Kapitel 10: Fjeltje und Tjolf


Die drei reisten den Nachmittag und die darauffolgende Nacht weiter und kamen am Morgen schließlich in einem Dorf an. Es schien verlassen und die Häuser wirkten verfallen.
„Nanu", meinte Fjeltje, „als ich letztes Jahr durch dieses Dorf kam, war noch alles in Ordnung".
„Ist hier noch jemand!", rief Bernie.
„Tut uns nichts!", kam es aus einer Ecke hinter einem Haus.
„Wieso sollten wir euch etwas antun", sagte Oskar, „wir sind nur Reisende".
„Ihr vielleicht schon, ich meinte den Elfen. Er soll abhauen, schließlich hat er vor einem Jahr schon genug Unheil angestiftet!"
„Ich habe doch nur ein paar Scherze gemacht", meinte Fjeltje empört.
„Das war doch sicherlich nicht der Grund, daß ihr hier alle im Elend lebt?", fragte Oskar.
„Nein", meinte die Frau, die sich jetzt zu erkennen gab. „Vor zwei Monaten begann der Brunnen auszutrocknen. Unsere Männer sind heruntergestiegen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Niemand ist zurück gekommen. Wenn ihr uns helfen würdet, werden wir sogar die Sache vom letzten Jahr vergessen". Andere Frauen kam mittlerweile hinzu, bis es an die 50 waren.
„Was zum Teufel hast Du nur angestellt?" flüsterte Bernie dem Elfen zu. Doch Fjeltje machte nur eine Geste mit der Hand, daß er es später erklären würde.
„Gut, wir helfen Euch!" sagte Oskar, woraufhin die Frauen zu jubeln anfingen. „Aber erst möchten wir etwas zu essen haben. Wir haben nämlich einen ungeheuren Hunger."
Sogleich wurden die Drei in ein nur einigermaßen sauberes und intaktes Haus geführt, wo sie sich an einen kleinen runden Tisch setzten. Nach einer Weile wurden drei Teller vor sie gestellt und eine der Frauen kam mit einer länglichen Dose an und schüttelte diese ein wenig. Anschließend drückte sie auf einen Knopf am oberen Ende, während sie die Spitze auf einen Teller hielt und heraus kam... Sprühsahne! Jeder bekam eine ordentlich große Portion Sprühsahne auf den Teller gespritzt.
„Wollt ihr uns verkaspern?" fragte Bernie in unhöflichem Ton.
„Probiert erst mal, bevor ihr anfängt zu meckern." Sagte Fjeltje, der bereits einen Löffel im Mund hatte und die Sahne runterschluckte. Oskar, der ja wie wir wissen der experimentierfreudigere der beiden Freunde war, wenn es ausländische Küche betraf, probierte etwas von der Sahne und kam aus dem „Mmmmmh!" nicht mehr heraus.
„Es schmeckt wie Hühnchen!" sagte er zu Bernie. Dieser probierte auch und hatte ohne noch ein Wort zu verlieren seinen ganzen Teller mit Hühnchensahne aufgegessen.
Danach waren die Freunde gesättigt und baten die Frauen, sie zu dem Brunnen zu führen. Die kleine Wanderung ging einmal quer durch die Stadt. Fjeltje hatte vorher noch schnell seine Kutsche in einer Seitengasse geparkt. Nach einer Weile kamen sie zu einer Art Marktplatz, in dessen Zentrum ein Brunnen stand, von dem auf eigenartige Weise ein silbernes Leuchten auszugehen schien. Eine Strickleiter hing in den Brunnen hinein.
„Na, dann laßt uns das Kind mal schaukeln!" sagte Fjeltje wagemutig und stieg als erster die Leiter hinunter. Oskar folgte danach und ganz zuletzt Bernie.
Unten angekommen sahen sie, daß sie sich in einer Art Höhlensystem befanden. Viele Gänge zweigten von dem Platz ab, an dem sie sich befanden.
„Ich glaube, wir müssen dort lang", Bernie zeigte auf einen Gang.
„Woher weißt du das? Hast du jetzt auch noch irgendwelche Paranormalen Fähigkeiten bekommen?", fragte Oskar.
„Nein, aber siehst du die Fußspuren dort auf dem Boden".
Alle Drei gingen den Gang hinunter und merkten, daß dies der Hauptweg zu seien schien. Es keine anderen Abzweigungen.
„Meint ihr, daß wir hier richtig sind?", fragte Fjeltje.
Bald waren sie an einer eisenbeschlagenen Tür angekommen. Unten schien ein rotes Licht durch.
„Wie sollen wir hier jetzt weiterkommen?", fragte sich Oskar.
„Kein Problem", meinte Fjeltje.
Fjeltje kramte ein Set Dietriche hervor und begann am Schloß herumzufummeln.
„Woher hast du bitte schön das Einbrecher Set, Fjeltje", fragte Oskar.
Aber Fjeltje lächelte nur.
„Woher wissen wir eigentlich, daß diese Tür angeschlossen ist?", wunderte sich Bernie.
Bernie griff über Fjeltjes Schulter hinweg zum Türknauf und drehte daran. Die Tür öffnete sich. Vor ihnen lag eine riesige Halle. Die Wände konnten sie nicht erkennen, aber das lag wahrscheinlich an dem dichten Nebel. Der Boden war mit Marmorfliesen gepflastert.
„Woher sollen wir jetzt wissen, wohin die Männer gegangen sind. Den Fußspuren können wir nun nicht mehr folgen", meinte Oskar nachdenklich.
„Einfach nur der Nase nach. Welche Gefahren können uns schon in dieser Höhle begegnen", sagte Fjeltje lachend und verschwand im dichten Nebel.
„Wir sollten Fjeltje beschützen", sagte Bernie, „Immerhin wissen wir nicht, was das rote Licht bedeutet"
Bernie verschwand auch im Nebel.
„Mist", dachte sich Oskar, „was soll ich jetzt machen".
Aber ein lautes Pochen lies ihn seine Gedanken nicht mehr zu Ende denken. Zuerst dachte er, es wäre sein Herz, das ihm bis zum Hals hochgestiegen sei, aber dann merkte er, daß das Beben vielmehr auf dem Fußboden als im Hals zu spüren sei. Oskar fasste endlich den Mut und trat ebenfalls durch den Nebel hindurch. Den Anblick, der sich ihm nun bot, hatte er am allerwenigsten erwartet. Überall tönte laute stimmungsvolle Musik und Bernie und Fjeltje tanzten, wie man an den Gesichtern erkennen konnte ungewollt, in der Mitte einer Polonese mit. Den Rest der Polonese bildete eine Horde von bäuerlich wirkenden Männern. Die Beleuchtung in dieser großen Tanzhalle ging von flackernden Lichtern aus, die in der Decke eingefasst waren. Die Musik ging von einer Band aus, die an der hinteren Wand auf einer Art Podest spielten. Hinter der Band hing ein kreisrunder Schild, auf dem 'The Bugs' stand. Im Grunde genommen war es nur ein einziger Bug, also Käfer, aus dem die Band bestand. Eine geniale Ein-Mann-Band! Oskar war schockiert über diese furchtbare Lüge, die den Männern hier aufgetischt wurde, denn der Käfer war eigentlich gar keiner. Vielmehr erinnerte das Wesen, das auf dem Podest fleissig Klavier, Dudelsack, Mundharmonika, Trompete, Oboe, Klarinette und dergleichen spielte vom Gesicht her an eine Eidechse. Der Körper wie auch das Gesicht waren grün und schuppig und der Schwanz, mit dem es eine Rassel schwang hatte einen Durchmesser wie der Körper. Oskar stand schwitzend und wie gelähmt da und wußte nicht, was er machen sollte. Nach guten 5 Minuten stoppte die Musik und er sah, wie sich alle Männer + Bernie und Fjeltje an ein großes Tischbankett setzten. Oskar nutzte die Gelegenheit sich zwischen sie zu quetschen.
„Was geht hier eigentlich vor?" fragte er Bernie.
„Frag mich was Leichteres Oskar!" japste Bernie und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Humpen, der vor ihm stand.
„Also auf jeden Fall gefällt mir die Atmosphäre hier!" sagte Fjeltje. „Ich sollte mal den Gastgeber auf der Bühne fragen, ob ich nicht eventuell auch eine kleine Showeinlage demonstrieren könnte."
„Lass es besser bleiben, Fjeltje. Wir wissen schließlich noch nicht, ob dieser Lurch da vorne nicht eine ernst zunehmende Gefahr darstellt." ermahnte Bernie, aber es war schon zu spät. Der immer noch nicht aus der Puste gekommene Fjeltje war bereits auf und davon und in Richtung Bühne, wo er mit dem Bug eine Unterhaltung begann, bei der er wild zu gestikulieren begann. Kurz darauf ging Fjeltje an ein Mikrofon: „Guten Tag. Ich bin Fjeltje und ich zeige euch allen mal eine Kostprobe von meinen musikalischen Fähigkeiten. Wem es gefällt, kann gern ein paar Münzen springen lassen". Er holte seine Flöte hervor und begann zu spielen. Für Oskar und Bernie klang das Lied eigentlich nicht mal so schlecht, aber alle anderen hielten sich nur die Ohren und kreischten.
„Nein, bitte aufhören. Hören sie doch auf zu spielen, Herr Elf", versuchte sich der Echsenmensch dazwischen zu mischen.
„Wo bin ich hier", begann es in der Menge zu raunen.
„Nein, nein, nein", fluchte der Echsenmensch, „Ich, Buggins, hätte hier doch auf ewig meinen Spaß haben können. Wieso habt ihr Fremdlinge meine Hypnose gestört. Ich habe mir solche Mühe gemacht, diesen Brunnen zu verstopfen, damit endlich mal jemand kommt, um sich meine Lieder anzuhören. Wieso nur!". Den Bauern fiel nun endlich auf, in welcher Situation sie sich befanden und strömten zum Ausgang der Halle. Jetzt waren nur noch Oskar, Bernie, Fjeltje und Buggins im Raum. Der Echsenmensch fiel auf die Knie und begann zu heulen.
„Dort drüben wird die Verstopfung sein", meinte Oskar und zeigte auf einen Geröllhaufen an einer Wand.
„Dann wolln wir mal", sagte Bernie und richtete seinen Mittelfinger darauf.
„Nein, nicht!", rief Fjeltje, „Wir werden alle ertrinken!"
Aber es war schon zu spät. Aus seinem Finger schoß ein Energiestrahl und fegte die Steine beiseite, als würden sie aus Federn zu bestehen. Hinter dem Gestein begann eine riesige Flutwelle, auf sie zuzurollen. Während das Wasser sie erfasste und durch die Kanäle zerrte konnte Oskar noch sagen:
„Grandios Bernie!"
Doch zum Glück endete die Überschwemmung damit, daß Fjeltje, Oskar und Bernie von den Wassermassen den Brunnen emporgehoben wurden und auf einer Fontäne sitzend oben wieder angelangten. Nachdem sich der Wasserdruck gelegt hatte, blieben die drei Freunde in den darüber hängenden Ästen eines nahe beistehenden Birnbaumes hängen. Kurz darauf wurden sie von einigen starken Männern vom Baum geschüttelt und anschließend in warme Decken gehüllt. Nachdem sie einigermaßen getrocknet waren, wurden sie im Dorf zu einer Heldenparade eingeladen, wo sie auf Händen durch die Straßen getragen wurden. Anschließend durften sie sich im Rathaus als Ehrenbürger der Stadt in einer Art Gästebuch eintragen. Soviel sich die Männer auch in der Stadt umsahen, von Buggins konnten sie keine Spur entdecken. Es wurde angenommen, daß er wohl unter der Stadt sein Ende in den Wassermassen gefunden hatte. Die Freunde blieben noch eine Woche und halfen den Männern ein wenig mit, die verfallenen Häuser wieder in Schuß zu bringen. Als sie sich nach dem besten Vampirjäger erkundigten, konnte ihnen niemand einen Rat geben. Bevor sie sich verabschiedeten, gingen die Drei noch mal zu Fjeltjes Wagen und schauten, ob es den Pferden noch gut ging. Die waren selbstverständlich während ihrer Abwesenheit gut versorgt worden. Doch aus dem Wagen selbst waren merkwürdige polternde Geräusche zu hören. Auf leisen Sohlen schlich Fjeltje sich vorsichtig an den hinteren Teil des Wagens und riß die Plane mit einem kräftigen Ruck vom Wagengerüst. Der Eindringling erschrack und liess sofort von den Truhen im Wagen ab und blickte Fjeltje erschrocken an. Es war ebenfalls ein Elf, wenn auch ein ziemlich dicker und aufgequollener. Seine Haare waren blond und zu einem kurzen Igelschnitt frisiert. Die Kleidung war ihm viel zu eng. Er trug braune Wildlederhosen und am Körper ein weisses Hemd. Der dicke Elf sprang ungelenk vom Wagen herunter und stellte fest, daß er nicht fliehen konnte, weil ihm Oskar und Bernie von anderer Seite her den Weg versperrten. Fjeltje schritt mit grimmigem Blick auf den Dicken zu und blickte ihn so finster an, wie es Oskar und Bernie nie von ihm vermutet hätten. Der dicke starrte jetzt ebenso finster zu Fjeltje. Dieser sprang jetzt mit einem Kampfschrei auf den anderen Elfen zu und bernie und Oskar dachten im ersten Moment, er würde ihn aufschlitzen. Aber dem war nicht so. Statt dessen umarmte er herzlich lachend den dicken Elfen.
„Tjolf, mein alter Freund!" sagte er. „Was in Gottes Namen hast Du in meinem Wagen zu suchen."
„Fjeltje mein Bester!" entgegnete der Dicke mit einer tiefen Stimme. „Du weißt ja, daß ich von einer Hexe mit Kleptomanie gestraft wurde, bloß weil ich ihren Kochtopf umgestossen hatte. Ich wurde von Stadt zu Stadt gejagt und bin letztendlich hier angekommen in der Hoffnung etwas zu essen zu finden. Und da sehe ich plötzlich deinen Wagen und denke mir: Nanu, gehört der nicht meinem besten Freund Fjeltje, dem alten Räuber? Und so bin ich hier gelandet."
Fjeltje machte Tjolf jetzt mit Oskar und Bernie bekannt, die ihn auf seinen Reisen durch die Dörfer begleiteten. Tjolf stellte er hingegen als seinen langjährigen besten Freund vor.
„Was macht ihr eigentlich hier in der Gegend?", fragte Tjolf.
„Nun ja", meinte Oskar, „wir suchen hier eine bestimmte Person".
„Will ich eigentlich gar nicht wissen", winkte Tjolf ab, „aber ich hätte da eine Frage. Darf ich euch vielleicht ein Weilchen begleiten?".
„Natürlich", rief Fjeltje erfreut.
„Natürlich nicht!", schrien Oskar und Bernie gemeinsam.
„Wieso eigentlich nicht. Er ist immerhin mein Freund. Ihr könnt ihm vertrauen"
„Hast du seine Kleptomanie vergessen", sagte Bernie.
„Da hast du natürlich recht, Bernie. Aber ich hätte da schon eine Idee", sagte Fjeltje.
Sie bemerkten nicht, daß Tjolf inzwischen das Geld seines besten Freundes geklaut hat.
„Ich habe auch eine Idee", sagte Oskar, „Wir fesseln und knebeln ihn".
Fjeltje schüttelte den Kopf. „Daran habe ich natürlich auch schon gedacht, aber meine Idee ist viel lustiger. Wir zwingen einfach die Hexe dazu, den Fluch von Tjolf zu nehmen".
„Die Idee ist tatsächlich witzig!" bemerkte Tjolf. „Aber leider ist sie nicht realisierbar. Die Hexe hat, nachdem sie mir ein Pulver ins Gesicht geblasen hat was diesen Zauber bewirkte, das zeitliche gesegnet, weil ich so schlau war, sie mit meinem Dolch nieder zu strecken."
„Bravo!" sagte Bernie ironisch. „Und wie gedenkst Du nun von diesem Fluch los zu kommen?"
„Nun..." machte Tjolf und überlegte scharf. „Es heißt, daß es unweit von diesem Dörfchen hier einen Berg gibt. Man nennt diesen Berg nur Weldas Verhängnis..."

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