#135 Der Zweck und die Mittel

Issan war schlau genug Lillian nicht unnötig zu provozieren.
So verbeugte er sich, wenn auch nicht allzu tief, vor ihm, kaum, dass dieser ihn erreicht hatte.
"Mio magnezzo amicissimon"¹ begrüßte er ihn mit perfekt geschauspielerter Freude, "welch' große Ehre, dass Ihr Euch selbst zu uns hinab begeben habt..."
"Du vermaledeites Biest" hörte er da schon Lillians Stimme in seinem Kopf, "du weißt genau, dass ich dich am Liebsten ein paar verpassen würde und das natürlich nicht geht hier..."
"Ach" ätzte Issan auf demselben Weg zurück, "du möchtest keinen Kampf der Götter in deiner Welt?"
"Du bist kein Gott!" entgegnete ihm Lillian erbost.
"Ach, was du nicht sagst" konterte Issan spöttisch, "du übrigens auch nicht, nach meinem Kenntnisstand. Ah und sie wissen, dass es andere Welten gibt, hab mich verplappert..."
"Du hast was? Argggggg" motzte Lillian.

Aber alles Gemotze in Gedanken half nichts, auch Lillian musste den schönen Schein waren.
"Issan, mein lieber Freund von Bumia" begrüßte er ihn, "wie Wir sehen hab Ihr Euch auf Merua, in meiner Welt, schon ein wenig umgeschaut und seid gebührend empfangen worden."
"Wohl wahr, Euer Volk hat Antinan und mir einen wirklich freundlichen Empfang bereitet und das obwohl unser Erscheinen wohl ein wenig überraschend für sie war..."
"Antinan?" fauchte da schon wieder Lillians Stimme indigniert in seinem Kopf herum.
"Sie halten ihn für einen Gott. Ich habe ihn als deinen Gefährten vorgestellt" erwiderte Issan ein wenig schadenfroh, "aber ich konnte ihn ja kaum als An-Tinur vorstellen..."
"Hättest du, die hätten hier mit dem vorangestellten An- nichts anfangen können...." erklärte ihm Lillian, "das konntest du aber nicht wissen..."

"Oh erhabenster Lillian, unser Schöpfer und Gründer" wagte der Divinimperator Traian nun das Wort an Lillian zu richten.
"Steht auf Traian und gesellt Euch zu uns" forderte Lillian ihn leutselig auf, "denn sehet, Wir haben euch Gäste aus einer anderen Welt mitgebracht.
Worauf er sich zu Isador, Evan und Leton umwandte.
"So dürfen Wir euch vorstellen: Isadan, der Mator von Issan, sowie Divinimperator Evan ab Apollam von Sore und dessen Gefährte, der Divinuxvir Letan ab Somnia. Sore ist Imperion auf Bumia."
Dann wandte er sich wieder zu Traian und stellte ihn den Dreien vor: "Divinimperator Traian ab Iovam von Lille". Einem jungen Mann mit silbrigem Haar der auf dem Platz zur Rechten von Traian noch verharrte gab er daraufhin ein Zeichen sich zu erheben. Zögerlich und sichtlich eingeschüchtert trat er zu ihnen. "...und sein Gefährte, der Divinuxvir Lian ab Caneram..."

"Ey, ich bin auch Divinimperator von Sore!" beschwerte sich da auch schon Issan in Lillians Geiste.
"Hier bist du Gott, schon vergessen, da kannst du jetzt nicht auch noch Divinimperator sein..." erwiderte er ihm und klang für Issan ein wenig schadenfroh dabei.

Dagegen konnte Issan nichts einwenden. Es war seine eigene Eitelkeit die ihn nicht gleich hatte zugeben lassen, dass er kein Gott war.
So blieb ihm nur eine gute Miene zu Lillians Spiel zu machen.

"Es gibt andere Welten?" fasste nun auch Divinimperator Traian sein Erstaunen in Worte.
"Die gibt es" bestätigte Lillian und zog sich dann elegant aus der Affäre, "sie sprechen sogar dieselbe Sprache wie ihr, ihr könnt euch also problemlos mit den Amtskollegen aus Sore austauschen..."

Zu diesem eilt Traian ab Iovam nun auch. Also zu Evan.
"Willkommen im Imperion Lilleam, Vosta Numeen Sublimeen" begrüßte er ihn, "Wir hoffen Ihr entschuldigt, dass wir auf Euren Besuch in keinster Weise vorbereitet sind..."
"Oh aber natürlich" erwidert Evan freundlich, "Wir gehen davon aus, dass Ihr kaum früher von unserer Existenz erfahren habt als Wir von eurer, wie hättet Ihr vorbereitet sein können, Wir ahnten ja vor einer Stunde auch noch nicht Euch heute besuchen zu werden..."
"Nun, unsere Götter hindert halt nichts daran ihre Einfälle sofort in die Tat umzusetzen" merkte Traian nun an.
Evan stutzte kurz, dann meinte er lachend: "Oh ja, wobei Wir ja finden es schadet nichts seine Pläne zu überdenken bevor man zur Tat schreitet..."
Überrascht, dass sein Amtskollege aus Sore eine, wenn auch etwas versteckte, Kritik an den Göttern äußerte schaute Traian ihn an. Dann aber schlich sich ein verschmitztes Lächeln auf dessen Lippen und er erwiderte: "Wir sind da ganz Ihrer Meinung. Aber wir sind halt keine Götter..."

Derweil war Leton als Divinuxvir mit Lian in ein Gespräch verwickelt welches ihm Erstaunliches offenbaren sollte.
"Seid Ihr eigentlich auch Divinoble Lian?" erkundigte sich Leton bei ihm wegen dessen Namen.
"Nein! Seid Ihr etwa einer?" war Lian von der Frage völlig überrascht.
"Ja" bestätigte Leton, "wäre ich keiner, wäre mein Name als Uxvir An-Letur und nicht Letan..."
"Bevor Traian mich erwählte hieß ich Liur" erklärte Lian ab Caneram, "aber ein erwählter Uxvir darf seinen Namen auf 'an' enden lassen, schließlich bekommen sie die Söhne der Divinobles?"
"Ihr bekommt die Kinder der Divinobles?" war Leton nun erstaunt.
"Ja, natürlich" erwiderte Lian, "auch wenn wir sie nicht auf dem natürlichen Weg der Frauen gebären können..."
"Das ist erstaunlich..." murmelte Leton mehr zu sich selbst.
"Ist das bei euch nicht so?" wollte Lian nun seinerseits wissen.
"Nein..." erklärte Leton.
"Oh, wie bekommen bei euch die Divinobles denn Söhne?" war Lian jetzt neugierig.
"Schon mit ihrem Uxvir, aber das Austragen übernehmen dann Priesterinnen" erklärte ihm Leton.
"Das klingt kompliziert" vermutete Lian.
"So haben es unsere Götter eingerichtet" wich Leton einer konkreten Antwort aus.
Er war immernoch mit der Erkenntnis befasst, dass die Uxvire auf Merua schwanger werden konnten.

Etwas, dass er unbedingt mitteilen musste.
Und so hörten kurz darauf Evan und Issan seine Stimme in ihren Köpfen: "Wusstet ihr, dass die Uxvirs hier schwanger werden können?"
"Was?" kam es unisono von Beiden zurück.

Issan ließ es sich nicht nehmen sofort Lillian mit dem, was er gerade gehört hatte, zu konfrontieren.
"Du hast also auch in der Genetik herumgefuscht?" erkundigte er sich mit einem Hauch von Mißbilligung.
"Was meinst du?" erkundigte sich Lillian.
"Schwangere Uxvires!" kam Issan sofort auf den Punkt.
"Ach das" erwiderte Lillian, "Ach ganz ehrlich, Lilliana zu sein fand ich nicht so prickelnd und die Priesterinnen der Maiahula hier her zu bringen war mir damals nicht möglich..."
"Wie kommen die Kinder dann auf die Welt" war Issan nun neugierig, "Arschgeburt?"
"Haha, ja, sehr witzig..." maulte Lillian, "nein, sie werden rausbekommen."
"Haben die hier denn schon Narkose?" war Issan halb skeptisch und halb entsetzt.
"Habe das Divinpotion etwas modifiziert" erklärte Lillian, "die hiesigen Divinnobles können eines abgeben wenn sie Schmerzen ihres Uxvires wahrnehmen. Das wirkt schmerzstillend. Der Nebeneffekt ist, dass sie so bei der Geburt dabei sein müssen..."
"Oh. Das ist natürlich raffiniert" gab Issan zu. Der Gedanke, dass Divinobles gezwungen waren ihrem Uxvir während der Geburt beizustehen gefiel ihm. Und er war sich sicher, dass auch Anadan und An-Taetsin diese Vorstellung gefallen würde.
"Davon mal abgesehen haben die hier funktionierende Narkosemethoden seit etwa siebzig Jahren" fügte Lillian etwas spitz hinzu.
"Sie müssen ja auch nur dich fragen"  erwiderte Issan mit einem Hauch Zynismus.
Das erboste Lillian und er stellte fest: "Die Gesellschaft und Technik hier hat sich weitestgehend alleine entwickelt, ich habe hier nicht ständig die aktuellen technischen Errungenschaften von Bumia als Gott ausgeplaudert!"
"Schon klar" entgegnete ihm Issan provokant, "sonst wären sie ja auch nicht zweihundert Jahre zurück..."
"Eben" erklärte Lillian mit Genugtuung, fühlte sich dann aber doch bemüssigt zu ergänzen: "Ich habe sie allerdings in anderer Hinsicht vor einigen Problemen Bumias bewahrt..."

"Wie meinst du das?" erkundigte sich Issan neugierig.
"Nun, ich habe beispielsweise die Gebiete Meruas die ihr auf Bumia als die Intercardinons² bezeichnet zum Supervitation³ erklärt" antwortete ihm Lillian daraufhin.
Issan verstand sofort, was Lillian meinte. Wenn man die Menschen und Divinobles von der grüne Lunge eines Planeten fernhalten konnte, löste das einige Probleme, die ein solcher Planet wie Bumia oder Merua spätestens mit dem Aufkommen der Industrialisierung – und die war augenscheinlich auch in Merua bereits im Gange – bekommen würde.
"Dann bleibt nur zu hoffen, dass die Menschen hier sich nicht so vermehren wie die Karnickel wie sie es auf Bumia taten..." merkte er an.
"Oh, sie vermehren sich jetzt auch hier" erklärte Lillian, "aber es gibt hier keine Gesellschaften ohne divinoble Führung und mithin auch keine die Mann und Frau zur alleinigen Norm und das Vermehren zum gottgewollten Selbstzweck hochjubeln. Ich als ihr Gott habe von vornherein alles vermieden was auf 'Macht euch Merua untertan' hinauslaufen könnte..."
"Also keine Godanisten auf Merua" seufzte Issan, "das spricht wirklich für diese Welt..."
"Auch wenn ich vielleicht einen anderen Eindruck hinterlassen habe" erwiderte Lillian daraufhin, "ich bin kein Freund von Fundamentalismus oder Fanatismus..."
"Oh, ich auch nicht" stimmte Issan ihm zu und dann öffnete er sich ein Stück weit für Lillian, "aber ich gebe zu ich fürchte ihn..."

Unbemerkt war Isador zu ihnen getreten und mischte sich nun ein: "Das Problem ist nur, diese Furcht macht euch beide zu Fanatikern ein Stück weit..."
Lillian und Issan fuhren zu ihm herum. Beide wollten sie auf diesen Vorwurf – denn als einen solchen empfanden sie Isadors Aussage – etwas erwidern. Beide aber wussten nicht was sie sagen sollten.

"Meinst du wirklich?" kam es schließlich kleinlaut von Issan.
"Was denkst du warum sich Evan und Leton gegen dich gestellt haben?" fragte ihn sein Mator da. "Und warum dein Pator und ich ihnen beigestanden haben?"
"...und warum ich interveniert habe?" ergänzte Lillian.
"Was nicht hilfreich war" watschte Isador Lillian sofort ab, "denn du bist, was das angeht, wenig geeignet Issan Vorhaltungen zu machen!"
"Was..." wollte Lillian sich empören, doch Isador ließ ihn garnicht zu Wort kommen: "Ruhig jetzt, zu dir komme ich noch, du hast einiges zu erklären. Zum Beispiel warum dieser Traian denselben Familiennamen hat wie die Divinimperatores Ieran, Ienan und Ievan von Sore!"
"Na weil er wie diese von mir abstammt" fauchte Lillian empört.
"Von dir und wem noch?" konterte Isador ungerührt.
"Sorelan....  irgendwie..." gab Lillian ein wenig widerstrebend zu.
"Und wie genau irgendwie?" ließ Isador nicht locker, "du wirst ja kaum einen zweiten Sohn mit Sorelan bekommen haben von dem niemand etwas weiß...."

Issan lauschte ihrem Schlagabtausch mit zunehmender Spannung.
Er verstand zwar noch nicht worauf Isador hinauswollte, aber dass dieser irgendeinen wunden Punkt von Lillian im Visier hatte, das verstand er sehr wohl.

"Ienan ab Iovam..." gestand Lillian nun.
Erst war Issan verwirrt und verstand nicht ganz die Tragweite dessen, was Lillian da gerade mitgeteilt hatte.
Aber nicht lange verblieb er in diesem Zustand und dann ging ihm ein Licht auf.
"Du hast.... mit deinem eigenen Sohn?" rief er konsterniert und so laut aus, dass alle anderen Anwesenden in dem Haupttempel von Lille Urbs verstummten.
"Schrei es noch lauter!" zischte Lillian ihm peinlich berührt und wütend zugleich zu.
Doch Issan achtete garnicht darauf.
"Wie hast du das gemacht?" erkundigte er sich, nun wieder mit gedämpfter Stimme, "ich kann mir nicht vorstellen, dass Ienan da einfach so mitgespielt hat..."
"Hat er auch nicht" erwiderte Lillian, "aber er hatte mich nie als Frau gesehen und war ziemlich voll des süßen sorenischen Irepos..."
"Das ist widerlich" erklärte Issan und dann mit etwas Anerkennung, "aber irgendwie auch ziemlich raffiniert...
...aber das war dann nicht Traian oder?"

Lillian schüttelte den Kopf: "Nein, so entstand Nervan, Traians Pator.
Traians Mator war Ulpian ab Marcianam, ein Uxvir..."
"Also ist Traian der zweite Divinimperator von Lille?" erkundigte sich Issan.
"Da siehst du richtig" bestätigte Lillian ihm.

"Trotzdem, ein Sohn mit dem eigenen Sohn..." Issan konnte das nicht gutheißen.
"Möchtest du mir jetzt vorhalten, dass ich nach der Methode 'Der Zweck heiligt die Mittel' verfahren habe?" warf Lillian ihm vor.
"Hey, wer hat mich entführt weil ich seiner Meinung nach zu sehr nach der Methode verfahren habe?" konterte Issan sarkastisch.
"Ich....." brauste Lillian auf, realisierte dann aber, dass Issan da absolut ins Schwarze getroffen hatte und endete mit einem lahmen: "...ich gebe es ungern zu, aber Punkt für dich..."





¹Mein großartiger/größester bester Freund
²Intercardinons = Tropen
³Supervitation = Tabu

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