5. Warum schreiben wir noch mit der Hand?
Der Aufsatz hier ist für die Schule, habe ihn gerade fertig gestellt und dachte, der passt doch auch ganz gut in mein liebes Dingsda-Buch, yey!
Warum schreiben wir noch mit der Hand?
Wenn ich ehrlich sein soll, ganz ehrlich, habe ich noch nie so wirklich übers Schreiben nachgedacht. Es ist einfach ein Teil unseres Lebens, wir haben es irgendwann einmal gelernt und können es jetzt. So wie Fahrrad fahren.
Also, warum schreiben wir denn noch mit der Hand? Ganz einfach, weil es sich mit dem Fuß schlecht schreiben lässt. Schluss Fertig. Aufsatz zu Ende.
Nein, natürlich war das jetzt nicht meine persönliche Meinung und dieser Aufsatz hat noch nicht einmal wirklich angefangen. Aber er sollte es:
Ganz spontan fällt mir ein, wie ich meiner Großmutter vor kurzem meine neue Handynummer geben wollte. Zu Weinachten hat sie auf eigenen Wunsch ein Smartphone geschenkt bekommen und ich war gerade dabei, meine neue Nummer einzuspeichern als sie mich unterbrochen hat. „Paula, lass das doch. Schreib mir die Nummer bitte einfach in meinen Adressbüchlein, bist du so lieb?" Schließlich habe ich die Zahlen dann schnell mit Kugelschreiber hinein gekritzelt und mich nicht weiter gewundert. Aber jetzt denke ich, weiß ich, warum sie mich darum gebeten hat.
Menschen sind aus Prinzip misstrauisch und bevor eine Veränderung akzeptiert wird, vergeht einige Zeit. Grundsätzlich ist Fortschritt erst einmal kritisch zu betrachten und das Vertrauen in das Alte, Bekannte ist einfach zu stark. Aber auch persönliche, emotionale Aspekte spielen eine Rolle:
Freuen wir uns nicht viel mehr über eine handgeschrieben Geburtstagskarte als über eine animierte eCard? Wer findet es nicht schön, die alten Hefte aus der ersten Klasse durchzublättern und mit dem Finger über die krakelige Schrift zu fahren? Die Widmung des Autoren im Lieblingsbuch oder ein Autogramm des Lieblingssängers? Und warum werden wichtige Verträge immer mit der Hand unterzeichnet? Genau, richtig. Das wirklich geschrieben Wort hat in der heutigen Welt viel mehr Bedeutung als man vielleicht denkt. Wir halten am Alten fest obwohl das Neue doch so viel einfacher sein könnte. Und umweltschonend dazu. Hätte jeder ein Tablet - natürlich betrieben mit Solarstrom - stets dabei wären, Drucker und Papier längst überflüssig. Aber so ist das nun mal bei uns Menschen: Wir können uns einfach nicht entscheiden, was wir wollen. Bequem und innovativ oder traditionell?
Ob digital oder analog: Ohne die Fähigkeit zu schreiben, ohne Worte, würde unsere westliche Zivilisation auf gut Deutsch gesagt „den Bach runter gehen".
Schließlich dient das Schreiben nicht bloß der Selbstbeschäftigung der Schüler und Büroangestellten, aus jedem einzelnen Wort zieht irgendjemand seinen Profit. Man muss sich mal vorstellen wie es heutzutage wäre, wenn die Schrift nicht erfunden wäre. Das Leben, wie wir es kennen wäre nicht möglich. Verlage, Zeitungen, Politik und die Wirtschaft: Sie alle verwenden das geschriebene Wort für ihren Zweck und erzielen so einen Vorteil. Damit möchte ich nicht sagen, dass die Verbraucher ausgenutzt werden, wir profitieren ebenfalls davon, zum Beispiel werden wir informiert, wir lernen oder amüsieren uns. Aber trotzdem, das Wort ist ein Geschäft, ein Gut.
Nicht zuletzt weil Wörter Macht bedeuten. Vor vielen tausend Jahren, zum Beispiel im antiken Ägypten, Griechenland und auch im Mittelalter war es etwas Besonderes schreiben zu können. Die sogenannten Schreiber waren sehr hoch angesehen, konnten gut Geld verdienen und stammten immer aus bildungsnahen und reichen Schichten der Gesellschaft. Schließlich kann man mit geschriebenen Wörtern seine Gedanken festhalten, andere daran Teil haben lassen, Nachrichten überbringen und noch viel mehr. Wer damals etwas auf sich hielt, heuerte einen Schreiber an oder lernte sogar selbst lesen und schreiben. Und wieso sollte das jetzt anders sein als früher? Ob wir in Stein ritzen, mit der Feder auf Papyrus, mit dem Griffel auf kleine Täfelchen oder ganz modern am Computer schreiben: Schreiben ist auch ein Statussymbol, heute vielleicht weniger als früher. Es hebt uns Menschen aus der großen Masse aller Tiere hervor, denn ganz ehrlich, wer hat schon einmal einen schreibenden Frosch gesehen? Und die Affen, unsere nächsten Verwandten, mögen zwar intelligent aber wir sind einfach intelligenter. Klang das arrogant? Wahrscheinlich. Aber das ist einfach eine weitere unserer unzähligen Makel: Wir Menschen sind arrogant. Ich schweife ab, Verzeihung. Wo war ich? Richtig. Schreiben macht uns Besonders. Auch wenn sich dieses Ansehen genau wie das Schreiben an sich besonders in den letzten zweihundert Jahren weiterentwickelt hat. Früher war es eine große Kunst, die Schönschrift zu beherrschen. Aber was soll man heute noch mit der Schönschrift? Zehn-Finger-Tippen ist da doch um einiges praktischer.
Unserer Gesellschaft ist anspruchsvoller geworden, es reicht nicht mehr bloß in der Lage zu sein, Buchstaben die Wörter ergeben auf ein Papier zu kritzeln oder eine Tastatur zu bedienen, es kommt immer mehr darauf an, was man schreibt. Nehmen wir Joanne K. Rowling als Beispiel. Sie lebte von Sozialhilfe und dank ihrer Buchreihe „Harry Potter" gehört sie heute zu den reichsten Menschen der Welt. Gut zu schreiben ist also ein Talent. Kleine Info am Rande: Rowling schrieb ihr erstes Harry-Potter-Buch mit der Hand, komplett. Aber wahrscheinlich eher aus geldtechnischen Gründen als aus traditionellen. Wie auch immer, sie hat etwas erreicht was zwar viele wollen aber nur wenige schaffen: Sie hat sich durch ihre Worte verewigt. Zwar nicht wortwörtlich ewig, schließlich ist nichts für die Ewigkeit, aber immerhin für eine geraume Zeit.
Ich habe jetzt so viel über Ägypter, Autoren, meine Großmutter und Menschen im Allgemeinen geredet, da darf ich doch zu Ende des Essays auch noch meine eigene, wirklich persönliche Auffassung des Schreibens loswerden, oder?
Ich beneide die Menschen, die mit ihren Worten zaubern könne. Ja, das klingt kitschig aber ich finde wirklich, dass man Worte mit Magie vergleichen kann. Durch Worte kann man eine breite Masse an Menschen überzeugen, man kann aber auch eine eigene Welt entstehen lassen, in der man selbst die Regeln bestimmt. Besonders beeindruckt war ich als ich mit 10 Jahren Cornelia Funkes Tintentriologie gelesen habe. Im Nachhinein betrachtet hätte ich lieber noch etwas warten sollen denn die Handlung ist, wie ich jetzt finde, sehr komplex und ich habe damals noch nicht alles verstanden. Es geht um ein Mädchen, das allein mit ihrem Vater, der seine verschollene Frau sucht, um die Welt reist. Die Autorin erschafft aber in ihren Büchern ein weiteres Buch was so umfangreich ist, dass es schon alleine eine lesenswerte Geschichte ist. Schließlich entdeckt das Mädchen, dass es durch lautes Vorlesen Dinge in der Wirklichkeit verändern und in die Welt ihres Buches eintauchen kann. In Funkes Trilogie wird ganz klar deutlich, wie wertvoll Bücher doch sind und was für eine Macht Wörter haben können, auch wenn die Geschichte natürlich fiktiv ist.
Am Schreiben schätze ich persönlich, dass man tatsächlich seine Gedanken und Gefühle zu Papier bringen kann, dass man so Ordnung in seinem Kopf schafft. Wie andere boxen gehen oder laute Musik hören kann ich mich beim Schreiben abreagieren. Es macht mir unglaublich viel Spaß. Ich finde es faszinierend, wie ich mit Wörtern Orte erschaffen kann die ich gerne mal besuchen würde (oder auch nicht. Es gibt definitiv ein paar weniger angenehme Orte die meiner Fantasie entsprungen sind.). Wie ich Charaktere formen kann mit all ihren Makeln und Fehlern, wie ich sie lenken kann und bestimme, was passiert. Wer wen mag, wer was tut, wer lebt und wer stirbt. Wenn man es so sagt, klingt es ein bisschen abgedreht, aber ich glaube, dass jeder Mensch sich vielleicht ein klein wenig wünscht, die Kontrolle über gewissen Dinge zu haben, wenn er sich schon nicht aussuchen kann, wie sein eigenes Leben abläuft. Träumen erlaubt! Für mich ist das definitiv der einzig wahre Grund, warum wir schreiben. Oder zumindest der wichtigste. Sicherlich stimmen mir damit nicht alle zu, aber ich habe schon vorgewarnt, dass ich auch meine persönliche Sicht deutlich machen möchte.
Für mich ist es im Endeffekt egal, ob wir jetzt mit der Hand schreiben oder nicht, es gibt genauso viele Vorteile wie Nachteile. Es zählt, dass wir überhaupt noch schreiben. Dass wir diese kostbare Gabe nicht vergessen. In naher Zukunft werden wir sicherlich nur noch tippen oder was auch immer für eine neue tolle Art zu schreiben erfunden sein wird. Dinge entwickeln sicher weiter, Altes verschwindet und Neues kommt. So ist das Leben.
Achtung, hier kommt meine Antwort auf die Frage, ganz persönlich:
Wir schreiben, weil wir träumen. Philosophisch, nicht wahr?
Und wir schreiben noch mit der Hand, weil wir uns gerade in einer Phase des Übergangs befinden. Bald werden wir es sicher nicht mehr tun aber momentan müssen wir uns einfach noch einfinden in diese neue Welt die wir selbst schaffen.
Tada! Die Frage, die dieser Aufsatz beantworten soll ist unspezifisch also ist die Antwort es auch.
Wer weiß, vielleicht, wenn wir uns in hundert Jahren nicht selbst zerstört oder Roboter die Herrschafft übernommen haben, wird irgendein Schüler auch einen Aufsatz zum Thema „Schreiben" verfassen. Den würde ich gerne lesen.
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