#138 Wie die Götter...
"Also ganz ehrlich? Ich finde die Vorstellung ich könnte schwanger werden wenn Trevastan mich liebt ganz und garnicht gut" erklärte Isador gerade.
Nach dem Empfang war Lillian mit seinem Uxvir und den Gästen aus Bumia in seinen 'Sitz der Götter' am Strand zurückgekehrt.
Dort nun debattierten sie das Gesehene und Gehörte.
"Nur ein erwählter Uxvir kann geschwängert werden" erwiderte Lillian darauf, "und das auch nur wenn er in seiner Concicalora ist."
"Und wie häufig ist das der Fall?" war Isador nun neugierig.
"Die erste Concicalora hat ein Uxvir frühestens fünf Jahre nach dem erstmaligen Empfang von Divinpotion" erklärte Lillian nun, "und dann ist er alle vier Jahre für fünf Tage in seiner Concicalora. Divinobles und Uxvires müssen also schon sehr gezielt daran arbeiten ein Kind zu bekommen..."
"Zugegeben, das klingt ja sehr erträglich" räumte Isador ein.
"Denke ich auch" erwiderte Lillian, "im Übrigen, nach zwei Geburten kommt ein Uxvir auch nicht mehr in seine Concicalora..."
Dass ein Uxvir in seiner Concicalora allerdings - freundlich ausgedrückt - ziemlich notgeil war und es für seinen Virion daher fast ein Ding der Unmöglichkeit war, diese Phase nicht mitzubekommen, behielt er lieber für sich. Irgendetwas sagte ihm, dass dieser Umstand weder bei Isador noch bei An-Tinur wirklich gut ankommen würde.
Ebenso wie die Tatsache, dass ein Uxvir in seiner Concicalora auch empfänglich für die Reize eines Anderen als seines Virions war.
Trotzdem kam An-Tinur mit einer unangenehmen Frage an.
"Bereust du es?" erkundigte er sich.
"Bereue ich was?" wollte Lillian wissen
"Bereust du es, dass ich dir keine Kinder geben konnte?" hakte der nach.
Selbst Lillian erkannte sofort, dass das jetzt ein brisantes Thema war, bei dem er viele falsche Antworten geben konnte.
"Ich habe niemals bereut mich für dich entschieden zu haben" erklärte er mit fester Stimme.
Doch An-Tinur war nicht zufrieden.
"Das beantwortet nicht meine Frage" erklärte er unbeeindruckt.
Und brachte seine Virion damit in eine gewisse Bedrängnis.
"Die Priesterinnen der Maiahula hätten es mir nicht verwehrt, wenn ich ein Kind mit dir hätte haben wollen" antwortete er ihm dennoch ruhig.
Kurz war es still, dann stellte An-Tinur leicht vorwurfsvoll fest: "Du hast mich nie gefragt!"
"Beantwortet das nicht deine Frage?" erwiderte Lillian daraufhin.
Das tat es einerseits schon, andererseits war es vielleicht nicht die Antwort, auf die An-Tinur gehofft hatte.
Das schien auch Lillian langsam aufzugehen.
"Hättest du denn eines gewollt?" erkundigte er sich ein wenig überrascht.
"Du hast mich ja nie gefragt" erwiderte An-Tinur in vorwurfsvollem Tone, "ich habe gedacht du erachtest mich nicht für würdig genug..."
"Das war nicht meine Absicht" verteidigte sich Lillian nun, plötzlich in die Defensive geraten.
"Aber mit mir ein Kind zu bekommen war es offensichtlich auch nicht!" warf An-Tinur ihm vor.
Angesichts der sehr langen Zeit die sie ein Paar waren konnte Lillian dem nicht widersprechen. Egal was er gesagt hätte, An-Tinur hätte dem keinen Glauben geschenkt.
Und das völlig zu recht.
Also wählte Lillian einen anderen Ansatz.
"Es ist immernoch möglich" erklärte er ruhig.
Und überrumpelte nun seinerseits An-Tinur.
"Was?" rief der und schnappte im wahrsten Sinne des Wortes nach Luft.
"Ein Kind, wir beide" stellte Lillian seelenruhig fest.
"Damit kommst du jetzt?" An-Tinurs Stimme klang so, als ob er sich nicht entscheiden könnte ob er jetzt empört sein oder doch weinen sollte.
Und spiegelte damit sehr gut seine aktuelle Gefühlslage wider.
"Hast du Sorge es wäre zu spät dafür? Wir wären zu alt?" erkundigte sich Lillian in völliger Verkennung von An-Tinurs Gefühlen.
"Nein, das ist gerade ganz und garnicht meine Sorge" fauchte der nun offensichtlich angepisst, "du meldest das Thema eine kleine Ewigkeit, bekommst Kinder mit, mit... mit Anderswem und jetzt plötzlich bietest du mir an, dass wir ja auch könnten!"
Wut machte sich in An-Tinurs Mimik breit während Verständnislosigkeit die von Lillian eroberte.
"Weißt du eigentlich wie verletzend das für mich ist? Für mich war?" hielt An-Tinur ihm nun vor.
Lillian musste garnichts sagen, man musste ihn nur anschauen um feststellen zu können, dass er das nicht wusste.
"Ich...." begann er energisch nur um in einem etwas verwirrten "Nein..." zu enden.
"Das habe ich mir gedacht" fuhr An-Tinur ihn an, "manchmal bist du so dumm wie du intelligent und lebenserfahren bist. Was heißt hier manchmal...
...vergiss es einfach!"
Sprach es und legte einen türenknallenden Abgang hin.
"Und da sagt man es würde mit den Jahren einfacher" kommentierte Leton das Ganze ironisch.
"Ja, sehr witzig" fühlte sich Lillian sogleich angegriffen.
"Das war nicht witzig gemeint" konterte Leton ungerührt.
"Nein?" hakte Lillian nach.
"Nein..." bekräftige Leton ruhig, "denkst du ich finde es amüsant wie An-Tinur leidet?"
Er findet, dass An-Tinur leidet? Der Gedanke brachte Lillian endgültig außer Fassung.
Leidet An-Tinur und ich sehe es nicht? Leidet er etwa unter mir?
Lillian wollte diese Gedanken verdrängen, doch sie ließen sich nicht verdrängen.
Warum habe ich es dann nicht gemerkt? Wieso merken sie es, die uns kaum einen Wimpernschlag lang kennen, gemessen an der Dauer unserer Beziehung und nicht ich?
Warum hat er nie etwas gesagt. Hat er etwas gesagt und ich habe es nicht bemerkt? Nicht bemerken wollen?
Diese Gedanken überrannten förmlich Lillians Geist und in einem verzweifelten Versuch ihrer Herr zu werden, brüllte er laut auf: "Ruhe jetzt!"
"Es hat keiner was gesagt" bemerkte Issan auf diesen Ausbruch hin spöttisch.
"Du!" wandte sich Lillian daraufhin an ihn, "du bist das! Das ist alles deine Schuld!"
"Was genau ist meine Schuld? Dass du deinen Uxvir behandelst wie Dreck?" Issan ließ es sich nicht nehmen hier und an dieser Stelle Lillian zu provozieren.
Was ihm auch gelang.
"Du hast ihn gegen mich aufgesetzt!" warf der ihm sogleich wütend vor.
"Ach ja? Du denkst es war nötig, dass ihn jemand aufhetzt?" höhnte Issan nun, "du unterschätzt was sich dank dir über die Jahre – und bei Libulan, es waren viele Jahre! – bei ihm aufgestaut hat."
"Was willst du damit behaupten?" wütete Lillian.
"Es ist witzig, dass du mich das fragst" erwiderte Issan mit einem Hauch von Sarkasmus, "gerade du, der mich hierher gebracht hat, weil er fand, dass ich meinen Gefährten gegenüber meine Macht mißbrauche..."
"Wann habe ich An-Tinur gegenüber meine Macht mißbraucht?" empörte sich Lillian nun.
"Das kann ich dir sagen" erwiderte Issan, "jedes Mal, wenn du sie genutzt hast um das Leben in ihm weiterlaufen zu lassen, wenn er es nicht mehr weiterlaufen lassen wollte. Jedes Mal, wenn du ihn zum Leben gezwungen hast obwohl er sich entschieden hatte zu gehen. Jedes einzige Mal – und das waren viele Male – hast du deine Macht gegenüber An-Tinur mißbraucht.
Denn wenn du dir die Frage gestellt hättest, warum er gehen wollte, dann wärst du bei einer ehrlichen Antwort wieder bei dir selber gelandet. Und das weißt du so gut wie ich es weiß!"
Natürlich wusste Lillian das so gut wie es Issan wusste.
Dennoch war es etwas ganz anderes, dieses Wissen nun so und vor Zeugen vorgehalten zu bekommen.
Und so fehlten ihm die Worte für irgendeine Antwort.
"Wenn ich eines von dir gelernt habe" erhob Issan erneut seine Stimme, "dann dass uns unsere Fähigkeiten nicht zu besseren Wesen machen.
Nur weil wir viel können, macht das unsere Entscheidungen nicht klüger, unsere Ziele nicht weiser und unsere Wünsche nicht hehrer.
Ich gebe zu, es ist nicht lange her, da sah ich das anders.
Und wenn es auch deine Absicht war, mich das über mich selbst zu lehren, war es wohl nicht dein Plan, mich das über dein Beispiel zu zeigen.
Aber genau das hast du gemacht.
Du hast mir die Fülle deiner Macht gezeigt. Unvorstellbare Macht, die sogar in der Lage ist Raum und Zeit zu bezwingen. Eine Macht die neuen Welten zu erschaffen in der Lage war.
Und zugleich hast du mir dein Wesen gezeigt. Dein Ich.
Dieses war und ist mit den Jahren und dem Zuwachs deiner Möglichkeiten so wenig gewachsen wie es mein Ich war und ist.
Du warst noch immer, du bist noch immer der junge Lillian aus dieser kleinen Stadt im Nordwesten von Sore. Deine Wünsche sind immernoch die dieses Jungen, ebenso wie deine Ziele, deine Ängste und deine Träume.
So beherrscht du das Schicksal zweier Welten und bist doch nicht daran gereift."
Lillian wusste, dass Issan die Wahrheit sprach.
Er wusste es schon so lange.
Er hatte sein Leben endlos verlängern können – und auch das seines Uxvir.
Er hatte seine Fähigkeiten ständig ausbauen können, so dass sie denen eines schöpfenden Gottes nahe, wenn nicht sogar gleich, kamen.
Aber er selbst war immernoch der Gleiche geblieben.
Noch immer konnte er den Gedanken an Einsamkeit nicht ertragen. Noch immer hatte er Gelüste, war für die Reize anderer Divinobles und Menschen empfänglich – und für die von Speisen und berauschenden Substanzen.
Und noch immer entschied sein Gehirn unter dem Einfluss der Reize für die er empfänglich war, unter dem Einfluss der Wünsche und Gelüste die es aufgrund selbiger entwickelte und unter dem Einfluss der Ängste die ihm aus selbigen Gründen innewohnten.
Die Macht eines Gottes machte einen noch nicht zu einem Gott.
Oder waren die Götter womöglich garnicht so anders als wir?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top