Kapitel 13

Kapitel 13

"Er war aber nicht mehr jung und es ist schon über hundertfünfzig Jahre her", bemerkte Shivana nachdenklich.

"Ich verstehe", meinte Nino und rieb sich das Kinn. "Wer weiß, aus welchen Gründen sie dich nicht hinauslassen wollten", fuhr er dann schulterzuckend fort. Manche Vorgehensweisen der Magier konnte er nicht unterstützen und schätzte sie auch nicht wert, aber ändern konnte er sie nicht.

Shivana zuckte die Schultern. "Sie haben das Sagen", meinte sie und klang irgendwie ergeben.

Der Anführer nickte lediglich. "Das war schon immer so", erwiderte Nino und führte sie an einen der Stände, die mehrere Speise, sowie Anhänger mit Artefakten hatten. Vielleicht wollte sie so etwas mitnehmen.

"Wobei ich sagen muss, dass der letzte magische Rat noch strenger war, als der jetzige", murmelte Shivana. "Phong Cho konnte ich wenigstens überreden, mich mit euch zu schicken."

"Du wolltest mitgehen?", kam die erstaunte Frage über Ninos schön geschwungenen Lippen. War es ihre Neugier, die sie dazu getrieben hatte oder waren es andere Gründe, warum sie den Magierturm hinter sich hatte lassen wollen?

"Ja. Ich war es einfach leid eingesperrt zu sein und da es sich um eine Gruppe handelt, habe ich genug Schutz", behauptete sie. "Außerdem hatte Phong Cho Probleme jemanden zu finden, der passend war."

Fassungslos über ihre Worte schüttelte Nino den Kopf. So, wie Shivana das sagte, klang es, als wäre sie sehr schwach. Das jedoch glaubte er nicht ganz.

"Ich glaube sie denken, dass ich gefährlich bin", seufzte Shivana.

Gerade wollte er sie fragen, wie sie zu dieser Annahme kam, doch Nino zog die junge Frau ruckartig zurück, als eine Pferdekutsche sich ihnen im rasendem Tempo näherte. Blitzschnell sprang er mit ihr in den Armen nach hinten, sodass sie von dieser nicht überrollt wurden.

Kein Wunder, dass hier so wenig Leute waren. Vielleicht sollte man hier auch gar nicht langlaufen.

Überrascht krallte sich Shivana in sein Oberteil und ihr Atem wurde hektisch.

Nino ließ sie hinunter, sobald sie aus der Gefahrenzone waren und murmelte einige unfreundliche Worte. Es hatte ausgesehen, als hätte der Kutscher die Kontrolle über seine Pferde verloren.

Erst ein Stück weiter brachte er sie schließlich zum Stehen und er sah blass aus. Sein Kopf wandte sich um, da er nachsehen wollte, ob sich irgendjemand verletzt hatte.

Das war zum Glück nicht der Fall, weshalb dieser die Pferde wieder antraben ließ und seinen Weg fortsetzte.

"Geht es dir gut?", erkundigte sich Nino bei Shivana.

Diese nickte, obwohl es eigentlich nicht stimmte. Ihr Körper zitterte und sie wusste nicht, ob ihre Beine sie noch tragen würden. Noch nie hatte eine Kutsche sie beinahe überrollt.

Zaghaft streichelte Nino über ihre Wange und versuchte sie zu beruhigen. "Es ist nichts passiert", versicherte er und wollte wissen, ob sie zurück in die Unterkunft wollte.

So, wie Shivana reagierte, hatte sie die drohende Gefahr gar nicht bewusst wahrgenommen.

Es schien ihr erst jetzt klar zu werden und nach Luft schnappend, meinte sie, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen würden.

Ohne ein Wort drehte er ihr den Rücken zu und ging in die Knie. „Steig auf, ich trage dich", schlug er vor und wandte ihr den Kopf zu.

Shivana, die nicht wusste, was sie sonst tun sollte, machte einen Schritt auf ihn zu und stürzte förmlich auf seinen Rücken. Sie stammelte eine leichte Entschuldigung, hörte sich aber irgendwie nicht gut an.

Nino stand auf und trug sie zurück zur Unterkunft und die Treppen hinauf in ihr Zimmer. Die ganze Zeit war er schweigsam, denn er wusste nicht, was er sagen sollte. Sobald sie ihr Zimmer erreicht hatten, ging er zu ihrem Bett, sodass sie sich darauf setzen konnte.

Shivana ließ sich langsam nieder und wirkte blass im Gesicht. "Das erinnert mich an meinen Vater", flüsterte sie und zitterte.

„Möchtest darüber reden?", wollte Nino wissen und ließ sich neben ihr nieder. Eigentlich sollte er auch nach den anderen sehen. Vor allem Draige, dem sie nicht begegnet waren. Vielleicht war dieser auch schon wieder zurückgekehrt.

"Mein Vater wurde von einer Pferdekutsche überrollt. Mehrmals", flüsterte sie und ihre Stimme begann zu zittern.

Das war natürlich sehr schrecklich und mitfühlend legte er einen Arm um sie. Er als Gruppenführer musste für sie auch da sein, obwohl es ihn drängte, weiterzuziehen.

„Das tut mir leid", sagte er leise.

"Ich habe damals zugesehen", flüsterte sie und schauderte.

Sanft drückte er die junge Frau und ließ sie anschließend wieder los. „Deine Erinnerungen daran müssen schrecklich sein, Shivana. Leider werden sie dich dein Leben lang begleiten", sagte er traurig.

Sie rieb sich leicht die Arme. "Ich hatte Angst, dass es der selbe Mann ist."

Der dunkelhaarige Anführer schüttelte den Kopf. „Nein, er war definitiv zu jung dazu, als hätte er keine Erfahrung, wie man die Pferde führen sollte", erklärte er und streichelte ihr über ihr schwarzes Haar mit den bunten Strähnen.

"Ich habe Angst vor Kutschen", murmelte sie. "Nicht vor Pferdekarren, aber vor geschlossenen Kutschen."

„Ich verstehe. Dann werden wir darauf aufpassen, dass du in keiner sitzen wirst", schlug er vor und erhob sich, um sich auf seinem Bett niederzulassen.

"Das macht die Reise nicht so einfach", gestand sie und nun konnte er auch verstehen, warum sie bei den Kutschen, die ihnen entgegengekommen waren, immer die Seite gewechselt hatte, sodass ihr Karren zwischen ihr und der Kutsche gewesen war.

„Wir werden schon eine Lösung finden", versprach er und streckte sich ausgiebig, bevor er sich mit verschränkten Armen nach hinten fallen.

"Tut mir leid, dass ich dich von der Erkundung abhalte", murmelte Shivana und legte sich hin.

„Welche?", fragte Nino und antwortete sogleich darauf, dass er fertig gewesen war. Es hatte ihn weniger interessiert, was angeboten worden war, sondern eher, wie die Menschen hier waren.

"Ich hatte das Gefühl, dass du nach Draige suchst", murmelte sie und rollte sich zusammen. Sie wusste, dass sie etwas brauchte, um damit klarzukommen. Das Geschehene holte die Bilder ihres Vaters zurück. Wie er am Boden lag und wie mehrere Pferdekutschen über seinen Körper rollten.

Das war auch einer der Gründe gewesen, doch da er ihn nicht gefunden hatte, war das auch nicht schlimm gewesen. Der Schamane würde schon zurückfinden.

"Du musst nicht hier bleiben", murmelte Shivana.

"Warum nicht?", fragte er verwundert und hob seinen Kopf. "Es geht dir nicht gut und es ist meine Pflicht, für die Gruppe da zu sein", stellte er klar und seufzte tief.

"Ich bin mir sicher, dass du auch noch andere Dinge machen möchtest", murmelte Shivana.

"Weiterziehen ist das Einzige", gestand Nino, doch er machte keine Anstalten, aufzustehen.

"Das muss bis morgen warten", murmelte die junge Frau, die sich erhob und zu ihrem Koffer ging.

Mit einem Seitenblick folgte er den Bewegungen von Shivana, blieb aber ruhig und dachte darüber nach, was er für sie tun konnte.

Sie suchte sich ein Buch heraus und setzte sich damit zurück auf das Bett. Hoffentlich gelang es ihr, sich dadurch abzulenken.

Erneut legte sich Schweigen über sie beide und die Geräusche von der Straße, die auch in der Nacht zu hören waren, drangen zu ihnen nach oben.

Die Stunden vergingen, in denen sie nichts sprachen, sondern ihren Gedanken nachhingen.

Shivana verschlang das Buch und schien sich damit gut abzulenken.

Als die Nacht bereits weit fortgeschritten war und sich der Morgen bereits ankündigte, richtete sich der Anführer auf und streckte sich. „Möchtest du zuerst mit den anderen frühstücken, bevor wir aufbrechen?", wollte er wissen.

Shivana senkte das Buch und blickte zum Fenster. Ihr war nicht aufgefallen wie spät es bereits war. "Ja."

Nino nickte und stand auf, bevor er seinen, aber auch Shivanas Koffer nahm. Sie sollten die anderen wecken, damit sie früh weiterziehen konnten.

Die junge Frau war langsam und vorsichtig, wirkte aber nicht, als würde sie gleich zusammenbrechen.

Dass sie die ganze Zeit nachdachte, konnte Nino nicht ahnen.

Diese seltsame Macht, die der Boden an sie abgegeben hatte, war faszinierend. Was sie damit alles anfangen konnte. Hätte sie diese noch gehabt, hätte sie sich vielleicht auch vor der Kutsche schützen können.

Sollte sie es das nächste Mal, sollte es noch einmal passieren, für sich behalten und ausprobieren?

Nino klopfte an die Tür der anderen, bis Draige diese öffnete. „Wir sollten weiter", sagte der Anführer.

Shivana schlich gedankenverloren an ihm vorbei und lief bereits Richtung Karren.

Was sie mit der Macht alles anfangen konnte. Die Ideen waren endlos und es würde ihre Magie sicherlich auf einen neuen Rang heben.

„Wohin gehst du? Wollten wir nicht frühstücken?", fragte Nino verblüfft, als sie einfach weiterlief, anstatt in den Speiseraum zu treten.

Damit riss er sie aus ihren Gedanken, was dafür sorgte, dass sie sich erschrocken umdrehte und ihn anstarrte. Dann schien sie erst zu verstehen, was er wollte.

Seufzend fuhr sie sich über die Haare. "Ja", murmelte sie. Frühstücken war sicherlich nicht verkehrt.

Die anderen in der Gruppe sahen sie verwirrt an, aber Nino deutete ihnen an, nichts zu sagen, denn er hatte das Gefühl, dass es ihr nicht recht sein würde, wenn andere es wussten.

"Schlecht geschlafen", murmelte sie entschuldigend, als sie an den anderen vorbei in den Speiseraum huschte.

Das Frühstück nahmen sie schweigend ein und es schien, dass keiner von ihnen sehr großen Hunger hatte.

Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis sie aufstanden und die Unterkunft verließen. Nino ging den Karren und die Pferde holen, damit sie ihr Gepäck aufladen konnten und nickte ihnen schließlich zu.

Auch jetzt herrschte reger Verkehr, in den sie sich einfach einreihen konnten und nicht weiter auffallen würden.

Shivana kam seltsamer Weise mit zu Estelle und Tai auf den Kutschbock und wirkte etwas abwesend.

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