Kapitel 53 *neu*
Als Zunae das Zimmer betrat, in dem Dainte die Verletzten behandelte, kam ihr ein beißender Geruch entgegen, den sie nicht ganz einordnen konnte. Zuerst dachte sie an Kräuter, doch dazu war er zu nah an Essig. Gleichzeitig erinnert es Zunae jedoch nicht an etwas Essbares. Viel mehr lag der Geruch wie ein dicker Schleier in der Luft, der sie den Mund verziehen ließ. »Was stinkt denn hier so?«, fragte sie leise.
»Was meinst du?«, fragte Dainte, der nichts Seltsames roch. Es roch vielleicht ein wenig nach Minze, aber das war auch schon alles.
Zunae ließ es erst einmal so stehen und wollte Dainte hinter einen Vorhang folgen, doch Yelir hielt sie auf, indem er nach ihrer Hand griff. »Lass mich bitte zuerst«, bat er leise, weil er sich ansehen wollte, wie schlimm es war. Er würde ihr den Anblick gern ersparen, wusste aber, dass sie davon sicher nicht begeistert war. »Er wird zu überrascht sein, eine Frau zu sehe«, schob er deshalb vor.
So, wie Zunae die Nordlande kennengelernt hatte, glaubte sie Yelir, weshalb sie nickte.
Darum schob er auch den Vorhang leicht zur Seite und schlüpfte hinein.
Der Mann, der im Bett lag, war schrecklich zugerichtet. Sein halbes Gesicht war verbrannt und die andere Hälfte mit so vielen Schnittwunden übersäht, dass sich Yelir fragte, wie es ihm gelungen war, hierherzukommen. Zuerst glaubte Yelir, dass er ohnmächtig war, doch dann sah er die Bewegungen seiner Lippen.
»Ihm geht es schlecht«, informierte Dainte. »Es ist ein Wunder, dass er hier in einem Stück angekommen ist.«
Und damit übertrieber nicht. Seine Hand hing nur noch an Haut und war bis zum Knochen durchtrennt. Die andere war so sehr gebrochen, dass Dainte beim Heilen keinen einzigen, heilen Knochen gefunden hatte. Was ihm jedoch am meisten besorgt, war das schwarze Mal auf seiner Brust.
»Sprich«, forderte Yelir auf, der sich hinabbeugte, um an den Lippen des Mannes zu lauschen.
Es kamen nur leise Worte hervor, die immer wieder durch Husten und Blut, das aus seinem Mund quoll, übertönt wurden. Daher verstand Yelir auch nicht sofort den Sinn dahinter.
Eine Warnung? Eine Drohung? Das alles war es, was die Räuber Yelir geben wollten. Die letzte Möglichkeit, sich aus ihren Angelegenheiten herauszuhalten.
Kaum hatte der Mann seine Worte beendet, zuckte er und verkrampfte sich.
Dainte zog Yelir weg, als er bemerkte, wie sich die Schwärze des Mals über den Körper des Mannes ausbreitete und ihn in wenigen Sekunden förmlich verschlang.
Yelir schluckte und wäre fast gegen den Vorhang getaumelt, so sehr schockierte ihn der Anblick.
Das, was dort auf der Liege lag, war kaum mehr als Mensch zu identifizieren. Eine verbrannte, verstümmelte Mumie vielleicht, oder ein Wesen aus den alten Mythen.
»Er war nur ein Überbringer und sollte nicht am Leben bleiben«, flüsterte Dainte besorgt.
Yelir schluckte. »Verbrenn alles, mit dem er in Kontakt gekommen ist«, wies er Dainte an und hoffte sehr, dass sich dieser nicht beim Versuch ihn zu heilen, angesteckt hatte.
Nach dem Unfall in der Küche waren beide Männer sich bewusst, wie gefährlich diese seltsame Schwärze auf der Haut sein konnte. Jetzt aber hatten sie das erste Mal gesehen, was wirklich dahinter steckte. Es durfte sich auf keinen Fall verbreiten. »Ich werde mich sofort auf den Weg machen und den Ort der Karawane aufsuchen.« Sollten dort derartige Leichen zurückgeblieben sein, müsste er sie verbrennen. Nicht auszudenken, wenn sich Wildtiere oder gar Menschen ansteckten.
Dass es ansteckend war, war zwar noch nicht sicher, doch Yelir würde es so behandeln. Besser Vorsicht als Nachsicht. Vor allem, wenn es sich um eine fremde Magie handelte.
Eine, der sie vielleicht nicht gewachsen waren.
»Was ist los?«, erklang Zunaes fragende Stimme, die sich Sorgen machte. Immerhin war sie es gewesen, die Fürst Dravarn mit dem erneuten Abbau der Magiesteine beauftragt hatte. Damit fühlte sie sich auch in der Verantwortung, herauszufinden, was vorgefallen war und wie sie diese Dinge eindämmen konnte. Die Banditenangriffe nahmen Überhand, was sehr problematisch werden würde. Bei jeder Form des Handels.
Yelir schob den Vorhang ein Stück zurück und schlüpfte hindurch. »Diejenigen, die Fürst Dravars Karawane begleitet haben, sind alle tot«, informierte Yelir, der versuchte möglichst unbefangen zu bleiben. Allerdings traf der Schock in ihrem Gesicht ihn sehr.
»Alle?«, fragte sie und schlug sich die Hand vor den Mund, während sie versuchte, an ihm vorbei zu schielen.
Yelir zwang sich zu einem Nicken. »Ich werde mir die Stelle des Überfalls anschauen müssen«, sagte er, als Zunae nach seinen Händen griff. Ihr Blick war panisch.
»Aber nicht allein, oder?«, fragte sie, denn die Angst, dass er die Gegner unterschätzte, machte sich in ihr breit.
Beruhigend schüttelte Yelir den Kopf. »Ich werde einen meiner Trupps Soldaten mitnehmen«, sagte er ernst. »Der andere wird hierbleiben und auf dich aufpassen. Sie haben die Aufgabe dich zu begleiten, solltest du Kavalare besuchen gehen.«
Zunae wurde blass und spürte eine gewisse Unruhe in sich. Kavalare. Sie hatte Yelir erzählt, dass sie das Dorf gern besuchen wollte, aber gleichzeitig große Angst davor hatte. Allerdings hatte Aarons Brief sie auch motiviert. Niemand dort war ihr böse. Im Gegenteil. Aber dort wäre sie ungeschützt.
Yelir strich ihr sanft über den Hals, weil er sie so daran erinnern wollte, dass sie die Kette nicht mehr trug. Sie konnte auf ihre gesamte Kraft zugreifen.
Bevor Zunae die Geste jedoch verstand, ließ ein angenehmer Schauer über ihren Rücken. Seine Finger waren warm und rau, doch es fühlte sich gut an.
»Du willst, dass ich einen ganzen Trupp Soldaten mitnehme?«, fragte Zunae unsicher. Sie wusste nicht, wie die Bewohner von Kavalare darauf reagierten. Immerhin waren die älteren von ihnen auch einmal Soldaten gewesen, auch wenn sie jetzt nicht mehr in der Lage waren, zu kämpfen. Es gefiel Zunae nicht, dass sie das Dorf, über das sie herrschte mit einem Trupp Soldaten aufsuchen musste. Sie sollte sich nicht derart angreifbar präsentieren.
»Ich will nur sichergehen, dass jemand Kavalare verteidigt, sollte es wieder zu einem Angriff kommen«, erwiderte Yelir, der Zunae ernst anblickte.
Diese verzog das Gesicht. »Das kann ich doch machen«, brummte sie widerwillig.
»Das habe ich gesehen und ich habe keine Lust dich jedes Mal ohnmächtig abzuholen«, bemerkte Yelir noch immer ernst.
Seine Worte sorgten dafür, dass Zunae ein wenig rot um die Nase wurde. »Das wird nicht wieder vorkommen«, versicherte sie. Jetzt ohne Kette konnte sie auf ihre Magie zugreifen und die Gefahr sofort ausschalten.
»Und trotzdem. In der aktuellen Lage wirst du einen Trupp Soldaten mitnehme. Damit sie ein paar der Banditen gefangen nehmen können.«
Zunae sah Yelir an, dass er nicht nachgeben würde, also fügte sie sich seufzend.
Wenn Yelir sich schon die Mühe gemacht hatte, einen Trupp für sie zusammenzustellen, dann sollte sie es nicht ablehnen. Sie hoffte nur, dass es nicht zu unangenehm werden würde.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top