Kapitel 7: Bo-Al kämpft!

Oskar und Krfenna hatten schon seit einigen Stunden das Dorf verlassen. Beide trugen schwere Rucksäcke mit Vorräten und ähnlichem. Sie konnten nicht erwarten, das ihnen jemand in der Hölle helfen würde. Obendrein mußte er noch auf Krfenna aufpassen. Aber Oskar hatte wohl keine andere Wahl. Die Älteste hatte gesagt, daß Krfenna eine verborgene Kraft in sich trägt, ohne die sie wahrscheinlich nicht gewinnen können. Nach ein paar Meilen Wanderschaft holte Krfenna eine Karte heraus. Oskar hatte ihr die Festlegung der Route überlassen, denn schließlich lebte sie schon etwas länger hier als er. „Wir müssen den Greifenschlund durchqueren, anschließend durch die Sümpfe der Wahrheit", sagte Krfenna, „Danach kommen wir irgendwann zu den vier Toren der Weisen, ehe wir den Baum der Weisheit erreichen".
„Wieso vier Tore?", fragte Oskar erstaunt, „ich denke es waren Sieben. Wir haben die Aufgaben dort nämlich schon erledigt".
„Dann seid ihr von Süden gekommen. Dort gibt es sieben Tore. Wir werden von Norden her dort auftauchen". Beide hatten sich entschlossen, sofort in die Hölle vorzudringen. Schließlich würde es lange dauern, ehe sie Oskars Freunde wiedergefunden hätten. Bis dahin hätte der Teufel weit mehr Macht erlangt und wäre unbezwingbar. „Wieso heißt es eigentlich 'Greifenschlund'?"
„Es leben dort viele wütende Greifen mit spitzen Schnäbeln und scharfen Krallen", antwortete Krfenna.
„Das wird doch kein Grund zur Besorgnis sein, oder?", fragte Oskar beunruhigt.
„Nicht, wenn du weit entfernt vom Greifenschlund lebst!".
Oskar sagte nichts mehr und rückte seinen Lederwams zurecht. Seinen Smoking hatte er im Dorf zurückgelassen, weil angeblich nicht genügend Schutz bot. Beide marschierten weiter bis sie während der Abenddämmerung eine alte schäbige Kutsche auf sich zufahren sahen. Sie blieben stehen und warteten. Als der Kutscher die beiden erblickte zügelte er die Pferde zum Stehenbleiben und winkte ihnen zu. Oskar und Krfenna traten näher du sahen, daß der Kutscher ein gutaussehender Mann in den besten Jahren war. Er hatte ein relativ junges Gesicht, war schlecht rasiert und hatte langes schwarzes Haar, daß er auf dem Rücken zu einem dicken Zopf geflochten trug, der zum unteren Ende hin immer dünner wurde und von einer roten Schleife geziert wurde. Lediglich eine dicke graue Strähne zog sich vom mittleren Scheitelpunkt seitlich nach hinten rechts.
„Guten Abend. Wo wollt ihr denn zu solcher Stunde noch hin?"
„Wir hatten eigentlich gehofft den Greifenschlund in dieser Nacht noch durchqueren zu können." antwortete Krfenna.
„Das trifft sich ja gut, daß ihr mich getroffen habt. Ich bin Nestor, der Kutscher zwischen den Gefahren." sagte der Mann mit einem Grinsen.
„Ich habe noch nie von Euch gehört." entgegnete Krfenna und schaute Nestor mißtrauisch an.
„Das liegt vielleicht daran, daß ich ein Commuter bin. Ein Pendler zwischen den Ebenen des Jenseits. Immer dort, wo ich gerade gebraucht werde. Ich bin ein Diener Gottes. Offenbar hat er Euch auf einem seiner vielen Monitore beobachtet und dazu würdig befunden von mir über den Greifenschlund kutschiert zu werden. Steigt ein!" Mit diesen Worten öffnete sich die Tür der Kutsche und Rauch wirbelte daraus hervor. Nach einigen Sekunden hatte er sich gelegt und Oskar und Krfenna stiegen zaghaft ein. Sie hörten nur, wie Nestor mit den Zügeln knallte und sich die Kutsche in Bewegung setzte. Im Inneren der Kutsche war es dunkel. Die beiden Weggefährten atmeten erschöpft aus und erschraken ein wenig, als sie merkten, daß vor ihnen noch jemand saß. Die Gestalt beugte sich vor und sie bemerkten, daß es sich um eine Frau von ungefähr 23 Jahren handelte. Sie hatte blondes, lockiges Haar, das lose auf ihre Schultern fiel. Sie trug ein schönes, weißes Kleid.
„Seid ihr unterwegs zum Baum der Weisheit?" fragte sie mit einer wohlklingenden Stimme.
„Das sind wir durchaus." antwortete Oskar. „Ich heiße Oskar und dies ist meine Begleiterin Krfenna und wer seid ihr, schöne Dame." Hätte Oskar ein wenig besser in der Dunkelheit gesehen, hätte er gemerkt, wie Krfenna eine beleidigte Miene zog, die Arme über der Brust verschränkte und stur aus dem Fenster zu blicken begann.
„Ich bin Prinzessin Yanbu und bin auf der Suche nach meinem verschollen geglaubten Bruder. Ich hörte von einem Orakel, daß er hier auf dieser Ebene sein soll." sagte die schöne Dame.
„Welchen Namen trägt denn Euer Bruder, Prinzessin?" erkundigte sich Oskar.
„Sein Name ist Johann. Wir entstammen dem Geschlecht von der Buche aus dem Kontinent Frisa."

Bernie schlug wild um sich, konnte sich aber kaum vor den stinkenden Finger der Ghule retten. Ihm blieb nur eine Möglichkeit. Mit einem wütenden Aufschrei riß Bernie seinen Mittelfinger hoch und lies eine mächtige Schockwelle durch den Raum fahren. Die Ghule zerfielen in ihre einzelnen Körperteile. Aber sie waren immer noch nicht erledigt. Einer versuchte sich, mit einem Arm am Boden entlang kriechend, Bernie zu packen. „Hinter dir", hörte Bernie eine männliche Stimme im Raum. Bernie fuhr herum, trat dem Ghul den Schädel kaputt. Als sich Bernie nach seinem Retter umblickte, sah er niemanden. „Mist, mist, mist", fluchte Bernie. Aber er hatte keine Zeit. Er mußte flüchten. Da er im Flur weitere Feinde erwartete, sprang er aus dem Fenster. Er hatte nicht bedacht, daß sich das Klassenzimmer im fünften Stock befindet. Mit einem Schrei fiel er herunter. „Scheiße", war das einzige, was er noch herausbringen konnte.

Bernie wachte auf. Er schien sich in einer Art Höhle zu befinden. Es war ziemlich heiß und ein rotes Glühen hüllte alles in gespenstisches Licht. Neben ihm stand ein Mann. Er hatte graues Haar und ein silbernes Stirnreif mit einem eingelassenen Rubin. Er hatte eine graublaue Tunika an mit goldenen Verzierungen. „Ich bin Sagan. Ich bin froh, daß dich die Ghule nicht erwischt haben. Jetzt bin ich hier als Gefangener in der Hölle wenigstens nicht alleine".
„Weswegen wirst Du gefangengehalten, Sagan?" fragte Bernie, während Sagan ihm auf die Beine half.
„Eigentlich war ich ein friedliebender Verstorbener in der obersten Ebene des Jenseits. Aber dann wurde ich eines Tages von einer bösen Kreatur namens Fudu in diese Welt entführt, damit der Teufel sich meine Kräfte zu Nutze machen kann. Alle Wesen, die hier in der Hölle landen, fördern die Macht das Teufels mußt Du wissen. Er kann auf Deine Kräfte zugreifen und mit ihnen agieren. Welche Kräfte besitzt Du denn?" fragte Sagan.
„Nun ja..."sagte Bernie, hob vorsichtig seinen Mittelfinger und zeigte ihn Sagan. „Ich kann hiermit mächtige Kräfte entstehen lassen."
„Um Gottes Willen!" schrie Sagan auf. „Diese alte Kunst war auch einst auf meiner Ebene präsent. Aber die Verwendung wurde verboten, da es hieß, daß sie nach jedem weiteren Einsatz ständig an Macht hinzu gewinne."
„Was kannst Du denn so sonderlich tolles?" fragte Bernie.
„Mit dem Rubin auf meiner Stirn kann ich die finstersten Gedanken aller Wesen sehen und mich in ihren Gedanken manifestieren. Doch Du kannst den Einsatz dieser Fähigkeiten hier in der Hölle vergessen. Hier sind wir machtlos."
„Wie können wir dann von hier flüchten?" fragte Bernie.
„Wenn ich das wüsste..."sagte Sagan und legte die Stirn in Falten.

„Lass mich hier raus!" schrie Bo-Al und rüttelte an den metallenen Stäben seines Käfigs. Sein Doppelgänger lachte nur laut auf und sprach dann:
„Gern, sobald die Vereinigung vollbracht ist." Er schritt zu einem Regal mit allerlei Krimskrams, die in Bo-Als Eile noch nicht von ihm unter die Lupe genommen worden waren. Der böse Bo-Al entnahm ein Pusterohr und füllte ihn mit einem Pfeil.
„Aber vor der Vereinigung muß ich Dich erst betäuben." sagte er. Er richtete sein Rohr direkt auf Bo-Al und legte die Lippen an das andere Ende. Mit einem tiefen Atemzug füllte er seine Wangen. Der Betäubungspfeil schoß mit unglaublicher Geschwindigkeit aus dem Rohr. Er hätte Bo-Al direkt im Herzen getroffen, wo das Betäubungs-Gift am schnellsten wirkt, aber es kam anders. Der gute Bo-Al saß wie gebannt im Käfig. Eine Sekunde schien für ihn wie ein Jahr. Der Pfeil kroch immer näher auf ihn zu. Nur wenige Millimeter trennten ihn von Bo-Als Haut. Seine böse Seite lachte in einem tiefen dämonischen Tonfall. Plötzlich konnte er sich wieder Bewegen. Seine Hand schloß sich um den Pfeil und warf ihn mit einer verschwimmenden Bewegung auf sein böses Ich. Mit einer nicht menschlichen Kraft zerriß Bo-Al die Gitterstäbe und floh aus der Hütte. „Du kannst nicht fliehen!", sagte der andere Bo-Al, „Deine Gedanken sind die meinen!". Und so brach er zusammen.
Bo-Al stürmte aus der Hütte und wirbelte herum. Hinter ihm war gar kein Haus. Er stand im Sumpf, direkt neben dem großen Schilfblatt auf dem er geschlafen hatte. Bo-Al bekam Angst. nicht unbedingt vor seinem bösen Ich, sondern von seinen eigenen Kräften. Schweißbedeckt kämpfte sich Bo-Al seinen Weg durch den Sumpf. Immer hatte er das Gefühl verfolgt zu werden. Die Monotonie seiner Schritte und die Trostlosigkeit der Landschaft wurde immer seltener von dem Gekreische von Vögeln verdrängt. Er mußte den Sümpfen der Wahrheit sehr nahe sein. Wo sonst konnte man sein innerstes Selbst besser erkennen als in einer vollkommen leeren und in ruhe gelassenen Landschaft. Und nachdem Bo-Al noch ein paar Stunden weitergelaufen war, kam es, daß er sich in den Sümpfen der Wahrheit seinem wohl härtesten Gegner konfrontiert sah: seinem Selbst!
„Gut gemacht, Bo-Al altes Haus", sagte der in schwarzer Rüstung gekleidete Bo-Al, „daß du mir in dieser Situation noch entkommen konntest. Aber das lag nur an dem Ausbruch deiner dämonischen Kräfte. Verschmelzen müssen wir uns sowieso wieder. Aber ich werde die Oberhand gewinnen!". Mit einem Kampfschrei sprang der dunkle Bo-Al auf den guten zu, die Klinge zum Angriff nach vorn gerichtet. Blitzgewand zog der nun in einer weiß blitzenden Rüstung und Schild gewandete Bo-Al ein grell in Regenbogenfarben blinkendes Schwert aus der Scheide und hob es gen Himmel. „Für das Gute", rief er und parierte den Schlag mit seinem Schild. Nichts existierte mehr für die beiden Kontrahenten. Nur Schwärze. Schon viele haben in diesen Sümpfen den Kampf gegen ihr Selbst aufgenommen, doch nie hat eine der beiden Seiten gewonnen. „Siehst du die Schwärze um uns?", sagte der Bo-Al in schwarzer Rüstung, „dies ist wohl ein gutes Omen, oder für dich wohl ein schlechtes!". Mit dem gleichen meckern hieb er wieder auf seinen guten Part ein. Der Kampf und das Töten machten ihm Spaß. Der Bo-Al in weißer Rüstung wurde immer mehr in die defensive gedrängt. Dieser Kampf kann ewig währen, dachte nur noch bei sich, als er wieder mal einen Schlag mit seinem Schwert parierte.
Es war, als würde Bo-Al gegen sein eigenes Spiegelbild kämpfen. Keiner der beiden Gegner dominierte in dem Kampf. Beide wurden zur selben Zeit von ihren Kräften verlassen, legten auf Distanz eine Pause ein und bekamen beide zur selben Zeit ihre Kräfte zurück. Würde es ein Kampf werden, der bis in die Ewigkeit währte...?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top