuch einfach mal Raum und Zeit zu krümmen" erwiderte Issan unbekümmert, "du glaubst garnicht wieviel Energie man dafür benötigt..."
"Aber das ist doch keine Energie die du deinem Essen entziehst?" erkundigte sich Leton nun skeptisch.
"Nein, aber die dafür notwendige Energie zu entziehen kostet mich auch Energie" erklärte Issan.
"Also wenn du irgendwo wärst wo es keine Energie gäbe, dann gäbe es kein Entkommen?" war Nathon alarmiert.
"Sicher" schmunzelte Issan, "im absoluten Nichts wäre auch ich ein ebensolches..."
¹Die Götter sind auf dem Regenbogen zu uns herab gestiegen!
²Erhabener, großer Oro...
³Hauariin, was krabbeln/krabbelst Sie/du denn da im Sand herum?
⁴Wer weiß, wer weiß! Was auch immer sein wird, wird sein, wir können die Zukunft nicht sehen. Wer weiß, wer weiß! Was sein wird, wird sein...
⁵Ich bin zwar nur ein kleiner Junge
Ich weiß genau, was wir sein werden
Wir werden schön sein! Wir werden reich sein!"
⁶Ziemlich fettleibiger Vertreter der Pinnapedinas (Flossenfüßer), Bewohner der kalten Meere Bumia.
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