#148 Von den Toten auferstanden?
Trevor war wenig überraschend nicht davon begeistert, dass Marla zurück nach Angevinien kommt.
"Ich verlange, dass sie noch auf dem Rollfeld in Eydinburgh verhaftet wird!" brüllte er in sein Telefon während er mit Leton sprach, der gerade auf dem Luftwege nach Eydinburgh war.
So laut brüllte er, dass Simur sich bemüßigt fühlte ihn darauf hinzuweisen, dass "die Telefonie auf der Basis der Übertragung elektrischer Signale und nicht auf der Lautstärke des gesprochenen Wortes" funktioniere.
Und es half auch wenig.
Leton lehnte das ab. Auch als sein Vater insistierte und drohte, er würde die Verhaftung von Angeviniania aus anordnen, blieb er stur. "Ich bin gleich vor Ort, denkst du wirklich irgendwer wird eine Prinzessin des Hauses Landon verhaften wenn der Kronprinz des Hauses Somia-Liang-Landon sagt, dass sie nicht verhaftet wird?" hielt er seinem Vater vor.
Trevor war soviel Widerspruch von seinem Sohn nicht gewohnt.
"Das wagst du nicht!" wütete er.
"Bist du dir da so sicher, dass du es darauf ankommen lässt?" entgegnete Leton ihm.
Nein, so sicher war sich Trevor mitnichten.
Und so war er sehr empfänglich als Leton nun meinte: "Schau ich möchte Marla auch nicht frei in Angevinien herumlaufen haben. Ich bringe sie mit allen Ehren nach Glanowen. Und da wird sie dann auch bleiben. Wenn du verstehst was ich meine..."
Trevor verstand was er meinte.
"Du internierst sie auf Glanowen? Damit kann ich leben" lenkte er ein.
"Genau das. Zum Glück ist das Schloss so abgelegen, dass ich das Mobilfunknetz dort abschalten kann. Sie hat dann Telefonie und Telenet nur über Kabel. Und da werde ich dafür sorgen, dass der HKSS alles mithört und mitliest..."
"Ah, das klingt doch schon ganz anders" war Trevor nun erleichtert, sein Sohn konnte sich aber eine Spitze nicht verkneifen: "Das klang schon immer so. Du hättest nur erst einmal zuhören müssen..."
"Ich kann ihn meine Stimme hören lassen, kann ich ihn eigentlich auch hören lassen, wenn ich singe?" wandte sich Isador auf dem Schönen Platz fragend an Lillian und Issan.
Lillian lachte und meinte: "Ja, sogar wenn du nur in Gedanken singst, hast du eben schon gemacht..."
"Oh...." staunte Isador, dann meinte er: "Wenn das so ist, dann helft mir, dass Alexej das jetzt hört."
Dann wandte er sich in Richtung Krempkin und seine Stimme erklang so eindringlich wie traurig über den Schönen Platz:
"Silistria o cara, tuo desererfes
Lo vition degerfes coniunctam
Per itiner ist tuo premiesfes
Tio valetudon florirf'itero
Espes e lumen esfes tei
Lu tottu futurun ringife ad tei."¹
Alexej hörte den Gesang und er Verstand die Worte sehr wohl.
Er und Silistrien verlassen? Niemals, nur über seine Leiche.
Lillian aber lächelte und bewies nun einmal mehr wie groß seine Macht wirklich war.
Vor den Augen aller ließ er die verstorbenen Zarin Fedejowna, die Mutter von Alexej und Ivenej erscheinen.
Issan und Isador war durchaus klar, dass es sich dabei um eine Illusion handeln musste. Nicht aber war es das den Menschen um sie herum.
"Seht, sie sind wahrlich die Götter, nur diese können die verstorbenen Zarin aus dem Reich der Toten zu uns bringen!" rief eine weibliche Stimme sehr laut aus.
Selbst Ivenej, der im fernen Sore das Geschehen vor einem Visor verfolgte, schrie auf: "Meine Mutter....!"
"Ich dachte die sei tot mein Liebling?" war Terastan überrascht, eilte aber dennoch herbei um ebenfalls zu gucken.
"Ist sie auch" erwiderte Ivenej, "aber dennoch... Schau!"
Doch Lillian vermochte noch mehr und so sang Fedejowna Rurikawitschi nun zu derselben Melodie wie zuvor Isador:
"Alexur, mio caro, tuo desererfes
La Silistria, la tia patria
Per itiner ist tuo premiesfes
Tio valetudon florirf'itero
Espes e lumen esfes tei
Lu tottu futurun ringife ad tei."²
Auch Alexej, den Issan die Gestalt auf dem Schönen Platz sehen ließ, erkannte sofort seine Mutter in ihr.
"Matrischka³!" rief er, "bin ich schon gestorben, dass du zu mir kommst?"
"Das ist meine Matrischka, meine Matrix" schluchzte Ivenej, "wie ist das möglich?"
"Ich denke nicht, dass sie das wirklich und leibhaftig ist mein Schatz" entgegnete ihm Terastan.
"Siehst du sie denn nicht?" barmte Ivenej, der seine Mutter einst viel zu früh verloren hatte und nun natürlich auf die Möglichkeit sie sei quasi von den Toten auferstanden voll ansprang.
"Die Toten auferstehen lassen, ich denke nicht einmal Lillian kann das" seufzte Terastan und umarmte seinen Uxvir sehr fest.
"Ist das.... ist das Großmutter?" staunte Alexa in Hanyang die selbige ja nur von ein paar Bildern kannte.
"Ja" erwiderte Marlej, "das soll wohl Fedejowna Rurikawitschi sein..."
"Warum singt sie in Sorenisch?" wunderte sich Alexa.
"Vor ihrer Ehe mit Zar Nikolaj war sie Princepa Alisa do Casello" erklärte Margon nun während Marlej zeitgleich meinte: "Weil einer der Geisterbeschwörer das so will..."
"Sie war aus Sore?" fiel Alexa aus allen Wolken.
"Ja sie war die Tante von Princep Fulcur do Casello, dem berühmten Partyfürsten der Gracia Patronson geheiratet hat" berichtete Margon nun, "ihre Muttersprache war also Sorenisch..."
Konnte man das noch steigern? Lillian und Isador konnten es.
Mit einem Duett von Isador und der Zarin.
"Silistria o cara, tuo desererfes..."⁴ fing Isador an und die von Lillian heraufbeschworene Gestalt der Mutter von Alexej und Ivenej fiel ein: "Tuo relinquerfe"
Dann wieder Isador: "Si..." gefolgt von der Zarin: "Tuo premiesfes"
Isador eindringlich: "Tuo desererfes" und die Mutter, lockend: "Tottu futurun ringife ad tei."
Isador, versprechend: "Lo vition degerfes coniunctam" gefolgt von der Zarin, ebenso versprechend: "Cum ills dediteres ad tei"
"Tuo" dann Isador und die Zarin verheißungsvoll: "Tuo premiesfes" und wiederum Isador: "Degerfes"
Fedejowna erneut: "Tottu futurun ringife..."
Beide zusammen nun: "Tuo relinquerfe
Tuo premiesfes
Tun tio valetudon florirf'itero!"⁴
"Tu es Alexej, höre wenigstens auf Mutter!" weinte Ivenej nun und krallte sich an Terastan fest als wäre er der letzte Rettungsring auf hoher See.
Wie hätte sich Alexej auch dem Flehen seiner Mutter widersetzen können.
Mit den Worten "Matrischka, Matrischka ich komme, Matrischka ich gehorche dir!" stürmte er aus dem Bunker, aus den rauchenden Ruinen des Krempkin und hinaus auf den Schönen Platz.
Dass ihr ehemaliger Großfürst die Gestalt als seine eigene Mutter identifizierte, überzeugte nun auch den letzten Silistrier davon, dass es sich bei den Drei um Götter handeln musste, die vor den Augen aller ein solch großes Wunder bewirken konnten.
Auch die, die bisher nicht überzeugt waren oder einfach zu neugierig und noch standen knieten sich nun auf den Belag des Platzes.
Die laute Stimme des Pervosvyashchennik des Bielobog-der-Erlösers-Tempel erhob sich nun über der Menge und dann fielen alle ein:
"Herren, unserere Götter, vergebt mir, was ich an diesem Tag in Wort, in Tat und im Gedanken gesündigt habe, denn Ihr seid gut und menschenliebend. Gebt mir einen friedlichen und ungestörten Schlaf. Sendet mir Euren Schutz der mich vor allem Übel behütet und bewahrt. Denn Ihr seid die Beschützer unserer Seelen und Leiber und Euch senden wir den Lobpreis empor, dem Peran und dem Bielobog und dem Czernobog, jetzt und immerdar und in alle Ewigkeit. Amen."
"Ein bisschen Geisterbeschwörung und schon kommt unser Vater aus seinem Loch gekrochen" konstatierte Marlej derweil in Hanyang abfällig.
"Als wenn du in so einer Situation nicht auf deine Mitter gehört hättest" konterte Alexa.
"Ich wäre erst garnicht in so eine Situation gekommen!" entgegnete Marlej hier.
"Wenigstens wird Vater das überleben" hielt Alexa ihm vor.
"Oh ja, und wir auch" merkte Marlej zynisch an, "mit ihm zusammen an irgendeinem Arsch der Bumia..."
"Wieso das denn?" war Alexa verwirrt.
"Hast du nicht zugehört" erklärte Marlej herablassend, "'lo vition degerfes coniunctam cum ills dediteres ad tei' haben sie ihm doch versprochen. Und ich befürchte, 'jene die ihm zugetan' sind aus Vaters Sicht immernoch du, Mutter und ich..."
Alexej stürmte durch die kniende Menge, die Augen fest auf die Gestalt seiner Mutter gerichtet.
Gerade als er sie berühren wollte, leuchteten die Augen der drei vermeintlichen Götter auf unheimlich Weise auf.
Dann fuhr ein grelles Licht vom Himmel herab und hüllte die Drei, die verstorbene Zarin und Alexej ein.
Als das Licht verschwand und die Menschen ihre Augen wieder öffnen und hinsehen konnten, waren auch ihre Götter sowie Alexej und Fedejowna Rurikawitschi verschwunden.
"Wo sind sie hin?" erkundigte sich Ivenej traurig, "ist Alexej jetzt gestorben?"
"Das glaube ich nicht" versuchte Terastan ihn zu beruhigen, "ich denke wir werden bald wissen wo sie hin sind..."
¹Silistrien, Geliebtes, du wirst (es) verlassen.
Das Leben wirst du gemeinsam verbringen
Für diesen Weg wirst du belohnt werden
Deine Gesundheit wird wieder erblühen
Hoffnung und Erleuchtung wird dir sein
Die ganze Zukunft wird dir zulächeln.
²Alexej, mein Liebster, du wirst verlassen
Das Silistrien, deine Heimat
Für diesen Weg wirst du belohnt werden
Deine Gesundheit wird wieder erblühen
Hoffnung und Erleuchtung wird dir sein
Die ganze Zukunft wird dir zulächeln.
³Kosenamen für Mutter vom sorenischen Matrix = Mutter
⁴I: Silistrien, Geliebtes, du wirst es verlassen
Z: Du wirst zurücklassen
I: Ja
Z: Du wirst belohnt werden
I: Du wirst verlassen
Z: (Die) Ganze Zukunft wird dir zulächeln
I: Das Leben wirst du gemeinsam verbringen
Z: Mit jenen die dir zugetan
I: Du
Z: Du wirst belohnt werden
I: Wirst verbringen
Z: Die ganze Zukunft wird lächeln
B: Du wirst zurücklassen
Du wirst belohnt werden
Dann wird deine Gesundheit wieder erblühen
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