#151 Warten in Niuto

"Na, ich sehe schon, An-Isadur und Wir müssen mal wieder ganz informell nach Tibur laden" erklärte Trevastan dann, grinste im Anschluss zu Ivan, Mercur und Lorenur und meinte spöttisch: "Tut mir leid ihr Knaben, Mindestalter ist 35 Jahre..."
Worauf Mercur völlig entgeistert rausrutschte: "Wenn die 35 sind, dann ladet ihr eure Söhne dazu ein?"
Dann erst wurde ihm klar was er gesagt hatte und er wurde erst blass und dann rot und dann wieder blass.
Doch Trevastan nahm es ihm nicht übel und merkte nur launig an: "Da kann es einer ja garnicht mehr erwarten. Erstmal eine Verbindung eingehen junger Mann, denn du solltest zumindest Uxvir sein für eine Einladung. Nicht dass du uns nachher kaputt gehst weil du vom Mast fällst oder so..."
Ja, da hatte er das Gelächter jetzt auf seiner Seite während Mercur flüchtete, gefolgt von einem etwas indignierten Ivan.

"Wobei er da ja eine nicht unberechtigte Frage aufwirft" merkte Terastan nun an, "irgendwann wird irgendwie irgendwer aus der Generation unserer Söhne dabei sein. Und dann fängt es an schwierig zu werden eine Grenze zu ziehen..."
"Dessen bin ich mir bewusst" erwiderte Trevastan, "es gibt nur ein Problem: Wenn auch das Schicksal Isador und Trevor nicht dafür gemacht hat zusammen zu sein, es hat sie auch nicht dafür gemacht in allem voneinander getrennt zu sein. Ich befürchte selbst wenn Taejo und ich es wollten, wir können das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen. Es bliebe also nur noch ein: Nur noch wir vier. Allerdings befürchte ich, dass sowohl Isador nicht verstehen würde wieso Lison nicht mehr dabei ist als auch Trevor nicht, wieso Simur nicht mehr. Und ich weiß nicht, wie sie es aufnehmen wenn Taejo und ich ihnen dann sagen wir wollen das nicht mehr..."
"Die müssen doch das Problem mit der nächsten Generation auch sehen?" merkte nun An-Gregur vorsichtig an.
"Das zu sehen und das so zu sehen wie wir ist nicht ganz dasselbe" erwiderte Ivenej darauf.

Gerade als Trevastan darauf noch etwas antworten wollte, näherte sich Isador ihrer Gruppe und so schluckte er seine Antwort herunter.
"Caromio" wandte sich sein Uxvir auch sogleich an ihn, "es sind alle da. Wir müssen nun den Ball eröffnen..."
"Die Pflicht ruft, ihr entschuldigt Uns" meinte der darauf halb scherzend.
Dann ergriff er Isadors linke Hand mit seiner Rechten und führte ihn hinauf auf das kleine Podest am Ende des großen Kuppelsaales.

"Divinascendeores coleam" begann er zu den versammelten Gästen zu reden, "conlegames adoram, Divinobles e nuntatores vereriram, Senatores e Conventores honestam, Hospions aestimam e caros amicons¹, Wir sind hocherfreut Sie alle zum divinimperialen Hofball aus Anlass Unserer Thronbesteigung hier im berühmten Kuppelsaal von Tibur begrüßen zu dürfen.
Da dieser Abend nicht der formale Teil dieses Anlasses sein soll, werden Wir Uns kurz fassen. Wir werden nun dem Divinuxvir An-Isadur ab Torris den ersten Tanz gewähren und damit den Ball eröffnen. Wir wünschen Ihnen gute Unterhaltung, guten Appetit und hoffen Sie alle werden einen vergnüglichen Abend haben!"

Sprach es und wandte sich zu Isador neben ihm, verbeugen sich knapp, ergriff erneut dessen Hand welche dieser ihm reichte und führte ihn an selbiger hinab auf die Tanzfläche.

Wenig überraschend war, dass die Musik eines Versare erklang. Zu den ersten eher sanften Klängen der Musik begann der neue Divinimperator sogleich seinen Uxvir über das edle Marmor zu wirbeln.
Doch als sich dann plötzlich die Musik fanfarenhaft anschwoll und Marlur und Luciur vor dem Orchester erschienen und zu singen begannen, war die Überraschung doch groß.

"Sore exsultare, Sore ese gaudia sum" erschollen ihre Stimmen während Trevastan Isador nun wahrlich durch den Saal wirbelte, "macto Trevastan Divinimperator nosso, Divinimperator grandezzis!
Sore prosultare, Sore ese sultate sum
Sore sultare, somnions esfes verio!..."²

Überrascht waren fast alle, aber einige waren auch etwas indigniert. Nicht nur Issan empfand diesen Jubelversare als eine klare Positionierung der älteren Generation der Divinobles nicht nur pro Trevastan sondern auch gegen ihn, Evan und Leton.
So beugte er sich ein wenig zu dem neben ihm befindlichen Lillian und meinte spöttisch: "Wie froh sie doch sind, dass einer von ihnen Divinimperator geworden ist und nicht einer von uns..."
"Ihre Zeit läuft irgendwann ab" erwiderte der nur schmunzelnd, "unsere hingegen währt an..."
"Und trotzdem nennt das Volk sie die Immortalis" grummelte Issan.
"Wenn du selbst nur um die neunzig Jahre hast, siehst du den Unterschied zwischen eintausend, zweitausend oder gar mehr Jahren nicht mehr. Also du erkennst die Zahl, aber du fühlst es nicht..." gab Lillian zu bedenken. "Außerdem, du hast doch deine Gefährten gleich auf die Throne von Nordens Reike und Silistrien so erfolgreich gebracht, dass Divinimperator Trevastan sie bei der Begrüßung als seine Conlegames³ begrüßen musste, also sei nicht unzufrieden. Es ist immerhin dein Pator der da gekrönt wurde..."
Issan wusste, dass Lillian da recht hatte. Aber tief in seinem Inneren nagte immernoch ein Hauch von Unzufriedenheit an ihm.

Anadans - ehemals Divinuxvir An-Anadur - Reise nach Misrata hatte ihm zu einer unerwarteten verholfen.
Entgegen seinen Befürchtungen hatte es in ganz Niuto nur drei Familien mit dem Namen Noferetas gegeben.
Deren Mitglieder sich zu seiner Überraschung alle ihrer Verwandtschaft zu ihm sehr wohl bewusst waren.
Alle drei Familien waren direkte Nachfahren seines jüngeren Bruders. Zwar hatte er auch Schwestern gehabt, aber unter deren Nachkommen war das Wissen um ihn wohl verloren gegangen.
So erfuhr er, dass sein Vater nach einigen Jahren wieder zu einem bescheidenen Wohlstand gekommen war und sich an Teomastan ab Apollam gewandt hatte mit der Bitte seinen Sohn freikaufen zu können.
Kurz bevor in Sore die Sklaverei insgesamt abgeschafft worden war.
Teomastan hatte ihm geantwortet, dass sein Sohn nicht mehr in seinem Eigentum noch Besitz sei sondern jetzt zum Divinimperator gehöre.
Worauf sein Vater Teomastan angefleht hatte in seinem Namen den Divinimperator seine Bitte seinen Sohn freikaufen zu dürfen vorzutragen.
Teomastan hatte abgelehnt und seinem Vater gesagt, dass er das nicht tun könne.
Tatsächlich hatte sein Vater den Mut besessen Teomastan zu fragen warum er das nicht tun könne.
"Weil der Divinimperator deinen Sohn als seinen Uxvir erwählt hat" hatte dessen Antwort gelautet.
Mit dieser Antwort war sein Vater unverrichteter Dinge aber mit der Gewissheit das es seinem Sohn gut ginge davon gezogen.
Und hatte darauf gewartet, dass sein Sohn im zu verzeihen bereit sei und erneut den Kontakt zu ihm und seiner Familie aufsuchen würde.
Vergebens hatte er gewartet.
Und so ging das Wissen, dass einer der ihren Uxvir des Divinimperators geworden war bei seinem Tode auf seine Nachfahren über. Mit ihm auch das Warten darauf, dass der Divinuxvir wieder zu seiner Familie zurückkehren würde.
Es war zu einem wohl gehüteten Familiengeheimnis und das Warten zu einer Familientradition geworden. Eine Tradition die man seit dem Aufkommen des Fernsehens in Sore vor mehr als hundert Jahren insbesondere am Tag von Punta zelebriert hatte in dem die Familie sich versammelt hatte, das Ereignis gemeinsam gesehen hatte und den jüngeren Mitgliedern der Familie dabei beigebracht hatte, dass der Mann an der Seite des Hochkaisers ein Mitglied ihrer Familie sei, der sich eines Tages, wenn er bereit war der Familie zu verzeihen, wieder zu ihnen kommen würde. Man so lange aber warten müsse.

Natürlich hatte Anadan das schlechte Gewissen überkommen, dass er so lange - und für seinen Vater viel zu lange - gebraucht hatte um verzeihen zu können.
Aber Anchamur Noferetas, Nachfahre seines Bruders in zwölfter Generation, hatte ihn beruhigt. Von den eigenen Eltern in die Sklaverei verkauft zu werden sei eine ganz furchtbare Sache die jedem Kind als der größtmöglichste Verrat vorkommen müsse und es sei daher verständlich, dass er darüber lange nicht hinweg gekommen sei. Immerhin sei das eine Sache die viele Menschen niemals hätten verzeihen können.

Danach hatte Anadan sich besser gefühlt.
Und dann war da noch ein Grund gewesen, warum Anadan sich besser gefühlt hatte.
Der Junge der Nachbarn von Anchamur Noferetas.
Wobei Junge für einen jungen Mann von zwanzig Jahren vielleicht nicht mehr ganz die richtige Bezeichnung war.
Filopatur Lagiden hieß er und Anadan war ihm Abends vor dem Haus auf der Straße begegnet als er auf den Wagen wartete der ihn zurück in sein Hotel bringen sollte.
Er hatte Anadan angesprochen und dann unverholen versucht mit ihm zu flirten. Den hatte die Courage des jungen Mannes beeindruckt und so hatte er sich darauf eingelassen.
Gut, er hatte sich auch sehr amüsiert als - nachdem er Filopatur gefragt hatte, ob dieser wisse wer er sei und dieser das verneint hatte - auf Anadans Antwort hin: "Ich bin Divindue Anadan ab Misratam" selbigen seine Courage deutlich verließ.
"Oh... Ihr..." hatte er gestammelt, "bitte entschuldigt..."
"Was soll ich denn entschuldigen?" hatte Anadan sich innerlich breit grinsend erkundigt.
"Ich hätte nie... hätte ich gewusst..." hatte Filopatur weiter gestottert.
"Das wäre aber schade gewesen" hatte Anadan daraufhin lächelnd geantwortet. Und dann Filopatur zum Essen für den nächsten Tag eingeladen.
Der hatte sich revanchiert in dem er Anadan die nächsten Tage bei dessen Erkundung von Niuto begleitet hatte. Auch wenn Anadan kaum einen Ort im Niuto von heute wieder erkannt hatte, waren sie sich näher gekommen. Nicht körperlich auch wenn Filopatur mehrfach deutlich hatte erkennen lassen, dass er dem nicht abgeneigt wäre.

Dennoch, im Endergebnis hatte Anadan Filopatur zur Krönung von Trevastan nach Sore Urbs eingeladen und zu seinem offiziellen Begleiter gemacht.
So kam es, dass er sich nun an diesem Abend ebenfalls im großen Kuppelsaal von Tibur befand und dem Divinimperator und dessem Uxvir beim Primosaltarion⁴ zusah.
Und zufällig in das Blickfeld von Lillian geriet.

Lillian kam der junge Mann neben Anadan irgendwie bekannt vor. Aber in einer Weise bekannt, die kein gutes Gefühl bei ihm verursachte.
"Weißt du wer der Junge da neben Anadan ist?" wandte er sich sofort an Issan.
Der blickte nun auch zu Anadan herüber, welcher sich gerade etwas mit Filopatur von der Tanzfläche zurück zog.
Denn Anadan fand es unangemessen so kurz nach dem Tode seines Virion schon auf so einer Veranstaltung öffentlich zu tanzen. Es gab sicherlich genug Personen die schon die Tatsache, dass er in Begleitung gekommen war für befremdlich hielten. Da musste man nicht noch provozieren.

"Ich habe keine Ahnung wer das ist" gab Issan indessen zu, "aber wenn du willst, finde ich es heraus..."
"Das kann ich auch..." erwiderte Lillian.
"Aber nicht jetzt sofort" erwiderte Issan, "du willst dich doch nicht hier und jetzt in den Kopf von Anadan oder diesem Jungen begeben wollen!"
Nein natürlich wollte Lillian das nicht.
"Was hast du vor?" fragte er daher nun Issan.
"Oh, ganz einfach" erwiderte Issan grinsend, "ich gehe jetzt da herüber, bitte den um einen Tanz - den er mir kaum verwehren kann - und dann frage ich ihn wie er heißt..."
"Das ist raffiniert" gab Lillian zu.
"Was ist raffiniert, was heckt ihr schon wieder aus?" mischte sich da An-Tinur ein.
"Wir wollen nur wissen wer der Begleiter von Anadan ist" schaltete Lillian sogleich in den Verteidigungsmodus.
Nun blickte auch An-Tinur zu Anadan und dessen Begleiter hinüber.
"Der hübsche Misrataer der so aussieht als gehöre er zur Sippe der Lagidaes?" erkundigte sich.
Da fiel Lillian es siedendheiß wieder ein an wen ihn der junge Mann erinnert und seine Mimik verdunkelte sich. "Genau den meine ich" murrte er.
"Verstehe..." murmelte An-Tinur daraufhin.

So begab sich Issan hinüber zu Anadan und Filopatur.
"Vosta Maiestem" begrüßte er Anadan freundlich, dessen "Vosta Numeen Divuseem" fiel da eher sehr verhalten aus.
Sichtlich eingeschüchtert sank Filopatur in die Knie und stotterte: "Vo... Vosta Numeen Divuseem..."
"Nicht doch Puerdulci⁵" erwiderte Issan amüsiert, "Wir wollten fragen ob Sie uns das Vergnügen eines Tanzes gewähren würden?"
Es war Anadan anzusehen, dass ihn dieses Ansinnen nicht vergnügte.
Aber er konnte es Issan schlecht verwehren.
"Ich... mit Euch...?" war Filopatur ganz verdattert.
"Ja so dachten Wir uns das" erwiderte Issan.
Auch Filopatur war klar, dass er dazu kaum 'Nein' sagen konnte.
Und so senkte er sein Haupt, meinte demütig "Wie Ihr wünscht Vosta Numeen Divuseem" und reichte Issan seine linke Hand. Welche dieser ergriff und ihn auf die Tanzfläche führte.



¹Verehrte Divinascendeores, verehrte Kollegen, verehrte Divinobles und Botschafter, geehrte Mitglieder des Senates und des Konventes, geschätzte Gäste und liebe Freunde,...
²Sore jauchzt auf, Sore ist voller Freude, Hurra Trevastan unserem Hochkaiser, großartiger Hochkaiser
Sore bejubelt, Sore ist voller Jubel
Sore jubelt, Träume werden wahr!
³Conlegames = wörtlich 'die gleich erwählten', sinngemäß: Kollegen.
⁴Primosaltarion = Eröffnungstanz
⁵Puerdulci = Süsser, süßer Junge

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