#119 Eine Frage der Repräsentation

Erst mit dem Morgengrauen erreichte die Flotte von An-Timur ab Meridamtuniam tatsächlich Axis Bay.
Ein wenig zeigte sich nun, dass es doch einiges an Jahren her war, dass dieser nicht nur theoretisch das Kommando über Kriegsschiffe hatte.
Denn anstatt sich nun alleine mit Flugzeugen, Orbitelles¹ oder Fucuions² ein Überblick zu verschaffen, schickte er zwei Minensuchboote vor um die Lage vor den beiden die Einfahrt nach Axis Bay schützenden Forts zu erkunden.

Die bestätigten was die Luftaufklärung schon zeigte, die Einfahrt in die Bucht war mit Ausnahme zweier enger Kanäle direkt an den Forts vorbei vermint
Gerade als die Minensuchboote umdrehten um zu der 15 Seemeilen vor der Bucht wartenden Flotte Sores zurückzukehren, begannen die beiden Forts einzelne Schüsse in Richtung der Boote und der Flotte abzugeben.

"Dass die überhaupt noch Munition für das alte Gerümpel haben" wunderte sich An-Timur, befahl dann aber das Feuer mit Lenkwaffen zu erwidern, was die Forts schnell zum Schweigen brachte.

"Ein großes Schiff bewegt sich aus der Bucht auf uns zu" wurde ihm da gemeldet.
"Ein großes Schiff?" erkundigte er sich, "aber es war kein großes Schiff der angevinischen Flotte in Axis Bay als Limama sich getrennt hat."

Just in diesem Moment blies der Wind die Nebelschwaden über der Bucht auseinander und gab den Blick frei auf ein stählernes Ungetüm, hinter dessen Bug sich jeweils drei riesige Kanonen in zwei Geschütztürmen langsam auf die ENSN Perderor richteten.

"Was in aller Götter Namen ist das?" verlangte ein verblüffter An-Timur zu wissen.
Er bekam rasch Antwort von seinem Aufklärungsoffizier: "Das ist ein Schlachtschiff der Lakota-Klasse, Iaune!"
"Kann das noch schießen?" erkundigte sich An-Timur nun.
"Das müsste die HKHS Limama sein, Iaune, die lag als Museumsschiff in Axis Bay. Indienststellung war 1140!"
"Die fährt noch offensichtlich. Wenn die noch schießen kann, die hat 42-Centimeter-Geschütze, dann ist das kein Spaß!" brüllte der erste Offizier nun.
"Feuer eröffnen!" befahl An-Timur nun, "versenkt mir diesen Relikt einer vergangenen Zeit sofort, volle Fahrt voraus!"
Während die ENSN Perderor nun Fahrt aufnahm, zeigte die Limama, dass sie noch feuern konnte.
Zwar traf sie nicht das Flagschiff von An-Timur selbst, wohl aber den hinter diesem laufenden Zerstörer ENSN Dabilabad.
So modern der in Erinnerung an die sindhuratische Stadt Dabilabad und den dortigen Einsatz der Sorener im Si-Vinditta-Golconda-Zwischenfall benannte Zerstörer auch war, der Einschlag zweier Kaliber 42cm Geschosse waren auch für ihn zuviel.
Es zeriss ihn förmlich in Stücke welche sofort zu sinken begannen.

Auf der Limama hatte man allerdings keine Zeit mehr sich über seine Treffer zu freuen. Ein halbes Dutzend sorenischer Seezielraketen und vier Torpedos trafen den Vertreter einer längst vergessenen Ära des Seekrieges.
Eingehüllt in Rauch und Flammen neigte der einstige Stolz der angevinischen Marine sich zur Seite und just in dem Moment in dem sein Schornstein in das Wasser tauchte, zeriss eine gewaltige Explosion das Schiff. Eine tiefschwarze Rauchsäule stieg empor, Brocken die zuvor noch Teile des Schiffes waren flogen umher während schmutziggrauer Rauch in dichten Wolken sich seitlich über das Wasser rollte.

"Nave do proelion in pugna demergire!"³ lautete die für das 28. Jahrhundert denkwürdige Nachricht die daraufhin von An-Timur an Bord der ENSN Perderor an den Supremator Militaris Meran ab Martiam nach Sore Urbs ging.

Doch mit der ENSN Dabilabad hatte auch Sore Verluste an Menschen und Material zu verzeichnen und das erzürnte An-Timur nun, so dass er seinen Minenräumbooten nun befahl: "Damnart las minamars! Sum cursun deantu!"⁴

Noch im Rauch der gesunkenen Limama fuhren diese nun in das Minenfeld. Das sich dann als doch recht überschaubar entpuppte.

Währenddessen die Flugzeuge der ENSN Perderor nun Ziele in Axistown anflogen. Doch es stellte sich heraus, dass es um die Luftabwehr der CSSA nicht gut bestellt war und der größte Effekt den die Flugzeuge hatten, war, große Panik unter den Bewohnern von Axistown anzurichten.

Als die ersten sorenischen Schiffe endlich in die Axis Bay eindrangen, sahen sie die weißen, selbsternannten Herrenmenschen des Südens in Scharen mit ihren Automobilen über die Bay Bridge der Autobahn I-10 in Richtung Ostoria fliehen.
Am Battleship Parkway, der am Anlegeplatz der unglücklichen Limama als Museumsschiff vorbeiführenden Straße aber trafen nun diejenigen ein, welche im Eintreffen der Sorener kein großes Unglück sondern eine Erlösung sahen während gleichzeitig am langen Antennenmast des Bay Point Hospitals die weiße Fahne mit dem roten Tropfen gehisst wurde.

Die weiße Fahne hissen wollte von den ach so weißen Honoratioren der Stadt, welche zu einem nicht unbeträchtlichen Teil ihre Ämter der allerweißesten Regierung der CSSA verdankten, dann keiner. Lieber machten sie sich vom Acker.
Trotz emsigen Bemühen allerdings war es der Regierung der CSSA in der Kürze ihres Bestehens nicht gelungen alle Menschen mit friqiyanischen Vorfahren und/oder einer Abstammung von der Urbevölkerung New Lugunias aus den öffentlichen Ämtern zu entfernen und auch nicht alle von denen waren aus der CSSA geflohen.

Dem Deputy Chief des Axistown Police Departement, Ticumson Tenskwar, einem Mitglied des Stammes der Kosawati, fiel daher nun die Aufgabe zu, die Stadt an An-Timur zu übergeben.

Auf dem am Hafen gelegenen Flughafen der Stadt trafen beide aufeinander.
Ticumson Tenskwar mit einer weißen Fahne in der Hand und An-Timur, der in einer Admiralsuniform der Marine von Sore aus einem Hubschrauber stieg.

Dann geschah etwas unerwartetes. An-Timur erstarrte kurz und dann verbeugte er sich knapp vor Tenskwar.
"Ausgerechnet Euch hat man es überlassen die Niederlage dieser Heuchler mir gegenüber zuzugeben?" sprach er dann, "welch' Ironie der Geschichte, war ich doch einst einer derjenigen der diese Menschen in die Lande Eurer Väter brachte..."
"Ich befürchte ich kann euch nicht ganz folgen" erwiderte Ticumson Tenskwar.
"Ich bin Timon Wriothesley. Ich bin einer der drei Angevinier der im Namen von König Elisor mit dem Stamm der Cheroenwaka den berühmt-berüchtigten Vetrag von Middle Planttown geschlossen hat welcher zur Gründung der Kolonie Timonia führte. Ohne mich wäre es nie soweit gekommen" erwiderte An-Timur.
"Aber das ist über dreihundert Jahre her? Wie könnt Ihr noch leben?" wunderte sich Tenskwar.
"Habt Ihr je von den Divinobles gehört?" erkundigte sich An-Timur nun.
"Natürlich, Ihr habt euch von einem erwählen lassen" verstand Tenskwar sofort worauf er hinauswollte.
"Sehr richtig" bestätigte An-Timur nun dessen Vermutung, dann nahm er Haltung an und salutierte vor ihm: "Es ist das Land Eurer Väter und ich werde von keinem Menschen wie Euch ein zweites Mal verlangen mir dieses zu übergeben! Es ist mir eine Ehre Euch bei der Befreiung Eurer Heimat behilflich sein zu können. Ich habe einmal das Land eurer Väter im Namen Angeviniens beansprucht, ich werde es kein weiteres Mal im Namen Sores beanspruchen!"
"Wie darf ich das verstehen?" erkundigte sich Tenskwar verwirrt.
"Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung liegt bei Euch in guten Händen, dessen bin ich mir sicher" erklärte An-Timur ihm, "solltet Ihr Hilfe benötigen, stehe ich Euch jederzeit zur Verfügung. Sollte ein weiteres Vorgehen gegen diese Heuchler von der CSSA zu Beeinträchtigungen der Bürger dieser Stadt führen, werde ich Euch umgehend in Kenntnis setzen.
Aber dieses ist euer Land und eure Zukunft in welche sich meine Truppen nicht einmischen werden."

Tatsächlich zog An-Timur sich und seine Truppen nach dieser Unterhaltung wieder auf die Schiffe seiner Flotte zurück.

Doch kaum gelangten die Bilder und die gesprochenen Worte dieser Nicht-Übergabe von Axistown in die Medien, sorgten sie für große Aufregung.
Sowohl in Angevinien als auch in Sore.

"Er ist Lord Henry Wriothesley, 3rd Earl of Southhamleton" regte sich Trevor auf, "und leitet eine sorenische Flotte zu einem Zeitpunkt wo er seit Jahrhunderten tot sein sollte! Und als wäre das noch nicht schlimm genug bezeichnet er die angevinische Eroberung von New Lugunia als einen Fehler und bestreitet, dass wir ein Recht haben sie als unser Staatsgebiet zu beanspruchen!"
"Das hat er aber so nicht gesagt" entgegnete ihm Simur.
"Er hat diesen Polizisten als Testudaner⁵ erkannt und es abgelehnt, dass dieser ihm das 'Land seiner Väter' ein erneutes Mal übergiebt" widersprach Trevor ihm energisch, "wie willst du das anders interpretieren?"
"Er hat aber nicht explizit von den Testudanern gesprochen" meinte Simur spitzfindig, "wir können es daher auch als Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Angeviniens interpretieren."
"Wir wissen aber genau, dass er es nicht so gemeint hat!" beharrte Trevor auf seiner Sicht der Dinge.
"Wir schon, aber die Öffentlichkeit nicht" konterte Simur.
"Die Öffentlichkeit, zumindest die in unseren Landen, ist doch eh mehr damit beschäftigt, dass Lord Timon Wriothesley mehr als drei Jahrhunderte nach seinem Ertrinken wieder auftaucht" sprang Taejo nun Simur bei, "da geht das doch völlig unter..."
"Vielleicht sollten wir die Medien ein wenig in die Richtung schubsen ob das plötzliche Auftauchen von Lord Timon bedeutet, dass der berühmte Willion Spearshaker auch noch unter den Lebenden weilt?" schlug Simur nun vor.
"Darüber müssen wir nicht spekulieren. Er wird der Virion von Lord Timon sein" erklärte Trevor grummelig.
"Es ging ja auch nicht darum, dass wir darüber spekulieren sollen Darling" mischte sich erneut Taejo ein, "sondern darum, dass die Medien und die Öffentlichkeit in Angevinien das macht..."
"Wirklich Trevor, müssen wir dir jetzt erklären wie man ein Ablenkungsmanöver macht?" stichelte Simur nun.
"Und wie genau möchtest du das anstellen?" maulte Trevor.
"Sagt dir Gaila Orfrey was?" erkundigte sich Simur nun spitz.
"Natürlich, ich bin ja nicht völlig abgehoben" raunzte Trevor.
"Nun, Lison und ich sind heute Abend in ihrer Show" erwiderte Simur grinsend, 'und ich denke da werden wir bei den diskutierten Themen ein Wort mitzureden haben..."

Das man noch ein Wort mitzureden hatte, dachte man auch in Sore Urbs.
"Es ist ja nett, dass An-Timur die Rechte der Indigesos⁶ anders als vor über dreihundert Jahre heute wichtig sind" empörte sich Issan, "aber wenn er es jetzt so aussehen lässt als würde Sore die Zugehörigkeit der südlichen Shires zu Angevinien in Frage stellt, dann geht das zu weit!"
"Angesichts dessen, dass diese Heuchler von der AAP ja so tun als wenn weiße Erebunier die wahren Ureinwohner von Testudana⁷ seien, finde ich das eine gute Geste von An-Timur" widersprach ihm Evan hingegen.
"Eine gute Geste mag es ja sein" war Leton nicht seiner Meinung, "aber wenn wir meinem Pator jetzt sagen, dass wir ihm nicht nur das Präsidium über die Vereinigten Reiche des Nordens entziehen sondern er auch noch seine Titel bezüglich New Lugunia und New Ecossia mal bitte mit den Testudians⁵ neu verhandeln solle, dann wird er unter Garantie nicht mitspielen."
"Vielleicht sollten wir dennoch einige Testudians zu Archpeers von Angevinien erheben?" überlegte Evan.
"Wie willst du das machen" meinte Issan nun, "wir können ja kaum einfach ein paar Testudians aus der Peerage von Angevinien oder New Lugunia unser Divinpotion spritzen und dann stehen sie plötzlich auf das eigene Geschlecht und leben ewig länger."
"Nun ja, wenn ich richtig informiert bin, wurden doch in den letzten zweihundert Jahren die Oberhäupter größerer Stämme als Dukes und die Oberhäupter der kleineren Stämme als Earls in die Peerage von New Lugunia und teils auch Angevinien aufgenommen und sitzen seit dem im House of Lord von New Lugunia und teils auch Angevinien" sprach Evan nun, "die Oberhäupter der Stämme, welche keine dauerhaften Oberhäupter kannten, gelten seit etwa einhundertzehn Jahren für ihre Amtszeit als Lords of Parliament und sind somit ebenso Mitglieder im House of Lords von New Lugunia.
Da wo die Funktion eines Oberhauptes nicht vererbt wird, ist das jeweilig Oberhaupt dann nur Life Peer, kann den Titel also nicht vererben.
Im House of Archpeers sind die Testudians noch garnicht vertreten, was allerdings auch wenig verwundert, sind dort doch im Momente überhaupt nur Simur, Taejo und du, Leton, Mitglieder bzw. sobald sie sich verbunden haben auch noch Gaston und Levon.
Archpeers welche die Testudianische Bevölkerung Angeviniens dort vertreten wären, wie auch Vertreter der friqiyanischen Ureinwohner und deren Nachfahren in Angevinien im übrigen, ein deutliches Signal welches am Anspruch deines Pators als Hochkönig von Angevinien über diese Regionen zu herrschen, nichts ändern würde, eher im Gegenteil..."
"Die Idee ist fraglos gut und ich bin absolut dafür" erklärte Leton dazu nun, "aber wie Issan schon sagte, wie willst du geeignete Kandidaten bestimmen?"
"Muss ich darauf gleich eine Antwort haben damit ihr über meine Idee nachdenkt?" entgegnete Evan nun leicht verärgert, "im übrigen denke ich, dass es Divinobles wie euch beiden oder Isador möglich sein sollte geeignete Kandidaten herauszufinden!"
"Was hat jetzt mein Mator damit zu tun?" erkundigte sich Issan misstrauisch.
"Er kann den Menschen in die Seele sehen. So wie du und Leton" erwiderte Evan, "und ich denke, ihm würde die Idee, neue Divinobles aus weiteren Völkern zu erschaffen sehr gut gefallen..."

¹Orbitelle = Satellit
²Fucuion = Drohne
³Schlachtschiff im Gefecht versenkt!
⁴Verdammt/Vergesst die Minen! Volle Fahrt voraus!
⁵Testudaner, Testudians = Bezeichnung der Ureinwohner von New Lugunia und New Ecossia
⁶Indigesos = Ureinwohner
⁷Testudana = Kontinent auf dem New Lugunia und New Ecossia liegen

ENSN Dabilabad

HKHS Limama

ENSN Perderor

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