Kapitel 7 *neu*

Yelir verließ die Kutsche nur einmal, um mit Degoni zu besprechen, was er vorhatte.

Dieser war nicht sonderlich begeistert, dass Yelir in der Kutsche bleiben und die Prinzessin bewachen wollte. Das hieß, dass er selbst die Kutschen durch die Klippen führen musste, was ihm nicht gefiel. Er würde zwar mit den Gefahren des Gebirges klarkommen, doch er machte sich Sorgen um seinen Bruder.

Erst recht, als die Sonne aufging und sie ihre Reise fortsetzten. Er war neugierig, was in der Kutsche geschah, doch nichts drang nach außen, weshalb er immer wieder nah heran ritt, um zu lauschen und sicherzugehen, dass es Yelir gut ging.

Dieser hatte die gesamte Nacht neben Zunae verbracht und sie beobachtet. Ihr Gesicht war wie in Stein gemeißelt und auf eine Art zart, wie Yelir es nicht beschreiben konnte. Vielleicht, weil ihr erstes Auftreten so erhaben gewirkt hatte, oder ihre Haut so ganz anders war als die der Nordländer. In Kombination mit ihren Haaren machte es sie zu einer seltenen Schönheit.

Wäre sie einfach nur eine Frau und keine Südländerin, hätte er sie vermutlich als Aushängeschild in seinen Harem aufgenommen.

Die Aufgabe des Harems war es, die Frauen zu versorgen, die im Krieg ihre Männer oder Väter verloren hatten, doch das hieß nicht, dass es nicht auch Kriegsgefangene gab, die in diesem lebten. Es gab nur wenige Frauen, die auch die Aufgabe hatten, dem Herrscher im Bett zu dienen. Was vorrangig daran lag, dass eine einzige Frau niemals in der Lage wäre, mit einem Mann mit dem Blut der Seelenkatzen klarzukommen. Dafür waren sie sexuell einfach zu aktiv.

Yelir gab dem Drang nach und fuhr ihr über das blasse Gesicht, um eine feuerrote Strähne zurückzuschieben.

Ihre Haut fühlte sich so sanft an, wie er es erwartet hatte. Wie Seide. Zerbrechliche, leicht zu zerreißende Seide. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie auf einem Schlachtfeld stehen konnte. So klein und zierlich wie sie war, war sie höchstens eine Heilerin. War sie vielleicht deshalb im Wald zusammengebrochen? Weil sie die Reise hinweg zu viel geheilt hatte? Von seinem Cousin Dainte wusste er, dass Heiler dazu neigten, ihren Körper mit Magie dazu zu bringen, keine Zeichen von Erschöpfung zu zeigen. Doch auch das hatte seine Grenzen.

Yelirs Gedanken gingen so weit, dass er sich fragte, ob sie dies vielleicht sogar schon während ihrer Arbeit als Königin getan hatte. Er selbst wünschte sich manchmal, dass er diese Gabe besaß, oder fragte Dainte. Allerdings lehnte er in den meisten Fällen ab, da es schädlich für den Körper war, wenn man das zu oft machte.

Unter seinen Fingern bemerkte er eine Reaktion und zog sie sofort zurück. Er wollte nicht, dass sie sah, dass er sie berührte oder anstarrte.

Darum erhob er sich und setzte sich ihr gegenüber.

Gerade rechtzeitig, denn Zunae blinzelte leicht, bevor sie müde ihre Augen öffnete. Verschwommen nahm sie die Umgebung wahr. Noch immer dröhnte ihr Kopf, was jede Bewegung und vor allem das Licht, sehr unangenehm machte.

Sie stieß ein leises Stöhnen aus und kniff die Augen zusammen, zwang sich aber dazu, immer wieder ihre Augen zu öffnen, um sich orientieren zu können.

Yelir beobachtete sie genau. Er war gespannt darauf, wie sie reagierte, doch als sie die Augen wieder öffnete, war ihr Blick verwirrt und müde.

Sie verstand nicht, wo sie hier war, oder wie sie hierhergekommen war.

»Was ist ... passiert?«, fragte sie, weil das Letzte, woran sie sich erinnerte, das Feuer war, das sie gesehen hatte.

»Du bist zusammengeklappt«, erwiderte Yelir mit ruhiger Stimme, der sie nicht aus den Augen ließ. Für ihn sah es aus, als würde sie gleich wieder zusammensacken.

Zunae kämpfte damit, aufrecht sitzen zu bleiben. Ihr war schlecht, aber sie hatte auch Durst.

»Bin ich?«, fragte sie, denn daran konnte sie sich nicht erinnern. Wenn sie es versuchte, schmerzte ihr Kopf nur noch mehr.

»Zuerst bist du in den Wald gewankt. Was wolltest du da?«, fragte er und verengte die Augen. Für ihn wirkte es nicht, als würde sie ihre Erschöpfung vortäuschen. Er verstand jedoch auch nicht, was diese ausgelöst hatte.

Zunae runzelte die Stirn. Sie war in den Wald gewankt?

War sie vielleicht wieder in ihrer Vision gefangen?

Sie erinnerte sich an Feuer ... Feuer, das plötzlich überall gewesen war.

Ein Schauer rann ihr über den Rücken und Angst machte sich in ihr breit. Sie war von Feuer umringt gewesen und hatte einen Ausweg gesucht, bevor sie zusammengebrochen und auf ein Bett gefallen war.

Die Erinnerungen an die Schmerzen fuhren ihr durch die Glieder, als würde flüssige Lava über ihre Haut kriechen.

Nur mit Mühe hielt sie ein Wimmern zurück, doch ihre Augen fühlten sich mit Tränen. »Ich wollte mir die Beine vertreten«, brachte sie irgendwie hervor, als ihr bewusst wurde, dass Yelir sie noch immer anstarrte und auf eine Antwort wartete.

Dieser schnaubte. »Sicherlich und deshalb bist du gewankt?«, fragte er, wobei er sich langsam herantastete. Er wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, denn er glaubte, dass sie dann blockieren würde. So wie sie es jetzt tat. Er brauchte keine Gabe, um zu sehen, dass sie log.

Ihr Blick wanderte umher, während sie sich eine Ausrede überlegte. Nur machte ihr Kopf nicht wirklich mit.

Schließlich entschied sie sich zu einem schwachen Lächeln. »Kann ich vielleicht ein bisschen Wasser haben?«, fragte sie. Nicht nur, um ihre Kehle zu befeuchten. Ihre Haut brannte noch immer, auch wenn sie wusste, dass es sich nur um ein Gefühl handelte, das nicht echt war. Phantomschmerzen, wie es Aidina einmal genannt hatte.

Es gelang Yelir einfach nicht, ihre Bitte abzuschlagen und so griff er nach dem Trinkschlauch, um ihn ihr hinzuhalten. Er hatte sogar ein bisschen Essen für sie vorbereitet, denn das war nach dem Nutzen einer Gabe immer wichtig. Wenn sie während der Befragung zusammenbrach, würde ihm das nichts bringen.

Zunae nahm mit zitternden Armen den Schlauch entgegen und trank sofort einen großen Schluck.

Noch immer zitterte sie und Yelir glaubte auch, dass ihre Haut dunkler wirkte. Aber das schob er auf das Licht in dieser Kutsche. Es war nicht besonders gut und er verstand, warum sie Kopfschmerzen bekommen hatte. Doch das erklärte nicht, was geschehen war, als er sie berührt hatte.

Als sie absetzte, nahm Yelir ihn ihr wieder ab, obwohl sie nur widerwillig losließ. »Du bekommst mehr, wenn du meine Fragen beantwortest«, sagte er, um zumindest ein wenig Druck aufzubauen. Er wusste, dass er weich werden würde, sollte sie auf die Idee kommen zu betteln. Allerdings glaubte er nicht, dass sie das tat. Dazu war ihr Blick viel zu stolz. Nur leider sorgte das dafür, dass Yelir sehen wollte, wie sie ihn anflehte.

»Mir ging es nicht gut. Ich werde schnell reisekrank«, erwiderte Zunae mit verzogenem Mund. Es war eine Lüge, doch sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte.

»Dein Dienstmädchen hat erwähnt, dass es mit deiner Gabe zusammenhängen könnte«, sagte er ernst und fixierte sie. Dass sie erneut blass wurde, machte es ihm nicht einfach, stark zu bleiben.

Zunae konnte kaum glauben, dass Belle etwas Derartiges erwähnt hatte. Sie hatte die Anweisung bekommen, zu schweigen. Allerdings traute sie Yelir zu, sie bedroht zu haben. Vermutlich hatte sich Belle so herausgeredet.

Zunae entschied sich dazu, das zu tun, was sie konnte und einfach zu schweigen. Wenn sie nichts weiter sagte, hätte er keine weiteren Druckpunkte.

»Antworte mir«, forderte Yelir, der langsam ungeduldig wurde. Er war ein wenig umgänglicher als Degoni, doch in Punkto Geduld nahmen sich beide nichts. Nur Misha war geduldig, aber er war nicht mehr hier.

Als Zunae sich noch immer weigerte, ihm zu antworten und sogar provokativ ihre Lippen zusammenpresste, hob er seine Hand unter ihr Kinn.

Sie saßen so nahm zusammen, dass er sich dafür nicht einmal wirklich nach vorn beugen musste.

Mit seinem Daumen fuhr er über ihre Lippen, was ein Kribbeln bei Zunae auslöste.

Yelir fragte sich, wie sich diese wohl auf seinen anfühlen würden, doch dafür war nicht der richtige Moment. Er hatte Wichtigeres zu tun, als darauf zu hören, was sein Körper gerade wollte. »Wenn du mir nicht antwortest, bring ich dich dazu«, flüsterte er mit einem tiefen Grollen in der Stimme. Ihm war durchaus bewusst, dass er ihr damit Angst machte. Was gewollt war. Trotzdem war es eine komische Mischung aus Genugtuung und Unwohlsein, die sich in ihm breit machte, als sie noch etwas blasser wurde und die Angst sich für einen Sekundenbruchteil in ihren Augen spiegelte. Dann wurde ihr Blick jedoch wieder sicher, fast schon erhaben.

Das weckte seinen Jagdtrieb und ließ seine Finger kribbeln.

Er wollte seine Gabe nutzen, um in ihren Körper einzudringen und sie dazu zu zwingen, zu tun, was er wollte. Nur konnte er sie so nicht dazu bringen, die Wahrheit zu sagen. »Ich kann darüber nicht sprechen«, sagte sie schließlich und hob sogar ihre Hand, um seinen Arm zu umfassen.

Ihre Finger waren zierlich und anmutig, doch sie übten einen Druck aus, den Yelir nicht erwartet hatte. Hinter ihrer schmächtigen Figur steckte Kraft, auch wenn sie selbst dabei zitterte.

Als Antwort auf ihre Geste griff er ihr Kinn fester und drehte ihren Blick zu sich, sodass er sie aus seinen grünen Augen anstarren konnte.

Allerdings ließ sie sich von diesem Raubtier nicht verunsichern und blickte zurück.

»Ich will wissen, was du gemacht hast«, sagte er knurrend. »Wie konnte es sein, dass wir plötzlich in einem ganz anderen Raum waren und wo kam das Feuer her?«, fragte er unnachgiebig, auch wenn er damit verriet, dass er es gesehen hatte.

Irritation trat in ihren Blick, als könnte sie seinen Worten nicht ganz folgen.

»Feuer? Das Lagerfeuer?«, fragte sie, doch ihre Stimme zitterte. Sie wusste, von was er sprach, wollte es aber nicht zugeben. Zuname verstand nicht, wie es ihm möglich gewesen war, ihre Vision zu sehen. So etwas war noch nie vorgekommen.

Angst packte sie, als sie drohte, wieder zurück in ihre Vision gezogen zu werden. Diese waren immer so realistisch, dass sich manchmal noch tagelang glaubte, die Schmerzen zu spüren, die sie hinterlassen hatten.

Allerdings konnte sie sich vor Yelir keine Schwächen erlaubten.

»Verkauf mich nicht für blöd«, fauchte er ungehalten und ließ seine Kraft in ihren Körper fließen, wo er ihren Blutkreislauf spürte. Er könnte versuchen herauszufinden, ob sie log, doch dazu musste er erst einmal wissen, wie ihr Blut in ruhigen Momenten pulsierte. Jetzt war sie aber genauso angespannt wie im Wald.

»Was tust du?«, fragte sie hauchend und mit geweiteten Augen, während Yelir ihr Blut manipulierte. Dass sie es spüren konnte, überraschte ihn nicht, doch er hatte mit mehr Gegenwehr gerechnet. Stattdessen fiel es ihm überraschend leicht, ihre Hand dazu zu bringen, seine loszulassen.

»Ich verrate es dir, wenn du mir verrätst, was du im Wald gemacht hast«, bot er versöhnlich an, doch an Zunaes Blick erkannte er, dass sie nicht unbedingt gewillt war, darauf einzugehen.

»Was denkst du denn, was passiert ist?«, fragte sie, da er eigentlich von selbst darauf kommen konnte, wenn er wirklich gesehen hatte, was sie gesehen hatte.

»Du hast ein ziemlich loses Mundwerk dafür, dass du gerade keinerlei Kontrolle über deinen Körper hast«, bemerkte er und genoss es, sie so vor sich zu sehen. Im Kampf hatte er schon oft versucht, einen Gegner so zu bekommen, doch sie vermieden alle Körperkontakt, weil sie wussten, was er konnte. Daher hatte es ihn auch so überrascht, dass sie es zugelassen hatte, ohne Angst zu zeigen. Auch jetzt noch wirkte sie eher trotzig als ängstlich.

»Du wirst mir nichts tun«, behauptete sie fest, was einzig und allein daran lag, dass sie sonst längst gesehen hätte, dass er sie tötete.

»Wieso bist du dir da so sicher?«, fragte er, während er mit dem Drang kämpfte, ihre vorlauten Lippen zu küssen. Es erschreckte ihn, wie anziehend er diese Frau fand. Alles an ihr war verlocken und am liebsten hätte er seine Lippen auf ihre gedrückt.

Er spürte ein Ziehen in seiner Brust, wie er es auch schon im Wald gespürt hatte. Dann war er ihrem Gesicht plötzlich sehr nahm und drückte seine Lippen auf ihre. Ihr Geschmack durchdrang seine Sinne. Es war kein blumiger Geschmack, wie er ihn erwartet hatte. Eher herb und sinnlich.

Zunae weitete ihre Augen, während sich die Ränder ihrer Sicht veränderten und unscharf wurden. Trotzdem erkannte und spürte sie Yelir sehr deutlich.

Dieser schreckte zurück und verlor die Kontrolle über sie. Das Ziehen in der Brust ließ nach und er starrte sie einfach nur an.

Ihr Atem ging schnell, während sie ihn ähnlich überrascht anblickte, bevor sie die Hand an ihre Lippen hob. War das jetzt eine Vision oder Realität? Zunae konnte es selbst nicht mehr auseinanderhalten.

Fluchend erhob er sich, bevor er die Kutschentür aufriss und bei voller Fahrt hinaussprang. Yelir hörte seinen Bruder leise fluchen, dem das nicht entgangen war, obwohl er sich auf die Fahrt konzentrierte.

Die kalte Luft, die Yelir entgegenkam, klärte seine Sinne und wusch ihren Geruch weg.

Hatte er sie gerade wirklich geküsst? Wie hatte er sich nur derart gehenlassen können? Sie war zwar hier, um seine Frau zu werden, doch sie blieb eine Feindin aus den Südlanden. Allein die Vorstellung, dass er so auf sie reagierte, machte ihm Sorgen.

Sein Körper stand in Flammen und er spürte deutlich die Erregung, die dieser Kuss, oder auch nur die Vorstellung davon, in ihm ausgelöst hatte.

»Was ist los?«, fragte Degoni alarmiert, doch Yelir machte nur eine wegwerfende Handbewegung.

»Nichts«, brummte er. »Sie ist ein härterer Brocken als angenommen«, fügte er hinzu, weil er nicht wusste, wie er es sonst beschreiben konnte.

»Hast du erfahren, was du wolltest?«, fragte Degoni, der sich nicht vorstellen konnte, dass sein Bruder versagt hatte. Yelirs Fähigkeit war perfekt dafür geeignet, um an Informationen zu kommen.

»Teilweise«, erwiderte er zähneknirschend.

Degoni brummte verstimmt. »Sag mir nicht, du hast sie mit Samthandschuhen angefasst, weil sie eine Frau ist«, stöhnte er frustriert. Sein Bruder war in diesem Punkt viel zu weich.

»Wenn ich sie verletze, laufen wir Gefahr, dass Misha ebenfalls verletzt wird«, knurrte Yelir, der auf keinen Fall die Sicherheit seines Bruders aufs Spiel setzen wollte.

Degoni winkte ab. »Mit deiner Gabe sollte es dir leicht fallen, sie dazu zu zwingen, positive Briefe an ihre Familie zu schreiben. Dann wird niemand erfahren, wenn du sie ein wenig fester rannimmst.«

Damit hatte er wohl recht, dich Yelir fiel es dennoch schwer, ihr weh zu tun. Was ihn durchaus überraschte, denn auf den Schlachtfeld hielt man ihn für einen Sadisten, weil er es liebte, seine Gegner zu quälen. Was nicht ganz falsch war. Es half ihm, seine Wut auf die Feinde und über die Verluste zu bändigen, sodass er sie nicht an anderen ausließ.

Aber das Bild, wie sie blass, verletzt und unbewegt im Bett gelegen hatte, umring von Flammen, hatte sich in seine Gedanken gegraben und er bekam es einfach nicht los.

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